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Zett Magazin Dezember 2019 / Januar 2020

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN Warum sollte man mit Rechten reden?

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DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN
Warum sollte man mit Rechten reden?

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FLoriaN FaBoZZi

TALKSHOWS – Wie Die aFD

sie NutZt uND BeeiNFlusst

Die afD hat sich als politische kraft in Deutschland

etabliert, ist im Bundesparlament und

inzwischen in allen Landesparlamenten vertreten.

auf sachliche, fundierte Diskussionen

lassen ihre Politiker sich jedoch selten ein.

insbesondere Talkshows werden dafür kritisiert,

dass sie der afD zu viel aufmerksamkeit

schenken.

›Der Tag wird kommen, an dem wir die Befürworter der Willkommenskultur

zur Rechenschaft ziehen‹, so lautete, in verkürzter Form, ein Tweet des

AfD-Politikers Uwe Junge aus dem Jahr 2017. Ist es sinnvoll, Menschen, die

ihre politischen Widersacher*innen unterschwellig bedrohen, in Debatten

zum Zwecke öffentlicher Meinungsbildung einzubeziehen? Ja, wenn es

nach Moderator Frank Plasberg geht. Der lud Junge am 1. Juli in seinen

ARD-Talk ›hart aber fair‹ ein. Neben Uwe Junge mischten mit Herbert

Reul von der CDU und Irene Mihalic von den Grünen zwei weitere

Parteipolitiker*innen mit. Die kamen jedoch verglichen mit Junge, der

insgesamt knapp 15 Minuten redete, nur selten zu Wort.

Junge nutzte die Zeit intensiv, den bürgerlichen Charakter der AfD zu

betonen. Plasberg bemühte sich dagegen nur zaghaft, eine Verbindung

zwischen der AfD und rechter Gewalt herzustellen. Verweise auf den

Linksextremismus und das Begeben in die Opferrolle, also typische

AfD-Strategien, ließ er Junge allzu oft durchgehen, um ihm am Ende fast

entschuldigend mitzuteilen, dass er hoffe, er habe sich nicht ›wie in

einem Tribunal gefühlt‹.

Zurecht werden Talkshows wie diese wegen ihres Umgangs mit

rechten Politiker*innen zur Zielscheibe öffentlicher Kritik. Bemängelt

wird häufig die konfliktscheue Moderation. Liegt das Problem aber

nicht schon in der bloßen Teilnahme von Antidemokraten in einem auf

demokratischem Konsens fußenden Format? ›Die Bereitschaft der

Demokraten zum Dialog verwenden Populisten als Waffe‹, meint der

israelische Diplomat Shimon Stein. Sie sei ein Köder für die Populisten,

um die Grundwerte der Demokratie nach eigener Vorstellung

umzudeuten.

Der Wille der liberalen Politiker, die AfD argumentativ zu überführen, werde

torpediert, sagt der ehemalige Spiegel-Journalist Manfred Ertel, da die

AfD ›gar keinen Diskurs will‹. In Talkshows könnten sie nur gewinnen: Entweder,

sie bringen ihre Botschaft widerspruchslos unters Volk, oder sie

inszenieren sich als Opfer der ›Systemmedien‹. Inwieweit Zuschauer*innen

von Talkshows bereit sind, sich auf eine neue Sichtweise einzulassen, ist

zumindest fraglich, viele von ihnen suchen oft nur eine Bestätigung der

eigenen Haltung.

Vielleicht ist aber das Medium ›Talkshow‹ in der Hinsicht auch überbewertet.

Heute erhalten die meisten Menschen ihre politische ›Bildung‹

in sozialen Medien und dort meist nur durch Akteur*innen, die dem

eigenen politischen Bild entsprechen. Würden sich die Verantwortlichen

der Talkshows dazu entschließen, dauerhaft AfD-Politiker*innen außen

vor zu lassen, könnte das bei politisch unentschlossenen Bürger*innen

eine Trotzhaltung oder gar Solidarität mit der AfD auslösen und Verschwörungstheorien

wie die der ›Systemmedien‹ würden gestärkt

werden.

Die Einladung Junges in Plasbergs Sendung rechtfertigte Intendant

Tom Buhrow übrigens damit, dass man jene, die man für rechte Gewalt

indirekt verantwortlich macht, ja nicht übergehen dürfe. Gut, doch

dann muss man mit ihnen auch hart ins Gericht gehen.

Die AfD ist in Talkshows aber auch dann präsent, wenn sie nicht

präsent ist. Es wirkt manchmal so, als gebe die AfD vor, wie gewisse

Themen zu diskutieren seien. Diskussionsfragen wie ›Sind wir zu

tolerant gegenüber dem Islam?‹ und ›Können kriminelle Flüchtlinge

integriert werden?‹ sind suggestiv und spalten die Gesellschaft in

›wir‹ und ›ihr‹. Nebenbei haben AfD-Kampfbegriffe wie ›Asylmissbrauch‹

längst Einzug in Talkshows gehalten. Sicher steckt Kalkül

dahinter: Je reißerischer und überspitzter die Fragen, desto besser

die Quote. Krisenszenarien locken Menschen vor den Bildschirm,

wo man ihnen komplexe Themen in einfachen mundgerechten

Häppchen serviert. Doch auch die Moderator*innen müssen sich

hinterfragen: Zu selten gelingt es ihnen, ihre (AfD-)Gäste mit

deren Widersprüchen zu konfrontieren.

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