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KOLUMNE [ ZWISCHENRUF ]<br />
Zwischen Übergangsjacke<br />
und Untergangsstimmung<br />
EIN ZWISCHENRUF VON MARTINA FRIGGE-FILBIR<br />
Da ist er wieder, der Herbst oder auch<br />
„Übergangszeit zwischen Sommer und<br />
Winter“ genannt. In den Geschäften ist<br />
er bereits angekommen, in der Natur<br />
noch nicht so richt<strong>ig</strong>, jedenfalls was<br />
die Temperaturen vor meinem Fenster<br />
angeht, während ich diesen Text<br />
schreibe.<br />
Da traf ich doch gerade zwischen<br />
Supermarktregalen auf einen älteren<br />
Herrn in Shorts, knallgrünen Socken<br />
und Sandalen, der sich fröhlich pfeifend<br />
Gewürzspekulatius und Lebkuchenherzen<br />
in den Einkaufswagen packte. Jetzt<br />
ist es wieder so weit, dachte ich, leicht<br />
panisch. Denn innerlich bin ich mit dem<br />
Sommer noch lange nicht fert<strong>ig</strong> und es<br />
fällt mir schwer, mich an den Gedanken<br />
zu gewöhnen, auf etwas wärmere<br />
Kleidung, also auf Übergangskleidung,<br />
umzuschwenken. Denn jetzt haben sie<br />
wieder Hochkonjunktur, die multifunktionalen<br />
Jacken und Hosen, mit denen wir<br />
für jede Eventualität gerüstet sind: Denn<br />
für brüllend heiß bis zum plötzlichen<br />
Herbststurm mit Hochwasser sollten<br />
die Kleidungsstücke schon passend<br />
sein. Und so finden sich wieder zuhauf<br />
Jacken mit Lüftungsschlitzen unter den<br />
Armen und mit Reißverschlüssen an<br />
allen möglichen Stellen in den Regalen<br />
der Geschäfte ein. Meist mit Kapuze im<br />
Kragen eingerollt, vollkommen formlos<br />
und somit an Eleganz kaum zu unterbieten.<br />
Die Hosen tun es ihnen gleich,<br />
gerne mit Reißverschlüssen auf Kniehöhe.<br />
Schließlich möchten Frauen und<br />
Männer ja bei großer Hitze noch einmal<br />
spontan Bein ze<strong>ig</strong>en können. Farblich<br />
setzt die multifunktionale Übergangskleidung<br />
auch in diesem Jahr wieder auf<br />
die Farben des Weltuntergangs. Also auf<br />
Be<strong>ig</strong>e, Schwarz und Grau, oft mit dezent<br />
abgesetzten Leuchtstreifen.<br />
Wer denkt sich so was aus? Sollen hier<br />
künstlich Herbstdepressionen geschaffen<br />
werden? Denn die bekomme ich angesichts<br />
solcher Kleidung, die an Farbund<br />
Formlos<strong>ig</strong>keit kaum zu überbieten<br />
ist. Dabei ist der Herbst doch e<strong>ig</strong>entlich<br />
für seine Farben bekannt. Nie sind die<br />
Bäume schöner anzusehen als wenn sich<br />
ihre Blätter bunt färben. Sollen wir da<br />
mit unserer Kleidung miesepetr<strong>ig</strong> als<br />
Gegenpart fungieren? Niemals, denn<br />
spätestens wenn die Farbenpracht der<br />
Bäume gen Winter hin langsam vergeht<br />
und es draußen wirklich trübe und grau<br />
wird, müssen wir gewappnet sein. Dann<br />
sollten wir unsere Gedanken und Gefühle<br />
so hell und bunt wie irgend möglich<br />
gestalten. Haben Sie deshalb bereits im<br />
Herbst Mut zur Farbe! Der Regen wirkt<br />
gleich viel schöner unter einem roten<br />
oder bunt getupften Regenschirm, der<br />
nebenbei auch die Gesichtshaut gleich<br />
viel frischer erscheinen lässt. Wenn<br />
Herbststürme toben und sich wettermäß<strong>ig</strong><br />
Untergangsstimmung breitmacht,<br />
trotzen Sie dieser mit einem fröhlich<br />
gelben Friesennerz oder anderen Farben!<br />
Selbst ein paar bunte Gummistiefel<br />
machen schon viel aus. Dabei ist es dem<br />
Herbst ja vollkommen egal, welche<br />
Kleidung und Farben wir tragen, unserer<br />
Seele aber nicht. Die ist übr<strong>ig</strong>ens auch<br />
multifunktional, hat es aber definitiv viel<br />
lieber, mit Buntem und Schönem gefüttert<br />
zu werden. In diesem Sinne: Lassen<br />
Sie uns recht bald, bunt<br />
gekleidet genussvoll<br />
Spekulatius und Co<br />
futtern.<br />
Ihre Martina<br />
Fr<strong>ig</strong>ge-Filbir<br />
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