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RegioBusiness November 2019

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02 Politik & Wirtschaft<br />

<strong>November</strong> <strong>2019</strong> I Jahrgang 18 I Nr. 209<br />

Kräftige Bremsspuren<br />

Umfragen: Auch in der Region verliert die Konjunktur an Dynamik. Vor allem der Exportmotor stottert.<br />

VON HERIBERT LOHR<br />

Die jüngsten Einschätzungen<br />

sind ähnlich: Die Wirtschaft<br />

tritt auf der Stelle.<br />

Das Ungemach kommt vor allem<br />

von außen. Die protektionistische<br />

Handelspolitik der USA, der Brexit<br />

und der eskalierende Handelskrieg<br />

der Amerikaner mit China<br />

belasten die heimische Konjunktur<br />

immer stärker.<br />

Bislang verhindert vor allem der<br />

starke private Konsum, das Abdriften<br />

in eine Rezession. Laut Prof<br />

Dr. Michael Grömling, Leiter der<br />

Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche<br />

Analysen und Konjunktur<br />

beim Institut der deutschen<br />

Wirtschaft trifft es vor allem die exportorientierte<br />

Industrie. Im gesamten<br />

Jahr <strong>2019</strong> dürfte ihre Wertschöpfung<br />

um mindestens drei<br />

Prozent geringer ausfallen. Im<br />

kommenden Jahr könnten die Exporte<br />

sogar leicht schrumpfen.<br />

Und so verstärken sich auch die<br />

Sorgen um dem Arbeitsplatz. Der<br />

für das Jahr 2020 erwartete Beschäftigungszuwachs<br />

von 0,4 Prozent<br />

wäre der schwächste seit<br />

zehn Jahren. IW-Direktor Michael<br />

Hüther ist allerdings überzeugt,<br />

dass der private Konsum die<br />

größte Konjunkturstütze bleiben<br />

wird: „Insgesamt spielen die Beschäftigungssorgen<br />

der Konsumenten<br />

bisher keine dominierende<br />

Rolle“. Obwohl sich die<br />

Rahmenbedingungen insgesamt<br />

verschlechtert haben, wirkte auch<br />

das heimische Handwerk weiter<br />

stabilisierend. Laut der aktuellen<br />

Konjunkturumfrage „sieht es bei<br />

den meisten Gewerken nach wie<br />

vor sehr gut aus“, erläutert Ulrich<br />

Bopp, Präsident der Handwerkskammer<br />

Heilbronn-Franken.<br />

Aber auch die Handwerker bekamen<br />

zuletzt weniger Aufträge, die<br />

Auslastung ist in Summe aber<br />

noch bestens. So melden derzeit<br />

rund 63 der Firmen eine Auslastung<br />

zwischen 81- bis 100 Prozent.<br />

Auch rechnen die befragten<br />

Handwerker mit weiter steigenden<br />

Umsätzen und so dürfte auch<br />

die Zahl der Arbeitsplätze noch<br />

moderat zunehmen.<br />

Sind die Dinge im Handwerk weitgehend<br />

im Lot, sieht es in Handel<br />

und Industrie schon etwas bedenklicher<br />

aus. Die exportorientierte<br />

Industrie leidet bereits unter<br />

der stagnierenden Konjunktur.<br />

Auch im Handel und im Dienstleistungssektor<br />

bewerten die Betriebe<br />

ihre momentane Geschäftslage<br />

ungünstiger als noch im zweiten<br />

Quartal dieses Jahres. Ähnlich<br />

die Erwartungen: Erstmals seit sieben<br />

Jahren liegt der Saldo aus optimistischen<br />

und pessimistischen<br />

Stimmen unter der Nulllinie. Elke<br />

Döring, Hauptgeschäftsführerin<br />

der IHK Heilbronn-Franken:<br />

„Eine Trendwende zum Besseren<br />

ist angesichts der zahlreichen<br />

schwelenden Handelskonflikte<br />

und geopolitischen Risiken nicht<br />

in Sicht.“ Auch die Dienstleister<br />

geben sich zurückhaltender. Dabei<br />

ist die Entwicklung in den einzelnen<br />

Branchen sehr unterschiedlich.<br />

Während die Geschäfte<br />

im Verkehrsgewerbe und<br />

in der Informationswirtschaft an<br />

Schwung gewonnen haben, ist bei<br />

den Beratungsdienstleistern und<br />

der Arbeitnehmerüberlassung<br />

eine Verschlechterung festzustellen.<br />

In der regionalen Bauwirtschaft<br />

sieht es dagegen noch richtig<br />

gut aus. Vor allem die Firmen<br />

im Straßen- und Tiefbau sowie im<br />

Wohnungsbau verzeichnen noch<br />

immer wachsende Auftragseingänge.<br />

Ein besonderer Indikator<br />

der Konjunktur ist mittlerweile<br />

der produktionsverbindende<br />

Großhandel. Und hier geben sich<br />

die Firmen deutlich zurückhaltender.<br />

Bei den Bestellungen überwiegen<br />

gar die negativen Stimmen.<br />

Und auch wenn im Einzelhandel<br />

der Saldo der Einschätzungen<br />

noch deutlich besser als der langjährige<br />

Durchschnitt ist, fallen die<br />

Erwartungen zurückhaltend aus.<br />

Auch im benachbarten Westmittelfranken<br />

ist die Abkühlung des<br />

Welthandels zu spüren: Bei der gemeinhin<br />

exportstarken Industrie<br />

sorgen die Turbulenzen auf den<br />

Weltmärkten für spürbaren Gegenwind.<br />

Dagegen herrscht im Baugewerbe,<br />

Handel und Dienstleistungen<br />

teils noch kräftiger Auftrieb.<br />

Und doch: Die Betriebe planen<br />

bei Investitionen und Beschäftigung<br />

nun deutlich zurückhaltender.<br />

Die hohen Wachstumsraten<br />

der letzten zehn Jahre scheinen<br />

vorbei zu sein. Auch die Erwartungen<br />

sind erstmals nach über zehn<br />

Jahren ins Minus gerutscht. IHK-<br />

Präsident Dirk von Vopelius:<br />

„Weil die Betriebe von größeren<br />

Risiken und einer abnehmenden<br />

Auslastung ausgehen, werden die<br />

Investitionsbudgets nur noch zögerlich<br />

erhöht.“ Deshalb dominieren<br />

Ersatzbeschaffungen; Kapazitätserweiterungen<br />

und Innovationen<br />

spielen eine geringere Rolle.<br />

Zugleich ist die Dynamik auf dem<br />

mittelfränkischen Arbeitsmarkt<br />

weitgehend verloren gegangen.<br />

Der Dienstleistungssektor ist dabei<br />

noch ein Jobmotor, während<br />

die Industriebetriebe bereits ihre<br />

Belegschaften verkleinern. Während<br />

Immobilien-, Beratungs-, Informations-<br />

und Kommunikationsdienstleister<br />

sich noch über gestiegene<br />

Umsätze freuen, spüren das<br />

Transportgewerbe und die Logistik<br />

bereits die Bremsspuren im internationalen<br />

Geschäft. Makler,<br />

personenbezogene Dienstleistungen,<br />

Tourismuswirtschaft und<br />

Gastgewerbe berichten ebenfalls<br />

über rückläufige Umsätze, die<br />

nicht saisonal erklärbar sind.<br />

Das stark exportgestützte Wachstumsmodell<br />

der hohenlohischfränkischen<br />

Wirtschaft steht<br />

durch den strukturellen Wandel<br />

im Fahrzeugbau zusätzlich vor Unsicherheiten.<br />

Damit steigt auch<br />

der Druck zu Kostensenkungen<br />

und damit droht auch der weitere<br />

Abbau von Zeitarbeitsstellen oder<br />

die Einführung von Kurzarbeit.<br />

www.iwkoeln.de<br />

www.l-bank.de<br />

www.heilbronn.ihk.de.<br />

www.nuernberg.ihk.<br />

www.hwk-heilbronn.de<br />

Impressum<br />

STANDPUNKT<br />

Heribert Lohr<br />

verantwortlicher Redakteur<br />

Spannende Zeiten<br />

Jede Wette: Die nächsten Jahre werden spannende<br />

Zeiten. Ob wir in vier bis fünf Jahren<br />

wirtschaftlich ähnlich gut dastehen wie<br />

heute, ist aber noch nicht in Stein gemeißelt.<br />

Dass wir möglicherweise in den nächsten<br />

Monaten gar eine Rezession durchstehen<br />

müssen, ist für diese Betrachtung nicht<br />

von entscheidender Bedeutung. Das ökonomische<br />

Auf und Ab liegt in der Natur der Sache<br />

und nach zehn Jahren, in denen die<br />

Pfeile der Barometer nur eine Richtung<br />

kannten, sollte es eigentlich möglich sein,<br />

das vor uns liegende Konjunkturtal lockeren<br />

Fußes zu durchschreiten. Die Sache hat nur<br />

einen Haken. Nach unten geht es bekanntlich<br />

flott, das nach oben kann sich ziehen.<br />

Nun ist Heilbronn-Franken, mit seinem vielbeschworenen<br />

Branchenmix aus kreativen<br />

Mittelständlern und findigen Konzernablegern,<br />

in Summe gut aufgestellt, und deshalb<br />

hat fast jeder der rund 910 000 Einwohner<br />

auch gute Chancen, vom nächsten<br />

Aufschwung zu profitieren. Was so ein leichtes<br />

Unbehagen bereitet ist allein der Umstand,<br />

dass wir uns im möglichen Aufstieg<br />

fortan doch auf etwas unbekanntem<br />

Terrain bewegen. Denn in den zurückliegenden<br />

vier Jahrzehnten war<br />

die Rezeptur für den nachhaltigen<br />

Erfolg relativ einfach. Etwas Kostendisziplin,<br />

ein wenig Zurückhaltung<br />

bei den Löhnen und Gehältern,<br />

dazu jede Menge Fleiß und<br />

Foto: Marc Weigert.<br />

ein Faible für alles Technische reichte zumeist<br />

aus, um viele der findigen Ideen unserer<br />

Vorväter noch ein wenig besser zu machen.<br />

Mit Qualität und zusätzlicher Effizienz<br />

ließ es sich auf den Weltmärkten immer<br />

ein wenig punkten. So einfach (wobei<br />

das Einfache, wie uns allein schon der Fußball<br />

lehrt, meist schwer genug ist) wird es<br />

dieses Mal wohl nicht werden. Denn an den<br />

sogenannten Sprunginnovationen der jüngeren<br />

Vergangenheit waren wir zuletzt nicht<br />

mehr oder nur eher selten beteiligt. In Sachen<br />

Digitalisierung sind wir weder bei der<br />

Software noch bei den Geschäftsmodellen<br />

im Moment ganz vorne dabei. Was an sich<br />

auch nicht schadet, da, wer erst den zweiten<br />

Schritt macht, manchmal dann auch wirklich<br />

weiß, wohin er tritt. Die Kunst dabei ist,<br />

nicht abgehängt zu werden.<br />

Und die Gefahr ist derzeit nun wahrlich<br />

nicht von der Hand zu weisen. Die Ursache<br />

dafür ist wiederum so simpel wie ihre Basis<br />

aus Einsen und Nullen. Mit der digitalen<br />

Transformation ist nicht mehr das Herstellen<br />

eines Produktes das allein Seligmachende,<br />

sondern vor allem der Nutzen den<br />

das Produkt bietet. Der Betätigungsfelder<br />

gibt es viele und wir Heilbronner-Franken<br />

sind da auch noch im Vorteil. Denn schließlich<br />

sind wir es gewohnt, dass in unserem<br />

Boden wenig ist und deshalb die Ressourcen<br />

knapp sind. Und da wir uns schon in der<br />

Vergangenheit immer etwas einfallen lassen<br />

mussten, um überhaupt über die Runden<br />

zu kommen, spielt uns die geforderte Nachhaltigkeit<br />

– auch wegen des Klimawandels<br />

– eigentlich so richtig in die Karten. Sparen<br />

– ob Energie, Material, Logistik oder Manpower<br />

– da ist der Heilbronner-Franke in seinem<br />

Element. Moderne Technik – auch<br />

gerne mit einem Algorithmus unterlegt – ist<br />

da nur hilfreich. Das gilt umso mehr, weil<br />

auch die Demografie noch lange dafür<br />

sorgt, dass wir nicht mehr werden. Denn<br />

selbst die „Brains“, die es braucht, um im<br />

Wettstreit der Wissensgesellschaften wirklich<br />

Schritt zu halten, sind bei uns ein knappes<br />

Gut.<br />

Gerade auch deshalb sollte sich kein Firmenchef<br />

dazu verleiten lassen, nun in Sachen<br />

Ausbildung, Qualifizierung oder Weiterbildung<br />

zu sparen, weil es gerade beim Umsatz<br />

etwas klemmt. Die Konjunktur zieht<br />

auch wieder an. Doch da sind in naher Zukunft<br />

nur noch jene Unternehmen dabei,<br />

deren Mitarbeiter wirklich darauf geschult<br />

sind, auf das sich schneller drehende Rad<br />

von Ideen und Serviceangeboten in dieser<br />

technologisch verzahnten Welt beherzt aufzuspringen.<br />

Ohne eine Belegschaft, die auch digital fit<br />

ist, brauchen die heimischen Firmen künftig<br />

erst gar nicht mehr anzutreten. Denn die<br />

paar Selfies von den Schönheiten in unserer<br />

Ecke können die Touris aus aller Welt<br />

schon heute selbst machen.<br />

Verlag<br />

Südwest Presse Hohenlohe<br />

GmbH & Co. KG<br />

Verlagsbetrieb Hohenloher Tagblatt<br />

Ludwigstraße 6–10, 74564 Crailsheim<br />

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Telefax: 07951/409-119<br />

Geschäftsführung<br />

Thomas Radek<br />

Redaktion<br />

Heribert Lohr (ibe, verantw.)<br />

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Bezugspreis:<br />

Abonnement inkl. Postbezug und<br />

7% MwSt. 18 Euro p.a.<br />

Einzelverkaufspreis 1,75 Euro<br />

Verbreitung und Auflage<br />

Im Landkreis Schwäbisch Hall,<br />

dem Main-Tauber-Kreis, dem<br />

Hohenlohekreis und dem<br />

Landkreis Ansbach mit einer<br />

Auflage über 55.000 Exemplaren<br />

(Verlagsangabe)<br />

Erscheinungsweise<br />

<strong>RegioBusiness</strong> erscheint monatlich<br />

in Zusammenarbeit mit dem Haller<br />

Tagblatt in Schwäbisch Hall, dem<br />

Hohenloher Tagblatt in Crailsheim,<br />

der Neuen Kreis-Rundschau in<br />

Gaildorf und der Fränkischen Nachrichten,<br />

Ausgabe Bad Mergentheim

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