2019/45 - Ein Land
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<strong>Ein</strong> <strong>Land</strong> – BERICHT<br />
Das Gleis 1 am Finsterwalder<br />
Bahnhof.<br />
FOTO: STEPHAN MEYER<br />
Zurück nach Hause<br />
Unterstützung Viele Deutsche verlassen ihre Heimatorte. Um die<br />
Rückkehrenden kümmern sich Initiativen. Von Stephan Meyer<br />
Nur eine Handvoll<br />
Menschen stehen<br />
am Gleis 1 des Finsterwalder<br />
Bahnhofs.<br />
Es ist 16 Uhr. In<br />
knapp 20 Minuten trifft der Zug<br />
aus Leipzig ein. Stephanie Auras-Lehmann<br />
wartet auf ihren<br />
Besuch: Karin Gottfried aus<br />
dem nord rhein-west fä lischen<br />
Hochsauerlandkreis. Was die<br />
Frauen verbindet: Sie beide leiten<br />
Rückkehrerinitiativen, die<br />
miteinander im Erfahrungsaustausch<br />
stehen.<br />
Sowohl Finsterwalde als auch<br />
der Hochsauerlandkreis sind<br />
ländlich geprägt und kämpfen<br />
mit sinkenden Bevölkerungszahlen.<br />
Junge Menschen kehren<br />
ihrer Heimat den Rücken, für<br />
Ausbildung, Studium, Job.<br />
Auras-Lehmann macht zu Beginn<br />
der 2000er Jahre eine Ausbildung<br />
zur Reiseverkehrskauffrau<br />
in Finsterwalde. Danach<br />
zieht es sie fort, sie geht für ein<br />
Studium nach Hessen. „Als Reiseverkehrskauffrau<br />
wollte ich<br />
einfach mal die Welt sehen“,<br />
sagt sie. Nach dem Studium arbeitet<br />
sie in Berlin, Leipzig und<br />
in New York. Gerne wäre sie in<br />
den USA geblieben. Doch die<br />
Liebe lockt sie zurück nach Hause.<br />
Marco, ihr heutiger Ehemann,<br />
überzeugt sie 2009, mit<br />
ihm nach Finsterwalde zu ziehen.<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
Keinen Anschluss gefunden<br />
Laut Zahlen des Statistischen<br />
Bundesamtes zogen von 1989 bis<br />
1990 rund 750 000 Menschen<br />
aus dem Osten weg. Vor allem<br />
junge, qualifizierte Männer und<br />
Frauen zwischen 18 und 30 Jahren.<br />
Dadurch ging auch die Geburtenrate<br />
zurück. 1994 erreichten<br />
sie mit 0,77 einen historischen<br />
Tiefstand.<br />
Finsterwalde hatte 1989 noch<br />
23 892 <strong>Ein</strong>wohner*innen. Heute<br />
sind es 16 220. Fast alle ostdeutschen<br />
<strong>Land</strong>kreise haben seit 1991<br />
massiv <strong>Ein</strong>wohner*innen verloren.<br />
Damit einhergeht der Verlust<br />
von Steuereinnahmen. In<br />
manchen Orten mussten Schulen,<br />
Krankenhäuser, Sport- und<br />
Freizeitanlagen schließen.<br />
Die 37-jährige Stephanie Auras-Lehmann<br />
ist in Finsterwal-<br />
de als PR- und Social-Media-Managerin<br />
tätig, nebenbei<br />
betreut sie die Rückkehrerinitiative<br />
„Comeback Elbe-Elster“.<br />
Die Rückkehrenden, die sie begleitet,<br />
sind meist zwischen 30<br />
und 40 Jahre alt und kommen<br />
häufig aus Bayern. „Oft höre ich<br />
von ihnen, sie hätten dort keinen<br />
Anschluss, keine Freunde<br />
gefunden“, sagt sie. Das sei für<br />
viele der Hauptgrund zurückzukehren.<br />
Auch eine Familiengründung<br />
oder ein Hausbau<br />
sind Anlässe für einen Umzug<br />
in die alte Heimat.<br />
Anfangs erhielt die Initiative<br />
nur selten Anfragen. Inzwischen<br />
sind es um die zehn pro Monat.<br />
„Comeback Elbe-Elster“<br />
hilft bei der Vermittlung von<br />
Jobs und Wohnungen. Finanziell<br />
unterstützt wird sie von der<br />
Robert-Bosch-Stiftung.<br />
Dem Statistischen Bundesamt<br />
zufolge wird die Bevölkerungszahl<br />
in den ostdeutschen<br />
Flächenländern weiter abnehmen;<br />
bis zum Jahr 2030 voraussichtlich<br />
um 14 Prozent. Doch in<br />
den vergangenen Jahren sind die<br />
Abwanderungen deutlich zurückgegangen.<br />
<strong>Ein</strong>ige Regionen in Ostdeutschland<br />
konnten sogar wieder<br />
Zuwachs verzeichnen. Mittlerweile<br />
gehen mehr Menschen<br />
aus dem Westen in den Osten<br />
als umgekehrt. Junge Leute hätten<br />
in Finsterwalde inzwischen<br />
mehr Perspektiven und weniger<br />
Gründe wegzuziehen, sagt Auras-Lehmann.<br />
Doch es sind vor<br />
allem die Groß- und Universitätsstädte,<br />
die attraktiver geworden<br />
sind.<br />
Auch im Westen ein Problem<br />
Inzwischen ist der Zug aus Leipzig<br />
in Finsterwalde eingetroffen.<br />
Karin Gottfried kommt mit einem<br />
kleinen Trolley aus dem<br />
Bahnhofsgebäude. Auch sie ist<br />
eine Rückkehrerin, die eine<br />
Rückkehrerinitiative betreut.<br />
Während der Osten seit Jahren<br />
mit einem Bevölkerungsrückgang<br />
zu kämpfen hat, ist<br />
dieser im ländlichen Raum<br />
Westdeutschlands noch ein junges<br />
Phänomen. 1990 wohnten im<br />
Hochsauerlandkreis 268 627<br />
Menschen. Heute sind es 260 475<br />
– bei einer Fläche von 1960 Qua-