blu August/September 2019
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MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
ADAM<br />
LAMBERT:<br />
„Ich wollte die volle Dosis!“<br />
Aber du schon, oder?<br />
Ja, aber der Schlüssel ist, die Auftritte zu<br />
genießen und nicht zu hart zu sich selbst<br />
zu sein. Auch das ist eine Form der Disziplin<br />
– nicht überanalysieren!<br />
Ist es ein großer Unterschied, wenn<br />
du deine eigenen Songs singst?<br />
Ich habe festgestellt, dass ich mich härter<br />
beurteile, wenn ich die Queen-Songs<br />
singe, weil die Latte so hoch liegt. Man<br />
vergleicht mich sowieso schon mit Freddie.<br />
Mit deinen Liedern kannst du es<br />
lockerer angehen lassen?<br />
Wenn ich solo auftrete, ist es meine Show!<br />
Ich habe mehr Freiheit – aber auch mehr<br />
Druck, weil es Musik ist, die noch nicht den<br />
Test der Zeit bestanden hat. Bei Queen<br />
kann jeder jeden Text mitsingen – meine<br />
Sachen sind einfach neu.<br />
Auch wenn er in „Bohemian<br />
Rhapsody“ nur einen Cameo-<br />
Auftritt hat, ist Adam Lambert seit<br />
vielen Jahren die Stimme, mit der<br />
Queen um die Welt touren. Auch<br />
seine Solokarriere ist im Höhenflug,<br />
wie das neue Album „Velvet“ beweist.<br />
Wir trafen den gut gelaunten<br />
Charmeur auf einen Schwatz im<br />
Soho House Berlin.<br />
Du kennst die Stadt gut, oder?<br />
Ich habe in Berlin gelebt, als ich in „Hair“<br />
mitgespielt habe. Das war 2003, wenn ich<br />
mich richtig erinnere … Es ist so lange her!<br />
Du warst jung und Berlins Nachtleben<br />
legendär. Warst du mittendrin oder<br />
gab es nur die Arbeit?<br />
Oh nein! Ich habe viele Erfahrungen<br />
gemacht – und viele davon zum ersten<br />
Mal! (lacht) Ich war feiern, zum Beispiel im<br />
KitKatClub. Ich wollte die volle Dosis! Wir<br />
lernten schnell Einheimische kennen und<br />
die zeigten uns wirklich alles.<br />
Hast du heute noch die Zeit, so<br />
einzutauchen?<br />
In dieser Art von Klub war ich schon lange<br />
nicht mehr. Wenn ich auf Tour bin, muss<br />
ich auf mich achtgeben, vor allem auf<br />
meine Stimme.<br />
Ist es beängstigend, dass dein Leben<br />
so von deiner Stimme abhängt?<br />
Es löst schon leicht neurotische Tendenzen<br />
aus. Wenn man so oft mit dem<br />
Flugzeug reist, bekommt man leicht eine<br />
Erkältung. Ständig veränderte Temperaturen,<br />
Wetter, Allergien … Ich bin da ein<br />
bisschen zum Hypochonder geworden.<br />
Aber wenn ich mit Queen unterwegs bin,<br />
singe ich oft so laut, dass niemand die<br />
kleinen Unsauberkeiten hört.<br />
Du hast dir viel Zeit mit dem Album<br />
gelassen.<br />
Wenn du Kreativität erzwingst, fühlt es<br />
sich falsch an. Mit diesem Album wollte ich<br />
alles in Ruhe machen. Ich bin kein geduldiger<br />
Mensch, aber ich sagte mir: ein Schritt<br />
nach dem anderen.<br />
Auf der Bühne sein zu wollen ist das<br />
eine, aber jeder Schritt, den du tust,<br />
ist ein öffentlicher. Wie lebst du<br />
damit?<br />
Früher hat es mich überwältigt, aber man<br />
gewöhnt sich daran. Und man lernt. In<br />
den Anfängen von Twitter habe ich ein<br />
paar Sachen rausgehauen, die mich in den<br />
Hintern gebissen haben. Jetzt suche ich<br />
mir die Momente, Leute vor den Kopf zu<br />
stoßen, sehr genau aus.<br />
Was du in vielen Ländern ja schon<br />
tust, weil du bist, wer du bist.<br />
Oh ja! Schwulsein! Aber es ist halt so: Ich<br />
kann nur sein, wer ich bin. Und ich kann<br />
damit nur so ehrlich und offen umgehen<br />
wie möglich – und dafür entschuldige ich<br />
mich nirgends und bei niemandem! Ich<br />
weiß, dass es viele Orte gibt, an denen das …<br />
anders gesehen wird. Aber denen schenke<br />
ich nicht meine Energie. Es gibt so viele, die<br />
das Leben mit mir feiern.<br />
Wie ist es, wenn du trotzdem in<br />
solche Länder kommst? Beispiel<br />
Russland.<br />
Es ist lange her, dass wir dort waren. Das<br />
letzte Mal vor acht Jahren. Als ich auf einer<br />
Solotour dort war – ich weiß nicht mehr<br />
genau wann – wurden gewisse Drohungen<br />
gemacht … Daraus zieht man seine Schlüsse:<br />
Okay, dann eben nicht! Aber in Polen war es<br />
großartig! Hoffentlich können die russischen<br />
Fans einfach dahin kommen.<br />
*Interview: Christian K.L. Fischer<br />
FOTO: JOSEPH SINCLAIR