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Zett Magazin Dezember 2019 / Januar 2020

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN Warum sollte man mit Rechten reden?

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen
DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN
Warum sollte man mit Rechten reden?

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Nele WOEHLERT

›Volkes Stimme?

Buchvorstellung ›Volkes Stimme? –

Zur Sprache des Rechtspopulismus‹

Die AfD hält Einzug in mehr und mehr Gremien.

Rechtspopulist*innen werden europaweit

immer lauter. Scheinbar einfache Lösungen für

komplexe Fragestellungen sowie die Instrumentalisierung

von schrecklichen Ereignissen

überzeugen immer mehr Menschen. Vor diesem

Hintergrund haben Prof. Dr. Thomas Niehr und

Dr. Jana Reissen-Kosch das Phänomen und

die Sprache des Rechtspopulismus untersucht.

In ihrem Buch ›Volkes Stimme?‹ (2018) werden

die Muster und Prinzipien des Sprachgebrauchs

rechtspopulistischer Reden beschrieben und

analysiert. Es hat zum Ziel, für einen angemessenen

Umgang und Sprachgebrauch sowie für logische Argumentationen

zu sensibilisieren. Es gibt Werkzeuge an die Hand, um Manipulationen und

fehlerhafte Argumentationen zu enttarnen.

Dabei ist das Buch, trotz wissenschaftlicher Fundierung, in einfach

verständlicher Sprache gehalten. Zu Beginn wird der schwammige Begriff

Populismus thematisiert. Anschließend wird ausführlich auf einzelne

Prinzipien des Sprachgebrauchs, aber auch auf Verhaltensweisen

von Rechtspopulist*innen eingegangen. In diesem

Zuge werden auch Feindbilder herausgearbeitet — beispielsweise

die Medien als ›Lügenpresse‹ oder ›Die Fremden, im

Sinne einer konstruierten Bedrohung‹. Diese Feindbilder seien

eng verknüpft mit ›Angst vor Verdrängung auf unterschiedlichen

Ebenen‹. Es wird beschrieben, wie durch die Verwendung

von Fachbegriffen Objektivität und Wissenschaftlichkeit vorgetäuscht

werde und so der Eindruck einer ›Scheinwahrheit‹

erzeugt werden könne. Dabei würden einfache Lösungen

für komplexe Probleme gesucht und ›einfach‹ gerne mit ›gut‹

gleichgesetzt, was insbesondere im politischen Bereich zu

Problemen führe.

Um zu beschreiben, wie man ein Problem lösungsorientiert

bearbeitet, wird ein Katalog aus sieben Schritten herangezogen.

Diese leicht auf den Alltag zu beziehenden Möglichkeiten,

welche einem durch Niehr und Reissen-Kosch im Verlauf des

Textes immer wieder geboten werden, machen das Buch so

nützlich und kurzweilig.

Ausgewählte Prinzipien rechtspopulistischer Rhetorik

1. Das Prinzip der Schwarz-Weiß-Malerei 2. Das Prinzip der Komplexitätsreduktion 3. Das Prinzip,

›kein Blatt vor den Mund zu nehmen‹ 4. Das Prinzip der Abwertung von politischen Gegner*innen

5. Das Prinzip der Froschperspektivierung 6. Das Prinzip der Suggestion, die sprechende Person sei

das ›Sprachrohr des Volkes‹ 7. Das Prinzip der Dramatisierung und Emotionalisierung 8. Das Prinzip

der Wiederholung 9. Das Prinzip der kalkulierten Ambivalenz 10. Das Prinzip der Erlösungsverheißung

Vgl. Martin Reisigl: Rechtspopulistische und faschistische Rhetorik: ein Vergleich (2012)

Noch mehr Buchtipps

Robert Feustel / Nancy Grochol / Tobias

Prüwer/Franziska Reif (Hg.): Wörterbuch des

besorgten Bürgers. 176 Seiten. Ventil Verlag

2018 (2. Aufl.).

Eine sehr klärende Einführung in das Vokabular der

Rechten, die dauerhaft aufgebracht durchs Netz randalieren

und sich von Fremden und Gender-Sternchen

bedroht wähnen. Das Leipziger Autor*innen-Kollektiv,

das das ›Wörterbuch des besorgten Bürgers‹ geschrieben

hat, erläutert auf 154 Seiten mehr als 100

Begriffe, in denen sich die Ideologie und Rhetorik der

Neuen Rechten gleichsam kristallisiert hat – von

›Abschiebeverhinderungsindustrie‹ über ›großer Austausch‹

bis ›Zigeunerschnitzel‹. Durch die Auseinandersetzung

mit dem Sprachgebrauch wird Nicht-Rechten

das aktuell gängige ressentimentgeladene

Denken aufgeschlüsselt. Und: Das Wörterbuch zeigt,

an welchen Punkten das extrem rechte Denken immer

mehr in den Bereich Eingang gefunden hat, den viele

gerne als ›Mitte‹ bezeichnen (Stand Februar 2018).

Heinrich Detering: Was heißt hier ›wir‹?.

Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten.

60 Seiten. Reclam Verlag 2019 (2. Auflage).

Die beste knappe Einführung in die parlamentarische

Rhetorik der AfD. Als Faden zieht sich die Auseinandersetzung

mit dem Gebrauch des Wortes ›Wir‹ durch den

Text. An dem ›Wir‹ entscheidet sich tatsächlich einiges:

Wer gehört dazu, wer nicht? Alexander Gauland hat,

vielleicht versehentlich, ausgeplaudert, dass das kollektive,

natürliche Gemeinschaft suggerierende ›Wir‹ vor

allem eine Chiffre für eher dumpfe und angstvolle

Wünsche ist: ›Das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes

umfasst natürlich auch das Recht zu bestimmen,

mit wem ich zusammenleben will und wen ich in meine

Gemeinschaft aufnehme‹, meinte der AfD-Fraktionsvorsitzender.

›Es gibt keine Pflicht zur Vielfalt und

Buntheit.‹ Es gibt auch kein ›Wir‹, auf dass sich der

Populist berufen könnte; Gaulands abrupter Wechsel

vom Plural in den Singular deutet es an. Denn die

Vielfalt ist nun mal Fakt, und die Homogenität, die

müsste gewaltsam hergestellt werden.

MARTIN STEINERT

Daniel-Pascal Zorn: Logik für Demokraten.

Eine Anleitung. 314 Seiten. Klett-Cotta Verlag

2019 (3. Auflage).

Eine Übung in philosophisch fundierter Gelassenheit.

Daniel-Pascal Zorn, einer der Autoren, die das Buch

›mit Rechten Reden‹ geschrieben haben, analysiert

Logik und Rhetorik von Populisten. Und entwirft auf

dieser Basis eine Logik für Demokraten. Übertragen

auf die Praxis: Man fordert vom Gegenüber, mit dem

man spricht, immer (und unermüdlich) Begründungen

ein, egal wie irrwitzig dessen Rede auch sein mag.

Und man bestimmt die Fehlschlüsse in Diskussionen

– nicht unbedingt, um den Populisten zu überzeugen,

sondern die stillen Mithörer*innen und -leser*innen.

›Der grundlegende Fehlschluss ist die Selbstautorisierung‹,

sagt Zorn. Besser: ›Du kannst auch versuchen,

logisch konsistent zu denken und mit dir selbst übereinzustimmen.

Und darin eine Form von Frieden

finden.‹

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