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2019/45 - Ein Land

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FOTOS: MORITZ CLAUSS<br />

seine Mutter sind in die Pläne<br />

eingeweiht. Die Mutter versucht,<br />

ihm die Flucht auszureden.<br />

Vergeblich.<br />

Gemeinsam mit seinem<br />

Schwager bricht Henryk am<br />

10. Januar 1989 früh morgens auf.<br />

Sie schlüpfen in Armeeuniformen,<br />

die Jens besorgt hat, und<br />

fahren in die Grenzstadt Sonneberg.<br />

Ihren Trabi stellen die beiden<br />

gegen vier Uhr vor der örtlichen<br />

Kaserne ab. Dann verlassen<br />

sie zu Fuß die Stadt und betreten<br />

das Sperrgebiet vor der<br />

Grenze. Es ist neblig und kalt,<br />

auf der Suche nach dem ersten<br />

Grenzzaun irren sie stundenlang<br />

durch den Wald – voller<br />

Angst, entdeckt zu werden. Er<br />

habe unglaubliche Bauchschmerzen<br />

gehabt, erzählt Müller:<br />

„Als müsste ich jeden Moment<br />

kotzen.“<br />

Im Gebüsch versteckt<br />

September <strong>2019</strong>. Wieder sucht<br />

Henryk Müller den Zaun. Nur<br />

trägt er diesmal keine Uniform,<br />

sondern kurze Hosen und Sonnenbrille.<br />

Statt der ehemaligen<br />

Grenze findet er wilde Brombeersträucher.<br />

Der 53-Jährige<br />

pflückt die Beeren einzeln, sammelt<br />

sie in der rechten Hand,<br />

isst eine nach der anderen unter<br />

blauem Himmel. „Schöne<br />

Ecke“, sagt er. Und: „Das muss<br />

hier irgendwo gewesen sein.“<br />

Gegen elf Uhr erreichen die<br />

jungen Männer auf ihrer Flucht<br />

den ersten Signalzaun. Sie verstecken<br />

sich hinter Büschen,<br />

überlegen, wie sie nun vorgehen<br />

"<br />

Ich hatte<br />

große Angst,<br />

dass jemand<br />

auf mich<br />

schießt.“<br />

sollen. Schnell ist klar: Mit den<br />

Stricken kommen sie nicht über<br />

den Zaun. Der 22-jährige Henryk<br />

fürchtet sich, er will umkehren.<br />

Doch Jens überzeugt ihn, zu<br />

bleiben. Dann haben sie eine<br />

neue Idee.<br />

Mit dem Bolzenschneider lösen<br />

die Männer eine etwa sechs<br />

Meter hohe Holzleiter von

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