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RegioBusiness November 2019

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06 Blickpunkt<br />

<strong>November</strong> <strong>2019</strong> I Jahrgang 18 I Nr. 209<br />

Feuer, Erde<br />

oder Diamant<br />

Wer einen Angehörigen verliert, hat neben der Trauer zunächst eine<br />

ganze Reihe von Rechnungen zu begleichen. Viele Hände verdienen<br />

dabei mit. Insgesamt geben die Bundesbürger jedes Jahr rund<br />

13 Milliarden Euro rund ums Grab aus. Der Trend geht deutlich zu<br />

günstigeren und platzsparenderen Bestattungen. VON MARIUS STEPHAN<br />

Die Zeiten, in denen die Angehörigen<br />

Holzart des Sarges und dessen<br />

Verzierung wählten, sind<br />

längst vorbei: Heute stehen unzählige<br />

Möglichkeiten der Bestattung<br />

zur Verfügung – von der klassischen<br />

Erdbestattung über Feuerbestattungen<br />

und Friedwäldern<br />

bis hin zu ausgefalleneren Varianten<br />

wie der Bestattung im Weltraum<br />

oder das Pressen der Asche<br />

zu einem Diamanten. Manche Zeitgenossen<br />

tragen diesen sogar als<br />

Schmuckstück um den Hals.<br />

»In der Republik<br />

starben im<br />

vergangenen<br />

Jahr 954 874<br />

Menschen.«<br />

KOSTEN Das Geschäft mit dem<br />

Tod ist dabei kein kleines: Im Jahr<br />

2017 starben in Deutschland laut<br />

statistischem Bundesamt insgesamt<br />

932 272 Menschen, ein Plus<br />

von 2,3 Prozent gegenüber 2016.<br />

Die häufigste Todesursache war,<br />

wie schon in den Vorjahren, die<br />

Herz-/Kreislauferkrankung. 37<br />

Prozent aller Sterbefälle waren darauf<br />

zurückzuführen.<br />

Branchenexperten schätzen die<br />

Gesamtkosten auf rund 13 Milliarden<br />

Euro. Diese Summe gaben die<br />

Deutschen 2017 für alles rund um<br />

Beerdigungen aus. Ein gewaltiger<br />

Markt, an dem viele mitverdienen.<br />

Rund 20 bis 25 Prozent davon<br />

bleiben als Friedhofsgebühren bei<br />

Kirchen und Kommunen. Die übrige<br />

Summe teilen sich Bestatter,<br />

Gärtner und Floristen, Ausstatter<br />

und Sarghersteller sowie die Gastronomie.<br />

Der Bundesverband<br />

Deutscher Bestatter (BDB)<br />

spricht von einem Umsatz von<br />

knapp zwei Milliarden Euro pro<br />

Jahr. So gerechnet bleiben im<br />

Schnitt pro Verstorbenem etwa<br />

2145 Euro bei den Bestattern<br />

selbst. Die steigende Anzahl an<br />

Feuerbestattungen oder anonymen<br />

Bestattungen ohne Grabstein<br />

sorgt dafür, dass die Umsätze trotz<br />

der höheren Zahl der Todesfälle<br />

nicht sprunghaft ansteigen.<br />

TREND In Baden-Württemberg<br />

und der Region ist der Maßstab<br />

ein kleinerer: In Baden-Württemberg<br />

starben 109 120 Personen<br />

Auslaufmodell: Statuen liegen lange nicht mehr im Trend, sogar der klassische Grabstein wird mittlerweile<br />

weniger nachgefragt.<br />

Foto: NPG-Archiv<br />

im Jahr 2017. In der Stadt Schwäbisch<br />

Hall waren es insgesamt<br />

821 Personen (336 Einwohner<br />

und 485 Auswärtige).<br />

Der Trend zeigt für die Branche<br />

klar nach oben: Nach niedrigeren<br />

Sterbezahlen bis Mitte der 2010er<br />

Jahre, steigt die Anzahl der Verstorbenen<br />

seit 2014 wieder an. Im<br />

Jahr 2018 gab es in Deutschland<br />

954 874 Sterbefälle, in Schwäbisch<br />

Hall waren es 882. Ein Anstieg<br />

von 2,4 beziehungsweise 7,4<br />

Prozent. Die demographische Entwicklung<br />

tut ihr Übriges, um diese<br />

Zahlen aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach auch in Zukunft nicht fallen<br />

zu lassen.<br />

Wie sehen die Friedhöfe der Zukunft aus?<br />

Es gibt einen Wandel von der Erdbestattung zum Urnengrab. Dennoch werden die Plätze auf den Friedhöfen benötigt.<br />

INTERVIEW VON KERSTIN DORN<br />

Immer weniger Menschen wollen<br />

eine Beerdigung im Sarg.<br />

Dennoch suchen viele einen Ort,<br />

an dem sie trauern können. RE-<br />

GIOBUSINESS wollte wissen, welche<br />

Auswirkungen das auf unsere<br />

Friedhöfe hat. Die Fragen beantworten<br />

Irene Klein, die im Crailsheimer<br />

Ressort Sicherheit & Bürgerservice<br />

für Standesamt und Bestattungen<br />

zuständig ist, Michael<br />

Schweizer, Leiter der Stadtbetriebe<br />

Schwäbisch Hall und Susanna<br />

Blum, Pressesprecherin<br />

der Stadt Tauberbischofsheim.<br />

REGIOBUSINESS Tradierte Riten<br />

werden seltener. Immer weniger<br />

Menschen wählen die Erdbestattung<br />

im Sarg. Werden die<br />

Plätze auf den Friedhöfen bald<br />

nicht mehr benötigt?<br />

SUSANNA BLUM Erdgräber<br />

werden oftmals nicht mehr verlängert,<br />

es gibt zunehmend leere Gräber<br />

in den Reihen. Stattdessen<br />

nehmen Urnenbestattungen bei<br />

uns stark zu und wir müssen immer<br />

mehr Urnengräber erstellen.<br />

IRENE KLEIN Der Trend geht<br />

deutlich Richtung Urnengräber<br />

und Grabarten, die keiner Pflege<br />

bedürfen, wie beispielsweise Rasengräber.<br />

Dennoch ist die traditionelle<br />

Erdbestattung im Sarg<br />

nach wie vor stark vertreten.<br />

MICHAEL SCHWEIZER Dies ist<br />

auch in den letzten Jahren bei der<br />

Stadt Schwäbisch Hall festzustellen.<br />

Man kann aber keineswegs<br />

davon sprechen, dass die Plätze<br />

auf den Friedhöfen nicht mehr benötigt<br />

werden, sie werden in anderer<br />

Art und Weise gebraucht.<br />

Durch die verstärkte Nachfrage<br />

nach Urnengräbern verringert<br />

sich sicherlich der Erweiterungsbedarf<br />

in den kommenden Jahren,<br />

aber es muss trotzdem ein gewisses<br />

Platzangebot in pietätsvoller<br />

Umgebung vorgehalten werden.<br />

REGIOBUSINESS Welche finanziellen<br />

Konsequenzen bedeutet es<br />

für die Kommunen, wenn die Gräber<br />

nicht mehr nachgefragt oder<br />

benötigt werden?<br />

SUSANNA BLUM Das bedeutet<br />

einen erhöhten Pflegeaufwand für<br />

leere Flächen und höhere Kosten<br />

beispielsweise für das Friedhofspersonal.<br />

Die Konsequenz sind<br />

steigende Friedhofsgebühren, da<br />

der Friedhof kostendeckend betrieben<br />

werden soll.<br />

MICHAEL SCHWEIZER Die<br />

Friedhofsgebühren müssen auf<br />

Grundlage der entstanden Aufwendungen<br />

kalkuliert werden. Deshalb<br />

werden sich künftig vermutlich<br />

mit der höheren Nachfrage<br />

nach Urnengräbern auch die Gebühren<br />

für Urnengräber erhöhen.<br />

Denn auch wenn für diese Bestattungsart<br />

weniger Platz benötigt<br />

wird, bleiben die Fixkosten für<br />

den Erhalt, die Pflege des Friedhofs<br />

sowie den Personalaufwand.<br />

Die Entscheidung über die Anpassung<br />

der Gebühren liegt beim Gemeinderat.<br />

REGIOBUSINESS Sollten Friedhöfe<br />

neu konzipiert werden, beispielsweise<br />

als große Parkanlagen,<br />

als Orte der Begegnung?<br />

IRENE KLEIN Noch ist es nicht<br />

an der Zeit, alles neu zu konzipieren.<br />

Die traditionelle Bestattung<br />

mit Sarg, Grabstein und Grabbepflanzung<br />

ist im ländlichen Raum<br />

vermutlich stärker ausgeprägt als<br />

in Großstädten.<br />

MICHAEL SCHWEIZER Viele<br />

Friedhöfe sind bereits wie Parkanlagen<br />

angelegt, so wie der Waldoder<br />

der Nikolaifriedhof. Für Bestattungen<br />

in Parkanlagen muss<br />

das Bestattungsgesetz mit seinen<br />

Vorgaben entsprechend angepasst<br />

werden.<br />

REGIOBUSINESS Immer mehr<br />

Menschen wünschen sich, unter<br />

alten Bäumen begraben zu liegen.<br />

Kann Ihre Gemeinde diesen Wünschen<br />

nachkommen?<br />

SUSANNA BLUM Derzeit<br />

werden Untersuchungen zur Einrichtung<br />

eines solchen Bereichs<br />

durchgeführt.<br />

Grab: Hinterbliebene brauchen einen Ort zum Trauern. Foto: Archiv/Thumi<br />

MICHAEL SCHWEIZER Bereits<br />

Ende 2017 hat der Gemeinderat<br />

der Stadt Schwäbisch Hall der Entwicklung<br />

eines Grabfeldes mit<br />

dem Namen „Ewige Ruhe im<br />

Wald“ südlich des Waldfriedhofes<br />

zugestimmt. Mit einem Gemeinderatsbeschluss<br />

<strong>2019</strong> wurde der<br />

Weg frei gemacht dieses Projekt<br />

umzusetzen. Bestattungen werden<br />

dort voraussichtlich ab Ende des<br />

Jahres 2020 möglich sein. Aktuell<br />

gibt es im Waldfriedhof die Möglichkeit<br />

der Bestattung von Urnen<br />

unter Bäumen. Die Nachfrage<br />

nach pflegeleichten Gräbern steigt<br />

stetig. Auf 9 von 13 Friedhöfen der<br />

Stadt Schwäbisch Hall werden Beisetzungen<br />

in Rasengräbern durchgeführt.<br />

Auf zwei weiteren Friedhöfen<br />

werden zur Zeit Grabfelder umgestaltet,<br />

sodass auch dort bei Bedarf<br />

pflegefreie Rasengräber angeboten<br />

werden können.<br />

IRENE KLEIN In Crailsheim<br />

auf dem Hauptfriedhof und in Altenmünster<br />

sind Baumbestattungen<br />

möglich. Im sogenannten Ehrenhain<br />

Altenmünster steht ein alter<br />

Baumbestand für die Bestattungen<br />

zur Verfügung. Der Bestattungspark<br />

auf dem Hauptfriedhof<br />

wurde neu angelegt und der bestehende<br />

Alt-Baumbestand durch Anpflanzungen<br />

ergänzt.<br />

REGIOBUSINESS Der Trend zur<br />

Individualisierung setzt bis in den<br />

Tod fort. Was ist auf den Friedhöfen<br />

erlaubt und was nicht?<br />

MICHAEL SCHWEIZER In der<br />

örtlichen Friedhofsatzung ist die<br />

Gestaltung der Grabmale und<br />

sonstiger Grabausstattung geregelt.<br />

Paragraf 20 untersagt beispielsweise<br />

Fotos oder QR-Codes<br />

ab einer bestimmten Größe.<br />

SUSANNA BLUM Unsere Friedhofssatzung<br />

sieht unter anderem<br />

vor, dass für Grabmale nur Natursteine,<br />

Holz, Schmiedeeisen oder<br />

Bronze verwendet werden dürfen.<br />

IRENE KLEIN Erlaubt ist, was<br />

der Würde des Friedhofs entspricht.<br />

Fotos der Verstorbenen<br />

auf den Grabsteinen sind durchaus<br />

üblich. Im Zweifel wird im Einzelfall<br />

entschieden, wann etwas<br />

nicht mehr der Würde entspricht.<br />

REGIOBUSINESS Das Internet<br />

greift nach immer mehr Bereichen<br />

des Lebens. Sind auch virtuelle<br />

Friedhöfe vorstellbar?<br />

MICHAEL SCHWEIZER Die Nutzung<br />

eines virtuellen Friedhofs als<br />

Gedenkseite im Internet kann<br />

eine Hilfestellung bei der Bewältigung<br />

der Trauer sein. Dies kann<br />

jedoch die Abschiednahme am<br />

Grab sowie eine würdige Ruhestätte<br />

nicht ersetzen.<br />

IRENE KLEIN Vorstellbar und<br />

möglich ist alles, doch die Zeit für<br />

einen virtuellen Friedhof ist definitiv<br />

noch lange nicht gekommen.<br />

Die meisten Hinterbliebenen wünschen<br />

sich einen Ort, an dem Sie<br />

den Verstorbenen gut aufgehoben<br />

wissen. Der Gedanke, dass der<br />

Verstorbene beispielsweise bei anderen<br />

Familienmitgliedern, an einem<br />

schönen Baum oder an einem<br />

besonders sonnigen Platz begraben<br />

wird, gibt vielen Menschen<br />

in ihrer Trauer Kraft.

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