akzent Magazin September '19 GB
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
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MODENSEE<br />
AUS DEM<br />
BREGENZERWALD<br />
IN DIE WELT<br />
24<br />
Feinstes, schwarz gefärbtes Leinen, auf einer<br />
über 100 Jahre alten Maschine mit Glanz veredelt,<br />
von Hand in 500 Falten gelegt – das ist<br />
der Stoff, aus dem der Traum der Wälderinnen<br />
ist. Das jahrhundertealte Handwerk der<br />
Juppenstoffherstellung wird heute nur noch<br />
in der Juppenwerkstatt Riefensberg im Bregenzerwald<br />
gepflegt. Die Leidenschaft und<br />
Liebe zum Kulturerbe, mit der hier gearbeitet<br />
wird, fasziniert. So sehr, dass manchmal<br />
auch internationale Designer einen Blick<br />
reinwerfen, um etwas zu lernen.<br />
Man sagt, die Juppe sei der ganze Stolz einer<br />
Wälderin. Die Frauentracht des Bregenzerwaldes,<br />
mit Mieder, langem Rock und eleganten<br />
Ärmeln kann allerdings nirgendwo gekauft<br />
werden. Jede Juppe ist eine Einzelanfertigung,<br />
für die bis 170 Arbeitsstunden benötigt werden.<br />
Die Frauen und Mädchen begleiten den<br />
Prozess selbst: Der Weg führt vom Stoffeinkauf<br />
in der Juppenwerkstatt weiter zu den<br />
Näherinnen, Stickerinnen und Knüpferinnen<br />
bis zu den Hut-, Kappen- oder Schappalemacherinnen<br />
(Schappale = Flitterkrone). In der<br />
Summe ist mit rund einem Jahr zu rechnen, bis<br />
der Traum von der eigenen Juppe wahr wird.<br />
Gut Ding muss Weile haben<br />
In einem unglaublich langen Prozess wird der<br />
steife, glänzende und in Falten gelegte Juppenstoff<br />
– nach der Überlieferung des letzten Bregenzerwälder<br />
Juppenfärbemeisters – hergestellt.<br />
Feinstes, schwarz gefärbtes Leinen, welches in<br />
Deutschland gewoben wird, wird zunächst<br />
appretiert, um die typische, stark glänzende<br />
Oberfläche und die Steife zu erreichen. Hierzu<br />
wird ein spezieller Leder-/ Knochenleim selbst<br />
hergestellt. Jetzt kommt 90 Minuten lang die<br />
sogenannte Glästmaschine zum Einsatz, die<br />
bereits seit 1909 ihren Dienst tut. Mit ihr erhält<br />
der Juppenstoff durch Druck, Reibung und<br />
Wärme den Glanz. Mit jedem Durchgang mehr,<br />
wobei das Schwarz immer tiefer wird. Das Finale<br />
findet schließlich an der Fältelmaschine aus den<br />
1870er-Jahren statt: Eine 480 Zentimeter lange<br />
Stoffbahn wird in rund 500 Falten gelegt. Doch<br />
nach appretieren, glästen und fälteln geht’s<br />
noch lange nicht an die Nähmaschine. Erst<br />
nach einem halben Jahr ist der Stoff zur Weiterverarbeitung<br />
geeignet. Er muss quasi noch<br />
reifen, damit seine steife Elastizität dauerhaft<br />
von Schönheit ist.<br />
Bei so viel Aufwand ist auch nachvollziehbar,<br />
dass hier nur auf Bestellung und in geringer<br />
Stückzahl gearbeitet wird. Gerne geben aber<br />
die Menschen, die hier mit so viel Traditionsbewusstsein<br />
leidenschaftlich arbeiten, ihr Wissen<br />
auch weiter. Neben Führungen, begleitet durch<br />
eine Kunsthandwerkerin, bieten sie auch Kurse<br />
zum Erlernen textiler Techniken an. Auch so<br />
kommt man dem Ziel, dieses Kulturerbe in die<br />
Zukunft zu führen, ein Stückchen näher. (th)<br />
Juppenwerkstatt Riefensberg<br />
Dorf 52, A-6943 Riefensberg<br />
+43 (0)5513 83 56 15<br />
www.juppenwerkstatt.at<br />
Mai-Oktober, Di 10-12 Uhr, Fr 10-12 Uhr<br />
+ 14-16 Uhr und täglich nach Vereinbarung<br />
bis 31.10.2019<br />
Sonderausstellung<br />
Falten, Krausen, Plissee. Trachten vor und<br />
hinter dem Arlberg<br />
Die Juppenwerkstatt öffnet auch am 05.10.<br />
ihre Türen zur ORF Lange Nacht der<br />
Museen (siehe S. 68).<br />
FOTOS: BREGENZERWÄLDERIN: MARIA ROSE STEURER-LANG<br />
JUPPENWERKSTATT ARCHITEKTUR: DIETER EGE