12.10.2019 Aufrufe

Clubheft 2019 fertig

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Martin: Ich habe sehr viel Fachliteratur gelesen, war im Internet unterwegs und arbeitete mich durch Begriffe<br />

wie Cross-Dressing und Cisgender. Letztlich hat mir aber am meisten geholfen, dass mir die Produktion ermöglichte,<br />

mich am Set der Lindenstraße mit echten Transfrauen zu treffen. Hier durfte ich wirklich alle Fragen<br />

stellen und erfuhr sehr schnell, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger,<br />

als um ein glückliches und selbstbestimmtes Leben. Das klingt so selbstverständlich, ist es aber für viele<br />

betroffene Transgender leider noch nicht. Es gibt alle Formen von Selbstakzeptanz und Nicht-Akzeptanz.<br />

Marcel: Was war Dein erster Gedanke, als Du in Frauenkleidern vor der Kamera standest?<br />

Martin: Ich muss nicht versuchen, eine Transfrau zu spielen, sondern ich muss mich in eine Frau hineinversetzen.<br />

Transfrauen sind von Geburt an Frau, nur im falschen Körper. Sie denken auch nicht wie ein Mann. Es<br />

soll natürlich aussehen, auch wenn es nicht von Anfang an perfekt sein kann.<br />

Marcel: Deine Rolle hat, nachdem die Transgender-Geschichte in der Lindenstraße deutlich wurde, sehr stark<br />

polarisiert. Wie bist Du mit dem Feedback der Zuschauer umgegangen? Hättest Du gedacht, dass eine solche<br />

Storyline auch 2016 noch derart für Aufregung sorgt?<br />

Martin: Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sunny so viele Zuschauerreaktionen auslösen würde. Es kamen<br />

von Anfang an jede Menge positive Nachrichten über die sozialen Netzwerke, auch speziell das Feedback von<br />

Transgendern. Mir wurde dadurch bewusst, dass ich mit meiner schauspielerischen Arbeit in der Lindenstraße<br />

anderen Menschen die Augen öffnen kann, ihnen Kraft gebe und sie indirekt vielleicht darin unterstütze, für<br />

ihr eigenes Leben Entscheidungen zu treffen. Das erfüllt mich schon mit Stolz, das darf ich sagen. Natürlich<br />

gibt es aber auch negative Kommentare und Nachrichten im Internet, von Leuten, die es abscheulich und<br />

widerlich finden, einen Mann in Frauenkleidern zu sehen. Ich hoffe, dass Sunny dazu beitragen kann, den<br />

Zuschauern das Transidentitätsthema näherzubringen, und es der Lindenstraße damit gelingt, für mehr Toleranz<br />

und Akzeptanz zu werben. Alle Nörgler wird man nie zufriedenstellen können. "Ich brauche den Sport"<br />

Marcel: Du hast einen muskulös definierten Körper. Viele Männer werden da neidisch sein – aber ist nicht<br />

speziell Dein Körper dann auch ein Problem für die Darstellung von Sunny?<br />

Martin: Ich kann zum Glück relativ schnell Muskelmasse antrainieren. Für viele Filme werde ich auf eher<br />

männlich-sportive Rollen besetzt, wofür mein Aussehen dann gut passt. Ich versuche aber, diese Projekte so<br />

zu terminieren, dass immer auch noch Zeit bleibt, um vor den nächsten Drehs für die Lindenstraße dann<br />

wieder Muskelmasse zu verlieren. Sunny ist als Rolle nicht androgyn ausgelegt. Das erleichtert vieles. Ich<br />

brauche den Sport, er gehört zu meinem Leben und macht mir Spaß. Ich mag meinen Körper, so wie er ist.<br />

Marcel: Wie sicher bist Du inzwischen auf Highheels?<br />

Martin: Sehr sicher! Ich muss nicht mehr trainieren, schlüpfe in Sunnys Stöckelschuhe und lege los. ...<br />

Wer kennt sie noch?<br />

Ensemble 1988 / WDR<br />

- 36 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!