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blu August/September 2019

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DIVERSITY<br />

LUST KENNT<br />

PSYCHOLOGIE<br />

Der Volksmund sagt, Gegensätze<br />

ziehen sich an, und<br />

meint damit weniger Dunkel und<br />

Blond, obwohl auch das oftmals<br />

der Fall ist. Vielmehr bezieht er sich<br />

hier auf Wesenszüge, wenn Freunde<br />

behaupten, diese zwei Menschen<br />

wären sehr verschieden. Welcher Art<br />

sind diese Gegensätze?<br />

Häufig beobachtet man in Beziehungen<br />

einen eher ruhigeren und einen mehr<br />

unternehmungslustigen Menschen. C. G.<br />

Jung fasst diese beiden Haupttypen<br />

unter Extrovertierten und Introvertierten<br />

zusammen. Fast keine längere Beziehung<br />

besteht, ohne dass sich zwei dieser<br />

unterschiedlichen Protagonisten gefunden<br />

hätten. Was kennzeichnet diese Unterschiede<br />

im Alltag? Nun, der eine würde<br />

gerne etwas Neues erleben und der andere<br />

Gewohntes vertiefen. Beide scheinen<br />

aber den Wunsch zu haben, ihre Unterschiedlichkeit,<br />

und häufig Quelle täglichen<br />

Streits, auszuhalten, sodass man bei ihrem<br />

Miteinander von einem existenziellen<br />

Bedürfnis sprechen muss.<br />

KEINE MORAL!<br />

Schon der biblische Schöpfungsmythos<br />

kennt die existenzielle Notwendigkeit,<br />

dass sich zwei Menschen ergänzen. „Sie<br />

werden ein Leib sein“, heißt es in Genesis<br />

2,24. Stärker kann man sich nicht ergänzen.<br />

Ein Wunsch, der nach Erich Fromm<br />

die Triebfeder unserer Paarsuche ist. Man<br />

fühlt sich unvollständig, ja ergänzungsbedürftig,<br />

und hält deshalb nach einem<br />

Objekt Ausschau, das diesen Zustand abmildert,<br />

indem es den eigenen Mangel ausgleicht.<br />

Für Fromm hat dieser Findungsakt<br />

einen starken Warencharakter, werden<br />

doch Vereinbarungen getroffen, bei dem<br />

beide das Gefühl haben, einen gleichwertigen<br />

Tausch zu vollziehen.<br />

Kein BBB – so hieß es früher in Kontaktanzeigen,<br />

womit Brille, Bart und Bauch gemeint<br />

waren. In einer Kölner Sauna wurde<br />

sogar ein sogenannter „Fettabscheider“<br />

in den Cruisingbereich gebaut, der nur<br />

Besucher mit einer bestimmten Statur<br />

Durchlass gewährte. Die Moralisten von<br />

heute würden heißlaufen bei ihrem nächsten<br />

Shitstorm! Auch die Sprache auf den<br />

gegenwärtigen Datingplattformen lässt an<br />

Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig –<br />

und damit tief blicken. Keine Alten, keine<br />

Fetten, keine Transen kann man dort lesen.<br />

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich<br />

daraus hinsichtlich der Ergänzungsbedürftigkeit?<br />

Auf der unbewussten Ebene ist<br />

die Abwehr von Weiblichkeit, wie die einer<br />

Transe, ein Indikator dafür, dass die eigene<br />

Weiblichkeit bereits so dominant ist, dass<br />

mehr davon keine sinnvolle Ergänzung<br />

wäre. Viele Präferenzen sind psychologisch<br />

betrachtet Hilferufe nach Linderung des<br />

eigenen Mangels. Daher ist der Sexualakt<br />

auch perfekt geeignet, diesem Mangel<br />

entgegenzuwirken. Das Objekt meines<br />

Ergänzungswunsches wird quasi mit mir<br />

auch körperlich verschmolzen.<br />

Es macht daher keinen Sinn, die Suche<br />

nach einem Araber als Fetisch und die<br />

Ablehnung eines Asiaten als Rassismus<br />

zu bewerten. Bei der Assimilation von Andersartigkeit<br />

wird zu Selbstergänzung ein<br />

reales, individuelles Objekt benötigt, aber<br />

keine Gruppenaussage getroffen. Der Versuch<br />

von Grindr, psychologisch begründete<br />

Sexualpräferenzen zu „Hassbotschaften“<br />

zu stilisieren, greift daher ins Leere. In eine<br />

Leere, die reife Persönlichkeiten mit Frustrationstoleranz<br />

gefüllt haben, während<br />

andere infantil geblieben sind. Auswahl<br />

ist immer auch Ausschluss. Eine robuste<br />

Psyche wird daher eine Zurückweisung<br />

als solche erkennen und nicht als einen<br />

Akt der Diskriminierung. Es wird ohnehin<br />

amüsant zu beobachten, wie Grindr die<br />

vermeintlichen Hassbotschaften erfassen<br />

will. Der Kundensupport war in der Vergangenheit<br />

schon ein Desaster – zum Glück!<br />

*Olaf Alp

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