Taxi Times Berlin - September / Oktober 2019
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GEWERBE<br />
Anregende Diskussionsrunde: Gregor Beiner (mtz münchner taxi zentrum), Dr. Sigrid Nikutta (<strong>Berlin</strong>er Verkehrsbetriebe BVG), Gerald Meyer<br />
(Moderator), Michael Müller-Görnert (Verkehrsclub Deutschland VCD), Herwig Kollar (Bundesverband <strong>Taxi</strong> und Mietwagen e. V.)<br />
E-<strong>Taxi</strong>s ist auch längst in die Bestell-Apps<br />
integriert.<br />
Die Bilanz ist positiv. Seit Einführung<br />
am 25. Juli 2018 haben 60.000 Kunden mit<br />
ihnen 700.000 Kilometer zurückgelegt.<br />
„Das ist ein klarer Beleg dafür, dass E-Mobilität<br />
machbar ist“, sagte Beiner. Gemeinsam<br />
mit den Hybrid-Fahrzeugen habe seine<br />
Firma ihren CO 2 -Ausstoß während der letzten<br />
zehn Jahre um 60 Prozent reduziert.<br />
Die Mobilitätswende brauche aber auch<br />
die richtigen Rahmenbedingungen.<br />
Die Stadt München unterstützt<br />
die E-Mobilität durch eine Förderung,<br />
bei der bis zu 40 Prozent des<br />
Anschaffungspreises dann zurückgezahlt<br />
werden, wenn das E-<strong>Taxi</strong><br />
seinen Einsatzzweck erfüllt. Soll<br />
heißen: Pro gefahrenem Besetztkilometer<br />
bekommt der <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />
20 Cent erstattet.<br />
Auch beim Problem der Ladeinfrastruktur<br />
habe Beiners Unternehmen proaktiv<br />
gehandelt, da viele der Ladesäulen, wie<br />
man sie auch in <strong>Berlin</strong> sieht, für das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
leider unattraktiv seien. „Wir wollten<br />
nicht warten, bis die Straßen endlich mit<br />
genügend öffentlichen Ladesäulen bestückt<br />
sind. Deshalb haben wir uns entschieden,<br />
ein innerstädtisch vorhandenes Parkhaus<br />
neu zu denken.“ So entstand ein E-Mobilitätshub<br />
mit vier Schnellladesäulen, um<br />
„für jeden und zu jeder Zeit ein E-Fahrzeug<br />
innerhalb kürzester Zeit wieder auf<br />
die Straße zu bringen“, sagt Beiner. „Was<br />
deren Performance näher an Verbrenner<br />
bringt.“<br />
Beiner hält dieses E-Hub-Konzept<br />
auch für eine bundesweite Ausdehnung<br />
geeignet, mahnt aber auch ein intelligentes<br />
Netzwerk an, denn tausend Verbrenner<br />
durch tausend E-Autos zu ersetzen, bringe<br />
nichts, wenn diese genauso wie bisher<br />
stundenlang im Stau stehen.<br />
Die Zukunft auf die Straße zu bringen<br />
bedeutet auch, sich mit den Plänen<br />
und Aufgaben des ÖPNV auseinanderzusetzen.<br />
Als zweite Referentin war daher<br />
die BVG-Vorstandsvorsitzende Dr. Sigrid<br />
Nikutta eingeladen. Auf die Einstiegsfrage,<br />
„Es ist schon unglaublich,<br />
wie viel Platz wir heute<br />
dem Auto einräumen.”<br />
BVG-Chefin Dr. Sigrid Nikutta<br />
ob eine kostenlose Nutzung den Linienverkehr<br />
attraktiver machen würde, nannte<br />
sie Attraktionen, die ihrer Ansicht nach<br />
mehr bewirken würden: enge Taktung,<br />
die Fahrpläne überflüssig macht; gute<br />
Fahrzeuge, sauber und sicher und mit<br />
viel freundlichem Personal; das ganze auf<br />
digitalen Plattformen einfach gemanaged.<br />
„Das Blöde ist nur: Das kostet alles.“ Nutzer<br />
seien aber bereit, ein gutes Angebot<br />
auch angemessen zu bezahlen. Teurere<br />
Fahrscheine führten nicht unbedingt zu<br />
weniger Nutzern. Schließlich seien Alternativen<br />
wie das eigene Auto nicht billiger –<br />
und auch nicht immer schneller. Überträgt<br />
man diese Thesen auf das <strong>Taxi</strong>gewerbe,<br />
so erscheinen Tariferhöhungen durchaus<br />
gerechtfertigt, wenn dafür auch die<br />
Dienstleistung schnell, sicher und modern<br />
ist – und das Personal freundlich.<br />
Mit dem „Pilot“-Projekt „Berlkönig“ will<br />
die BVG am aufblühenden Markt neuer<br />
Mobilitätsangebote teilhaben und Erfahrungen<br />
sammeln. Sein Einsatz in der<br />
Innenstadt diene der ersten Erprobung. „Es<br />
ist gut, wenn der öffentliche Nahverkehr<br />
um so ein Sharing-Angebot ergänzt wird –<br />
dann aber flächendeckend und nicht nur in<br />
der Innenstadt“, sagte Nikutta. Der ÖPNV<br />
benötige den Dreiklang: Die großen<br />
Gefäße (Busse, U- und S-Bahn), ein<br />
Sharing-Angebot und das <strong>Taxi</strong> für<br />
die individuellen Fahrten. Den Berlkönig<br />
sieht Nikutta als Ergänzung<br />
im gesamten <strong>Berlin</strong>er Stadtgebiet.<br />
Am Stadtrand wird jetzt der „Berlkönig<br />
BC“ eingesetzt. Dabei wird<br />
auch die <strong>Taxi</strong>branche integriert<br />
(<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> berichtete online).<br />
Ein zweiter Ansatz der BVG ist die im<br />
Sommer gestartete Mobilitäts-App Jelbi. Sie<br />
ist nicht nur eine Computer-Plattform, sondern<br />
beinhaltet auch physische Standorte,<br />
sogenannte Hubs. Mit Jelbi kann man nach<br />
einmaliger Anmeldung verschiedene Angebote<br />
buchen und bezahlen – ein wichtiger<br />
Schritt zur integrierten Mobilität. <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong><br />
wird sich bald anschließen.<br />
Im Anschluss an ihre Vorträge und Statements<br />
nahmen Beiner und Nikutta an einer<br />
Diskussionsrunde teil, die von Herwig<br />
Kollar vom Bundesverband <strong>Taxi</strong> und von<br />
Michael Müller-Görnert, dem Verkehrspolitischen<br />
Sprecher des ökologischen<br />
Verkehrsclubs VCD, komplettiert wurde.<br />
Letzterer zitierte aus einer Studie seines<br />
Vereins, wonach E-Autos nach TCO (Total<br />
FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
14 SEPTEMBER/OKTOBER <strong>2019</strong> TAXI