25.10.2019 Aufrufe

The Red Bulletin November 2019 (DE)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SCHWEIZ<br />

NOVEMBER <strong>2019</strong>, CHF 3.80<br />

ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />

SVEN<br />

SCHELKER<br />

Wie der Schweizer<br />

Schauspieler<br />

sein Leben<br />

als Abenteuer<br />

durchzieht<br />

RAF CAMORA<br />

Warum der Rap-Superstar<br />

am Zenit seines Erfolgs aufhört –<br />

und wie es weitergeht<br />

JETZT ABONNIEREN!<br />

GETREDBULLETIN.COM


Tarraco Style 2.0 TDI, 150 PS, 7-Gang-DSG, 4Drive, 5-Türer, Barkaufpreis Fr. 43’200.–, abzüglich Fr. 1’000.– Advantage-Prämie, abzüglich 4x4 for free-Prämie Fr. 2’050.– = Nettopreis<br />

Fr. 40’150.– oder Fr. 349.–/Monat. Empfohlener Verkaufspreis inkl. MwSt. (unverbindliche Preisempfehlung des Importeurs AMAG Import AG). Normverbrauch gesamt 5.6 l/100 km, 146 g CO 2<br />

/km<br />

(137 g Ø Neuwagen), 24 g CO 2<br />

/km Energie Bereitst. Energieeffizienzkategorie: D. Angebot gültig bis 31.10.<strong>2019</strong>. Leasing: effektiver Jahreszins 1.92%, Laufzeit 48 Monate (10’000 km/Jahr),<br />

Sonderzahlung 20%, exkl. obligatorischer Vollkaskoversicherung. Die Kreditvergabe ist verboten, falls sie zur Überschuldung des Konsumenten führt. Laufzeit: 1.9.–31.10.<strong>2019</strong> für alle Neuwagen<br />

der Marke SEAT bei Finanzierung über AMAG Leasing AG. Nur bei teilnehmenden Partnern.<br />

Der neue Tarraco<br />

jetzt mit<br />

· 4x4 gratis<br />

· 1.9% Leasing<br />

Mehr unter: seat.ch/4Drive


E D I T O R I A L<br />

WILLKOMMEN<br />

HÖHEN<br />

& TIEFEN<br />

PASCAL KEROUCHE (COVER), TOBIAS FRIEDRICH<br />

EISKALT<br />

ERWISCHT<br />

Selfie bei null Grad:<br />

von Boetticher (li.)<br />

mit Tobias Friedrich.<br />

Mehr Bilder<br />

des Starfotografen:<br />

ab Seite 20<br />

Als RAF Camora Ende August seiner Heimatstadt<br />

Wien einen Besuch abstattete, lösten die ebenso<br />

spontan wie zahlreich herbeigeeilten Fans einen<br />

Grosseinsatz der Polizei aus. Nachdem er sein<br />

letztes Album veröffentlicht hatte, sorgten die<br />

13 Songs in den Top 15 der Charts für eine<br />

Änderung der Zählweise.<br />

Der 35-Jährige steht<br />

am Höhepunkt seiner<br />

Rap-Karriere. Und genau<br />

deshalb beendet er sie.<br />

Warum das Sinn ergibt,<br />

verrät er im Interview<br />

ab Seite 40.<br />

Weniger Höhepunkte,<br />

sondern vielmehr tiefe<br />

Stellen sind das Ziel von<br />

Apnoe- Taucherin Anna von Boetticher. Diesmal hat<br />

es die Deutsche nach Grönland in einen gefrorenen<br />

Fjord verschlagen. Ab Seite 20 tauchst du mit ihr<br />

ab. Vorausgesetzt, dich schrecken minus 27 Grad<br />

Aussentemperatur nicht ab.<br />

Viel Spass mit der<br />

neuen Ausgabe von<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />

Die <strong>Red</strong>aktion<br />

FRAGE: WIE SORGEN<br />

STYROPORBECHER<br />

WIE DIESER FÜR ACTION?<br />

Antwort: auf Seite 49<br />

STILBEWUSST<br />

Schwarzes Cap, Brille, Nike-Shirt,<br />

dunkle Hosen, helle Sneakers.<br />

Autor Jonas Vogt (re.) hat sich<br />

offensichtlich minutiös auf RAF<br />

Camora vorbereitet. Das Ergebnis<br />

des Treffens: ab Seite 40<br />

75 %<br />

aller Spiele hat PostFinance Helix<br />

bislang gewonnen. Um die Quote<br />

weiter zu steigern, trainiert das<br />

Schweizer E-Sport-Team nicht nur<br />

an den Bildschirmen, sondern auch<br />

körperlich hart: ab Seite 58<br />

3


INHALT<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

<strong>November</strong> <strong>2019</strong><br />

78<br />

FLUGKÜNSTLER Tom Noonan kennt nichts<br />

Erhebenderes als den freien Fall in Nepal.<br />

COVERSTORY<br />

40 ABGANG MIT ANSAGE<br />

Er hat Rap neu definiert und<br />

die Charts dominiert. Er füllt<br />

Arenen, begeistert Millionen.<br />

Nun hört er auf. Uns verrät RAF<br />

Camora, was dahintersteckt.<br />

TAUCHEN<br />

20 EISKALT DURCHGEZOGEN<br />

Anna von Boetticher hat Grönlands<br />

spektakuläre Unterwasserwelt<br />

erforscht. Tauch mit ein!<br />

HOLLYWOOD<br />

34 VOR IHR ZITTERT<br />

<strong>DE</strong>R TERMINATOR<br />

Linda Hamilton kämpft als Sarah<br />

Connor gegen Killer-Maschinen.<br />

Und gegen überholte Ansichten.<br />

DANCE<br />

36 TANZ WIE EIN FIGHTER<br />

Poppin’ C ist im Street Dance<br />

Weltklasse. Weil sein Vater ihn<br />

Disziplin gelehrt hat.<br />

6 GALLERY<br />

12 ZAHLEN, BITTE!<br />

14 KOLUMNE<br />

16 FUNDSTÜCK<br />

18 LIFE HACKS<br />

48 INNOVATOR<br />

<strong>DE</strong>SIGN<br />

38 IN TOP-FORM<br />

ZUM TRAUMJOB<br />

Julian Hönig ist Designer bei<br />

Apple. Und eine Inspiration<br />

für alle Träumer.<br />

FILM<br />

50 OHNE WENN UND ABER<br />

Sven Schelker macht keine<br />

halben Sachen. Schon gar nicht,<br />

wenn er den Umweltaktivisten<br />

Bruno Manser darstellt.<br />

E-SPORT<br />

58 SPORTLICHER,<br />

ALS MAN <strong>DE</strong>NKT<br />

Warum sich die Profi-Gamer<br />

von PostFinance Helix nicht<br />

mit flinken Fingern begnügen.<br />

SUMŌ<br />

64 SCHWERES ERBE<br />

Wie sich der traditionelle<br />

japanische Ringsport in den<br />

USA weiterentwickelt.<br />

96 IMPRESSUM<br />

98 PERFEKTER ABGANG<br />

50<br />

VERWANDLUNGSKÜNSTLER Sven Schelker<br />

wirkt in jedem seiner Filme authentisch.<br />

40<br />

AUSNAHMEKÜNSTLER RAF Camora tritt<br />

ab – aber nicht ohne einen Masterplan.<br />

APACHE PRODUCTIONS, NORMAN KONRAD, PASCAL KEROUCHE, TOBIAS FRIEDRICH<br />

4 THE RED BULLETIN


«Ich bin eine<br />

gestandene<br />

Frau, die<br />

etwas<br />

bewegen<br />

kann.»<br />

LINDA HAMILTON<br />

Die US-Schauspielerin<br />

über Lebenserfahrung als<br />

unterschätzte Stärke.<br />

Seite 34<br />

20<br />

EISKÜNSTLERIN<br />

Anna von Boetticher wagt<br />

einen Apnoe-Tauchgang<br />

im zugefrorenen Fjord.<br />

guide<br />

<strong>DE</strong>IN PROGRAMM<br />

78 REISEN<br />

Für passionierte Wolken-<br />

Kratzer: Skydiving am<br />

Mount Everest<br />

82 EVENTS<br />

Von Action bis Networking:<br />

die Pflichttermine<br />

des Monats<br />

84 ENTERTAINMENT<br />

<strong>Red</strong> Bull TV-Highlights,<br />

live und on demand<br />

86 UHREN<br />

Präzise, funktional,<br />

stilvoll – 33 Modelle<br />

für jedes Handgelenk<br />

THE RED BULLETIN 5


G A L L E R Y<br />

Bali, Indonesien<br />

LEUCHTSCHIRM<br />

Paragleiter Ivan Fominykh hat eine in allen Regenbogenfarben<br />

schillernde Spur in den Abend himmel<br />

gezaubert. Was wie ein sphärisches Naturschauspiel<br />

erscheint, hat Fotograf Serge Shakuto präzise<br />

geplant: LED-Licht band am Schirm, 20 Sekunden<br />

Belichtung – perfekt! @shakuto<br />

SERGE SHAKUTO/RED BULL ILLUME<br />

6 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 7


G A L L E R Y<br />

Singapur<br />

KURVEN UND<br />

SCHATTEN<br />

Diese Aufnahme wurde auf Instagram in die<br />

Shortlist von <strong>Red</strong> Bull Illume, dem weltweit<br />

grössten Fotowettbewerb für Abenteuer- und<br />

Actionsportarten, gewählt. Fotograf Ebrahim<br />

Adam benützte dafür eine Drohne – die Vogelperspektive<br />

arbeitet die Geometrie des Skatens<br />

besonders plakativ heraus. @ebra_cadabra<br />

EBRAHIM ADAM/RED BULL ILLUME<br />

8 THE RED BULLETIN


Yucatán, Mexiko<br />

HEILIGE RUHE<br />

Zusam men gekauert wie ein ungeborenes Baby<br />

versinkt Taucherin Marianne Aventurier in einer<br />

Doline. So heisst ein mit Süsswasser ge füllter<br />

Kalktrichter auf Deutsch. Beim Volk der Maya<br />

auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán nennt<br />

man sie Cenote, heilige Quelle – und wer das<br />

Bild sieht, ahnt, warum. @alexvoyer_fisheye<br />

ALEX VOYER/RED BULL ILLUME<br />

THE RED BULLETIN 9


G A L L E R Y<br />

10 THE RED BULLETIN


Paris, Frankreich<br />

MUMBAI-MOVES<br />

Er gilt als Frankreichs bester B-Boy: Gestenreich<br />

bereitet sich Khalil Chabouni, 27, auf das Finale<br />

von <strong>Red</strong> Bull BC One im indischen Mumbai vor.<br />

Dort treten die besten Breakdancer der Welt<br />

am 9. <strong>November</strong> gegeneinander an. <strong>Red</strong> Bull TV<br />

überträgt die Entscheidung live.<br />

redbull.com/bcone<br />

LITTLE SHAO<br />

THE RED BULLETIN 11


Z A H L E N , B I T T E !<br />

30 Jahre Mauerfall<br />

UND NUN<br />

ALLE ZUSAMMEN!<br />

Vor dreissig Jahren fiel die Berliner Mauer. Warum weder David Hasselhoff noch<br />

Angela Merkel dafür verantwortlich waren und wo die letzte erhaltene Mauertür lagert –<br />

zwölf steinharte Zahlen zum Ereignis, mit dem die deutsche Wiedervereinigung begann.<br />

48<br />

Kilometer schwamm Peter<br />

Döbler 1971 in 25 Stunden von<br />

Kühlungsborn nach Fehmarn:<br />

Weiter schwamm sonst niemand,<br />

um aus der DDR zu flüchten.<br />

28<br />

Jahre stand die Mauer,<br />

drei Jahre dauerte ihr Bau.<br />

1991<br />

erst erschien die inoffizielle Hymne<br />

zur Wende: «Wind of Change»<br />

von den Scorpions.<br />

156,4<br />

Kilometer lang war die<br />

gesamte Mauer.<br />

57<br />

Menschen flohen 1964 durch den<br />

«Tunnel 57» in den Westen: 145 Meter lang<br />

und 12 Meter tief, war er der längste und<br />

tiefstgelegene Fluchttunnel.<br />

11.500<br />

Soldaten patrouillierten<br />

an der Mauer, unterstützt<br />

von 484 Wachhunden.<br />

1<br />

Person verschwitzte<br />

den Mauerfall buchstäblich:<br />

Angela Merkel sass in der<br />

Sauna im Berliner Thälmann-<br />

Bad und bekam nichts mit.<br />

4,50<br />

britische Pfund kostet das homöopathische<br />

Mittel «Murus berlinensis»,<br />

in dem sich Teile der Berliner Mauer<br />

befinden sollen. Hilft angeblich<br />

bei Asthma und Depression.<br />

90 %<br />

der Berliner Mauer endeten als<br />

Strassenschotter, u. a. für die<br />

Bernauer Strasse und die Strasse<br />

zum Flughafen Schönefeld.<br />

5075<br />

gelungene Fluchten registrierte<br />

die West-Berliner Polizei.<br />

5<br />

Türen hatte die Mauer, eine<br />

davon ist noch erhalten:<br />

2018<br />

in der japanischen Stadt<br />

Nagasaki, in der Fabrik<br />

eines Gondelherstellers.<br />

gestand David Hasselhoff ein, mit dem Song «Looking for Freedom»,<br />

den er kurz vor dem Fall der Mauer ebendort live gespielt hatte,<br />

die Mauer vielleicht doch nicht quasi mit eingerissen zu haben.<br />

GETTY IMAGES (4), PICTURE<strong>DE</strong>SK.COM CLAUDIA MEITERT<br />

12 THE RED BULLETIN


ARE YOU VEGAN?<br />

DIE VEGANE DAUNEN-ALTERNATIVE<br />

JETZT NEU IM STORE UND ONLINE:<br />

JACK-WOLFSKIN.COM


K O L U M N E<br />

Thilo Mischke<br />

BEGEGNUNGEN<br />

ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />

Er ist 200 Tage im Jahr unterwegs, Jetlag<br />

ist bei Korrespondent und Reise reporter<br />

Thilo Mischke (TV-Dokureihe «Uncovered»)<br />

ein Dauerzustand. Auf seinen Expedi tionen<br />

trifft der 38-jährige Berliner immer wieder<br />

Menschen, die ihn faszi nieren. Diesmal:<br />

Diggi, 48, Personenschützer in Bagdad,<br />

der nach einem Leben voller Gefahren über<br />

seine Zukunft nachdenkt.<br />

Die Hosen über den Bauchnabel gezogen, die<br />

Frisur streng gelegt, militärisches Schuhwerk,<br />

ein Gesicht wie aus einem Granitblock geschlagen.<br />

Die Lippen schmal, umgeben von Falten, die<br />

durch Arbeit, nicht durch Spass entstanden sind.<br />

Diggi sitzt mit angezogenen Beinen, auf eine seltsame<br />

Art lässig, aber unentspannt, am Sockel eines Denkmals in<br />

Bagdad. Hier, in dieser Stadt, befindet sich sein Arbeitsplatz<br />

als Personenschützer für einen Botschafter.<br />

Diggi will von der Zeit vor Bagdad erzählen, von<br />

seinem Leben. Er könnte ein Vorbild sein, aber er will<br />

das nicht. Er, der Fremdenlegionär,<br />

48 Jahre alt. Zweimal hat er sich verpflichtet,<br />

das bedeutet wenigstens<br />

zwanzig Jahre. Im Urwald Südamerikas<br />

hat er Drogenkuriere<br />

gestellt, hat in afri kanischen Bürgerkriegen<br />

gekämpft, und in Afghanistan<br />

… nun ja, dar über möchte er<br />

nicht sprechen.<br />

Er war immer unterwegs, sein<br />

Leben kennt keine Gewohnheiten,<br />

sondern nur Entbehrung, Abenteuer<br />

und manchmal auch den Tod. Von<br />

ihm habe ich gelernt, dass ein aufregendes<br />

Leben kein glückliches sein<br />

muss und dass in der eigenen Unruhe<br />

oft die Ursache für Probleme liegt.<br />

«Diggi hat sich entfernt<br />

aus einem Leben, das wir als<br />

normal bezeichnen würden.»<br />

Thilo Mischke über Personenschützer Diggi<br />

(oben), der im Irak Botschafter bewacht<br />

«Ich war nicht immer Soldat», erzählt<br />

er. Und spricht von einer Jugend,<br />

in der er nirgends so richtig hineingepasst<br />

hat, von einer Ausbildung,<br />

die ihm nichts brachte ausser der<br />

Gewissheit: «Ich kann etwas, das gebraucht<br />

wird, nur hat es mir keinen<br />

Spass gemacht.»<br />

Aber dann wollte er los, weg von zu Hause. Als Fremdenlegionär<br />

hat er in die dunkelsten Abgründe geblickt<br />

und war gleichzeitig an den exotischsten Orten dieses<br />

Planeten. In der Ausbildung hat er gelernt durchzuhalten.<br />

Ob er bei 40 Grad im Schatten an einer Strasse Wache<br />

steht, stundenlang, oder sich wochenlang durch unwegsames<br />

Gelände kämpft. Diggi kann das. Und trotzdem,<br />

während er da sitzt, nicht weiss, wohin mit seinen Händen,<br />

dieser Mann, der am Ende seines Berufslebens angekommen<br />

ist, wirkt wie ein Kind, das die Orientierung<br />

verloren hat. Diggi hat in seinem Leben Normalität verlernt.<br />

Und das macht ihm Angst.<br />

«In der Legion habe ich Französisch gelernt», sagt er<br />

stolz. «Ich habe dort Freunde gefunden, fürs Leben», erzählt<br />

er. «Ich bin mit ihnen alt geworden.»<br />

Er hat die Welt gesehen, kann aber niemandem davon<br />

erzählen. «Meine Familie ist die Legion», sagt er. Und<br />

erzählt vom Stolz, der ihn ergriff, wenn er in Paris am<br />

Nationalfeiertag die Champs-Élysées entlangmarschierte.<br />

«Als die Menschen uns mehr als der französischen Armee<br />

zugejubelt haben. Da war ich glücklich.»<br />

Sein Zuhause ist Deutschland, aber da ist niemand.<br />

Keine Frau, keine Kinder. «Das funktioniert nicht, die<br />

Legion und Familie, dieses ständige Unterwegssein.»<br />

Und plötzlich, in der Hitze Bagdads, an diesem Denkmal,<br />

zeigt er Gefühle. Aber sowenig er richtig sitzen kann, so<br />

wenig kann er auch mit diesem<br />

Gefühl umgehen. Diggi hat sich entfernt<br />

aus jenem Leben, das wir, jeder<br />

andere, als normal bezeichnen würde.<br />

Dieses Leben, das auch ich nicht<br />

leben kann. Job, Wohnung, Ikea,<br />

Urlaub. Und wieder von vorn.<br />

Für ihn bedeutet Komfort, kein<br />

choleraverseuchtes Wasser trinken<br />

zu müssen. Ein Bett zu haben, keine<br />

Schlangen zu töten oder Menschen.<br />

Komfort ist, nicht allein zu sein.<br />

In der Legion war er nie allein.<br />

Aber er weiss: Wenn der Dienst vorbei<br />

ist. Wenn die Kraft nicht mehr<br />

reicht, in Krisengebieten zu arbeiten.<br />

Dann ist da niemand mehr.<br />

Davor hat Diggi Angst. Auch er<br />

kennt Kameraden, die sich wegen<br />

dieser Angst umgebracht haben.<br />

«Mir wird das nicht passieren», sagt<br />

er. «Ich habe einen Plan B – ich werde<br />

meinen Lebensabend in Polynesien<br />

verbringen.»<br />

Der Verkehr hupt sich an dem Denkmal vorbei, junge<br />

Iraker machen Fotos von Diggi, weil er aussieht wie<br />

Dolph Lundgren, wie jemand aus einer anderen Zeit.<br />

«Ich werde dort leben, mit meinem besten Freund,<br />

und dort werde ich keine Angst vor der Einsamkeit<br />

haben», sagt er. Der beste Freund, er ist auch Legionär.<br />

Sie beide hatten dieses unruhige Leben. Und dort, am<br />

anderen Ende der Welt, werden sie Normalität leben.<br />

So gut es eben geht.<br />

FLORIAN BAUMGARTEN BLAGOVESTA BAKARDJIEVA THILO MISCHKE<br />

14 THE RED BULLETIN


HUMAN MEETS DIGITAL<br />

High-Tech<br />

unter meiner<br />

Haut?<br />

BESUCHEN SIE UNS<br />

FREITAG 25. OKTOBER <strong>2019</strong><br />

10:00 – 20:00 SCHIFFBAU ZÜRICH<br />

KÜNSTLER<br />

REFIK ANADOL IMMERSIVE INSTALLATIONEN<br />

CHRISTOPHER BAU<strong>DE</strong>R & KANGDING RAY<br />

AUDIOVISUELLE KINETISCHE LICHTINSTALLATION<br />

SPECIAL GUESTS<br />

NEIL HARBISSON CYBORG<br />

GERD LEONHARD FUTURIST<br />

HUMAN MEETS DIGITAL — DIE VOLVO ART SESSION <strong>2019</strong> BEFASST SICH<br />

MIT <strong>DE</strong>M MENSCHEN, <strong>DE</strong>R DURCH IM KÖRPER GETRAGENE TECHNOLOGIE<br />

ZU EINEM NEUEN MISCHWESEN WIRD: <strong>DE</strong>M CYBORG.<br />

www.volvoartsession.com


F U N D S T Ü C K<br />

Hitchcocks Reisepass<br />

BREXIT <strong>DE</strong>S MEISTERS<br />

Eine schwungvolle Unterschrift, ein Blick, der ins Leere geht, sonst<br />

keine besonderen Kennzeichen. Wir sehen Alfred Hitchcock in seinem<br />

letzten britischen Reisepass. Seinen persönlichen Brexit vollzog der<br />

Regisseur (53 Spielfilme mit 46 Oscar-Nominierungen und 6 Oscars)<br />

im Jahr 1939: Er wollte dem Krieg in Europa entgehen und in Hollywood<br />

Frieden finden. 1955 nahm er die US-Staatsbürgerschaft an, Brite blieb<br />

er trotzdem. Queen Elizabeth würdigte letztlich Werk und Meister: 1980,<br />

wenige Monate vor seinem Tod, erhob sie Hitchcock in den Ritterstand.<br />

HENRY LEUTWYLER<br />

16 THE RED BULLETIN


More miles.<br />

Jetzt bis zu<br />

30’000 Prämienmeilen<br />

Welcome-Bonus.<br />

Cornèrcard Miles & More bestellen unter cornercard.ch


L I F E H A C K S<br />

Science-Bastler<br />

BEZIEHUNGSTIPPS<br />

FÜR BESTE FREUN<strong>DE</strong><br />

Geniale Tricks für die Herausforderungen des Alltags, Folge 14: Auch nach vielen Jahren<br />

der Beziehung lernen wir immer noch etwas Neues von unseren Haustieren.<br />

KATZE<br />

Pingpong-Margherita<br />

Jede Katze ist ein Individuum mit eigenem Willen. Doch kein Stubentiger der Welt<br />

kann der Anziehungskraft von Pappkartons widerstehen. Wir haben ein Upgrade.<br />

1 In den Deckel des<br />

Pizzakartons Löcher<br />

mit vier bis fünf<br />

Zentimeter Durchmesser<br />

schneiden.<br />

2<br />

Den Karton mit<br />

Klebeband verschliessen,<br />

ein paar<br />

Tischtennisbälle<br />

hineingeben …<br />

… und keine Katze<br />

kann dieser Ein ladung<br />

zum Fangenspielen<br />

widerstehen.<br />

HAMSTER<br />

Kerniger Biss<br />

Zahnpflege für Nager: eine<br />

dünne Schicht Sesampaste<br />

auf einen Holzwürfel geben.<br />

FISCH<br />

Ungetrübter Blick<br />

Algen sind die Plagegeister der<br />

Aquaristik. Die Lösung heisst<br />

Schmutzradierer.<br />

HUND<br />

Wahre Liebe<br />

So gelingt das scharfe Porträt<br />

vom Hund mit ruhiger Haltung<br />

und wachem Blick.<br />

Der Nager kaut dann lange am Holz<br />

und reibt so die Nagezähne ab.<br />

Der Schwamm aus<br />

Melaminharz entfernt<br />

Algen effizient<br />

und ohne Kratzer.<br />

Eine Scheibe Speck<br />

übers Smartphone<br />

(neben die Linse!)<br />

hängen. Abdrücken.<br />

SASCHA BIERL CLEMENS MAKANAKY<br />

18 THE RED BULLETIN


FLÜÜÜGEL FÜR<br />

<strong>DE</strong>N WINTER.<br />

MIT <strong>DE</strong>M GESCHMACK VON KIRSCHE-ZIMT.<br />

NEU<br />

BELEBT GEIST UND KÖRPER.


HEISS<br />

AUF EIS<br />

Die deutsche Apnoetaucherin<br />

ANNA VON BOETTICHER hat die<br />

Unterwasserwelt eines zugefrorenen<br />

Fjords in Ostgrönland erkundet.<br />

Hier sind die atemberaubenden Bilder<br />

der spektakulären Expedition.<br />

Text SABRINA LUTTENBERGER<br />

Fotos TOBIAS FRIEDRICH<br />

20


Anna von Boetticher<br />

mit einem Eisberg:<br />

als würde man einen<br />

riesigen Golfball<br />

berühren


AUGEN AUF<br />

UND DURCH<br />

Anna von Boetticher bei der Erforschung<br />

eines Eisbergs in zwölf Meter Tiefe. Seine<br />

Oberfläche war ganz glatt und glasklar,<br />

erinnert sie sich. Überall fanden sich kleine<br />

Durchgänge, die sich betauchen lassen,<br />

wenn man genügend Mut und keine<br />

Pressluft flasche auf dem Rücken hat.<br />

23


EISRIESEN­<br />

WELT<br />

Auf dem Weg nach unten dauert es<br />

nicht lange, bis Eisberge und Eisschollen<br />

die Sicht nach oben versperren. Das ist<br />

nicht nur psychologisch unangenehm.<br />

Es verhindert auch die Benützung<br />

des sonst üblichen Sicherungsseils.<br />

24


GETTY IMAGES


Grönland<br />

Nuuk<br />

Tasiilaq<br />

TAUCHPLATZ<br />

AM FJORD<br />

Verborgene Wasserfläche: das Eis vor Tasiilaq,<br />

Ostgrönlands grösster Stadt (2000 Einwohner),<br />

mit dem dreieckigen Hauptloch und<br />

drei kleineren Löchern als Notausstiegen<br />

für Taucher. Als von Boetticher einmal die<br />

Orientierung verlor, war sie dafür dankbar.<br />

Guter Tipp für Grönland: erst im letzten<br />

möglichen Moment ausziehen!<br />

Von Boetticher beim Versuch, ihre gefrorenen<br />

Füsse mit warmem Wasser aufzutauen<br />

Jetzt heisst es schnell sein: Das Eisloch friert<br />

bei minus 27 Grad immer wieder zu.<br />

27


REINE<br />

NERVENSACHE<br />

Von Boetticher leuchtet sich den Weg<br />

durch einen Unterwasser-Canyon. Etwa<br />

20 Meter lang ist die Schlucht im Fjord<br />

vor Tasiilaq – und weit weg vom Eisloch.<br />

Es ist eine riskante Aktion, bei der sich<br />

die Taucherin ganz auf ihre Erfahrung und<br />

mentale Stärke verlassen muss.<br />

29


Sie kann die Luft 6:12 Minuten lang anhalten.<br />

Länger als jeder andere in Deutschland. Wenn<br />

Anna von Boetticher, 49, jedoch gerade nicht<br />

unter Wasser ist, sprudelt es dafür nur so aus<br />

ihr heraus. Dann erzählt sie mit Begeisterung<br />

(und eigentlich auch ohne Luft zu holen) von der Faszination<br />

für das Tauchen, die sie schon im Pool ihrer Eltern<br />

verspürt hat. Und wie sie zufällig zum Apnoetauchen,<br />

also dem Tauchen ohne Pressluftflasche, gekommen ist.<br />

Gerade einmal zehn Jahre ist das her. Seitdem hat sie unglaubliche<br />

33 deutsche Rekorde sowie einen Weltrekord<br />

aufgestellt und drei Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften<br />

gewonnen. Von Boetticher gehört damit zu den<br />

besten Apnoesportlern überhaupt, obwohl sie – statt für<br />

Wettkämpfe zu trainieren – viel lieber an ungewöhnlichen<br />

Orten taucht. So wie dieses Jahr in Grönland, wo sie sich<br />

mit Tauchpartner und Fotograf Tobias Friedrich tief in<br />

einen zugefrorenen Fjord wagte.<br />

the red bulletin: Frau von Boetticher, Sie können<br />

überall auf der Welt tauchen – und fliegen ausgerechnet<br />

an einen eiskalten Ort. Warum?<br />

anna von boetticher: Schon als Kind hatte ich eine<br />

Sehnsucht nach den wilden Orten dieser Welt. Und ich<br />

habe mich auch schon immer gefreut, wenn es geschneit<br />

hat. Ich liebe Schnee! Der Zeitpunkt, nach Grönland zu<br />

reisen, war ausserdem genau richtig. Ich hatte eine harte<br />

und turbulente Zeit hinter mir und das Bedürfnis nach<br />

Ruhe im Kopf. Die finde ich am besten in den EXtremen<br />

der Natur. In Grönland, in dieser monochromen, sehr<br />

reduzierten Welt, der ich mich sowohl körperlich als auch<br />

geistig aussetzen musste, stand einfach alles andere still.<br />

Ihr Basislager hatten Sie in Tasiilaq aufgeschlagen,<br />

einem Ort, der sechs Monate im Jahr vom Eis eingeschlossen<br />

ist. Im Grunde unvorstellbar, dort<br />

tauchen zu gehen. Was war für Sie eigentlich die<br />

grösste Herausforderung bei der Expedition?<br />

Für mich war es vor allem die Frage, wie ich mich bei<br />

minus 27 Grad Aussentemperatur warm halten kann.<br />

Darauf habe ich mich akribisch vorbereitet. Ein Beispiel:<br />

Vor dem Apnoetauchen ist es besser, wenn man nichts<br />

im Magen hat. Ich wusste aber, das funktioniert nicht,<br />

wenn ich sieben Stunden in der Kälte stehe und nicht<br />

frieren will. Ich musste also unfassbar viel und energiereich<br />

essen: Erdnussbutter, Haferflocken, Zucker. Und<br />

ich hatte Lagen um Lagen an Kleidung an. Es ging auch<br />

darum, sehr genau einschätzen, wie lange ich im Wasser<br />

bleiben kann. Das war schon alles sehr extrem und an<br />

der Grenze von dem, was man sich zumuten kann.<br />

Das Wasser auf Brille<br />

und Anzug gefriert<br />

nach dem Auftauchen<br />

sofort zu Eis.<br />

30 THE RED BULLETIN


«Das war an der Grenze<br />

von dem, was man<br />

sich zumuten kann.»


Von Boetticher merkt<br />

sich unter Wasser<br />

prägnante Stellen.<br />

So findet sie wieder<br />

nach oben.


«Man muss sich selbst<br />

fordern. So lernt man,<br />

Ruhe zu bewahren.»<br />

Aber geht es beim Apnoetauchen nicht genau darum:<br />

Grenzen zu überschreiten?<br />

Natürlich will ich den einen Meter mehr schaffen, und<br />

klar ärgert es mich, wenn ich nicht besser als letztes Mal<br />

und tiefer als alle anderen getaucht bin. Aber man muss<br />

ehrlich zu sich sein: Wie ist mein körperlicher Zustand,<br />

wie sind die äusseren Umstände, und wie reagiere ich<br />

darauf? Dann erst kann ich eine objektive Entscheidung<br />

treffen, die nicht von Gefühlen oder meinem Ego getrieben<br />

wird. Diese Kontrolle zu haben ist eines der Geheimnisse<br />

des sicheren und erfolgreichen Apnoetauchens.<br />

Angenommen, ich bin bereit, über meine Grenzen<br />

hinaus zugehen. Wie gelingt mir der letzte, der entscheidende<br />

Schritt?<br />

Das ist ganz viel Selbsterfahrung und ein Verständnis<br />

dafür, was im Körper passiert. Beim Apnoetauchen überwindet<br />

man jedes Mal den Urinstinkt des Atmenwollens:<br />

Muss ich wirklich schon atmen, oder ist das ein Fehlalarm?<br />

Wie wenn die Beine nach zwei Stockwerken weh<br />

tun, man aber trotzdem noch in die vierte Etage geht.<br />

Okay, aber beim Treppensteigen fällt es mir leichter,<br />

mich zu überwinden. Da kann ja eigentlich nicht viel<br />

schiefgehen. Notfalls setze ich mich halt hin.<br />

Im Grunde ist es dasselbe Erlebnis wie beim Luftanhalten:<br />

zu merken, dass man einen Instinkt überwinden kann<br />

und dass in diesem Moment sowohl körperlich als auch<br />

geistig viel mehr möglich ist, als man gedacht hat. Beim<br />

nächsten Mal stelle ich mich einer neuen Situation dann<br />

schon mit mehr Selbstvertrauen.<br />

Was, wenn ich trotzdem nervös bin oder vielleicht<br />

sogar Angst habe – wie kann ich im entscheidenden<br />

Moment ruhig bleiben?<br />

Zu einem gewissen Grad bringt man die Ruhe mit. Aber<br />

jeder Mensch kann dazulernen. Dafür muss man sich<br />

eben ab und zu fordern und sich neuen Dingen aussetzen.<br />

Dabei lernt man, mit dem Gefühl des Unwohlseins, das<br />

wir alle haben, klarzukommen und trotzdem aktiv zu<br />

handeln. Wer sich bewusst mehr Stresssituationen aussetzt,<br />

wird also irgendwann mehr Ruhe bewahren.<br />

Sie bleiben also immer ganz cool?<br />

Beim Apnoetauchen hatte ich tatsächlich noch nie Panik.<br />

Ich habe schon immer mit sehr viel Ruhe auf Probleme<br />

unter Wasser reagiert, ich bin beim Tauchen mental<br />

sehr stark. Interessanterweise überträgt sich das auf<br />

mein restliches Leben. Ich habe durchaus Angst, aber ich<br />

hebe sie mir für später auf. Übrigens habe ich auch mal<br />

einen psychologischen Test gemacht – ich bin ganz durchschnittlich,<br />

was das angeht. Ich habe normale Angst.<br />

Einmal probiert, nie wiederholt: Umziehen auf dem Eis. Viel zu kalt<br />

Sie stellen sich ja auch oft neuen Herausforderungen<br />

– als Trainerin für die Bundeswehr etwa.<br />

Stimmt. Ich arbeite unter anderem mit den Kampfschwimmern<br />

und Minentauchern zusammen. Eine<br />

rie sige Herausforderung und eine Zusammenarbeit<br />

auf sehr hohem Niveau. Da geht es auch genau darum:<br />

Wie lernt man den Panikinstinkt zu beherrschen, der<br />

einem diktieren will, wie man reagieren soll?<br />

Und was lernen Sie dabei?<br />

Für mich ist beeindruckend, mit wie viel Ruhe die Ausbilder<br />

und Soldaten vorgehen. Dort gibt es eine besondere<br />

Art, die Leute zu fordern und zu unterstützen. Der Ausbilder<br />

steht am Beckenrand und verzieht keine Miene,<br />

sagt nichts, und trotzdem wissen alle, was angesagt ist.<br />

Das habe ich mir abgeschaut: über die Art, wie ich mich<br />

verhalte, zu beeinflussen, wie viel Druck ich aufbaue –<br />

ganz ohne Worte.<br />

Gibt es eigentlich etwas, was Sie nach all den Tauchgängen<br />

noch überrascht?<br />

Das Erlebnis der Unterwasserwelt ist jedes Mal intensiv<br />

und wunderschön und anders. Es ist schwierig, das mit<br />

irgendetwas zu vergleichen. Man gehört da als Mensch<br />

nicht hin, kann sich aber trotzdem so weit anpassen,<br />

um dort etwas Zeit zu verbringen. Das fasziniert mich<br />

immer wieder.<br />

annavonboetticher.com<br />

THE RED BULLETIN 33


H E R O E S<br />

Linda Hamilton<br />

AGE AGAINST<br />

THE MACHINE<br />

Linda Hamilton ist Sarah Connor.<br />

In «Terminator: Dark Fate» kämpft<br />

die 63-Jährige gegen Killer-Roboter<br />

aus der Zukunft – und überholte<br />

Ansichten aus der Vergangenheit.<br />

Im legendären Sci-Fi-Thriller<br />

«Terminator 2: Tag der<br />

Abrechnung» (1991) spielte<br />

Linda Hamilton an der<br />

Seite von Action-Ikone Arnold<br />

Schwarzenegger. Für ihre Rolle<br />

der Sarah Connor liess sich die<br />

US-Amerikanerin von einem<br />

Ex-Kommandosoldaten aus<br />

Israel in Kampfkunst und im<br />

Umgang mit Waffen schulen.<br />

«Ich habe gelernt, wie man<br />

Revolver lädt,<br />

die Magazine<br />

bei Pistolen<br />

und Gewehren<br />

wechselt,<br />

den ‚Tötungserfolg‘<br />

überprüft<br />

– richtig<br />

brutales<br />

Zeug», erinnert sie sich. Doch<br />

bei allem Willen zur Veränderung<br />

zog sie auch Grenzen.<br />

Als Regisseur James Cameron<br />

von ihr forderte, die Haare<br />

raspelkurz zu schneiden, um<br />

herber zu wirken, befand sie<br />

das für überflüssig. Stattdessen<br />

trug sie Pferdeschwanz. «Den<br />

Leuten gefiel, dass ich nicht<br />

«Wir müssen nicht<br />

wie Männer<br />

aussehen, um<br />

stark zu sein.»<br />

wie ein Kerl rüberkam. Sie<br />

haben akzeptiert, dass Sarah<br />

Connor feminin und trotzdem<br />

knallhart sein kann. Wir müssen<br />

nicht wie Männer aussehen,<br />

um stark zu sein.»<br />

Auf der Leinwand bezwang<br />

Hamilton eine Tötungsmaschine<br />

aus der Zukunft, im echten<br />

Leben kämpft sie gegen einen<br />

hartnäckigen Anachronismus:<br />

die untergeordnete Rolle von<br />

Frauen in Actionfilmen. Nun<br />

kehrt sie in «Terminator: Dark<br />

Fate» in ihre Paraderolle zurück,<br />

um einem weiteren Missstand<br />

in Hollywood den Kampf<br />

anzusagen: dem Mangel an<br />

Action-Rollen für Frauen ab<br />

einem gewissen Alter.<br />

the red bulletin: Wieso<br />

schlüpfen Sie 28 Jahre nach<br />

«Terminator 2» erneut in<br />

die Rolle der Sarah Connor?<br />

linda hamilton: Mich hat<br />

interessiert, was im Laufe der<br />

Zeit aus ihr geworden ist, wer<br />

sie jetzt ist. Sie ist vom Leben<br />

gezeichnet und weiss, dass<br />

sie die Welt nicht mehr retten<br />

kann. In diesem Teil hat mir<br />

meine eigene Lebenserfahrung<br />

sehr geholfen, die man mittlerweile<br />

ja auch von meinem<br />

Gesicht ablesen kann.<br />

Glauben Sie, dass das Publikum<br />

Sie als älteren Action-<br />

Star akzeptieren wird?<br />

Ich hoffe es.<br />

Die Authentizität<br />

der Figur<br />

macht ja ihren<br />

Reiz aus. Ich<br />

sehe vielleicht<br />

anders aus,<br />

aber ich habe<br />

auch mehr zu<br />

sagen. Alle sind regelrecht besessen<br />

von Jugend und Schönheit,<br />

aber ich habe auch etwas<br />

zu bieten – nämlich Lebenserfahrung<br />

und eine Stärke,<br />

die nicht unbedingt etwas mit<br />

körperlicher Kraft zu tun hat.<br />

Genau das will ich zeigen: Ich<br />

bin eine gestandene Frau, die<br />

etwas bewegen kann.<br />

Es heisst, Sie hätten einige<br />

Dialoge verweigert …<br />

Das darf man nicht falsch<br />

verstehen, es war kein persönlicher<br />

Konflikt mit Regisseur<br />

Tim Miller, der Text war<br />

einfach albern. Man hat eine<br />

künstliche Rivalität zwischen<br />

zwei Frauen geschaffen, und<br />

sie haben sich gezankt wie<br />

Schulmädchen. Ich habe nur<br />

gesagt: «Damit setzt ihr diese<br />

Frauen herab. Ich bin mit dem<br />

Text so nicht einverstanden.»<br />

Mir war und ist es sehr wichtig,<br />

Sarah Connor nicht trivial erscheinen<br />

zu lassen.<br />

Was Sarah Connor immer<br />

schon ausgezeichnet hat,<br />

sind ihre Muskeln.<br />

Es gab früher einen Riesenwirbel<br />

um mein Aussehen, das<br />

aber für mich nur einen ganz<br />

kleinen Teil meiner Arbeit ausgemacht<br />

hat. Vielleicht stand<br />

mir diese Körperlichkeit sogar<br />

im Weg. Von einigen Regisseuren<br />

habe ich später Sätze<br />

gehört wie «So eine ganz normale<br />

Frau haben Sie ja noch<br />

nie gespielt». Danach hatte ich<br />

erst einmal genug von starken<br />

Frauenrollen.<br />

Für den neuen Film haben<br />

Sie dann aber wieder sehr<br />

hart trainiert …<br />

Sogar noch mehr als für «Terminator<br />

2». Erst denkt man,<br />

man könnte einfach wieder<br />

genauso trainieren wie früher<br />

und die gleichen Ergebnisse<br />

erzielen, aber in meinem Alter<br />

funktioniert das nicht mehr.<br />

Zum Glück hatte ich einen<br />

grossartigen Trainer, Mackie<br />

Shilstone. Sarah Connor sieht<br />

jetzt zwar etwas anders aus,<br />

aber sie ist auch in ihrem Alter<br />

noch eine Kämpferin.<br />

«Terminator: Dark Fate» kommt<br />

am 24. Oktober in die Kinos.<br />

JOHN RUSSO TOM GUISE<br />

34 THE RED BULLETIN


Linda Hamilton, 63,<br />

gereifte Actionfilm-<br />

Legende: «Meine<br />

Lebenserfahrung kann<br />

man von meinem<br />

Gesicht ablesen.»


H E R O E S<br />

Poppin’ C<br />

FIGHTER AUF<br />

<strong>DE</strong>R TANZFLÄCHE<br />

Christian Triventi alias Poppin’C zählt zu den<br />

weltbesten Hip-Hop-Tänzern. Das Erfolgsprinzip<br />

des 27-jährigen Lausanners? Er denkt und<br />

trainiert wie ein Kampfsportler.<br />

<strong>The</strong> red bulletin: Das<br />

von Roboter-Moves inspirierte<br />

Popping ist in<br />

der Schweiz kaum verbreitet.<br />

Wie bist du an die Weltspitze<br />

dieses Tanzstils gelangt?<br />

poppin’ c: Popping wurde in<br />

Kalifornien entwickelt. Als ich<br />

es 2009 entdeckte, war ich<br />

sofort Feuer und Flamme. Ich<br />

wollte alles darüber erfahren<br />

und unbedingt auch die Pioniere<br />

aus den 1970ern, die<br />

Electric Boogaloos, persönlich<br />

treffen. Woher du kommst, ist<br />

nicht entscheidend, um dich<br />

in einer Community durchzusetzen.<br />

Es geht um seriöses<br />

Engagement. Dazu gehört,<br />

erst mal die Grundlagen<br />

zu lernen, bevor du deinen<br />

eigenen Stil entwickelst.<br />

Woher kommt diese<br />

Diszipliniertheit?<br />

Von meinem Vater. Er betrieb<br />

Kampfsport und lehrte mich,<br />

streng zu mir zu sein. Etwa,<br />

indem ich täglich das gleiche<br />

Training durchziehe.<br />

«Bei den Battles sind<br />

meine Kampfgeister<br />

hellwach.»<br />

Wie sieht das aus?<br />

30 Minuten Warm-up, 60 Minuten<br />

Freestyle, 30 Minuten<br />

Basics, danach Fitness mit<br />

Bauchmuskeltraining, Liegeund<br />

Unterarmstützen. Ich<br />

betreibe ein sehr kraftaufwendiges<br />

Popping, da muss<br />

mein Körper in Topform sein.<br />

Widerspricht diese Kämpfermentalität<br />

nicht der Leidenschaft<br />

fürs Tanzen?<br />

Wenn ich vor einem Wettkampf<br />

spüre, dass ich zu<br />

verbissen bin, mache ich<br />

Atemübungen und erinnere<br />

mich daran, dass ich das alles<br />

zum Spass mache – auch<br />

das ist eine Technik aus dem<br />

Kampfsport. Tatsächlich gibt<br />

es viele Parallelen: Es geht um<br />

Kraft und Technik, um physische<br />

und psychische Stärke.<br />

Und darum, den Gegner<br />

zu schlagen …<br />

Genau. Niederlagen sind für<br />

mich definitiv keine Option.<br />

Bei den Battles sind meine<br />

Kampfgeister hellwach, ich<br />

stehe voll unter Adrenalin –<br />

und ich liebe es!<br />

Du hast weltweit über hundert<br />

Wettkämpfe gewonnen,<br />

darunter das Juste Debout<br />

in Paris. Wie hältst du die<br />

Konkurrenz auf Distanz?<br />

Die Konkurrenz wird grösser,<br />

das Niveau höher. Aber ich<br />

habe auch diesen unbändigen<br />

Willen, mich immer wieder<br />

neu zu erfinden und selbst zu<br />

übertreffen. Mit mir ist auch<br />

in Zukunft noch zu rechnen.<br />

Du willst noch in zehn Jahren<br />

bei Wettkämpfen antreten?<br />

Ich will zumindest mit der<br />

Szene verbunden bleiben.<br />

Die Chancen dazu stehen<br />

gut, vor allem in China, wo<br />

ich mir in den letzten Jahren<br />

einen Namen gemacht habe<br />

und mittlerweile ein gefragter<br />

Trainer bin. Nebenbei habe<br />

ich mit «FaceClean» mein<br />

eigenes Kleiderlabel gegründet.<br />

Wenn ich auf Reisen Zeit<br />

totschlagen muss, kreiere ich<br />

neue Designs. Keine Ahnung,<br />

wie weit ich es als Trainer und<br />

Unternehmer noch bringe,<br />

aber ich werde auf alle Fälle<br />

dasselbe dafür tun wie fürs<br />

Tanzen: Ich werde kämpfen.<br />

SHOWDOWN IN PARIS<br />

<strong>Red</strong> Bull Dance Your Style<br />

Final am 12. Oktober<br />

Improvisation statt Choreo,<br />

Fan‐Voting statt Jury – mit dem<br />

<strong>Red</strong> Bull Dance Your Style wurde<br />

2018 ein völlig neues Wettbewerbskonzept<br />

eingeführt. Im<br />

dies jährigen Final steht erstmals<br />

auch ein Schweizer: Poppin’ C.<br />

LIVIO FE<strong>DE</strong>RSPIEL, GONZALEZ CLÉMENT KUI<strong>DE</strong>E DAVIES<br />

36 THE RED BULLETIN


Trainiert täglich<br />

bis zu drei Stunden:<br />

Christian Triventi<br />

alias Poppin’ C


H E R O E S<br />

«Schreib ruhig<br />

mehr Mails an Firmen<br />

wie Apple!»<br />

Designer Julian Hönig,<br />

(Lehr-)Meister der Eigeninitiative<br />

Julian Hönig<br />

SEIN ERFOLG<br />

IST FORMSACHE<br />

Um einen Traumjob zu bekommen,<br />

braucht es manchmal nur etwas Mut.<br />

Der österreichische Designer Julian<br />

Hönig, einer der Väter der Apple<br />

Watch, ist der lebende Beweis dafür.<br />

Ihn kennt jeder. Oder besser<br />

gesagt: was er gestaltet hat.<br />

Denn in den vergangenen<br />

Jahren hat der Grazer Julian<br />

Hönig, 43, am Design der wohl<br />

bekanntesten Produkte der<br />

Welt mitgefeilt: Dazu zählten<br />

das iPhone, die MacBooks<br />

und die Apple Watch. Als Teil<br />

des kleinen, aber mächtigen<br />

Apple-Design-Teams – es sind<br />

DAN WINTERS<br />

nur zwanzig Mitarbeiter, die<br />

sich ausdenken, was Millionen<br />

von Menschen in Zukunft in<br />

die Hand nehmen – hat er die<br />

Ästhetik unseres Alltags massgeblich<br />

mitgestaltet.<br />

Von der Steiermark nach<br />

Kalifornien – eigentlich ein<br />

weiter Weg, nicht aber für<br />

Hönig. Für ihn war das Silicon<br />

Valley nur eine E-Mail entfernt.<br />

«Ich habe den damaligen<br />

Chefdesigner Jonathan<br />

Ive einfach angeschrieben<br />

und mich so bei ihm vorgestellt»,<br />

erzählt er. «Diesen<br />

Mut, offen zu sein und auf<br />

Leute zuzugehen, braucht es<br />

– privat und vor allem im Job.<br />

Als junger Designer muss man<br />

keine Angst davor haben,<br />

etwas zu riskieren.<br />

Schreib ruhig<br />

mehr Mails<br />

an Firmen<br />

wie Apple!<br />

Das Schlimmste, was passieren<br />

kann, ist, keine Antwort<br />

zu bekommen.»<br />

Für Hönig hat sich der<br />

Mut auf jeden Fall ausgezahlt.<br />

Stardesigner Ive war beeindruckt<br />

von den Fähigkeiten<br />

und dem Portfolio des Österreichers:<br />

Nach dem Studium<br />

von Industrial Design an der<br />

Fachhochschule in Graz und<br />

am Art Center College of<br />

Design im kalifornischen Pasadena<br />

hatte Hönig bereits sechs<br />

Jahre bei einer anderen Weltmarke<br />

Erfahrung gesammelt:<br />

beim Autohersteller Audi<br />

in Deutschland, danach ein<br />

Jahr bei dessen italienischer<br />

Schwestermarke Lamborghini.<br />

In der Automobilbranche<br />

hatte Hönig, der sich künftig<br />

vermehrt der Gestaltung seiner<br />

eigenen Surfboards widmet,<br />

übrigens begonnen, ohne anfangs<br />

zu wissen, was genau<br />

acht Zylinder bedeuten – auch<br />

das eigentlich ziemlich mutig.<br />

IKONISCHE ENTWÜRFE<br />

Wo dir Julian Hönigs Arbeit<br />

schon untergekommen ist.<br />

Bei Audi war Hönig unter anderem an<br />

der Entstehung der Modelle A4 und<br />

Q3 zuständig. Für den Science-Fiction-<br />

Blockbuster «I, Robot» mit Will Smith in<br />

der Hauptrolle hat er zudem das futuristische<br />

Konzeptauto Audi RSQ (Bild) entworfen.<br />

Bei Apple hat<br />

er am Design von allen<br />

Produkten, die ab 2010<br />

auf den Markt kamen,<br />

mitgearbeitet – vom<br />

iPod über AirPods bis<br />

zur Apple Watch (Bild).<br />

AUDI AG, APPLE SABRINA LUTTENBERGER<br />

38 THE RED BULLETIN


Der<br />

perfekte<br />

Abgang<br />

40<br />

Streaming-Rekorde, ausver kaufte<br />

Arenen, hunderte Millionen YouTube-<br />

Klicks: RAF CAMORA hat deutschsprachigen<br />

Hip-Hop aufs nächste<br />

Level gehoben. Hier erklärt er,<br />

warum er gerade jetzt geht – auf<br />

dem Zenit seines Erfolgs.<br />

Text JONAS VOGT<br />

Fotos PASCAL KEROUCHE


Alles auf Anfang: Das<br />

Kapitel RAF Camora<br />

geht zu Ende, aber<br />

Künstler Ragucci will<br />

weiter Musik machen.


«Beschreib in<br />

drei Worten, wer<br />

du bist, und sei in<br />

allen drei Aspekten<br />

der Beste.»<br />

RAF Camora über<br />

sein Erfolgsrezept<br />

für Künstler


Es gab Zeiten, da hatte Raphael Ragucci<br />

nicht viel. Nur die Musik – aber die hatte<br />

er dafür immer. Der Sohn eines Österreichers<br />

und einer Italienerin, heute jedem<br />

unter Dreissigjährigen bekannt als Hip-<br />

Hop-Mega star RAF Camora, wuchs in Wien in einer<br />

Problemgegend des Bezirks Rudolfsheim-Fünfhaus<br />

auf. Heute, mit 35 Jahren, ist er einer der erfolgreichsten<br />

Rapper in Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz. Seit dem Album «Palmen aus Plastik»,<br />

das er 2016 gemeinsam mit dem Hamburger Rapper<br />

Bonez MC herausbrachte, kennt seine Karriere nur<br />

noch Superlative. In den Jahren 2016, 2017 und 2018<br />

war er der meistgestreamte Artist auf Spotify. Kein<br />

Künstler hatte bislang mehr Songs gleichzeitig in den<br />

deutschen Top-10-Singlecharts. In Österreich wurden<br />

sogar die Regeln der Chart-Ermittlung geändert,<br />

nachdem RAF Camora und Bonez MC mit Songs aus<br />

dem Album «Palmen aus Plastik 2» 13 Plätze in den<br />

Top-15-Singlecharts besetzten. Und trotzdem soll das<br />

alles bald vorbei sein – auf dem Höhepunkt seiner<br />

Karriere. Am 1. <strong>November</strong> erscheint «Zenit», sein letztes<br />

Album als RAF Camora, gefolgt von einer letzten<br />

Tour. Am 18. 12. 2020 wird die «Zenit-Phase», wie<br />

er sie nennt, beendet sein. In Wien treffen wir einen<br />

reflektierten Mann, der uns erklärt, warum seine<br />

Bestimmung nicht mehr RAF Camora heisst.<br />

the red bulletin: Raf, warum wird «Zenit»<br />

dein letztes Album?<br />

raf camora: Ich versteh die Frage. Aus Geschäftssicht<br />

ist es unlogisch, aufzuhören, wenn richtig Geld<br />

fliesst. Aber ich bin nicht nur Geschäftsmann, sondern<br />

auch Künstler. Lass mich dir ein Beispiel geben.<br />

Ich bin grosser Metallica-Fan. Und ich erinnere mich,<br />

dass ich irgendwann gemerkt habe: Das, was Metallica<br />

darstellt, und das, was die Personen hinter Metallica<br />

sind, das passt nicht mehr zusammen. Diesen<br />

Punkt habe ich auch bei vielen anderen Künstlern<br />

beobachtet. Und ich habe mir immer gesagt: Sollte<br />

ich mal erfolgreich werden, will ich meinen Zenit auf<br />

keinen Fall überschreiten.<br />

43


Zenit bedeutet ja, dass das Ziel, der Höhepunkt<br />

erreicht ist. Befürchtest du, das alles nicht mehr<br />

toppen zu können?<br />

Die Befürchtung hat jeder. Ich bin alt genug, um<br />

schon einmal ein Hoch und ein Tief gehabt zu haben.<br />

Und ich weiss: Das ist hart. Dein Künstlerimage<br />

verwächst mir dir, vor allem wenn du im Leben<br />

nichts anderes machst. Und wenn du plötzlich in der<br />

Öffentlichkeit weniger wert bist, weil deine Musik<br />

nicht mehr so erfolgreich ist, musst du stark sein,<br />

um das irgendwie trennen zu können. Ich weiss,<br />

dass ich mich damit schwertue. Aber du musst es<br />

akzeptieren und dich darauf vorbereiten, dass es<br />

bergab gehen kann.<br />

Das Beste zum Schluss<br />

«Zenit» – RAF Camoras neues Album<br />

Aufgenommen zum Teil in den <strong>Red</strong> Bull Studios<br />

Tokio (Bild), angekündigt vor tausenden Fans<br />

in Wien: Am 1. <strong>November</strong> erscheint RAF Camoras<br />

finales Album «Zenit».<br />

Hat das was mit dem Alter zu tun?<br />

Wenn ich 24 wäre, könnte ich sagen: Okay, wenn das<br />

jetzt wieder runtergeht, kann RAF Camora vielleicht<br />

noch mal zurückkommen. Aber irgendwann ist es<br />

auch eine Frage von Authentizität. Dann fragt man<br />

sich: Bin ich das noch, oder bin ich das nicht mehr?<br />

Jetzt bin ich’s noch. Aber am 18. 12. 2020, wenn ich<br />

das Kapitel schliessen will, geh ich auf die 37 zu.<br />

Und das ist dann der Moment, wo ich sage: Bis hierhin<br />

war es super. Aber wenn ich weitergehen würde,<br />

wäre ich als RAF Camora nicht mehr hungrig genug.<br />

Stell dir vor, Kurt Cobain hätte noch mit fünfzig über<br />

den Hass der Jugend gesungen.<br />

Du warst Anfang des Jahres Teil der grössten<br />

Tour, die Deutschrap je gesehen hat, mit mehr<br />

als 200.000 verkauften Tickets. Kann man da<br />

wirklich aufhören? Ist das nicht eine Sucht?<br />

Ich hör nicht auf, ich beende ein Kapitel als Künstler<br />

RAF Camora. Ich bin weiter Produzent. Ob dann<br />

auch noch meine Stimme zu hören ist, ob ich eine<br />

Band gründe, das wird sich alles zeigen. Ich lebe<br />

Musik, ich atme Musik, ich mach Musik, seit ich vier<br />

Jahre alt bin. Ich werde Musik machen, aber nicht<br />

das, was RAF Camora jetzt macht.<br />

Also auch keine Reue in Sicht, was diese Entscheidung<br />

betrifft?<br />

Nein, der Wunsch, das Kapitel zuzumachen und ein<br />

neues zu öffnen, ist stärker. Ich bin auf Kommerzialität<br />

nicht mehr angewiesen. Ich hab mit Musik, die<br />

mir gefällt, so viel Erfolg gehabt, dass ich niemandem<br />

mehr was beweisen muss. Ich könnte danach Musik<br />

mit dem Xylophon machen und nur eine CD verkaufen,<br />

wenn mir das Spass macht. Ich mach damit<br />

RAF Camora nicht kaputt. Das ist dann fertig, gestanden,<br />

der Stempel ist drauf. Ich kann’s nicht mehr zerstören.<br />

Im Gegenteil: Ich könnte viel mehr zerstören,<br />

wenn ich noch weitermachen würde.<br />

Verzichtest du auf Geld?<br />

Ja. Auf Millionen, mehrere Millionen.<br />

Was ist dir wichtiger: Geld zu machen oder ernst<br />

genommen zu werden?<br />

Ernst genommen zu werden. Hundertprozentig.<br />

Nicht die Leute auf der Strasse, das ist mir scheissegal.<br />

Ich will mich selber ernst nehmen können. Ich<br />

hab die Phase von Selbsthass schon durch. Ich weiss,<br />

wie es ist, etwas zu machen, hinter dem du nicht stehen<br />

kannst. Dann stehst du vor dem Spiegel, und du<br />

hast nichts.<br />

«Ich muss mich<br />

häuten. Sonst habe<br />

ich das Gefühl,<br />

stecken zu bleiben.»<br />

44


Immer weiter:<br />

Auf der Suche nach<br />

neuen Perspektiven<br />

zog RAF Camora<br />

erst nach Marseille,<br />

dann nach Berlin.


Einer, zu dem man<br />

aufschaut: Mit seiner<br />

Agentur fördert RAF<br />

Camora junge Künstler.


«Würde ich mich<br />

heute als jungen<br />

Künstler ent decken,<br />

würde ich mich<br />

in zwei Jahren zum<br />

Superstar machen.»<br />

Erzähl von dieser Phase.<br />

2012 hatte ich ein Hoch. Ich hab 20.000 Platten<br />

verkauft, hatte kurz danach ein Nummer-1-Album.<br />

Aber alles, was danach kam, waren Projekte, hinter<br />

denen ich nicht stand. Aber ich dachte, ich müsste sie<br />

machen. Ich war auch viel unerfahrener, hatte noch<br />

nicht meine Intuition von heute. Eines Tages bin ich<br />

aufgewacht, hab mein Handy genommen und mich<br />

gegoogelt. Ich hab mir die Bilder angeschaut und mir<br />

gedacht: Das bin ich nicht. In diese Situation werde<br />

ich nie wieder kommen.<br />

Wie bist du damals wieder rausgekommen?<br />

Ich hab meinem Manager gesagt: Sag alles ab. Ich<br />

muss mich finden. Danach kam eine Tiefphase, ich<br />

hatte nur noch 200 Euro, Stress mit dem Finanzamt.<br />

Da habe ich gemerkt: Die Musikwelt ändert sich, und<br />

ich bin vom alten Eisen. Cloudrap wurde plötzlich<br />

gross, Instagram und Streaming wurden immer wichtiger.<br />

Mir war klar, wenn ich da weiter dazugehören<br />

will, muss ich üben. Wie ein Boxer. Ich war jeden Tag<br />

im Studio. Ich hab bestimmt 50 bis 100 Songs aufgenommen,<br />

von denen die Hälfte nie rausgekommen<br />

ist. Ich hab gearbeitet wie ein Tier, an meinem Flow,<br />

an meiner Technik.<br />

Damit hast du RAF Camora wiederbelebt, Ende<br />

2020 wird es ihn endgültig nicht mehr geben.<br />

Was bringt dein neues Leben?<br />

Es gibt auch noch andere Ziele, eine Familie zum<br />

Beispiel. Vielleicht komm ich da mal weiter. Vielleicht<br />

kann ich das Leben, das ich jetzt führe, mal<br />

abschliessen. Und schlaf nicht mehr jede Nacht im<br />

Hotel und in einer anderen Stadt.<br />

Du hattest im Leben immer wieder Einschnitte,<br />

bist mit fünfzehn nach Marseille gegangen, lebst<br />

seit zwölf Jahren in Berlin. Jetzt begräbst du RAF<br />

Camora. Brauchst du die Neuanfänge?<br />

Ja, sehr. Ich muss mich immer wieder häuten. Sonst<br />

hab ich das Gefühl, stecken zu bleiben. Wenn ich<br />

etwas Neues mache, hab ich das Gefühl, ich will den<br />

Himmel aufbrechen. Als gebe es keine Grenzen. Das<br />

sind auch die Zeiten, in denen ich am besten schlafe.<br />

Du hast heute deine eigene Management-Agentur.<br />

Würdest du mit dem jungen Raf arbeiten, wenn<br />

du ihn finden würdest?<br />

Ganz ehrlich: Wenn ich mich heute finden würde,<br />

würde ich mich innerhalb von zwei bis drei Jahren<br />

zum Superstar machen. Ich war so hungrig, ich hab<br />

so viel gearbeitet. Hätte ich gute Ratschläge bekommen,<br />

hätte ich es viel früher geschafft. Aber ich<br />

glaub, dass alles einen Sinn hat. Vielleicht hätte ich<br />

es damals psychisch nicht verkraftet.<br />

Welche Ratschläge würdest du dir geben?<br />

Erstens die vier grossen Regeln, die wir allen Künstlern<br />

mitgeben: 1. Misch weder Politik noch Religion<br />

in deine Musik. 2. Pass auf, mit wem du Sex hast.<br />

3. Zahl deine Steuern, die können dich richtig fertigmachen.<br />

4. Pass auf mit Drogenkonsum. Aber das<br />

Wichtigste: Beschreib mit drei Worten, wer du bist.<br />

Und sei in allen drei Aspekten der Beste.<br />

Was sind die drei Worte bei dir?<br />

Rabe, Wien und Dancehall. Es gibt in allen drei<br />

Dingen niemanden, der stärker ist als ich. Niemand<br />

wird so sehr mit dem Raben-Symbol verbunden wie<br />

ich (zu sehen etwa auf Rafs rechtem Unterarm oder<br />

dem Albumcover zu «Zenit»; Anm.), niemand steht so<br />

sehr für diese Stadt und diese Musikrichtung wie ich.<br />

Zumindest im deutschsprachigen Raum.<br />

Zur Ankündigung deines neuen Albums bist du<br />

mit einem Speedboat über die Donau gefahren,<br />

tausende Fans standen am Ufer. Hast du nicht<br />

Angst, dass du solche Momente verpasst, wenn du<br />

das Kapitel RAF Camora schliesst?<br />

Keine Frage, der Tag in Wien war Wahnsinn. Das war<br />

ein Support, eine Liebe von der ganzen Stadt, das<br />

war surreal. Wie auf Ecstasy, ich schwöre. Trotzdem<br />

glaube ich eher, ich verpasse etwas, wenn ich das<br />

Kapitel RAF Camora nicht schliesse. Und es kommt<br />

ja noch was, bis zum 18. 12. 2020 geht es weiter. Ich<br />

werde in diesen anderthalb Jahren arbeiten, wie ich<br />

noch nie gearbeitet habe.<br />

Wie möchtest du, dass man sich an RAF Camora<br />

erinnert?<br />

Er hat alles zerlegt.<br />

Instagram: @raf_camora<br />

47


INNOVATOR<br />

START-UPS,<br />

PIONIERE UND<br />

GENIALE<br />

ERFINDUNGEN<br />

E-Mobilität<br />

Was lange<br />

währt …<br />

… auch lange fährt. Der neue<br />

Aptera soll das reichweitenstärkste<br />

Elektroauto werden.<br />

Und mit Durchhalte vermögen<br />

kennt sich der Gründer<br />

bestens aus.<br />

Mehr als 1600 Kilometer<br />

mit dem Auto fahren,<br />

ohne tanken zu müssen?<br />

Das könnte 2020 Realität<br />

sein: mit dem Aptera, dem<br />

«effizientesten Elektroauto der<br />

Die Vorderräder des Aptera treibt je ein Elektromotor an.<br />

Welt», wie es Chris Anthony,<br />

CEO des gleichnamigen Unternehmens,<br />

tituliert. Im Vergleich<br />

dazu: Der stärkste Tesla<br />

schafft nur knapp 600 Kilometer<br />

mit einer Akkuladung.<br />

«Den meisten Transportmitteln<br />

fehlt es an Effizienz»,<br />

so Anthony. Diese garantiert<br />

der US-Amerikaner dank einer<br />

von Artificial-Intelligence-<br />

Algorithmen optimierten<br />

Kunststoff-Leichtbauweise<br />

und einzigartiger Aerodynamik.<br />

So soll der futuristische<br />

Aptera (optisch halb U-Boot,<br />

halb Raumschiff) samt seinem<br />

48 THE RED BULLETIN


«Das Problem<br />

der meisten<br />

Transportmittel<br />

ist fehlende<br />

Effizienz. Zeit,<br />

das zu ändern!»<br />

Chris Anthony, CEO von<br />

Aptera, baut ein E-Auto<br />

mit 1600 km Reichweite.<br />

IN ALLER<br />

KÜRZE<br />

STOFF-<br />

WECHSEL<br />

Wer die Welt verändern<br />

will, muss<br />

ihre Bau steine<br />

neu anordnen –<br />

zwei Beispiele:<br />

WASSER<br />

AUS LUFT<br />

Die Maschine von<br />

Walter Kreisel, Unternehmer<br />

aus Oberösterreich,<br />

extrahiert<br />

Wasser aus angesaugter<br />

Luft und kann<br />

es auf Trinkwasserqualität<br />

aufbereiten.<br />

wkreisel.com<br />

Nachhaltigkeit<br />

Der Saubersurfer<br />

Wellenreiten vs. Wegwerfkultur: wie ein US-<br />

Amerikaner mit seinem Kaffeebecher-Surfboard<br />

Menschen zum Umdenken bewegen will.<br />

Verallgemeinernd<br />

gesagt setzen sich<br />

Surfer aufgrund ihrer<br />

Leidenschaft fürs Wasser<br />

gern für die Umwelt ein. Dass<br />

ihre Boards allerdings aus<br />

nichtwiederverwertbaren<br />

Materialien mit gewaltigem<br />

ökologischem Fussabdruck<br />

hergestellt werden, wird oft<br />

vergessen. Deshalb hat sich<br />

Surfer Korey Nolan zum<br />

Ziel gesetzt, auf den verschwenderischen<br />

Umgang<br />

mit Ressourcen aufmerksam<br />

zu machen. Und zwar mit<br />

einem Surfboard aus 700<br />

benutzten Kaffeebechern.<br />

Inspiriert wurde er dabei<br />

von den Unmengen an Einwegmüll<br />

in seiner Heimat<br />

im US-Bundesstaat New<br />

Hampshire. «Ich will zeigen,<br />

wie viel Abfall wir täglich<br />

erzeugen, sodass die Leute<br />

ihr Verhalten hinterfragen»,<br />

so der 32-Jährige. «Innerhalb<br />

von zehn Monaten habe<br />

ich mehr als 1000 Styroporbecher<br />

gesammelt – nur von<br />

Freunden und Familie.»<br />

Zur Herstellung des<br />

Bretts presste Nolan die Becher<br />

in eine Form und verschmolz<br />

sie mit einem biobasierten<br />

Epoxidharz. Damit<br />

will er keineswegs anregen,<br />

mehr Boards aus Kunststoffmüll<br />

zu fabri zieren. Vielmehr<br />

stellt er das Material<br />

per se in Frage: «Styropor<br />

gibt es seit achtzig Jahren,<br />

und jedes einzelne Teil ist<br />

noch immer da draussen –<br />

es kompostiert nicht.»<br />

Instagram: @koreytnolan<br />

60-kWh-Akku nur 800 Kilogramm<br />

wiegen. Angetrieben<br />

wird der Dreiradzweisitzer<br />

von zwei Elektromotoren am<br />

vorderen Radpaar.<br />

Der Aptera ist zwar innovativ,<br />

aber nicht ganz neu.<br />

Bereits vor mehr als zehn Jahren<br />

stellte das kalifornische<br />

Unternehmen einen Prototypen<br />

vor, ehe es 2011 pleiteging.<br />

«Es war eine andere<br />

Zeit», so Anthony. «Jetzt gibt<br />

es Lieferketten und ein neues<br />

Bewusstsein.» Und mehr<br />

Reichweite als die damaligen<br />

160 Kilometer. aptera.us<br />

ISOLIERUNG<br />

AUS ASCHE<br />

Ein nicht brennbarer<br />

Dämmstoff war das Ziel<br />

des Zürcher Start-ups<br />

FenX um Gründer<br />

Etienne Jeoffroy. Die<br />

Lösung: Schaum, gewonnen<br />

aus der Asche<br />

von Industrieabfall.<br />

fenx.ch<br />

Mehr Inspiration für<br />

Zukunftsmacher gibt es<br />

im aktuellen INNOVATOR.<br />

Infos und Abo unter:<br />

redbulletininnovator.com<br />

APTERA, MARTIN PRÖLL, FENX AG, KOREY NOLAN<br />

Zurück zum Ursprung: Korey Nolan mit seinem aus alten Kaffeebechern<br />

hergestellten Surfboard in einer Dunkin’-Donuts-Filiale<br />

THE RED BULLETIN 49


ALL-IN<br />

Ohne Wenn<br />

und Aber.


Das Leben als einziges riesiges Abenteuer<br />

durchziehen. Ohne jeden Kompromiss.<br />

Bei allem, was man tut, alles aufs Spiel<br />

setzen. Geht nicht? Geht. Wie, das weiss<br />

der Schweizer Schauspiel-Alleskönner<br />

SVEN SCHELKER.<br />

Text REINER KAPELLER<br />

Fotos NORMAN KONRAD<br />

Läuft bei ihm:<br />

Sven Schelker, 29,<br />

begegnet jeder<br />

Herausforderung<br />

mit purer Lust.<br />

THE RED BULLETIN 51


«Wenn man das Abenteuer<br />

herausfordert, dann passiert<br />

was in einem. Für mich ist<br />

das die Lust an der Challenge<br />

mir selbst gegenüber.»<br />

Sven Schelker, <strong>The</strong>ater- und<br />

Filmschauspieler, geboren in<br />

Basel, aufgewachsen in Reinach<br />

und wohnhaft in Hamburg,<br />

hat mit 29 so viel erreicht wie<br />

andere mit 59 nicht. Das liegt daran, dass<br />

er nichts von gesichertem Grund hält:<br />

Schelker erkämpft sich einen Ausbildungsplatz<br />

an der Münchner Otto Falckenberg<br />

Schule (was nur knapp zwei Prozent der<br />

Bewerber schaffen). Wird noch während<br />

der Ausbildung zum Schauspieler vom<br />

renommierten Thalia <strong>The</strong>ater in Hamburg<br />

engagiert. Erhält nach dem Abschluss<br />

eine Fixanstellung. Wird gefeiert für die<br />

Hauptrolle in Brechts «Dreigroschenoper»,<br />

mit 26 als Jüngster im Team.<br />

Wer dahinter Strategie vermutet, liegt<br />

falsch. Schelker folgt einfach konsequent<br />

der grössten sich bietenden Herausforderung.<br />

Stellt sich ihr. Meistert sie. Er hat<br />

erst wenig Kameraerfahrung, als er für<br />

«Der Kreis» vorgeschlagen wird und die<br />

Rolle erhält. 2015 wird er beim Schweizer<br />

Filmpreis als bester Hauptdarsteller und<br />

bei der Berlinale mit einem European<br />

Shooting Stars Award ausgezeichnet.<br />

Kurz darauf ist er der erste Schweizer in<br />

der mit Emmys und Golden Globes überhäuften<br />

US-Serie «Homeland». 2017 folgt<br />

mit «Goliath» der zweite Kinofilm.<br />

Für «Bruno Manser – Die Stimme des<br />

Regenwaldes», seinen dritten Kinofilm,<br />

hebt Schelker das Prinzip Abenteuer auf<br />

ein neues Level: Um ganz und gar in seine<br />

Figur Bruno Manser schlüpfen zu können,<br />

begibt er sich mehrere Wochen lang zu<br />

Ureinwohnern in den Dschungel – und<br />

damit in Lebensgefahr.<br />

the red bulletin: Sven Schelker, ich<br />

kann schwer glauben, dass es nötig<br />

ist, für eine Filmrolle wochenlang im<br />

Dschungel zu leben.<br />

sven schelker: Natürlich war das eine<br />

extreme, nur schwer abschätzbare Challenge.<br />

Aber es war die einzige Chance,<br />

Bruno Manser wirklich zu verstehen. Wie<br />

man als Schweizer Teil des Regenwalds<br />

wird, was mit einem passiert, wenn man<br />

auf die Penan (indigene Volksgruppe der<br />

Insel Borneo; Anm.) trifft. Das alles hatte<br />

einen so grossen Impact auf ihn, dass<br />

er sechs Jahre dort blieb. Dass er sein<br />

Leben dem Regenwald und seinen Ureinwohnern<br />

widmete. Klar, ich hätte mich<br />

vorbereiten können, aufs Set, mein Programm<br />

abspulen. Aber das reichte weder<br />

mir noch dem Regisseur. Ich wollte ein<br />

Gefühl dafür bekommen, was es heisst,<br />

Teil des Dschungels zu werden. Ich wollte<br />

es leben.<br />

Es hätte doch genügt, es zu spielen,<br />

Sven. Du kannst das, du bist schliesslich<br />

Schauspieler, und noch dazu ein<br />

sehr talentierter. Du hättest dir alles<br />

nötige Wissen von deiner Hamburger<br />

Couch aus aneignen können. Es gibt<br />

Massen an erstklassigem Material<br />

über Manser, seine Tagebücher, Dokus,<br />

Zeitungsberichte …<br />

Du redest hier von den Grundvorbereitungen.<br />

Das ist eher Oberfläche. Als<br />

Schauspieler wollte ich Bruno Manser<br />

und seinem Umfeld jedoch so nah wie<br />

möglich kommen. Ich musste da mit<br />

voller Wucht rein, ich musste das Abenteuer<br />

annehmen.<br />

Abenteuer klingt ja toll. Aber in diesem<br />

Fall sprechen wir von extremer Luftfeuchtigkeit<br />

und Hitze, Moskitos,<br />

Typhus, Cholera, Malaria, Tollwut und<br />

mieser medizinischer Versorgung …<br />

Spielt das alles keine Rolle?<br />

Dengue-Fieber hast du vergessen. Und<br />

Jaguare, giftige Spinnen und Schlangen,<br />

die dich innert fünf Minuten kaltmachen.<br />

Aber wovon die grösste Gefahr ausgeht,<br />

da kommst du nie drauf.<br />

Also bitte …?<br />

Holz! Die meisten Unfälle, die meisten<br />

Verletzten und Toten im Dschungel passieren<br />

durch Fallholz. Jeder Baum, jeder<br />

Ast stirbt irgendwann ab, wird morsch –<br />

und zack. Als wir das Penandorf filmten,<br />

waren da über hundert Menschen. Auf<br />

einmal stürzte ein 30 Meter hoher Baum<br />

aufs Set, ohne Vorwarnung, und machte<br />

zwei Hütten platt. Zum Glück nur Hütten.<br />

Wäre da jemand drin gewesen, hätte der<br />

keine Chance gehabt. Da wurde mir ein<br />

weiteres Mal bewusst, wie ausgeliefert<br />

man in dieser gewaltigen, fremdartigen,<br />

aber auch wunderschönen Natur ist.<br />

Der Schritt in diese fremdartige Natur<br />

machte Manser damals zu Malaysias<br />

Staatsfeind Nr. 1. Es wurde ein Kopfgeld<br />

von 50.000 Dollar auf ihn ausgesetzt,<br />

weil er auf das Schicksal der<br />

Urvölker und die Tropenholzrodung<br />

aufmerksam machte. Wenn eine europäische<br />

Crew einen Film über Manser<br />

dreht, wie wird man da empfangen?<br />

Nicht gerade mit offenen Armen, was<br />

aber streng genommen ein absoluter<br />

52 THE RED BULLETIN


Der Bart muss ab:<br />

Fürs Shooting kehrt<br />

Schelker in seine Rolle<br />

als Travestie-Star<br />

Röbi Rapp zurück.


«In erster Linie geht es<br />

mir darum, meinen<br />

eigenen Ansprüchen<br />

gerecht zu werden.»<br />

Glücksfall ist. Dadurch bekommt unser<br />

Film eine ganz andere Relevanz. Die Reaktion<br />

der Behörden zeigt, dass Malaysia<br />

noch heute damit zu kämpfen hat.<br />

Malaysische Gefängnisse gelten als nur<br />

unwesentlich weniger lebensgefährlich<br />

als der Dschungel. Ich vermute, du<br />

wirst jetzt sagen, in einer malaysischen<br />

Gefängniszelle mit einem Haufen Verbrechern<br />

zu sitzen wäre eine tolle Möglichkeit,<br />

tiefer ins Land einzutauchen.<br />

Aber davon hätte der Film ja nichts gehabt,<br />

wenn die Crew einsitzt. Was hast<br />

du getan, um nicht hopsgenommen<br />

zu werden?<br />

Allzu viel kannst du nicht machen. Wir<br />

versuchten, so wenig wie möglich in<br />

Sarawak (malaysischer Bundesstaat auf<br />

Borneo; Anm.) zu sein, und drehten nahe<br />

der Grenze in Kalimantan (indonesischer<br />

Teil Borneos; Anm.). Aber für die Vorbereitung,<br />

für das Treffen mit den Penan<br />

und das Casting mussten wir nach Sarawak.<br />

Wenn da Behörden ein Buch im<br />

Gepäck finden, auf dem Bruno Manser<br />

steht, gibt’s Ärger. Das wussten wir. Also<br />

haben wir Drehbuch und Notizen eine<br />

Tarnung verpasst. Manser heisst im Drehbuch<br />

James Finney, zum Beispiel. Polizei<br />

und Geheimdienste haben uns trotzdem<br />

monatelang begleitet und fuhren immer<br />

wieder aufs Set. Wenn eine ausländische<br />

Crew nahe der malaysischen Grenze<br />

ei nen Film über Ureinwohner und<br />

Tro pen holzrodung dreht, werden die<br />

einfach unruhig. Da kannst du machen,<br />

was du willst.<br />

Gab es nach einem Drehtag im<br />

Dschungel so etwas wie Erholung?<br />

Wenn du dich der Herausforderung<br />

Dschungel stellst, musst du mit den Konsequenzen<br />

leben. Das heisst, du fährst<br />

nach Drehschluss nicht in ein Hotel.<br />

Das wäre ja absolut kontraproduktiv.<br />

Du hast keine Möglichkeit, dich zurückzuziehen,<br />

hast kein Privatleben und<br />

kannst nicht mal kurz mit Familie und<br />

Freunden Facetimen.<br />

Travestie-<br />

Künstler<br />

Röbi Rapp<br />

Der Kreis, 2014<br />

Für seine erste Filmrolle<br />

schlüpfte Sven<br />

Schelker in Frauenkleider<br />

und liebte<br />

einen Mann. Die<br />

rührende Beziehung<br />

zwischen Röbi Rapp<br />

und Ernst Ostertag<br />

und ihr Kampf für die<br />

Gleichberechtigung<br />

be geisterte auf LGBT-<br />

Festivals weltweit<br />

und machte Schelker<br />

zum besten Hauptdarsteller<br />

beim<br />

Schweizer Filmpreis<br />

2015. «Mich hat gepackt,<br />

dass es eine<br />

reale Geschichte war.<br />

Die beiden haben<br />

unfassbar viel für<br />

die Schweiz getan.»<br />

Geht das nicht schlicht und einfach<br />

wahnsinnig an die Substanz?<br />

Klar hat man auch mal schlechte Tage.<br />

Aber wenn man sich auf ein Abenteuer<br />

einlässt, dann geht es nicht darum, Dinge<br />

54 THE RED BULLETIN


Muskelprotz<br />

David<br />

Dengler<br />

Goliath, 2017<br />

Um den muskelbepackten<br />

David<br />

Dengler zu verkörpern<br />

(buchstäblich!),<br />

musste Schelker ins<br />

Fitnessstudio. Über<br />

zehn Monate ging er<br />

sechsmal pro Woche<br />

trai nieren, nahm täglich<br />

3500 Kalorien zu<br />

sich und legte neun<br />

Kilogramm an Muskelmasse<br />

zu. «Die Leute<br />

schauten mich ganz<br />

anders an, hatten viel<br />

mehr Respekt vor<br />

mir.» Der Lohn: bester<br />

Schauspieler beim<br />

Harlem International<br />

Film Festival und<br />

Västerås Filmfestival.<br />

zu vermissen. Entscheidend ist, dass man<br />

sich, so gut es geht, anpasst. Nach zweieinhalb<br />

Wochen im Dschungel habe ich<br />

nachts gefroren, dachte, jetzt kommt ein<br />

Temperatursturz. Also habe ich Pullover<br />

angezogen, Trainingshose angezogen,<br />

dachte: jetzt nur bitte kein Fieber. Am<br />

Morgen haben die Penan nur gelacht.<br />

«Nee, ist nicht kälter geworden», sagten<br />

sie, «dein Körper hat sich ans Klima gewöhnt.»<br />

Es war bei weitem nicht mehr<br />

so heiss, ich hab kaum mehr geschwitzt.<br />

Krass, was mit dem Körper passiert.<br />

Aber die Zuseher gehen ja nicht ins<br />

Kino und sagen: «Schau, der Sven,<br />

der schwitzt gar nicht. Der hat sich an<br />

die Umstände im Dschungel voll gut<br />

angepasst. Toll.»<br />

(Lacht.) Klar. Aber egal wie unscheinbar<br />

es sich anfühlt, es ist ein Teil davon. In<br />

erster Linie geht es mir darum, meinen<br />

eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.<br />

Und wenn es so natürlich wirkt, dass es<br />

niemandem auffällt, wunderbar, dann<br />

mache ich es ja genau richtig. Im Prinzip<br />

ist das wie bei der Sprache der Penan im<br />

Film. Es gibt in ganz Europa nur gerade<br />

eine Handvoll Menschen, die fliessend<br />

Penan sprechen. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass jemand ein böses E-Mail über<br />

meinen Akzent schreibt, ist gleich null.<br />

Aber trotzdem wollte ich komplett in die<br />

Sprache eintauchen.<br />

Du hast innerhalb von Wochen Penan<br />

zu sprechen gelernt, nebenbei?<br />

Ich habe mich zu Beginn am Skript<br />

orientiert. Aber darüber hinaus habe<br />

ich mithilfe der Penan ein Gefühl für die<br />

Sprache aufgebaut, habe Verständnis<br />

und Melodie entwickelt. Mir war wichtig,<br />

Rhythmus und Betonung zu verinnerlichen.<br />

Das half beim Proben und beim<br />

Dreh. Ich konnte komplett frei sprechen –<br />

im Sinne von, ich hatte den Mut dazu.<br />

Ich habe das mit den Penan ständig<br />

gegengecheckt. Da gab’s keine Bedenken.<br />

Kommt das hin? Spricht man das so aus?<br />

Klingt das richtig?<br />

«Wenn man die eigenen<br />

Grenzen verrückt und<br />

sich aus der Komfortzone<br />

rausbewegt, dann<br />

passiert was mit einem.»<br />

THE RED BULLETIN 55


«Ich wollte ein Gefühl dafür<br />

bekommen, was es heisst,<br />

Teil des Dschungels zu<br />

werden. Ich wollte es leben.»<br />

Umweltaktivist<br />

Bruno<br />

Manser<br />

Bruno Manser –<br />

Die Stimme des<br />

Regenwaldes,<br />

<strong>2019</strong><br />

Um dem 2005 für<br />

verschollen erklärten<br />

Schweizer Umweltund<br />

Menschenrechtsaktivisten<br />

gerecht<br />

zu werden, studierte<br />

Schelker Tagebücher,<br />

Aufzeichnungen und<br />

Texte, las dessen<br />

Biografie, sprach mit<br />

Angehörigen und<br />

lebte wie Manser im<br />

Dschungel. «Bruno<br />

war für mich von<br />

Anfang an ein naturverbundener<br />

und kritischer<br />

Typ. Ich glaube,<br />

dass wir beide eine<br />

grosse empathische<br />

Neugierde teilen, die<br />

er wahrscheinlich<br />

noch konsequenter<br />

verfolgt hat.»<br />

Man könnte jetzt sagen: Du gefährdest<br />

dein Leben in einem riesigen Abenteuer.<br />

Und gleichzeitig begibst du dich<br />

in Gefahr, dich in winzigsten Details<br />

zu verzetteln.<br />

Nein. Es geht um Neugierde, in jeder<br />

Situation. Ein Beispiel: allein wie sich die<br />

Penan fortbewegen. Die gehen nicht so<br />

wie du und ich. Die schlagen sich nicht<br />

mit einer Machete den Weg frei. Die<br />

ducken sich. Bewegen sich unglaublich<br />

leicht fort, selbst mit 25 Kilogramm Ausrüstung.<br />

Ich weiss noch, wie sie absichtlich<br />

ihr Tempo verringerten, damit wir<br />

nachkommen konnten – und trotzdem<br />

waren sie dreimal schneller als wir. Ich<br />

finde es extrem spannend, solche Beobachtungen<br />

zu machen und mit Dingen<br />

umzugehen, die mir nicht vertraut sind.<br />

Das war schon bei «Der Kreis» so, als ich<br />

mit 22 mit meiner ersten Hauptrolle Teil<br />

einer Liebesbeziehung zweier Männer<br />

war, die unfassbar viel für die Schwulenbewegung<br />

getan haben. Und das war bei<br />

«Goliath» so, wo ich sechsmal die Woche<br />

trainierte und ein neues Verhältnis zu<br />

meinem Körper und meiner Kraft finden<br />

musste. Wenn man die eigenen Grenzen<br />

verrückt und sich aus der Komfortzone<br />

rausbewegt, wenn man das Abenteuer<br />

herausfordert, dann passiert etwas mit<br />

einem. Das ist die Lust an der Challenge<br />

sich selbst gegenüber.<br />

Gibt es denn gar keinen Punkt, an dem<br />

du einen Gang zurückschaltest?<br />

Nein, warum sollte ich? Ich versuche<br />

ständig auf der Suche zu sein. Nach<br />

etwas Wahrhaftigem, nach einem Punkt,<br />

an dem ich das Gefühl habe, etwas<br />

zurückgeben zu können. Mark Twain hat<br />

mal gesagt: «Die beiden wichtigsten Tage<br />

deines Lebens sind der Tag, an dem du<br />

geboren wurdest, und der Tag, an dem<br />

du herausfindest, warum.» Für mich ist<br />

dieses Unaufhörlich-auf-der-Suche-Sein<br />

ein einziges grosses Abenteuer, und es<br />

gibt mir das Gefühl, so viel wie möglich<br />

in der Hand zu haben, auch mein eigenes<br />

Glück. Ein schöner Gedanke.<br />

«Bruno Manser – Die Stimme des<br />

Regenwaldes» kommt am 7. <strong>November</strong><br />

in die Deutschschweizer Kinos.<br />

Styling HENDRIK SCHAULIN/LIGANORD AGENCY<br />

Hair & Make-up DANIELA PROST/LIGANORD AGENCY<br />

56 THE RED BULLETIN


Leicht lachen:<br />

Allround-Talent Sven<br />

Schelker fiebert schon<br />

seinem nächsten<br />

Abenteuer entgegen.


DIE<br />

POWER-<br />

NERDS<br />

E-Sport-Athleten verbrauchen<br />

während des Tages allein mit<br />

ihrer Hirntätigkeit so viele<br />

Kalorien wie ein Topmanager.<br />

Das TEAM POSTFINANCE HELIX<br />

trainiert Körper und Geist<br />

professionell, um fit zu sein für<br />

ein Leben, das ein Game ist.<br />

Text WERNER JESSNER<br />

Fotos DAN CERMAK


Übungen für jedes Büro:<br />

Liegestütz mit Mahdi<br />

«Pride» Nasserzadeh,<br />

Hindernisspringen über<br />

Polstermöbel mit Nikola<br />

«Greenfire» Dimovic<br />

THE RED BULLETIN 59


Bern, ein Loft beim Hauptbahnhof.<br />

Fünf Monitore in einer Reihe, fünf<br />

junge Männer dahinter. Rechte Hände<br />

klicken Computermäuse, linke flitzen über Tastaturen.<br />

Kurze, knappe Kommentare, ein Aufschrei,<br />

kurz kommt Hektik auf. Hinter Monitor Nummer<br />

vier ein lautes Mausklick-Stakkato, dann erlösendes<br />

Lachen: Problem gelöst, Situation entschärft.<br />

Und weiter im Game-Training.<br />

Willkommen in der Welt des E-Sports, in der<br />

genau wie in der Alten Sportwelt jeder versucht,<br />

sich entscheidende Vorteile zu erarbeiten. Wer<br />

international mithalten will, muss täglich rund<br />

sechs Stunden vor dem Monitor trainieren.<br />

Entscheidende Vorteile kann man aber auch<br />

anders erarbeiten. Das Team «PostFinance Helix»<br />

verfolgt einen revolutionären Ansatz und trainiert<br />

die Gamer gezielt physisch, fast wie Athleten in<br />

der Welt des guten alten körperlichen Sports. Die<br />

Idee: Je mehr Körper und Geist als Einheit funktionieren,<br />

desto leistungsfähiger ist das Gesamtpaket.<br />

Seither trainieren «Pride», «Greenfire», «Polo»,<br />

«Vango» und «Koala» nicht nur täglich gemeinsam<br />

vor den Monitoren: Ein ausgewachsenes<br />

und ausgeklügeltes Fitnessprogramm benötigt<br />

im Schnitt weitere zwei Stunden. E-Gaming auf<br />

internationalem Level ist ein Fulltime-Job.<br />

Renato Montañés sieht aus wie ein Personal<br />

Coach mit Martial-Arts-Background, was daran<br />

liegt, dass er genau das ist. Er ist für körperliche<br />

und mentale Fitness verantwortlich und kann<br />

auch lauter werden, wenn seine Athleten nachlässig<br />

in der Ausführung der jeweiligen Übungen<br />

werden. Cardio, Stabilität, Koordination, Atemtechniken,<br />

Entspannung: Renato hat den Jungs<br />

individuelle Programme geschrieben, die sie vor<br />

den Monitoren besser reagieren, länger durchhalten<br />

und entspannter entscheiden lassen. Dass<br />

dieser Ansatz funktioniert, beweisen die Zahlen:<br />

Nicht nur, dass die Fitnesswerte seit dem professionellen<br />

Training in die Höhe geschnellt sind,<br />

die Jungs spielen auch besser denn je.<br />

60<br />

Das Team<br />

PostFinance Helix ist<br />

die erste «League of<br />

Legends»-Profi-Equipe<br />

der Schweiz.<br />

Meet the guys (von links):<br />

Mahdi «Pride» Nasserzadeh,<br />

Position: Top. Nikola «Greenfire»<br />

Dimovic, Position: Jungle.<br />

Nicholas «Nico<strong>The</strong>Pico» Korsgård,<br />

Gaming-Coach. Antoine<br />

«Vango» Tinguely, Position:<br />

Mid. Renato Montañés, Fitnessund<br />

Mental-Coach. Dennis<br />

«Koala» Berg, Position: Support.<br />

Marco «Polo» Buchholz,<br />

Position: Marksman/ADC.<br />

Seit Anfang <strong>2019</strong> betreibt das<br />

von der PostFinance unterstützte<br />

«League of Legends»-<br />

Team E-Sport unter professionellsten<br />

Bedingungen. Bisherige<br />

Sieges quote: 75 Prozent!<br />

Das Spiel<br />

«League of Legends»:<br />

boomendes Fantasy-<br />

Strategiespiel für Teams<br />

Fünferteams arbeiten zusammen.<br />

Ziel ist, in einer nur teilweise<br />

bekannten virtuellen Welt<br />

das Hauptgebäude des gegnerischen<br />

Teams («Nexus») zu<br />

zerstören. Weltweit spielen über<br />

100 Millionen Menschen «LoL».<br />

Seit 2011 werden Weltmeisterschaften<br />

ausgetragen, das Preisgeld<br />

stieg von 100.000 Dollar<br />

auf 6,45 Millionen 2018.<br />

Das sind die fünf<br />

Übungsbereiche<br />

für professionelle<br />

Gamer – die aber<br />

auch für jeden von<br />

uns funktionieren,<br />

der in einem<br />

fordernden Schreibtischjob<br />

steckt.<br />

CIRCUIT-<br />

TRAINING<br />

für die Einheit von<br />

Körper und Geist<br />

Kraft-Ausdauer-Übungen geben ein<br />

Gefühl für den Körper. Das ist umso<br />

wichtiger, wenn man einen Sport ausübt,<br />

in dem der Körper nicht direkt das<br />

macht, was das Hirn befiehlt, sondern<br />

noch eine Ebene dazwischengeschaltet<br />

ist – in unserem Fall eben das Game.<br />

Man kennt das vom Lesen eines Buchs:<br />

Der Geist verabschiedet sich vom Körper<br />

und taucht in die geschriebene<br />

Welt ein. Je besser das Körpergefühl,<br />

desto schneller ist man wieder eins.<br />

Und genau das ist das Ziel von Circuit-<br />

Training: die natürliche Einheit von<br />

Körper und Geist wiederherzustellen.<br />

Und einen zweiten Punkt führt Renato<br />

an: «Während sie gamen, laufen in den<br />

Köpfen der Jungs dieselben Prozesse<br />

ab, als ob sie die Bewegungen tatsächlich<br />

durchführen würden. Unser<br />

Training mit gezielten Box- und<br />

Kickbox-Einheiten ist die perfekte<br />

Ergänzung dazu.»<br />

ÜBUNGEN<br />

Hindernissprünge<br />

Liegestütz mit Halten<br />

Liegestütz mit Hanteln<br />

Boxen<br />

Kickboxen


Schult Koordination,<br />

Ausdauer, Kraft und<br />

macht Spass: Antoine<br />

«Vango» Tinguely<br />

beim Pratzentraining<br />

mit Coach Renato<br />

Montañés<br />

Individuelles Programm:<br />

Jeder E-Sportler von<br />

PostFinance Helix bekommt<br />

vom Coach seine<br />

massgeschneiderten<br />

Übungen.<br />

CARDIO<br />

zur Gehirnregeneration<br />

Eine Stunde pro Trainingstag ist für<br />

Ausdauertraining reserviert. Da die<br />

Jungs noch in ihren Zwanzigern sind,<br />

liegt der Pulsbereich dafür bei 125<br />

Schlägen pro Minute (je älter, desto<br />

niedriger ist die ideale Frequenz).<br />

Wieder geht es um die Verschränkung<br />

von Körper und Geist. Renato Montañés:<br />

«E-Sportler sind die Antithese<br />

zu Marathon läufern. Letztere müssen<br />

lernen, Dinge zu visualisieren – genau<br />

das ist hingegen das tägliche Brot unserer<br />

Sportler. Ausdauereinheiten sind<br />

der logische Ausgleich dazu.» Weitere<br />

positive Nebenwirkungen höherer<br />

Grundlagenausdauer sind gesteigerte<br />

Reserven in Stress-Situationen: Die<br />

Sauerstoffzufuhr wird optimiert, die<br />

Aufmerksamkeitsspanne erhöht sich.<br />

Der Geist – und in Folge der Körper<br />

(Auge, Finger …) – kann Informationen<br />

besser und länger aufnehmen und präziser<br />

weiterver arbeiten.<br />

ÜBUNGEN<br />

Ergometer<br />

Joggen<br />

Schwimmen<br />

Body of Greenfire: Schwimmen ist eine prima<br />

Ergänzung zum Joggen oder den langweiligen<br />

Ausdauereinheiten am Ergometer.<br />

THE RED BULLETIN 61


RUMPF-<br />

STABILITÄT<br />

für einen souveränen<br />

Auftritt vor dem Monitor<br />

Der vor dem Computer lümmelnde<br />

Nerd ist ein Bild von gestern – zumindest<br />

im professionellen E-Gaming.<br />

Renato Montañés legt höchsten Wert<br />

auf gesunde und gerade Körperhaltung.<br />

Einerseits, um Verspannungen und<br />

später Haltungsschäden vorzubeugen.<br />

Andererseits überträgt sich die Körperhaltung<br />

auch direkt auf den Bildschirm:<br />

Sind die Muskeln gespannt, ist es der<br />

Geist genauso. Jeder kann das selbst<br />

am Telefon beobachten: Je wichtiger<br />

das Gespräch, desto aufrechter hält<br />

man sich. Das Team von PostFinance<br />

Helix dreht den Spiess um: Weck den<br />

Körper, bring ihn in eine Position, die<br />

ihm Aufmerksamkeit suggeriert, und<br />

der Geist wird folgen.<br />

ÜBUNGEN<br />

Yoga<br />

Rückenstrecker mit <strong>The</strong>raband<br />

Auch Spass muss sein: Kollege Greenfire<br />

ist bei PostFinance Helix der Mann mit dem<br />

am besten ausbalancierten Handstand.<br />

Styling & Props STEFANIE HILLE<br />

62


Platzsparender Klassiker<br />

für jedes Büro: Ein <strong>The</strong>raband<br />

kann vielseitig<br />

verwendet werden. Polo<br />

nutzt es hier, um seinen<br />

Rücken zu kräftigen.<br />

Koordination eines Koalas: Auch einen<br />

Tischtennistisch gibt es in den Räumlichkeiten<br />

des Teams PostFinance Helix.<br />

KOORDINATION<br />

für schnelle Reaktion<br />

Eine ganz entscheidende Qualität<br />

im E‐Sport ist die störungsfreie Übertragung<br />

optischer Reize in korrekte<br />

motorische Bewegungen. Je schneller<br />

und intuitiver, desto besser. Gute Hand-<br />

Auge-Koordination spielt bei vielen<br />

Sportarten eine entscheidende Rolle,<br />

daher unterscheidet sich dieser Trainingsbereich<br />

bei E-Gamern kaum von<br />

jenen konventioneller Athleten. Durch<br />

zahllose Wiederholungen können<br />

Automatismen trainiert werden, die<br />

das Hirn quasi auf Durchzug schalten.<br />

Das Auge nimmt etwas wahr, der Zeigefinger<br />

auf der Maus oder die Hand am<br />

Keyboard reagiert beinahe gleichzeitig.<br />

Einige dieser Übungen überschneiden<br />

sich in der Praxis mit jenen aus den<br />

anderen Gruppen: Boxen zum Beispiel<br />

macht nicht nur Spass und schult die<br />

Koordination, es trainiert auch Kraft<br />

und Fitness.<br />

ÜBUNGEN<br />

Tennisball an der Schnur<br />

Tischtennis<br />

Volleyball einhändig fangen<br />

Boxen<br />

ENTSPANNUNG<br />

für ein leistungsfähigeres<br />

Ich am nächsten Tag<br />

Täglich mindestens vier Stunden, oft<br />

auch doppelt so lange Zeit vor dem<br />

Bildschirm zu verbringen ist harte Arbeit.<br />

Also ist es wichtig, das System<br />

abends ordentlich herunterzufahren.<br />

Nach ein paar Minuten Stretching, um<br />

Körper und Geist wieder zu vereinen,<br />

steht das mentale «Recap» des vergangenen<br />

Tages: Was habe ich gemacht,<br />

wie ist es mir dabei ergangen, was werde<br />

ich morgen verbessern? Der Trick<br />

dabei: Da auf diese Art die Reizverarbeitung<br />

bereits vor dem Einschlafen<br />

passiert, wird der Schlaf nicht durch<br />

Tagesreste gestört und ist erholsamer.<br />

Dasselbe passiert übrigens nach dem<br />

Aufwachen: Körper und Geist werden<br />

da mithilfe einer Routine mit den Plänen<br />

und Zielen für den Tag bereit gemacht.<br />

ÜBUNGEN<br />

Meditation<br />

Yoga<br />

Atemübungen<br />

Stretching<br />

Pride geht in sich: Was habe ich heute gut<br />

gemacht, was kann ich morgen besser machen?<br />

Alles über das E-Sport-Profiteam auf:<br />

postfinancehelix.ch<br />

63


Sumō-Ringen hat in<br />

Japan über 2000 Jahre<br />

Tradition. Doch die<br />

Japaner bekommen<br />

Konkurrenz, weil immer<br />

mehr internationale<br />

Ringer den Sport für sich<br />

entdecken. Nirgendwo<br />

wird das so deutlich wie<br />

auf dem grössten Turnier<br />

ausserhalb Japans:<br />

den US Sumo Open.<br />

Text TOM WARD<br />

Fotos JEREMY LIEBMAN<br />

Schwere<br />

Jungs<br />

64 THE RED BULLETIN


Byambajav Ulambayar<br />

ist in vielerlei Hinsicht<br />

ein Sumō-Riese: Der<br />

ehemalige Profi aus der<br />

Mongolei hat seit 2007<br />

zehnmal den Titel<br />

im Schwergewicht der<br />

Herren bei den US Sumo<br />

Open gewonnen.


Der traditionsreiche<br />

Sport wandelt sich, um<br />

einem breiteren Publikum<br />

zugänglich zu werden.<br />

Als grösstes Sumō-Turnier ausserhalb Japans<br />

locken die 19. US Sumo Open fast 5000 Zuschauer<br />

und 64 internationale Ringer in die Walter<br />

Pyramid Arena im kalifornischen Long Beach.<br />

67


Von der Tribüne aus sehen die drei hockenden<br />

Sumō-Ringer wie riesige Medizinbälle aus.<br />

Der Kontrast zwischen diesem Anblick und<br />

der Umgebung könnte kaum extremer sein.<br />

Wir sind hier in Kalifornien – in der Arena der<br />

California State University in Long Beach,<br />

um genau zu sein. In der pyramidenförmigen<br />

Halle trainieren eigentlich die Basketball-<br />

und Sportteams der Long Beach State 49ers.<br />

Das Innere der Walter Pyramid mit ihren<br />

4000 Sitzplätzen zieren gold-schwarze «Go Beach»-Banner, es<br />

gibt einen Popcornstand, und an jeder Ecke verkaufen sie Hotdogs<br />

und Softdrinks.<br />

Kurz: Amerikanischer geht es fast nicht. Umso mehr stechen<br />

die zwei japanischen und der mongolische Ringer auf dem<br />

polierten Holzboden mit den schwarzen Markierungen eines<br />

Basketballfeldes hervor.<br />

Die drei Athleten sind der 1,84 Meter grosse Byambajav Ulambayar<br />

aus der Mongolei, der 1,92 Meter grosse Hiroki Sumi aus<br />

Japan und der mit 1,70 Metern verhältnis mässig gedrungene<br />

Takeshi Amitani – fünfmaliger japanischer National University<br />

Champion. Sie treten an diesem Nachmittag im März zu den<br />

19. jährlichen US Sumo Open an, dem grössten und ältesten<br />

Sumō-Turnier ausserhalb Japans.<br />

Die Teilnehmer bringen es auf insgesamt 18 Sumō-Weltmeistertitel<br />

und kommen aus Ländern wie Japan, der Mongolei,<br />

Indien, Ägypten, Tadschikistan, Georgien, der Ukraine, Norwegen<br />

und Deutschland. Diese bunte Mischung sollte einen nicht verwundern:<br />

Sumō befindet sich mehr als andere Sportarten im<br />

Umbruch. In Japan werden die besten Ringer des Landes regelmässig<br />

von Quereinsteigern aus Russland, der Mongolei und der<br />

Ukraine bezwungen. In diesen Ländern hat man den japanischen<br />

Nationalsport für sich entdeckt und hegt grosse Ambitionen.<br />

Die Dominanz der Nicht-Japaner ist sogar so gross, dass Japan<br />

2017 erstmals seit zwanzig Jahren wieder einen «Yokozuna» (den<br />

höchsten Rang im Sumō) feiern konnte: Kisenosato Yutaka. Als<br />

sich Yutaka im Januar <strong>2019</strong> mit 32 aus dem Profisport zurückzog,<br />

machten zwei Mongolen das Rennen um den Spitzenplatz unter<br />

sich aus. Diese Entwicklung ist typisch für die Veränderungen<br />

im Sumō: Der traditionsreiche Sport wandelt sich, um weltweit<br />

einem breiteren Publikum zugänglich zu werden. Nirgendwo<br />

wird dies so deutlich wie auf den US Sumo Open.<br />

Jedes Kilo zählt<br />

Zwei Tage vor dem Start der 19. US Sumo Open treffen wir in der<br />

Walter Pyramid einige der renommiertesten Turnierteilnehmer<br />

bei der Abwaage an. Der 35-jährige Ulambayar hat ein Gewicht<br />

von 161 Kilo. «Ich bin viel zu schlank», scherzt er, zieht sich einen<br />

violett geblümten Mantel über und schreitet stolz davon.<br />

Als Nächster steht Hiroki Sumi auf die Waage. Der immerzu<br />

grinsende 29-Jährige greift seinen üppigen Bauch mit beiden<br />

Händen. Mit 220 Kilo ist er einer der schwersten Ringer des<br />

Wettkampfs. Der 26-jährige Takeshi Amitani qualifiziert sich mit<br />

seinen 100 Kilo für die Mittelgewichtsklasse. Er ist gut aussehend<br />

und muskulös, die Haare zurückgekämmt, ein Blumenkohlohr<br />

links, ein Auge von einer Verletzung leicht geschwollen.<br />

Wir unterhalten uns mit ihnen, wobei Amitani die Übersetzungsarbeit<br />

übernimmt. «Ich trainiere sehr hart», sagt er für<br />

Sumi. «Ich stemme 90 Kilo auf der Bank, auf die Schulterpresse<br />

lade ich 60 Kilo und auf die Beinpresse 140.» Während er spricht,<br />

macht Sumi die entsprechenden Bewegungen, wobei seine<br />

Muskeln deutlich und eindrucksvoll hervortreten.<br />

Dann zeigt er auf sein rechtes Knie, über das sich in Zickzacklinie<br />

eine Narbe zieht. Deshalb musste er Kreuzheben und Kniebeugen<br />

aufgeben.<br />

68 THE RED BULLETIN


Ukrainische Ringer<br />

sind im modernen<br />

Sumō besonders erfolgreich.<br />

Hier: Demid<br />

Karachenko und der<br />

spätere Sieger, sein<br />

Landsmann Sviatoslav<br />

Semykras, kämpfen<br />

im Leichtgewicht-<br />

Finale der Herren.<br />

Amitanis Trainingsroutine sieht ähnlich aus. Als College-<br />

Student stellte er seine Ernährung um. Ab sofort standen neben<br />

Sushi und Ramen das Standardessen der Sumō-Ringer auf dem<br />

Speiseplan: «Chankonabe», ein Eintopf mit proteinreichen<br />

Zutaten wie Huhn, Tofu, Fleischklösschen oder Fisch, kohlenhydrathaltigen<br />

Einlagen wie Reis oder Nudeln und Gemüse<br />

wie Pak Choi, Winterrettich und Karotten sowie Pilzen.<br />

Am Abend vor dem Turnier gab es Barbecue im Hotel. «Wir<br />

haben fünf oder sechs Kilo Fleisch gegessen», grinst Ulambayar.<br />

Abends gibt es sonst eher leichte Kost wie gebratene Makrele,<br />

Nudeln oder Salat. Und da Sumō 365 Tage im Jahr Saison hat,<br />

bleibt der Speiseplan eines Profis das ganze Jahr über gleich.<br />

Das entspricht so weit alles dem typischen Bild, das man<br />

im Westen von Sumō-Ringern hat – als übergewichtige, aber<br />

«82 anerkannte Techniken<br />

kommen zum Einsatz. Man<br />

darf den Gegner schlagen,<br />

ihm die Beine wegziehen,<br />

ihn am Gürtel packen.»<br />

THE RED BULLETIN 69


Selbst die besten Ringer<br />

Japans werden regelmässig<br />

von Russen, Mongolen<br />

und Ukrainern bezwungen.<br />

muskel bepackte Athleten. Viele Sumōtori kommen aus dem<br />

tradi tionellen Ringkampf, doch sie müssen kräftig an Gewicht<br />

zulegen – nicht nur wegen der Show, sondern auch, um dem<br />

Gegner etwas entgegenzusetzen. Je schwerer man ist, desto<br />

schwieriger wird es für den Kontrahenten, das Ziel des Kampfes<br />

zu erreichen: sein Gegenüber aus dem Ring zu befördern.<br />

Trainingspartner, die über 160 Kilo auf die Waage bringen,<br />

sind ideal zur Vorbereitung auf einen Wettkampf: Wer sich gegen<br />

solche Kolosse stemmt, entwickelt schnell die nötige Beinmuskulatur,<br />

um Angriffe abwehren zu können. Der imposante Körperbau<br />

der Sumōtori veranlasste Sportwissenschaftler an vier Universitäten<br />

in Tokio 1994 zu einer Studie: Man fand heraus, dass<br />

der Körperfettanteil von Sumō-Ringern im Schnitt 26,1 Prozent<br />

beträgt, während der von Bodybuildern bei 10,9 Prozent liegt.<br />

Einen echten Sumō-Kämpfer zeichnet aber weit mehr aus. Er<br />

unterwirft sich den strengen Regeln eines Sumō-Stalls in Japan<br />

und trainiert täglich hart, um auf höchstem Niveau kämpfen zu<br />

können. Wer es anders hält, gilt als Amateur. Während Takeshi<br />

Amitani in Japan nur als Junior-Ringer aktiv war, kämpften Hitori<br />

Sumi und Byambajav Ulambayar in der Profi-Liga. Heute leben<br />

alle drei in Kali fornien – als Botschafter ihres Sports.<br />

Wenn er nicht selbst im Ring steht, arbeitet Amitani als Trainer<br />

in einem «Dohyō» (Ring) in der Nähe und tritt wie Sumi regelmässig<br />

im Fernsehen und bei Veranstaltungen auf. Ulambayar<br />

hingegen kam 2007 für die Dreharbeiten des Films «Ocean’s 13»<br />

in die USA und ist geblieben.<br />

Doch die US Sumo Open sind nicht nur eine beliebige Plattform<br />

für die Ringer. Es ist das am höchsten angesehene Turnier<br />

ausserhalb des professionellen Sumō in Japan. Seit 2007 war<br />

Byambajav Ulambayar zehnmal Sieger im Schwergewicht.<br />

Hiroki Sumi hat in seiner Profi-Karriere in Japan 234 Kämpfe<br />

gewonnen. «Sumō ist nicht besonders kompliziert», sagt er. «Es<br />

gibt viele Sportler, die Sumō achten, und darum macht es mir<br />

nichts aus, wenn auch Ringer aus anderen Ländern antreten.<br />

Sumō ist immer noch eine Randsportart. Es wäre schön, wenn<br />

dieser Kampfsport weltweit noch bekannter werden würde. Ich<br />

stand in Japan jahrelang als Profi im Ring, aber ich möchte ein<br />

breiteres Publikum mit meinen Techniken begeistern. Deshalb<br />

bin ich in Amerika.»<br />

Der Mongole Ulambayar ist kein Mann grosser Worte, doch<br />

auch er macht sich Gedanken. «Ich liebe diesen Sport», erklärt er.<br />

«In Amerika nimmt das Interesse allmählich zu. Die Konkurrenz<br />

wird stärker und lernt schnell. Ich glaube, sie respektieren diese<br />

Kultur. Aber es ist schwierig, gegen einen Ringer zu kämpfen,<br />

der kein Profi ist. Die Bewegungen der Profis sind in etwa vorhersehbar.<br />

Aber wenn jemand vom Judo oder einer anderen Sportart<br />

kommt, ist dessen Taktik nicht so leicht zu durchschauen.»<br />

Er zuckt mit den Schultern. «Aber ich komme damit klar.»<br />

Fleischberge made in USA<br />

Während sich die ehemaligen Profis nicht mehr beweisen müssen,<br />

arbeiten die amerikanischen Sumōtori hart dafür, sich in der<br />

Szene einen Namen zu machen. Der ehemalige Wrestler Andrew<br />

McKnight aus Kalifornien kämpft in der Leichtgewichtsklasse.<br />

«Viele Wrestler träumen von einer Karriere als Profi-Boxer oder<br />

MMA-Kämpfer», erzählt er. «Aber wenn es dafür nicht reicht, ist<br />

Sumō eine gute Alternative.»<br />

Vor einem Jahr baute sich McKnight hinter dem Haus einen<br />

eigenen Ring und trainiert seitdem mit seinen Mitbewohnern. Er<br />

nimmt zum ersten Mal an diesem Turnier teil. «Der traditionelle<br />

Links: Andrew McKnight bereitet seinen Sumō-Gürtel,<br />

den «Mawashi», für den ersten Wettkampf vor. Die<br />

Länge variiert und liegt bei fünf bis sechs Metern für<br />

Amateure und bei bis zu zehn Metern für Top-Profis.<br />

Gegenüber liegende Seite, im Uhrzeigersinn von oben<br />

links: Takeshi Amitani (Japan), Owen Albers (USA),<br />

Jose Galindo (USA), Sviatoslav Semykras (Ukraine)<br />

70 THE RED BULLETIN


THE RED BULLETIN 71


Hiroki Sumi in einer Verschnaufpause<br />

– mit 220 Kilo ist er<br />

einer der schwersten Ringer<br />

dieses Wettbewerbs.<br />

72 THE RED BULLETIN


«Sumō ist der härteste Sport<br />

der Welt. Es ist extrem brutal.»<br />

US-Hoffnung Jose<br />

Galindo geht im<br />

Schwergewichtsfinale<br />

der Herren zu Boden.<br />

Aspekt gefällt mir», fügt er hinzu. «Meiner Meinung nach kann<br />

man Sumō durchaus mit dem US-amerikanischen Profi-Wrestling<br />

vergleichen. Es ist ein Show-Spektakel. Ich finde es schön,<br />

dass hier alte Rituale gepflegt werden, auch wenn sie vielleicht<br />

überholt wirken mögen.»<br />

Schwergewichtler Jose Galindo kam zum Sumō, nachdem er<br />

auf YouTube gesehen hatte, wie Ulambayar einen Gegner mit<br />

vollem Körpereinsatz auf die Matte schickte. Galindo wuchs in<br />

Utah und Los Angeles auf und spielte semiprofessionell Football.<br />

Nun verdient er sein Geld als Chiropraktiker. Auch für ihn ist es<br />

das erste Turnier. «Ich bin seit eineinhalb Monaten dabei», sagt<br />

er. «Das ist meine Feuertaufe.» Kurz entschlossen füllte er das<br />

Anmeldeformular für das Turnier aus und zahlte die 30 Dollar<br />

Teilnahmegebühr.<br />

Aber nicht alle amerikanischen Teilnehmer sind Neulinge.<br />

Schwergewichtler Kelly Gneiting ist als fünfmaliger US-Meister<br />

bereits eine Legende. Der 197 Kilo schwere Fleischberg kam zum<br />

Sumō, als er für das griechisch-römische Ringen zu schwer geworden<br />

war. Der 48-Jährige mit dem grauen Bart ist der einzige Wettkämpfer,<br />

der schon 2001 an den ersten US Sumo Open teilnahm.<br />

«Das wahre Wesen von Sumō bleibt vielen verborgen», philosophiert<br />

er. «Dazu gehört auch, dass Sumō der härteste Sport der<br />

Welt ist. Es ist extrem brutal.» Gneiting erzählt, wie er 2004 in<br />

Tokio kurz vor dem Sieg gegen einen der heimischen Champions<br />

stand, als der Gegner von seinem Team ein Zeichen bekam und<br />

daraufhin ein Handkantenschlag auf Gneitings Auge landete.<br />

«Ich hatte das Gefühl, mir fällt ein Waschbecken auf den Kopf.<br />

In den USA oder Grossbritannien wäre man damit nicht durchgekommen,<br />

aber in Japan ist so etwas normal.» Rückblickend<br />

glaubt Gneiting, dass die Japaner seinerzeit etwas dagegen hatten,<br />

dass Ausländer in ihren Nationalsport eindringen. Im Laufe<br />

der Zeit hätten sie aber gelernt, «ihr Baby loszulassen».<br />

Andrew Freund ist der Gründer und Veranstalter der US<br />

Sumo Open und verbreitet die hektische Energie eines Menschen,<br />

der zu wenig schläft. Anfang der 1990er verbrachte Freund einige<br />

Zeit in Japan. Dann organisierte er aus Spass Sumō-Kämpfe<br />

in Kalifornien, bevor er 2001 die ersten US Open veranstaltete.<br />

Meist kommt die Hälfte der Teilnehmer aus den USA und die<br />

andere Hälfte aus dem Ausland. In 90 Prozent der Fälle schaffen<br />

es jedoch Ausländer aufs Siegerpodest. «Im internationalen<br />

Amateur-Sumō haben die Amerikaner noch einiges aufzuholen»,<br />

meint er achselzuckend.<br />

Freund erklärt, dass sich der Sport nicht in japanisches und<br />

nichtjapanisches Sumō unterteilt, sondern in Profi- und Amateur-<br />

Sumō. «Profi-Sumō in Japan ist eine Welt für sich», sagt er. «Profi-<br />

Sumōtori gehen keinem anderen Beruf nach, sie haben keinen<br />

Urlaub und keine Rückzugsmöglichkeit. Wenn sie sich einen Tag<br />

freinehmen wollen, müssen sie die Trainer um Erlaubnis bitten.<br />

Die meisten Profis trainieren 365 Tage im Jahr. Es ist nicht so wie<br />

im American Football, wo drei bis vier Monate lang Saison ist<br />

und man ausserhalb der Saison Freizeit hat.»<br />

Byambajav Ulambayar, erzählt Freund, war fünf Jahre lang<br />

Profi. Er hat in dieser Zeit seine Familie ein einziges Mal gesehen.<br />

«Als Profi hast du keine Zeit für andere Dinge. Hörst du auf,<br />

THE RED BULLETIN 73


«In Amerika amüsiert man<br />

sich darüber, dass da zwei<br />

fette Kerle mit den Bäuchen<br />

aneinanderklatschen.»<br />

kannst du nicht mehr zurück.» Doch nicht jeder Sumō-Ringer<br />

in Japan ist an die strengen Traditionsregeln gebunden. «Zehntausende<br />

Menschen praktizieren in Japan Sumō», erläutert<br />

Freund, «aber nur 600 bis 700 betreiben es wirklich professionell.»<br />

Die anderen gehen der Sportart in ihrer Freizeit nach, wie<br />

andere eben Fussball spielen. Es gibt Grundschulteams, Firmenteams<br />

oder regionale Teams.<br />

Die Reaktionen der Japaner auf ausländische Teilnehmer seien<br />

gemischt, gesteht Freund: «Manche Puristen sind der Meinung,<br />

dass wir die Sportart verwässern und verfälschen und den<br />

Kämpfern das Verständnis für Ehre und japanische Traditionen<br />

fehlen würde.» Daher besteht auch eine Obergrenze für Ausländer<br />

in professionellen Sumō-Ställen: Es ist nur einer pro Team zulässig.<br />

«Es gibt 700 Profi-Sumōtori in 35 Teams – das bedeutet,<br />

dass maximal fünf Prozent davon Ausländer sein dürfen», sagt<br />

Freund. «Würde man diese Begrenzung aufheben, würden wahrscheinlich<br />

am nächsten Tag 7000 Mongolen die Ställe stürmen.»<br />

Es gibt aber auch Leute, die der Meinung sind, dass frisches<br />

Blut für die japanischen Sumōtori einen zusätzlichen Trainingsanreiz<br />

bedeuten würde.<br />

Freund glaubt weiters, dass die Japaner überhaupt nichts dagegen<br />

haben, dass Ausländer den Sport ausserhalb Japans praktizieren.<br />

«Sie sind stolz darauf, dass Ausländer ihren National sport<br />

erlernen. Dadurch setzen sie sich mit der japanischen Kultur und<br />

uralten Techniken auseinander. Je bekannter und populärer eine<br />

Sportart wird, desto mehr Menschen wollen sie ausüben – das<br />

geschieht ganz automatisch.»<br />

Die Herren der Ringe<br />

Heute ist Turniertag. Taiko-Trommler heizen den 4000 Zuschauern<br />

ein, die mit Bento-Boxen und Sapporo-Dosenbier auf den<br />

Rängen hocken. Abgesehen von diesen japanischen Requisiten<br />

unterscheidet sich das Publikum hier nicht von dem anderer<br />

US-Sportevents: bunt gemischt, lautstark euphorisch.<br />

Takeshi Amitani entledigt<br />

sich eines Gegners in einem<br />

Mittelgewichtskampf.<br />

74 THE RED BULLETIN


Der Amerikaner Kelly<br />

Gneiting (links) ringt<br />

mit einem Gegner in<br />

einer frühen Runde<br />

der Schwergewichtsklasse<br />

der Herren.<br />

Neben dem Dohyō steht ein japanischer Ringrichter mit<br />

weis sem Hemd, Fliege und Handschuhen, der den Kampf leitet.<br />

Häufig dauert es nur rund zehn Sekunden, bis es einem Ringer<br />

gelingt, den Gegner umzustossen oder aus dem Ring zu drängen.<br />

82 anerkannte Techniken kommen zum Einsatz, meist Schiebeoder<br />

Wurftechniken. Man darf den Gegner schlagen, ihm die<br />

Beine wegziehen und am Gürtel (Mawashi) packen. Faust schläge,<br />

Tritte und Haareziehen sind hingegen nicht erlaubt.<br />

Vor der Tribüne warten die Sumōtori auf ihren Einsatz. Einige<br />

haben sich in Handtücher eingewickelt, andere unterhalten sich.<br />

Die Ukrainer – auffällig muskelbepackt – wärmen sich etwas<br />

abseits in einer Ecke auf. Einige üben Bewegungsabläufe und<br />

machen zwischendurch ein Nickerchen. Kelly McKnight dehnt<br />

ausgiebig und sieht dabei aus wie ein Jedi-Ritter. Byambajav<br />

Ulambayar wartet geduldig in seiner violetten Robe und genehmigt<br />

sich einen Snack. Das norwegische Team – alle blond mit<br />

einheit lichen Trainingsanzügen – hat in einer Ecke die Nationalflagge<br />

gehisst, als hätte man soeben den Nordpol erobert.<br />

Die Leichtgewichtskämpfe sind rasch vorbei. McKnight und<br />

die zwölf anderen US-Teilnehmer werden im Handumdrehen aus<br />

dem Dohyō und damit aus dem Turnier befördert. Der Ukrainer<br />

Sviatoslav Semykras sorgt für den Höhepunkt, als er sich auf den<br />

Brustkorb seines Gegners wirft und ihn mit einem halben Salto<br />

in die Menge katapultiert, bevor er sauber auf den Füssen landet,<br />

um sich die Goldmedaille abzuholen. Die Ukrainer geniessen<br />

nicht umsonst ein hohes Ansehen im Ring.<br />

In der Mittelgewichtsklasse gibt es keine Überraschungen.<br />

Während andere unkontrolliert raufen und schubsen, macht der<br />

Japaner Takeshi Amitani elegant einen Schritt zur Seite, nutzt<br />

mit gekonnten Handgriffen das Gewicht des Gegners zu seinem<br />

Vorteil aus und gewinnt damit souverän.<br />

Für die meisten Zuschauer beginnt mit den Schwergewichtskämpfen<br />

der interessanteste Teil des Turniers. Byambajav Ulam-<br />

bayar tritt gegen den Ägypter Ramy Elgazar an, der 2015 die<br />

US Sumo Open gewonnen hat.<br />

Ein Sumō-Kampf beginnt, wenn beide Gegner die Fäuste auf<br />

den Boden des Dohyō stützen. Ulambayar und Elgazar geben<br />

sich theatralisch und lassen sich Zeit, stützen nur eine Hand auf,<br />

stehen wieder auf, machen Dehnübungen oder gehen im Ring<br />

herum, wenn sich der andere gerade abgestützt hat. Als sie endlich<br />

aufeinander losstürmen, fegt der Ägypter den Mongolen<br />

von den Füssen. Es ist Ulambayars erst siebte Niederlage in über<br />

zehn Jahren US-Sumō.<br />

Im Duell des Neulings Galindo gegen Altmeister Gneiting<br />

herrscht für eine Weile Stillstand, bis Galindo den Veteranen urplötzlich<br />

aus dem Ring drängt und als Sieger hervorgeht. Ein<br />

überwältigendes Erfolgserlebnis für jemanden, der nach eigenen<br />

Angaben nur ein paar Monate trainiert hat.<br />

Jose Galindo trifft im nächsten Kampf auf Hiroki Sumi. Es<br />

geht ein wenig hin und her, dann liegt Sumi am Boden. Der<br />

Schiedsrichter meint zunächst, der Fuss des Amerikaners habe<br />

den Ring zuerst ver lassen und spricht dem Japaner den Sieg zu.<br />

Die Menge buht. Der Schiedsrichter sieht sich die Wiederholung<br />

auf einem Monitor an, bevor er seine Entscheidung zurücknimmt:<br />

Galindo gewinnt und hat damit in zwei Kämpfen zwei<br />

Weltmeister geschlagen. Sumi nimmt es gelassen, der Sieger<br />

heizt das Publikum mit ausladenden Armbewegungen an. «Ich<br />

habe schon Super Bowls und NBA-Finals gesehen, aber das hier<br />

ist unterhaltsamer als alles andere», meint ein Zuschauer.<br />

Nachdem alle Favoriten aus dem Rennen sind, steht Jose<br />

Galindo im Finale Oleksandr Veresiuk gegenüber, kann aber dem<br />

Angriff des Ukrainers nicht standhalten. Dennoch schüttelt<br />

Galindo als Zweitplatzierter seinem Gegner strahlend die Hand.<br />

«Ich fühle mich super», schwärmt er. «Der Kampf gegen Hiroki<br />

war gigantisch. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn schlagen kann.<br />

Ich habe nur gehofft, dass ihm die Luft ausgeht.» Mit dem neuen<br />

Selbst bewusstsein will Galindo nun weiterhin Sumō-Turniere bestreiten.<br />

Seiner heutigen Leistung nach zu urteilen hätte er gute<br />

Chancen, der beste US-Sumō-Athlet seit Gneiting zu werden.<br />

Das Turnier neigt sich dem Ende zu. Die Ukrainer waren in<br />

jeder Kategorie erfolgreich – mit Ausnahme der Mittelgewichtsklasse<br />

der Männer, die Takeshi Amitani für Japan und damit für<br />

die Wiege des Sumō entschieden hat.<br />

Amitani hegt keinen Groll gegen die ausländische Konkurrenz.<br />

Er glaubt, dass die zunehmende Popularität des Sumō nur Vorteile<br />

hat. «Sumō ist ein unkomplizierter Sport, den viele Leute<br />

ausüben könnten.» Möglicherweise wird die Tradition des Sumō<br />

durch den Einfluss ausländischer Ringer also nicht verwässert,<br />

sondern bloss mehr Menschen zugänglich gemacht.<br />

«In Amerika amüsiert man sich bis jetzt eher darüber, dass da<br />

zwei fette Kerle mit den Bäuchen aneinanderklatschen», sagt<br />

hingegen Kelly Gneiting. «Das ist natürlich ein eklatantes Missverständnis,<br />

denn Sumō ist reine Kampfkunst.»<br />

usasumo.com<br />

THE RED BULLETIN 75


<strong>DE</strong>INE MEINUNG<br />

ZÄHLT!<br />

Mitmachen<br />

& gewinnen!<br />

Einfach auf den Link gehen, ausfüllen und mit etwas Glück<br />

den Hauptpreis oder einen von vielen Preisen<br />

im Wert von bis zu 200 CHF gewinnen:<br />

theredbulletin.com/surveych<br />

THE RED BULLETIN<br />

BEYOND THE ORDINARY<br />

Sämtliche Informationen rund um die Befragung sowie die Teilnahmebedingungen findest du unter:<br />

www.theredbulletin.com/leserbefragung_AGB


guide<br />

Dein Programm<br />

HERBST-EVENTS<br />

Von sportlich bis visionär:<br />

Top-Termine der<br />

kommenden Wochen<br />

SEITE 82<br />

ENTERTAINMENT<br />

Und … Action! Die Highlights<br />

auf <strong>Red</strong> Bull TV,<br />

live und on demand<br />

SEITE 84<br />

UHREN-SPECIAL<br />

Präzise, funktional,<br />

stilvoll: 33 Modelle<br />

für jedes Handgelenk<br />

SEITE 86<br />

EXPLORE HIMALAYA TRAVEL & ADVENTURE<br />

REISEN<br />

Die ultimative Erfahrung<br />

für passionierte Wolken-<br />

Kratzer: Skydiving am<br />

Mount Everest in Nepal<br />

SEITE 78<br />

THE RED BULLETIN 77


Reisen<br />

Der Sprung aus dem Helikopter bringt den heftigsten Adrenalinkick bei Everest Skydive.<br />

SKYDIVING IM HIMALAYA<br />

DU SPRINGST VOM<br />

DACH <strong>DE</strong>R WELT<br />

Gibt es etwas Besseres als den freien Fall? Ja, sagt<br />

8000-Sprünge-Veteran Tom Noonan: den freien Fall in<br />

Nepal, Aug in Aug mit den höchsten Bergen des Planeten.<br />

Wenn du in 7000 Metern<br />

aus dem Heli springt,<br />

wirst du vor allem erst<br />

mal eines: richtig schnell. Ziemlich<br />

genau 210 km/h schnell. Den<br />

Sound dazu kannst du dir wie einen<br />

gigantischen Föhn vorstellen,<br />

und hättest du keinen Helm, würde<br />

es dir die Ohren 45 Sekunden<br />

lang richtig durchblasen. Denn<br />

so lange dauert der Fall. Okay,<br />

7000 Meter sind überall auf der<br />

Welt 7000 Meter, und 210 km/h<br />

klingen überall auf der Welt gleich.<br />

Was genau diesen Sprung genau<br />

hier so unglaublich und krass<br />

Tom Noonan ist in über 40 Ländern auf den Boden zugerast.<br />

78 THE RED BULLETIN


guide<br />

REISETIPPS<br />

FÜR PASSIONIERTE<br />

WOLKEN-KRATZER<br />

Dass man am Dach der Welt wandern kann,<br />

ist klar. Dass es hier halluzinogenen Honig<br />

und einen Zahnweh-Baum gibt, noch nicht.<br />

Der Helikopter bringt die Teilnehmer auf Himalaya-Höhen von 7000 Metern.<br />

Nepal<br />

Kathmandu<br />

Mt. Everest<br />

Lukla<br />

Im <strong>November</strong> hat es untertags durchschnittlich 15 Grad<br />

und regnet kaum – ideale Bedingungen für einen<br />

Nepal-Besuch und den Sprung mit Everest Skydive.<br />

EXPLORE HIMALAYA TRAVEL & ADVENTURE<br />

Trekkingparadies: Der Ort Namche Bazar liegt auf 3440 Metern.<br />

macht, ist die Kulisse: Ich springe<br />

zwischen den höchsten Bergen<br />

der Welt in die Tiefe.<br />

Nirgendwo sonst gibt es einen<br />

so imposanten Orientierungspunkt;<br />

die Himalaya-Topografie<br />

scheint mich zu verschlucken.<br />

Damit das nicht wirklich passiert,<br />

ziehe ich die Reissleine, mein Fallschirm<br />

bremst mich runter auf<br />

25 km/h. Die nächsten sechs<br />

Minuten bin ich auf Augenhöhe<br />

mit dem Everest, nur ein paar Kilometer<br />

von ihm entfernt. Ein friedlicher<br />

Sinkflug neben diesem Giganten<br />

lehrt dich Bescheidenheit.<br />

Es ist unbeschreiblich, etwas zu<br />

erleben, was nur wenige Menschen<br />

jemals erleben werden dürfen.<br />

Und dennoch fühlt es sich danach<br />

«Ich ziehe die<br />

Reissleine, damit<br />

mich der Himalaya<br />

nicht verschluckt.»<br />

genauso gut an, auf 3780 Meter<br />

Seehöhe am Syangboche-Flugfeld<br />

wieder festen Grund unter den<br />

Füssen zu spüren. Warum?<br />

Auch nach 8000 Tandemflügen<br />

in mehr als 40 Ländern auf allen<br />

sieben Kontinenten der Welt ist da<br />

jedes Mal Erleichterung, wenn es<br />

wieder einmal gutgegangen ist.<br />

Ich flog schon über dem Great<br />

Blue Hole in Belize, dem Eis der<br />

SEHEN<br />

Der Himalaya ist voll von exotischen Tieren.<br />

Hier Tom Noonans persönliche Auswahl.<br />

YETI<br />

«Der Glaube an den Yeti lebt. Das könnte an den<br />

angeblichen Yeti-Knochen liegen, die in einem Kloster<br />

in Pangboche ausgestellt werden.»<br />

SCHNEELEOPARD<br />

«Schneeleoparden triffst du selten – für mich okay, denn<br />

ich habe keine Lust, ihnen in freier Wildbahn zu begegnen.»<br />

YAK<br />

«Massiv, gutmütig und wunderschön: Yaks tragen alles,<br />

wofür der Mensch zu wenig Kraft hat.»<br />

ERLEBEN<br />

Es gibt kein Tabu in Kathmandu.<br />

EHRE <strong>DE</strong>N ZAHNSCHMERZ-GOTT<br />

Um Vaisya Dev zu besänftigen, schlagen Einheimische eine<br />

Münze in den legendären Schrein aus Bangemudha-Holz.<br />

Hilft nicht? Die Nachbarschaft ist voll von Zahnärzten.<br />

KOSTE VOM HALLUZINOGENEN HONIG<br />

Der «Mad Honey» aus dem Kathmandu-Tal enthält<br />

(für Menschen ungefährliche) Giftstoffe aus Rhododendronbäumen,<br />

senkt Stress und steigert angeblich die Potenz.<br />

ISS YAK-KÄSE<br />

Herkömmlicher Kuhmilchkäse stinkt im Vergleich zum Käse<br />

aus der Milch der Hochlandrinder ziemlich ab. Buchstäblich.<br />

Letzterer hat mehr herzfreundliche Fettsäuren.<br />

THE RED BULLETIN 79


Reisen<br />

guide<br />

<strong>DE</strong>R SPRUNG<br />

I’M FREEEEEEE,<br />

FREE FALLIN’!<br />

Perfekte Tracks für den Skydiving-Sound<br />

und Handzeichen, die man beim freien Fall<br />

aus dem Effeff beherrschen sollte.<br />

HANDZEICHEN<br />

Weil man während des freien Falls keine Stimmen versteht,<br />

kommuniziert dein Guide via Handzeichen mit dir.<br />

Das erste solltest du dir besonders gut einprägen.<br />

Immer wieder ein gutes Gefühl: die seidenweiche Landung am Syangboche-Flugfeld<br />

PULL<br />

Zieh sofort an der Reissleine<br />

deines Fallschirms.<br />

ARCH<br />

Drück dein Becken<br />

Richtung Erde.<br />

CHECK ARMS<br />

Bring Hände, Schultern<br />

und Kopf in W-Form.<br />

CIRCLE OF AWARNESS<br />

Achte auf die Umgebung,<br />

check den Altimeter.<br />

HÖREN<br />

Mit dieser Musik stimmen sich Tom Noonan und<br />

sein Team auf den Heli-Sprung aus 7000 Metern ein.<br />

1. JAMIROQUAI<br />

«Einmal hörten wir Jamiroquai, und plötzlich machte<br />

die halbe Gruppe den Line Dance. Egal was läuft,<br />

wenn die Leute dazu jammen können, ist es cool.»<br />

2. TRADITIONELLE GESÄNGE<br />

«Die Berge sind ein sehr spiritueller Ort voll unglaublicher<br />

Energie. Wir hören viel nepalesische Musik aus<br />

der Region und buddhistische Mantras.»<br />

3. STILLE<br />

«Die westliche Welt ist voller Lärm. Nicht so im Himalaya.<br />

Umgeben von Ruhe und Stille, gibt es für mich nichts<br />

Vergleichbares. Der Wind ist das Lauteste, was du hörst.<br />

Einfach unglaublich.»<br />

Arktis und Antarktis und den<br />

Pyramiden von Gizeh. Ganz<br />

besonders liebe ich möglichst<br />

ab geschiedene Orte.<br />

Wenn ich schon am Boden<br />

bleiben muss, stecke ich mein<br />

Herzblut in die Organisation des<br />

jährlichen Nepal-Trips für Everest<br />

Skydive. Elf Monate dauern die<br />

Vorbereitungen in meinem Büro<br />

in Florida, jedes Jahr, seit 2008.<br />

Je nach Wetter nehmen mein<br />

Team und ich im <strong>November</strong> oder<br />

Mai fünf bis zehn Teilnehmer mit<br />

auf eine Abenteuerreise zum<br />

Himalaya. Wir fliegen nach Kathmandu,<br />

erkunden für ein paar<br />

Tage die Stadt und fliegen weiter<br />

nach Lukla, dem Tor zum Everest.<br />

Wir trekken drei Tage durch<br />

Täler und auf Berge, jeden Tag<br />

eine Spur höher. So gewöhnen wir<br />

uns an die Höhe. Einfach reinfliegen<br />

und springen wäre unprofessionell<br />

bis gefährlich: Hypoxie<br />

(Sauerstoffmangel; Anm.) kann<br />

zu Ohnmacht führen. Das ist das<br />

Letzte, was man im freien Fall<br />

braucht.<br />

Wir finden, der Sprung macht<br />

mehr Spass, wenn man ihn sich<br />

erarbeitet. Darum haben alle, die<br />

mit uns gehen, eine Woche Abenteuer<br />

hinter sich. Die Skydives<br />

sind die Belohnung für die Strapazen.<br />

Und die Anstrengung lohnt<br />

sich jedes Mal.<br />

Die erste Begegnung mit dem<br />

Mount Everest vergisst man nie.<br />

Ich weiss noch, wie ich ein Teehaus<br />

über Namche Bazar überflog.<br />

Vor mir ein zehn Kilometer<br />

langes Tal, an dessen Ende thront<br />

das Dach der Welt.<br />

Die Einheimischen aus Nepal,<br />

die Bauern und Hirten, glauben,<br />

dass die Berge Göttinnen sind, die<br />

sie beschützen. Das ganze Gebiet<br />

ist spirituell, das überträgt sich.<br />

Vor jeder Expedition halten wir<br />

eine religiöse Zeremonie namens<br />

«Puja» ab, bei der ein Lama –<br />

nicht das Tier, sondern ein Priester<br />

– unsere Ausrüstung segnet.<br />

Bevor ich 2006 mit 32 hauptberuflich<br />

Skydiver wurde, hatte<br />

ich bei einer Bank in Boston<br />

ge arbeitet. Aber mein Held war<br />

immer Indiana Jones. Wie er weit<br />

weg von zu Hause in Ärger gerät,<br />

Spass hat, das Leben auskostet<br />

und dann, als ob nichts gewesen<br />

wäre, wieder für seinen Alltagsjob<br />

heimkehrt. Kenn ich. Ich hab noch<br />

immer ein Büro, in das ich zurückkehre.<br />

Aber mein Herz ist bei den<br />

Menschen in Nepal.<br />

everest-skydive.com;<br />

explorehimalaya.com<br />

EXPLORE HIMALAYA TRAVEL & ADVENTURE PIERS MARTIN<br />

80 THE RED BULLETIN


28./29. <strong>November</strong> <strong>2019</strong> // Luzern<br />

SPORT.FORUM.<br />

SCHWEIZ<br />

SPONSOREN<br />

MEDIEN<br />

FANS<br />

TICKET<br />

25. Ausgabe +650 Teilnehmer<br />

+70 Experten<br />

SPORTFORUMSCHWEIZ.CH<br />

AUF <strong>DE</strong>R BÜHNE<br />

Medhi Benmamar<br />

Christian Ebenbauer<br />

Claudia Lässer<br />

Roland Mägerle<br />

Viktor Röthlin<br />

PREMIUM PARTNER


Events<br />

guide<br />

18<br />

& 19. Oktober<br />

WER WIRD<br />

CHAMPION?<br />

Nach spektakulären Rennen in<br />

Südafrika, Kanada und Russland<br />

wird das Finale der <strong>Red</strong> Bull<br />

Pump Track-Weltmeisterschaft<br />

mit Spannung erwartet. Schauplatz<br />

ist der Swiss Bike Park,<br />

eine beeindruckende 20.000<br />

Quadratmeter grosse Anlage,<br />

die den Bikern (im Bild Twan<br />

van Gendt) alles abverlangt.<br />

Der grosse Showdown steigt<br />

auf dem 300 Meter langen Velosolutions-Kurs.<br />

Swiss Bike Park, Niederscherli;<br />

redbullpumptrackworldchampionship.com<br />

bis 24. <strong>November</strong><br />

So wirst du<br />

zum Helden<br />

12.000 Besucher kamen im Vorjahr<br />

zum ersten Herofest. Jetzt geht<br />

das dreitägige Festival für Gaming,<br />

eSports und Fantasy in Runde 2:<br />

mit den aktuellsten Games, packenden<br />

Duellen der besten eSportler<br />

und faszinierenden Cosplayer-Auftritten.<br />

Ausserdem hostet das Herofest<br />

die mit 2000 Teilnehmern<br />

grösste LAN-Party im deutschsprachigen<br />

Raum.<br />

Bernexpo, Bern; herofest.ch<br />

27<br />

<strong>November</strong><br />

Tanz mit<br />

Parov Stelar<br />

live erlebt hat, weiss, dass<br />

22 30<br />

19<br />

Oktober<br />

Gemeinsam für eine<br />

bessere Welt<br />

Das <strong>Red</strong> Bull Basement Festival hat ein erklärtes<br />

Ziel: Visionäre zu verbinden, die soziale Missstände<br />

durch Technologie verbessern wollen.<br />

Dazu gibt es Workshops, Vorträge und Debatten,<br />

u. a. wird Freestyle-Skifahrer Elias Ambühl mit<br />

dem Gründer von Protect Our Winters Schweiz,<br />

Nicholas Bornstein, darüber diskutieren, wie<br />

sich Wintersportvergnügen und Umweltschutz<br />

vereinbaren lassen.<br />

Volkshaus, Zürich; redbull.com<br />

Mit seiner Band hat er weltweit<br />

bereits tausend Shows gespielt<br />

– und wer Parov Stelar jemals<br />

niemand still steht, wenn der<br />

Erfinder des Electro-Swing zur<br />

Party ruft. Mit dabei: sieben<br />

Vollblutmusiker, die den Stelar-<br />

Sound zu pulsierendem Leben<br />

erwecken.<br />

Samsung Hall, Dübendorf;<br />

parovstelar.com<br />

<strong>November</strong><br />

Erlebe die<br />

besten Battles<br />

Das «DPC Jam» gilt als eines<br />

der wichtigsten Breakdance-<br />

Battles der Welt. In diesem<br />

Jahr bei den Zwei-gegen-zwei-<br />

Duellen dabei: der amtierende<br />

<strong>Red</strong> Bull BC One-Champion<br />

Lil Zoo mit Tsukki aus Japan<br />

und die beiden <strong>Red</strong> Bull BC<br />

One-Allstars Hong 10 und Issei.<br />

GZ Heuried, Zürich;<br />

dpcjam.com<br />

JARNO SCHURGERS/RED BULL CONTENT POOL, ALAN SAHIN/RED BULL CONTENT POOL<br />

82 THE RED BULLETIN


Entertainment<br />

guide<br />

JETZT<br />

GEHT’S<br />

UM ALLES<br />

Ob Freeride-Mountainbiker,<br />

Breakdancer oder Hard-<br />

Enduro-Pilot: Auch diesen<br />

Monat kämpfen Spitzenathleten<br />

aus der ganzen<br />

Welt um Ruhm, Ehre und<br />

wichtige Trophäen. Sei auch<br />

dabei – mit <strong>Red</strong> Bull TV.<br />

SO SIEHST DU<br />

RED BULL TV<br />

ÜBERALL<br />

<strong>Red</strong> Bull TV ist deine globale<br />

digitale Destination für<br />

Entertainment abseits des<br />

Alltäglichen, empfangbar<br />

rund um die Uhr an jedem Ort<br />

der Welt. Geh auf redbull.tv,<br />

hol dir die App oder connecte<br />

dich via Smart-TV.<br />

Alle Infos: redbull.tv<br />

25<br />

Get down unter der<br />

Wüstensonne:<br />

<strong>Red</strong> Bull Rampage<br />

Oktober LIVE<br />

RED BULL<br />

RAMPAGE<br />

Rote Felsen, rasante Rides und gewaltige Sprünge: Im<br />

Oktober trifft sich die Freeride-Elite zur 14. Ausgabe des<br />

grössten und wildesten Mountainbike-Contests in Virgin,<br />

Utah. Gemeinsam mit ihrer zwei Mann starken Crew setzen<br />

die 21 Rider alles daran, die ultimative Linie im Berg zu<br />

finden und ihre spektakulärsten Tricks zu zeigen.<br />

9<strong>November</strong> LIVE<br />

RED BULL BC ONE<br />

WORLD FINAL<br />

Hallo Mumbai! Erstmals steigt der Final des legendären<br />

Breakdance-Contests in Indien. Nach nationalen<br />

Wettbewerben, bekannt als Cyphers, treten dort<br />

die weltbesten B-Girls und B-Boys gegeneinander an.<br />

2bis 3. <strong>November</strong> LIVE<br />

GETZENRO<strong>DE</strong>O<br />

Das GetzenRodeo in Drebach, Deutschland, bildet<br />

den Höhepunkt der World Enduro Super Series <strong>2019</strong>.<br />

Der Hard-Enduro-Event ist heiss begehrt, mehr als<br />

10.000 Fans sind jährlich dabei, wenn die Piloten<br />

zum Saisonabschluss noch einmal alles geben.<br />

BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL, SONSTAR/RED BULL CONTENT POOL, MIHAI STETCU/RED BULL CONTENT POOL<br />

84 THE RED BULLETIN


Die Schönheit<br />

der Natur entdecken<br />

Jahresabo<br />

CHF 64.–<br />

Jetzt Abo bestellen:<br />

bergweltenabo.ch


Herbst<br />

<strong>2019</strong><br />

UHREN-<br />

GUI<strong>DE</strong><br />

Zu<br />

Wasser<br />

Ultraschlanke<br />

und robuste<br />

Taucheruhren,<br />

die unter Druck<br />

garantiert<br />

performen<br />

Tudor Black Bay P01<br />

Die Black Bay P01 ist eine Mischung<br />

aus klassischer Taucher- und Fliegeruhr.<br />

Sie basiert auf einem legendären<br />

Prototyp, entwickelt für die U. S. Navy<br />

in den späten 60er-Jahren. Ihr Herzstück:<br />

ein spezielles Anschlag-System<br />

mit beweglichem Endelement auf<br />

der 12-Uhr-Position, wodurch sich die<br />

Lünette – aus Edelstahl mit 60 Einkerbungen<br />

– in beide Richtungen<br />

drehen lässt. Das Uhrglas besteht aus<br />

gewölbtem Saphirglas. Das Hybridarmband<br />

aus Leder und Kautschuk<br />

verfügt über eine Sicherheitsfaltschliesse.<br />

Text<br />

ALEXANDRA<br />

ZAGALSKY<br />

86 THE RED BULLETIN


Breitling SuperOcean 44<br />

Inspiriert von Breitlings legendärem<br />

1957er-Modell, macht die neue Super-<br />

Ocean-Kollektion in puncto Tauch-Performance<br />

keine halben Sachen. Das schickste<br />

Familienmitglied ist diese 44-Millimeter-<br />

Version in «Gun Blue» mit Diver-Pro-II-<br />

Kautschukband und mächtigem Kaliber,<br />

das bis zu 1000 Meter Tiefe aushält.<br />

Mido Ocean Star Tribute<br />

Mido übertrifft sich mit dieser Hardcore-Ocean-Star<br />

selbst. Wasserdicht<br />

bis zu 600 Meter, also hart genug zur<br />

Erkundung des Meeresgrunds. Und<br />

cool genug für harmlosere Abenteuer.<br />

Ihr COSC-zertifiziertes Automatikwerk<br />

bietet bis zu 80 Stunden Gangreserve,<br />

doppelt so viel wie normale Kaliber.<br />

Alpina Seastrong Diver 300<br />

«Stark» beschreibt diese 44-mm-<br />

Taucheruhr mit ihren schwertartigen<br />

Zeigern tatsächlich treffend. Bis zu<br />

300 Meter wasserdicht, ist sie ein<br />

wahres Statement am Hand gelenk,<br />

ihr polsterförmiges Edelstahlgehäuse<br />

ist entweder mit Titan (Bild) oder<br />

bronze farbenem PVD beschichtet.<br />

Oris Divers Sixty-Five<br />

Chronograph Bucherer Blue<br />

Der exklusiv für Bucherer produzierte<br />

Hochleistungs-Chronograph verdankt seinen<br />

Vintage-Charme der gewölbten Oberfläche<br />

und blauen Nähten am karamellfarbenen<br />

Lederarmband. Die gelben Zeiger<br />

und Indizes heben sich bei Dunkelheit<br />

leuchtend vom tiefblauen Zifferblatt ab.<br />

Bucherer Patravi ScubaTec<br />

Black Manta Special Edition<br />

Nicht nur das Zifferblatt ist den Rochen<br />

gewidmet: Ein Teil des Erlöses geht an die<br />

Non-Profit-Organisation Manta Trust.<br />

Für alle, die den Meerestieren noch näher<br />

kommen wollen: Das Titangehäuse ist<br />

bis 50 Bar druckfest und verfügt über ein<br />

automatisches Heliumventil.<br />

Longines Legend Diver<br />

Als diese Uhr im Jahr 1960 auf den Markt<br />

kam, brach sie mit einigen Konventionen:<br />

Im Gegensatz zu den meisten Taucheruhren<br />

dieser Zeit war ihr Design konsequent<br />

reduziert, geradezu elegant. Dank<br />

schwarzer PVD-Beschichtung wirkt<br />

dieses aktuelle Modell auch noch aus<br />

heutiger Sicht futuristisch.<br />

THE RED BULLETIN 87


Zu<br />

Lande<br />

Coole, moderne<br />

Klassiker für deine<br />

Alltagsabenteuer<br />

Citizen Promaster Altichron<br />

Skifahrer lieben die superrobuste Promaster<br />

Altichron. Sie hat einen Kompass<br />

und misst Höhen bis 10.000 Meter. Du<br />

kannst sie in den kältesten Regionen tragen.<br />

Aber auch in den tiefsten Ozeanen,<br />

dank 200 Meter Wasserdichtigkeit. Die<br />

Eco-Drive-Technologie wandelt Licht in<br />

Strom um, so bleibt sie laufend in Betrieb.<br />

Reservoir Battlefield D-Day<br />

Reservoir-Uhren sind berühmt für<br />

ihre Komplikation der springenden<br />

Stundenanzeige und ihr handliches<br />

Design. Die Battlefield D-Day ist mit<br />

ihren geprägten Ziffern und weissem<br />

Stern eine Hommage an den Jeep der<br />

U. S. Army, der bei den D-Day-Landungen<br />

1944 eine tragende Rolle spielte.<br />

Victorinox Fieldforce<br />

Bei der Fieldforce dreht sich alles um<br />

dezente Funktionalität: Grosse Super-<br />

Lumi Nova-Ziffern zieren das schnörkellose<br />

Zifferblatt für einfache Ablesbarkeit<br />

bei Tag und Nacht. Nettes Detail: Das Gegengewicht<br />

des Sekundenzeigers hat die<br />

Form eines Schweizer Taschenmessers.<br />

Puristen kommen hier voll auf ihre Kosten.<br />

Formex Element<br />

Das facettierte Gehäuse aus 38 Einzelteilen<br />

ist das Hauptmerkmal der Element:<br />

Durch die patentierte Gehäuse-Federung<br />

von Formex kann sich die Uhr am Handgelenk<br />

«mitbewegen», was für mehr Tragekomfort<br />

sorgt. Dieser «Puffer» macht sie<br />

widerstandsfähiger, ebenso wie die praktisch<br />

kratzfeste Zirkonoxid-Lünette.<br />

IWC Pilot’s Watch Chronograph<br />

Top Gun Edition ‹Mojave Desert›<br />

Diese berühmte Uhrenfamilie von IWC ist<br />

nach dem «Strike Fighter Tactics Instructor<br />

Program» (oder auch: «TOPGUN») der<br />

U. S. Navy benannt. Der Chronograph ist<br />

aus sandfarbener Keramik gefertigt. Er<br />

bietet 46 Stunden Gangreserve und ein<br />

Werk mit Automatikaufzug.<br />

88 THE RED BULLETIN


Uhren<br />

TAG Heuer Monaco<br />

Fourth Limited Edition<br />

(1999–2009)<br />

Die Monaco kam 1969 auf den Markt<br />

und wurde 1971 durch den Film «Le<br />

Mans» mit Steve McQueen berühmt.<br />

Zu ihrem 50. Geburtstag zieht TAG<br />

Heuer alle Register: Es gibt fünf<br />

Sondermodelle dieser damals wegweisenden<br />

quadratischen Uhr –<br />

jedes von einem anderen der letzten<br />

fünf Jahrzehnte inspiriert. Die abgebildete<br />

Version ist die vierte davon:<br />

Dieses schicke schwarze Modell mit<br />

den umwerfend schönen roten und<br />

orangen Akzenten ist an die frühen<br />

2000er angelehnt. Die Edelstahluhr<br />

hat ein perforiertes schwarzes<br />

Kalbsleder-Armband, das an Vintage­<br />

Lenkräder erinnern soll. Ein Detail,<br />

das Uhren-Aficionados sicher auch<br />

zu schätzen wissen: Das Band ist<br />

mit weissen Nähten versehen, die<br />

sich mit den Stab-Indizes auf dem<br />

Zifferblatt wunderbar ergänzen. Im<br />

Gehäuseboden sind das «Monaco<br />

Heuer»-Logo und die Inschriften<br />

«1999–2009 Special Edition» und<br />

«One of 169» eingraviert. Im Inneren<br />

lebt die Geschichte dank TAG Heuers<br />

berühmtem Kaliber 11 weiter – eine<br />

moderne Version des Werks mit<br />

Automatikaufzug, das 1969 in der<br />

Original-Monaco sein Debüt feierte.<br />

Alte Zeiten<br />

leben auf.<br />

THE RED BULLETIN 89


Neue<br />

Horizonte<br />

Hochmoderne<br />

Wearables und<br />

Zeitmesser für<br />

Adrenalin-Jäger<br />

Favre-Leuba Raider<br />

Bivouac 9000<br />

Wie der Name andeutet, misst diese Uhr<br />

Höhen bis zu 9000 Meter. Foto- und<br />

Videograf James Austrums erlebt mit ihr<br />

allerhand Abenteuer, denen du auf der<br />

Instagram-Seite von Favre-Leuba folgen<br />

kannst. Sein neuestes? Die Eroberung des<br />

Stetind, des Nationalberges Norwegens.<br />

Casio Pro Trek WSD-F21HR<br />

Die neueste Version von Casios genialer<br />

Pro-Trek-Smart-Serie bietet weiterhin<br />

GPS, O≠line-Karten und ein robustes,<br />

wasserfestes Gehäuse. Neu ist der integrierte<br />

Pulsmesser. Die Uhr funktioniert<br />

mit iOS und Wear OS by Google. Und sie<br />

kann dank dem Batteriesparmodus bis zu<br />

einen Monat lang eingeschaltet bleiben.<br />

Suunto 9 Baro Titanium<br />

<strong>Red</strong> Bull X-Alps Limited Edition<br />

<strong>Red</strong> Bull X-Alps kombiniert auf 1138 Kilometern<br />

Laufen, Bergsteigen und Paragleiten.<br />

Diese Multisport-GPS-Uhr hielt<br />

auch den härtesten Tests stand und ist<br />

mit 1138 Stück streng limitiert. Sie überzeugt<br />

mit intelligentem Batterielaufzeit-<br />

Management und mehr als 80 Sportmodi.<br />

Garmin MARQ Athlete<br />

Hier geht’s um Performance: Die Lünette<br />

hat eine Skala für Erholungs- und V O² max -<br />

Werte. Per Schnellzugriff kannst du<br />

Features wie Laufanalyse, Biometrie und<br />

Herzratenvariabilität nutzen. Der Climb-<br />

Pro-Planer liefert Echtzeit-Infos für Bergfreunde<br />

und Routen-Bewertungen für<br />

mehr als 2000 Skiorte.<br />

Tissot T-Touch Expert Solar II<br />

Diese Uhr wird von einem Solar-Quarzwerk<br />

mit Touch-Technologie angetrieben,<br />

ist ziemlich leicht und praktisch. Sieben<br />

Minuten in der Sonne genügen, um sie für<br />

einen Tag aufzuladen. Kompass, Höhenmesser,<br />

Chronograph, Wetter- und Weckfunktionen<br />

sowie verschiedene Timer<br />

machen sie zum idealen Wanderbegleiter.<br />

90 THE RED BULLETIN


Uhren<br />

Leistung<br />

trifft<br />

Stil am<br />

Handgelenk.<br />

Steel Omega Speedmaster<br />

Apollo 11 50th Anniversary<br />

Limited Edition<br />

Vor 50 Jahren stiegen Neil Armstrong<br />

und Buzz Aldrin aus der<br />

«Eagle» und betraten als erste<br />

Menschen den Mond. Ein Ereignis,<br />

dem diese Uhr gewidmet ist, und<br />

sie zelebriert es anhand einmalig<br />

liebe voller Details: Das Hilfs-Zifferblatt<br />

auf 9 Uhr zeigt, wie Aldrin auf<br />

die Mondoberfläche hinabsteigt;<br />

die Gravur ist in Omegas neuer 18-<br />

karätiger Legierung «Moonshine»<br />

gefertigt, die einen Hauch heller ist<br />

als Gelbgold. Der Index bei 11 Uhr –<br />

ebenfalls aus Moon shine-Gold –<br />

verweist auf die ikonische Missions-Nummer<br />

von Apollo 11.<br />

Natürlich darf auch Arm strongs<br />

legendäres Zitat «Ein kleiner<br />

Schritt für einen Menschen, aber<br />

ein grosser Sprung für die Menschheit»<br />

nicht fehlen: Es ist im geschwärzten,<br />

inneren Gehäuseboden<br />

der Uhr eingraviert – gemeinsam<br />

mit einem winzigen Fussabdruck,<br />

der den ersten Schritt der Menschheit<br />

auf dem Mond symbolisiert.<br />

Die Serie ist auf 6969 einzeln<br />

numerierte Exemplare limitiert, in<br />

Anlehnung an dieses monumentale<br />

Jahr der Weltraumforschung.<br />

THE RED BULLETIN 91


Uhren<br />

Nicht von<br />

dieser Welt<br />

Technik von<br />

heute, Design von<br />

morgen – für alle,<br />

die gerne nach<br />

vorne blicken<br />

Hamilton Ventura<br />

Die Ventura ist Teil einer bekannten<br />

Zukunftsvision: Sie wurde in allen<br />

«Men in Black»-Filmen getragen –<br />

von Will Smith, Tommy Lee Jones,<br />

Josh Brolin und zuletzt von Tessa<br />

Thompson. Doch ihre Stärke ist<br />

ihre Geschichte: Mitte der 1950er<br />

machte sich der US-amerikanische<br />

Industriedesigner Richard Arbib<br />

daran, ganz nach seinen Vorstellungen<br />

ein futuristisches Design<br />

zu entwerfen, das den Optimismus<br />

und den Wohlstand des Landes<br />

widerspiegeln sollte. Inspiriert von<br />

polierten Chrom-Kotflügeln sowie<br />

der wilden Freiheit der Rock ’n’ Roll-<br />

Kultur, zeichnete Arbib das heute<br />

ikonische, geradezu ausserirdische<br />

asymmetrische Gehäuse der Ventura.<br />

1957 zementierte die Ventura<br />

ihren Ruf als visionäre Uhr, indem<br />

sie zur ersten batteriebetriebenen<br />

elektrischen Armbanduhr der Welt<br />

wurde. Elvis Presley trug seine Ventura<br />

mit beinahe religiösem Eifer.<br />

Im Film «Blaues Hawaii» von 1961<br />

hatte er sie erstmals am Handgelenk.<br />

Seitdem war er ein Fan des<br />

Designs und wurde zum leidenschaftlichen<br />

Sammler.<br />

Uhren,<br />

die die<br />

Klasse<br />

ihres<br />

Trägers<br />

anzeigen<br />

92 THE RED BULLETIN


Zenith Defy Classic<br />

White Ceramic<br />

Zenith ist bekannt für seine hochkomplexen,<br />

ultragenauen Modelle, die die Grenzen<br />

der Uhrmacherkunst sprengen – wie bei<br />

diesem vom Mond inspirierten Meisterwerk<br />

mit dem Automatikwerk Elite 670<br />

SK: Nur 3,88 Millimeter dick, schlägt es<br />

unter einem skelettierten Zifferblatt.<br />

Hublot Big Bang Unico<br />

Black Magic 42mm<br />

Die originale Big Bang von 2005 war ein<br />

Triumph der Mikrotechnik und Material-<br />

Innovation. Ihre Nachfolgerin beeindruckt<br />

mit Gehäuse und Lünette aus schwarzer<br />

glasperlgestrahlter Keramik. Und einem<br />

erstaunlichen Chronographen-Werk<br />

mit Säulenrad und Flyback-Funktion.<br />

Fortis PC-7 Team Aeromaster<br />

Chronograph<br />

Seit über einem Jahrzehnt sind Fortis<br />

und die Kunstflugstaffel der Schweizer<br />

Luftwaffe Partner. Zum dreißigjährigen<br />

Bestehen des Teams brachte der Uhrmacher<br />

diesen limitierten königsblauen<br />

Chronographen mit Mini-Flugzeug-<br />

Formation heraus.<br />

Maurice Lacroix Aikon<br />

Automatic Mercury 44mm<br />

Ein wunderbares Schauspiel und immer<br />

wieder ein cooler Hingucker: Dreht man<br />

das Handgelenk, folgen die Zeiger frei<br />

schwingend der Schwerkraft, als würde<br />

die Zeit davonlaufen. Dreht man es zurück,<br />

fallen die Zeiger wieder in ihre<br />

korrekte Position.<br />

Swatch Yellowboost<br />

Im Design ist die Yellowboost sehr<br />

schlicht gehalten. Und ist umso lässiger.<br />

Nicht zuletzt, weil sie aussieht,<br />

als wäre sie in einen Tank mit flüssigem<br />

Kryptonit («Superman»-Fans<br />

wissen Bescheid) gefallen. Das Silikon-<br />

Armband macht sie unverwüstlich,<br />

wie eine echte Superhelden-Uhr.<br />

Rado True Thinline Les Couleurs<br />

Le Corbusier Iron Grey<br />

Den Architekten Le Corbusier würdigt<br />

Rado mit einer Reihe minimalistischer<br />

Hightech-Keramikuhren. Sie sind auf je<br />

999 Stück limitiert und außergewöhnlich<br />

schlank (5 mm Gehäusehöhe). Das<br />

weiche, reflektierende Eisengrau bringt<br />

das Zifferblatt wunderbar zur Geltung.<br />

THE RED BULLETIN 93


Uhren<br />

Vom Designerstück<br />

zur Toolwatch<br />

Wenn die Uhrzeit<br />

beinahe<br />

zur Neben sache<br />

wird: ein Exkurs<br />

durch die technischen<br />

Details<br />

horologischer<br />

Handwerkskunst<br />

Chronograph<br />

Während eine Uhr vor allem<br />

die aktuelle Zeit anzeigt, macht<br />

der Chronograph (übersetzt<br />

«Zeitschreiber») die Uhr zur<br />

Stoppuhr. Beim Chrono graphen<br />

kann der Sekundenzeiger auf<br />

Knopfdruck un abhängig vom<br />

eigentlichen Uhrwerk gestartet,<br />

gestoppt und wieder in seine<br />

Ausgangsposition zurückgesetzt<br />

werden. Die Anzeige der gemessenen<br />

Zeit erfolgt meist über<br />

kleinere Hilfszifferblätter, sogenannte<br />

Totalisatoren, und in<br />

Kombi nation mit einer fixen<br />

Tachy meter-Lünette am äusseren<br />

Rand der Uhr lassen sich damit<br />

sogar Geschwindigkeiten beim<br />

Autofahren anzeigen: Auf einer<br />

definierten Distanz (beispielsweise<br />

1 Kilometer) wird der Sekundenzeiger<br />

aus der Mitte zur Geschwindigkeitsanzeige.<br />

Kompliziertere<br />

Umsetzungen erlauben darüber<br />

hinaus das Messen von Zwischenzeiten<br />

und werden Schleppzeiger,<br />

Doppel chronograph oder<br />

Rattrapante genannt.<br />

Multitasking<br />

am<br />

Handgelenk<br />

Text<br />

ROGER RÜEGGER<br />

94 THE RED BULLETIN


Drehring<br />

In den 50er-Jahren sorgten Blancpain<br />

und Rolex erfolgreich für eine Wasserlandung<br />

und definierten mit der Fifty<br />

Fathoms und der Submariner sowohl<br />

Funktion als auch Look der modernen<br />

Taucheruhr. Das Prinzip ist denkbar<br />

einfach erklärt: Entweder man markiert<br />

mit der Lünette einen errechneten<br />

Zeitpunkt oder den Beginn eines<br />

Tauchgangs (der Pfeil wird auf den<br />

Minutenzeiger ausgerichtet und setzt<br />

dadurch die Zeit auf null).<br />

Multifunktionsuhr<br />

Spätestens seit Casio in den 70er-<br />

Jahren einen Taschenrechner in eine<br />

Digitaluhr eingebaut hatte, gelten<br />

die batterie- oder solarbetriebenen<br />

Multifunktionsuhren als perfekte<br />

und oft günstigere Begleiter für fast<br />

jeden Sport und Einsatzbereich. Meist<br />

werden damit mehrere Funktionen<br />

wie Alarm, Höhen- und Tiefenmesser,<br />

Temperatur, Zwischenzeiten usw. in ein<br />

Gehäuse gepackt und die Zeitanzeige<br />

mit externen Quellen synchronisiert.<br />

Stoff für die Ewigkeit<br />

Die Uhrenindustrie mag gelegentlich<br />

konservativ anmuten, «Hightech» ist<br />

aber längst nicht nur in der Produktion<br />

der Hersteller zu finden: Bei den Uhrwerken<br />

kommen vermehrt Materialien<br />

wie Silizium, Saphir, Titan oder Carbon<br />

zum Einsatz, bei den Gehäusen bestimmen<br />

Keramik, Kautschuk oder Carbonfasergemische<br />

zunehmend den Look<br />

der Uhr. Das Resultat sind leichtere,<br />

meist kratzfestere Gehäuse und ein<br />

starker Auftritt am Handgelenk.<br />

Höhen- und Tiefenmesser<br />

Seit jeher eine eher exotische Zusatzfunktion<br />

bei mechanischen Uhren,<br />

gibt es eine Handvoll Hersteller,<br />

die ihre Uhren damit ausrüsten:<br />

Die Raider Bivouac von Favre-Leuba<br />

misst über den Umgebungsdruck<br />

Höhen bis 9000 Meter, bei Oris geht<br />

die ProPilot bis 4500 Meter mit.<br />

Umgekehrt bieten Favre-Leuba, Oris<br />

und Blancpain auch Taucheruhren<br />

mit mechanischem Tiefenmesser<br />

bis zu einer Tiefe von 120 Metern an.<br />

Zeitzonen-Anzeige<br />

Vielreisende werden die Komplikation<br />

zu schätzen wissen: Mittels Städteringen,<br />

Weltkugeln oder der internationalen<br />

Kurzbezeichnungen von Flughäfen<br />

können Lokal- und Heimzeiten<br />

eingestellt und abgelesen werden,<br />

manchmal sogar mit Tages- und Nachtanzeige<br />

und nicht nur in Stundenschritten.<br />

Einfachere Exemplare verwenden<br />

einen drehbaren 24-Stunden-Ring und<br />

einen zusätzlichen Zeiger aus der Mitte<br />

(eine Umdrehung in 24 Stunden).<br />

Akustische Zeitanzeige<br />

Nachdem es bereits in der Taschenuhr-<br />

Ära als unhöflich galt, ständig seinen<br />

Zeitmesser aus der Tasche zu holen,<br />

und es zudem in der Dunkelheit praktisch<br />

unmöglich war, die Zeit von selbigem<br />

abzulesen, erlauben sogenannte<br />

Repetitionen, mittels seitlichem<br />

Schieber die aktuelle Zeit akustisch<br />

wiederzugeben. Spürbar günstiger<br />

sind da Armbanduhren mit mechanischem<br />

Wecker: Zu einem vorbestimmten<br />

Zeitpunkt rasselt die Uhr los.<br />

THE RED BULLETIN 95


IMPRESSUM<br />

THE RED<br />

BULLETIN<br />

WELTWEIT<br />

Aktuell<br />

erscheint<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

in sieben Ländern.<br />

Das Cover der mexikanischen<br />

Ausgabe<br />

ziert Schauspielerin<br />

Cecilia Suárez, die<br />

im Interview erzählt,<br />

wie man eine Ikone<br />

wird – und bleibt.<br />

Mehr Storys abseits des<br />

Alltäglichen gibt’s auf:<br />

redbulletin.com<br />

Chefredakteur<br />

Alexander Macheck<br />

Stv. Chefredakteure<br />

Andreas Rottenschlager, Nina Treml<br />

Creative Director<br />

Erik Turek<br />

Art Directors<br />

Kasimir Reimann (stv. CD),<br />

Miles English, Tara Thompson<br />

Head of Photography<br />

Eva Kerschbaum<br />

Deputy Head of Photography<br />

Marion Batty<br />

Photo Director<br />

Rudi Übelhör<br />

Textchef<br />

Andreas Wollinger<br />

Chefin vom Dienst<br />

Marion Lukas-Wildmann<br />

Managing Editor<br />

Ulrich Corazza<br />

Freie Mitarbeiter<br />

Jakob Hübner, Werner Jessner,<br />

Alex Lisetz, Stefan Wagner<br />

Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina<br />

de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz<br />

Fotoredaktion<br />

Susie Forman, Ellen Haas, Tahira Mirza<br />

Head of Commercial & Publishing Management<br />

Stefan Ebner<br />

Publishing Management Sara Varming (Ltg.),<br />

Ivona Glibusic, Bernhard Schmied,<br />

Melissa Stutz, Mia Wienerberger<br />

B2B-Marketing & Kommunikation<br />

Katrin Sigl (Ltg.), Agnes Hager, Teresa Kronreif<br />

Head of Creative<br />

Markus Kietreiber<br />

Co-Publishing<br />

Susanne Degn-Pfleger, Elisabeth Staber (beide<br />

Ltg.), Mathias Blaha, Vanessa Elwitschger,<br />

Raffael Fritz, Marlene Hinterleitner, Valentina<br />

Pierer, Mariella Reithoffer, Verena Schörkhuber,<br />

Julia Zmek, Edith Zöchling-Marchart<br />

Commercial Design<br />

Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch,<br />

Simone Fischer, Martina Maier, Florian Solly<br />

Anzeigenservice<br />

Manuela Brandstätter, Monika Spitaler<br />

Herstellung<br />

Veronika Felder<br />

Produktion<br />

Walter O. Sádaba, Friedrich Indich,<br />

Sabine Wessig<br />

Lithografie<br />

Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Sandra<br />

Maiko Krutz, Nenad Isailović, Josef Mühlbacher<br />

Operations<br />

Michael Thaler (MIT), Alexander Peham,<br />

Yvonne Tremmel (Office Management)<br />

Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus<br />

Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb),<br />

Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo)<br />

Verlagsanschrift<br />

Heinrich-Collin-Strasse 1, A-1140 Wien<br />

Telefon +43 1 90221-0<br />

Fax +43 1 90221-28809<br />

Web redbulletin.com<br />

Medieninhaber, Verlag & Herausgeber<br />

<strong>Red</strong> Bull Media House GmbH,<br />

Oberst-Lepperdinger-Strasse 11–15,<br />

A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i,<br />

Landesgericht Salzburg, ATU63611700<br />

General Manager & Publisher<br />

Andreas Kornhofer<br />

Geschäftsführer<br />

Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier,<br />

Dietmar Otti, Christopher Reindl<br />

THE RED BULLETIN<br />

Schweiz, ISSN 2308-5886<br />

Länderredaktion<br />

Nina Treml<br />

Lektorat<br />

Hans Fleissner (Ltg.), Petra Hannert,<br />

Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-<br />

Walek, Belinda Mautner,<br />

Klaus Peham, Vera Pink<br />

Country Channel Management<br />

Meike Koch<br />

Media Sales<br />

Marcel Bannwart (D-CH),<br />

marcel.bannwart@redbull.com<br />

Christian Bürgi (W-CH),<br />

christian.buergi@redbull.com<br />

Abo<br />

<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> Leserservice,<br />

Postfach, CH-6002 Luzern, +41 41<br />

329 22 00, abo@ch.redbulletin.com<br />

Druck<br />

Prinovis GmbH & Co. KG,<br />

Betrieb Nürnberg, 90471 Nürnberg<br />

THE RED BULLETIN<br />

Deutschland, ISSN 2079-4258<br />

Länderredaktion<br />

David Mayer<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei der Schweiz<br />

Country Project Management<br />

Natascha Djodat<br />

Media Sales<br />

Matej Anusic,<br />

matej.anusic@redbull.com<br />

Thomas Keihl,<br />

thomas.keihl@redbull.com<br />

THE RED BULLETIN<br />

Frankreich, ISSN 2225-4722<br />

Länderredaktion<br />

Pierre-Henri Camy<br />

Country Coordinator<br />

Christine Vitel<br />

Country Project Management<br />

Alessandra Ballabeni<br />

THE RED BULLETIN<br />

Grossbritannien, ISSN 2308-5894<br />

Länderredaktion<br />

Tom Guise (Ltg.),<br />

Lou Boyd, Florian Obkircher<br />

Lektorat<br />

Davydd Chong (Ltg.), Nick Mee<br />

Publishing Manager<br />

Ollie Stretton<br />

Media Sales<br />

Mark Bishop,<br />

mark.bishop@redbull.com<br />

Fabienne Peters,<br />

fabienne.peters@redbull.com<br />

THE RED BULLETIN<br />

Mexiko, ISSN 2308-5924<br />

Länderredaktion<br />

Luis Alejandro Serrano (Ltg.),<br />

Marco Payán<br />

Lektorat<br />

Alma Rosa Guerrero<br />

Country Project Management<br />

Giovana Mollona<br />

Media Sales<br />

Humberto Amaya Bernard,<br />

humberto.amayabernard@redbull.com<br />

THE RED BULLETIN<br />

Österreich, ISSN 1995-8838<br />

Länderredaktion<br />

Christian Eberle-Abasolo<br />

Lektorat<br />

siehe entsprechenden Eintrag<br />

bei der Schweiz<br />

Publishing Management<br />

Bernhard Schmied<br />

Sales Management <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />

Alfred Vrej Minassian (Ltg.),<br />

Thomas Hutterer, Stefanie Krallinger<br />

Media Sales<br />

Gerald Daum, Franz Fellner,<br />

Wolfgang Götz, Christopher<br />

Miesbauer, Nicole Okasek-Lang,<br />

Jennifer Sabejew, Johannes<br />

Wahrmann-Schär, Kristina Krizmanic<br />

(Team Assistant)<br />

anzeigen@at.redbulletin.com<br />

Sales Operations & Development<br />

Stefanie Boruta (Ltg.),<br />

Anna Schönauer<br />

THE RED BULLETIN<br />

USA, ISSN 2308-586X<br />

Länderredaktion<br />

Peter Flax (Ltg.),<br />

Nora O’Donnell<br />

Lektorat<br />

David Caplan<br />

Director of Publishing<br />

Cheryl Angelheart<br />

Country Project Management<br />

Laureen O’Brien<br />

Media Sales<br />

Todd Peters, todd.peters@redbull.com<br />

Dave Szych, dave.szych@redbull.com<br />

Tanya Foster, tanya.foster@redbull.com<br />

96 THE RED BULLETIN


P R O M O T I O N<br />

must-haves<br />

1 2<br />

3 4<br />

1 GUMMILOVE DIRTY SOX<br />

#MAKINGSAFELOVESEXY<br />

GummiLove lanciert ein neues Set,<br />

bestehend aus den coolen GummiLove<br />

Dirtysox und dem ceylor Jubiläumskondom.<br />

«Making Safe Love Sexy» ist<br />

der Beat, dem GummiLove treu folgt,<br />

um das <strong>The</strong>ma Schutz beim Sex cool<br />

auf den Höhepunkt zu bringen. Mit deinem<br />

Einsatz unterstützt du zu 100 %<br />

die Aufklärungsarbeit von Gummi-<br />

Love. Gummi 4 Love, Socks 4 Support:<br />

gummilove.com<br />

2 BLACKROLL ®<br />

RECOVERY PILLOW<br />

Schlaf ist das Kernstück der Erholung<br />

in Sport und Alltag. Leistungssportler<br />

optimieren ihren Schlaf mit dem<br />

RECOVERY PILLOW. Dieses lässt sich<br />

zusammenrollen und überallhin mitnehmen.<br />

So schläfst du überall wie zu<br />

Hause und verbesserst deinen Schlaf.<br />

Das Kissen springt nach dem Öffnen<br />

immer in die ursprüngliche Form.<br />

100 % made in Germany.<br />

blackroll.ch<br />

3 NEXT-GENERATION<br />

GAMING PC<br />

Ein absolutes Must-have für jeden<br />

Gamer ist ein individueller Gaming PC.<br />

Die Premium-Manufaktur MIFCOM<br />

baut Gaming-Systeme für Einsteiger,<br />

Core-Gamer und Enthusiasten. Alle<br />

PCs werden fachmännisch assembliert<br />

und ausgiebig getestet. Hinzu<br />

kommen eine dreijährige Garantie und<br />

lebenslanger Support. Der perfekte<br />

Begleiter für jedes Gaming-Erlebnis!<br />

mifcom.ch<br />

4 GALAXY NOTE10+:<br />

DAS POWERPHONE<br />

Das Samsung Galaxy Note10+<br />

eröffnet mit dem vielseitigen S Pen<br />

und einer Kamera auf Profi-Niveau<br />

neue produktive Möglichkeiten.<br />

Dank der integrierten Action-Cam-<br />

Videostabili sierung verwackeln<br />

rasante Filmaufnahmen nicht mehr,<br />

und mit seinem leistungsfähigen<br />

Akku hält das Note10+ den ganzen<br />

Tag mit seinem Nutzer mit.<br />

samsung.com<br />

THE RED BULLETIN 97


Perfekter Abgang<br />

Drunter und drüber<br />

Wer schaffte es als Erster zum legendären Festball des Goodwood Festival of Speed<br />

in Süd england? Die Kontrahenten waren Drift-Champion «Mad» Mike Whiddett im<br />

Lamborghini Huracán und Rallye-Dakar-Sieger Eduard Nikolajew im 9,5-Tonnen-Truck.<br />

Wer das Nach sehen hatte und mit Clown-Fliege zum Ball musste, siehst du<br />

im Video auf redbull.com.<br />

Die nächste<br />

Ausgabe des<br />

RED BULLETIN<br />

erscheint am<br />

10. <strong>November</strong><br />

<strong>2019</strong>.<br />

PATRIK LUNDIN/RED BULL CONTENT POOL<br />

98 THE RED BULLETIN


HACKING<br />

FOR A BRIGHTER WORLD<br />

19TH OF OCTOBER <strong>2019</strong> 1100H<br />

VOLKSHAUS - ZURICH<br />

STAUFFACHERSTRASSE 60 - 8004 ZURICH<br />

INSPIRING KEYNOTES // IMMERSIVE EXPERIENCES // AFTERPARTY<br />

WWW.REDBULLBASEMENT.COM


MASTER OF MATERIALS<br />

RADO.COM<br />

RADO CAPTAIN COOK<br />

INSPIRED BY OUR VINTAGE ORIGINAL. SERIOUSLY IRRESISTIBLE.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!