25.09.2019 Aufrufe

10_2019 HEINZ MAGAZIN Wuppertal, Solingen, Remscheid

  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

©Gabor Kotschy /A24<br />

R<br />

ituale und Traditionen zur Sommersonnenwende wollen<br />

der Anthropologiestudent Christian und seine Freunde in<br />

der schwedischen Kommune Hårga beobachten. Auch mit dabei:<br />

Christians traumatisierte Freundin Dani. Diese dysfunktionale, ja gar<br />

masochistische Beziehung ist es, die Regisseur und Drehbuchschreiber<br />

Ari Aster in„Midsommar“ zum Mittelpunkt macht. Wer also klassischen<br />

Horror erwartet, wird enttäuscht. Air Aster ist nicht interessiert<br />

anSchockern oder Ekelszenen, auch wenn „Midsommar“ einige<br />

grausig explizite Bilder parat hält. Der Fokus liegt auf der metaphorischen<br />

Qualität, mit der Aster über krankende Beziehungen<br />

und Trennungen spricht. In„Midsommar“ porträtiert erdazu die<br />

entfremdete Romanze zwischen<br />

Dani und Christian, die<br />

zu Anfang sehr greifbar, echt<br />

und ehrlich inszeniert wird<br />

und dann immer mehr inmetaphorische<br />

Ebenen erhoben<br />

wird. Was Aster über das Zwischenmenschliche<br />

zu sagen<br />

hat, ist das wahre Grauen diesesFilmes.<br />

Dazu gesellen sich durch die schwedische Dorfgemeinschaft Explorationen<br />

vonGruppendynamik und wieTraditionen Verhaltenlegitimisieren.<br />

Nicht selten stellt der Film ein kulturanthropologisches Interesse<br />

am Geschehen vor die eigentliche Handlung, nicht nur im<br />

Blickauf die kultischeDorfgemeinschaft,sondernauchinSzenen, in<br />

denen die gerne mal plumben Amis unbeholfen mit ihnen fremden<br />

Kulturen agieren wollen.<br />

Im unausweichlichen Vergleich zu Ari Asters Erstwerk „Hereditary“,<br />

dass vor allem durch ununterbrochene Anspannung und dichtes<br />

Storytelling brillierte, setzt sich „Midsommar“ mit sinistrem Humor<br />

ab. Perfide gesetzte Spitzen entlocken Zuschauern immer wieder<br />

ein ungläubiges Auflachen –eine Kompensationshandlung in Situationen,<br />

die so verstörend sind, dass man ihre Absurdität weglachen<br />

will. Esist diese Lust amLeiden, die einem abwechselnd Schweiß<br />

und Tränen abverlangt. Indiesem Sinne hat Aster sein Publikum<br />

stets im Griff. Nicht ganz sofest geschnürt scheint dafür aber das<br />

Paket mit Motiven und Themen. Die zentrale Untersuchung einer<br />

zerfallenden Beziehung gerät immer mal wieder aus dem Fokus<br />

und wird nicht immer stringent verfolgt. Ist der Inhalt auch kompliziert<br />

verschlüsselt, kommt bei der Optik von „Midsommar“ kein Fragezeichen<br />

auf. Esist ein wunderschön geschossener Film, der es<br />

wagt, all seine Gräuel imhellen Tageslicht abzuspulen und ihre Ästhetik<br />

zu präsentieren. Mit aufwändig gebauten Sets eines ganzen<br />

Dorfes samt folklorischer Interieurs und Kostüme überzeugt zudem<br />

jede Kulisse. Ebenfalls ohne Frage großartig ist Hauptdarstellerin<br />

Florence Pugh, die gerade auf direktem Weg Richtung Hollywoodolymp<br />

steuert.<br />

„Midsommar“ ist pittoresker, trippiger Folklore-Horror, der sich Genrekonventionen<br />

verweigert und Zuschauer auf eine nicht einfache<br />

und absichtlich verwirrende Sinnsuche schickt. Es ist schön sperriges<br />

und wunderbar<br />

seltsames Kino von<br />

einem der interessantesten<br />

Filmemacher<br />

unsererZeit.<br />

LukasVering<br />

❚ MIDSOMMAR USA,HUN <strong>2019</strong><br />

R: AriAster; D: Florence Pugh,Jack<br />

Reynor,WillPoulter; Start: 26.9.<br />

©Csaba Aknay /A24<br />

<strong>10</strong>.<strong>2019</strong>| <strong>HEINZ</strong> |53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!