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Zett Magazin Dezember 2019 / Januar 2020

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN Warum sollte man mit Rechten reden?

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen
DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN
Warum sollte man mit Rechten reden?

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Ich möchte mit der Rezeption Ihres Buches beginnen, da

hat es ellenlange Debatten im Netz gegeben, an denen

Sie und Ihre co-Autoren sich ausgiebig beteiligt haben.

Ein häufig erhobener Vorwurf: Sie würden das Reden mit

Rechten als Notwendigkeit verstehen. Ist das so?

Nein. Dass aus unserer Sicht niemand mit Rechten reden

muss, steht sogar ausdrücklich in dem Buch. Was wäre das

auch für eine Forderung, es gibt ja viele gute Gründe, es nicht

zu tun. Uns ging es eher um die Verneinung der negativen

Doktrin, mit ›Nazis‹ dürfe es keinen Diskurs geben. Wer das

verneint, fordert aber noch nicht das Gegenteil, er erweitert

erstmal nur den Bereich des Möglichen.

Die ›Erweiterung des Bereichs des Möglichen‹ wurde dort

nicht als geglückte Erweiterung verstanden, sondern als

Türöffnung: Wer mit Rechten öffentlich spricht, trägt zur

Normalisierung rechten Gedankenguts bei. Auch wenn Sie

das anders sehen werden – sehen Sie die Gefahr?

Natürlich sehe ich diese Gefahr. Die immer wieder monierte

›Normalisierung‹ betrifft zunächst die Ideologie: Deutungsmuster,

Schlüsselbegriffe und Narrative, mit denen rechte

Metapolitik versucht, den Diskurs zu kapern. Das muss man

nicht zulassen, zugleich aber lässt sich eine Partei, die bis zu

einem Viertel der Wähler – und damit auch der Gebührenzahler

– repräsentiert, nicht einfach aus dem öffentlichen Diskurs

ausschließen. Es wird also darauf ankommen, in den unvermeidlichen

Fällen möglichst gut vorbereitet mit Rechten zu

reden. Welche Fälle das sind und worin eine gute Gesprächsführung

besteht, wäre zu diskutieren. Wichtig ist aber, dass

diese Diskussion überhaupt geführt wird, zum Beispiel in den

Redaktionen der Zeitungen, Radio- und Fernsehsender.

Sie empfehlen Gelassenheit in Diskussionen mit Rechten,

sich nicht provozieren lassen, keinen moralischen Ton

anschlagen – weil das genau das ist, was der Gegner

erwartet und will. Das funktioniert in vielen Fällen,

zumindest in Diskussionen im Netz. Auf der Straße ist es

dann wieder etwas anderes. Sehen Sie Beispiele für einen

strategisch effektiven umgang mit der Rechten?

Es freut mich, dass Sie das so sehen, weil es zeigt, dass

unser Buch etwas bewirkt hat. Aber ich glaube nicht, dass man

die Debatte von vornherein auf Fragen der Strategie hätte

reduzieren sollen. Zumindest aus meiner Sicht steht mehr auf

dem Spiel als nur der möglichst effektive Kampf gegen einen

politischen Gegner, nämlich der Zustand unserer Demokratie

insgesamt, und den sehe ich nicht nur von Rechts gefährdet.

Aber die Beschränkung auf strategische Fragen, die für mich

zunehmend wichtig geworden sind, kann zur Versachlichung im

Streit über den Umgang mit AfD und Neuer Rechter führen.

Wer sich dem sogenannten Kampf gegen Rechts verschrieben

hat, der muss sich fragen lassen, ob die eingesetzten Mittel

dem behaupteten Zweck angemessen sind. Konkret: Reicht es

aus, immer wieder nur die eigene ›Haltung‹ zu zeigen? Ist das

mehr als preaching to the converted? Oder vielleicht sogar

manchmal kontraproduktiv, weil sich dieser Expressionismus

erwarten und damit vom Gegner instrumentalisieren lässt?

Ich habe keine Patentlösungen für diesen Kampf, aber es wäre

schon viel gewonnen, wenn solche strategischen Fragen

häufiger ergebnisoffen diskutiert würden.

Fotoquelle: Per Leo

Per Leo, geb. 1972, ist Autor

des Romans ›Flut und Boden‹,

der von der Familie seines

Großvaters Friedrich Leo,

einem früheren SS-Sturmbannführer, handelt.

2017 erschien der gemeinsam mit Daniel-Pascal Zorn und

Maximilian Steinbeis verfasste ›Leitfaden‹ ›mit Rechten

Reden‹ im Klett-cotta Verlag.

Sie empfehlen, nicht auf Polarisierung zu setzen. Aber ist

es nicht besser, wenn die Grenzen zwischen Rechts und

Nicht-Rechts klar, bewusst und reflektiert – also auch:

gut begründet – gezogen sind? und dann sieht man, wie

viele Leute man versammelt bekommt. Wenn man sich

zum Beispiel die #unteilbar-, die Seebrücken- oder

die Fridays-for-Future-Demos anschaut und das mit zum

Beispiel Pegida vergleicht, sind die Mehrheitsverhältnisse

ja eindeutig. Warum also keine Polarisierung?

Reflexion und gute Begründung vertragen sich nicht mit

Polarisierung. Man kann nicht beides haben: einerseits

Differenzierung, andererseits den Antagonismus. Denn Sie

haben ja recht, diese Verhältnisse sind nicht symmetrisch.

Das zeigt sich quantitativ in den Wählerstimmen, es zeigt

sich aber auch qualitativ in der Vielfalt auf Seiten der Nicht-

Rechten. Fragen, die nur noch in der alternativen Form von

Entweder-oder, Pro-oder-contra, wir oder sie, Täter oder

Opfer und so weiter erscheinen, nützen denen, die aus einer

Position der Schwäche angreifen. Aus einer realen 20:80-

Situation wird so ein ›A oder B‹. Allein die Form der Auseinandersetzung

zwingt dazu, sich zu entscheiden, und so

verkleinert sich die Wahl von ›tausend Gründe, nicht rechts

zu sein‹ zu: für oder gegen die Rechten. Das ist eine hochgefährliche

Lage, denn nun reicht ein anti-linker Affekt, ich

weiß, wovon ich rede, und …

Reflexion und gute Begründung

vertragen sich nicht mit Polarisierung.

Man kann nicht beides

haben: einerseits Differenzierung,

andererseits den Antagonismus.

Denn Sie haben ja recht,

diese Verhältnisse sind nicht

symmetrisch.

… und dann passiert was?

Sie befinden sich plötzlich unter Rechten. Und es macht

da gar keinen Unterschied, ob man dabei ›in ihre Arme

getrieben‹ wurde oder aus Trotz lieber zu ihnen hält, als sich

von der anderen Seite zur Zustimmung nötigen zu lassen. Ich

verteidige ich die Asymmetrie eines Diskurses, in dem kein

Zwang zu Bekenntnis, Entscheidung und Selbstfestlegung

besteht.

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