UNGENUTZTE RESSOURCE DEIN TEAM DEIN TEAM UNGENUTZTE RESSOURCE 6 7 <strong>Disziplin</strong> — eine ungenutzte Ressource „Zuckerbrot und Peitsche“ als Führungs- bzw. Erziehungskonzept sind schon seit Langem ein „No go“! Wer nur mit <strong>Disziplin</strong>, Kontrolle und Sanktionen/Strafe ergebnisund zahlenorientiert führt, verliert den Menschen. — von Joachim E. Lask Mit der Hinwendung zu Führungsinstrumenten und Erziehungsstrategien wie Vertrauen, Partizipation, Wertschätzung oder Kooperation hat das Pendel der Führung in das gegenteilige Extrem ausgeschlagen. Mitarbeiterorientierte Chefs landen schon nach kurzer Zeit bei Tischkicker und italienischer Espressomaschine in der Kuschel-Wohlfühl-Ecke und lassen sich von ihren Mitarbeitern auf der Nase herumtanzen. Gleiches gilt für Eltern mit ihren Kindern. Und wenn dann die Ergebnisse – egal ob in Betrieb, Haushalt oder Erziehung – nicht mehr stimmen, ist Schluss mit lustig. „Das wird Konsequenzen haben!“, „Wer nicht hören will, muss fühlen!“ etc. und der Ruf nach der <strong>Disziplin</strong> wird laut. Das sind dann Reaktionen mit dem Potential, erneut in das andere Extrem zu wechseln. So ist die „<strong>Disziplin</strong>“ zwar zwischen die Stühle der Erziehungs- und Führungsschulen geraten, jedoch gehört sie zweifellos zur DNA erfolgreicher Führung und zwar am Arbeitsplatz, in der Familie und in der Selbstführung. Ohne <strong>Disziplin</strong> geht es nicht! Doch wie kann <strong>Disziplin</strong> gelingen? Die <strong>Disziplin</strong> ist Bindeglied zwischen dem „Respekt vor dem Menschen“ und „der Härte zum Prozess“. Dies setzt eine gute Kommunikation voraus und somit eine tragfähige / belastbare Beziehung. Doch häufig machen wir es uns zu einfach und gehen der Kommunikationsarbeit aus dem Weg. Dies geschieht, wenn wir Bestrafen als Machtmittel oder eine pseudo-positive Beziehung als Versteck vor Auseinandersetzungen missbrauchen. Kein Psychotrick nötig „Was muss ich tun, dass mein Mitarbeiter/ mein Kind tut, was ich ihm sage?“ ist eine der häufigsten Fragen, die mir in der Unternehmens- und Elternberatung gestellt wird. Der Unterton der Frage deutet darauf hin: „Wertschätzung, Drohungen oder gar nichts sagen‘ … alles haben wir versucht. Es hilft nichts!“ In der Regel erwarten die Fragesteller von mir den nächsten genialen Psychotrick, mit dem Mitarbeiter und Kinder gefügig gemacht werden sollen, das zu tun, was man ihnen sagt – wenn möglich dauerhaft. Also: was meinen wir damit, wenn wir sagen: „Dieser Mensch ist diszipliniert!“? Interessant: <strong>Disziplin</strong> hat nichts damit zu tun einen Fehler zu machen oder an etwas zu Scheitern. Und doch steht <strong>Disziplin</strong> dafür, ein Ziel unbedingt erreichen zu wollen. Vor einiger Zeit sagte uns eine Führungskraft: „In meiner Abteilung darf jeder Mitarbeiter Fehler machen…“ und erweiterte dann diese Aussage mit: „ … damit wir diesen Fehler nie wieder machen müssen!“ Insbesondere Fehler sind wertvolle Schatztruhen. In ihnen liegen die Informationen, wie die Realität tatsächlich tickt und wie dann diszipliniertes Verhalten tatsächlich zum Ziel führen kann. Diese Schatztruhe zu öffnen und zu nutzen ist eine Aufgabe von Führungskräften und Eltern. Was lernt der Mitarbeiter? Firma A verkauft seit vielen Jahren Dienstleistungen an einen guten Kunden C. Bei der Ausformulierung eines umfangreichen Angebotes sind erhebliche Fehler aufgetreten. Der potenzielle Kunde hat nicht nur inhaltlich ein falsches, sondern noch dazu ein völlig überteuertes Angebot erhalten. Das fachliche, aber auch zwischenmenschliche Vertrauen stand auf dem Spiel. Als Konsequenz drohte nicht nur der Verlust des Kunden, sondern auch der von vier Arbeitsplätzen. Der Geschäftsführer, den wir damals begleiteten, hielt zunächst seinen Mitarbeitern eine „mächtige Standpauke“ und klagte mehr <strong>Disziplin</strong> ein. Er übernahm sofort den gesamten Fall. In Tag- und Nachtarbeit wollte er nun selbst ein in Form und Inhalt richtiges und dazu finanziell attraktives Angebot erarbeiten. Wir fragten ihn: „Deine Mitarbeiter – was lernen sie jetzt?“ Nach und nach wurde ihm klar, der Mitarbeiter lernt: „Wenn hier etwas schiefläuft gibt’s Ärger! Wenn ich gute Ausreden habe, kann ich mich zurücklehnen … den Chef die Arbeit machen lassen … und alles wird gut!“ Und für die nächste Angebotserstellung hat sowohl der Mitarbeiter als auch der Geschäftsführer gelernt: Die schwierige Arbeit macht hier der Chef! Wo liegt der Fehler? Und hier beginnt die <strong>Disziplin</strong> in der Mitarbeiterführung, in der Elternarbeit oder an der Arbeit an sich Selbst. Machen wir uns klar: Derjenige muss gefeiert werden, der den Fehler in der Tiefe entdeckt und gut beschreiben kann. Denn es genügte in diesem Fall nicht, den Fehler mit dem Ruf nach mehr <strong>Disziplin</strong> zu beheben. Das Ziel für das Unternehmen muss doch sein: Dieser Fehler darf niemals erneut auftreten. So war Firma A herausgefordert, den Fehler in der Tiefe zu verstehen: Wie konnte es dazu kommen? Haben Sie den Mut auch als Eltern, mindestens fünfmal erneut „Warum?“ zu fragen, wenn Sie den vermeintlichen Fehler gefunden haben. Die nächste Aufgabe der Führungskraft besteht nun darin, Möglichkeiten und Ressourcen zur Förderung und ggf. Weiterbildung bereitzustellen. Für viele Führungskräfte und Eltern ist an dieser Stelle das Ende der Führungsaufgabe erreicht im Sinne von: „Ich hab‘ es ihm jetzt klipp und klar gesagt!“ Sie steigen gerade hier aus ihrer Führungsverantwortung aus und reagieren erst wieder dann, wenn der nächste Fehler auftritt. Joachim E. Lask Diplom-Psychologe, Gründer und Geschäftsführer des WorkFamily-Instituts. Seit 2004 forscht er zum Enrichment- Ansatz, aktuell zur Bewusstseinsbildung und zum Wert von Familie im Unternehmen. Eine zusammenfassende Darstellung hat er in „Gute Eltern sind bessere Mitarbeiter“ (Springer-Verlag, 2017) vorgelegt. Dicht dran bleiben Gerade jetzt heißt es: „Dicht am Mitarbeiter dran bleiben!" Gerade jetzt braucht der Mitarbeiter diese Unterstützung, Wertschätzung und Korrektur, Anleitungen und Zutrauen! Entscheidend ist jetzt: Was passiert beim nächsten Mal? Dabei ist es wieder simpel und günstig: Die Führungskraft muss bei der nächsten Angebotserstellung lediglich präsent sein, damit sie erkennen kann, ob die neuen Lösungen tatsächlich eingesetzt werden und ggf. auch Anpassungen nötig sind. Sicherlich merken Sie: Das ist echte <strong>Disziplin</strong>-Arbeit. Das macht Mühe. Es kostet Schweiß. – Ja, das stimmt! Diese Führungsarbeit kostet Zeit und Geld, die sich lohnt – für den Mitarbeiter, für die Führungskraft und für das Unternehmen. Und Sie merken nun, dass <strong>Disziplin</strong> bei der Mitarbeiterführungpure Kommunikationsarbeit ist, damit der Mitarbeiter das Ziel erreicht. Eltern können genau diese Vorgänge bestens in der Erziehungsarbeit jahrelang und intensiv üben. Ziele vereinbaren Um das Thema zu Ende zu bringen, müssen wir diszipliniert nochmals ganz an den Anfang zurück. Es geht um das Herzstück der <strong>Disziplin</strong>. Denn <strong>Disziplin</strong> hat den einzigen Zweck, ein gestecktes Ziel zu erreichen. <strong>Disziplin</strong> ist dann nichts anderes als das konsequente Anwenden von vorhandenem Prozesswissen, Regeln oder Werten, die das Erreichen von Zielen wahrscheinlich machen. Ich esse nach 20 Uhr nichts, damit ich gut Schlafen kann. Ich mache Sport, damit meine Regenerationsfähigkeit erhalten bleibt. Ich fördere und fordere meine Mitarbeiter, damit unsere Produktivität bestmöglich ist. Und wenn ich Ablenkungen erkenne, die der Zielvorgabe entgegenwirken, dann sorge ich für deren Überwindung. Ich bleibe dran, auch wenn sich kurzfristig unbequeme persönliche Konsequenzen ergeben und ich freue mich schon jetzt über das Erreichen des gesteckten Ziels. Ich bin ausgeschlafen. Ich bin stressresistenter. Wir erreichen unser Unternehmensziel.