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Zett Magazin Dezember 2019 / Januar 2020

Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN Warum sollte man mit Rechten reden?

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DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN
Warum sollte man mit Rechten reden?

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Andreas Schnell

Revolution im Kongo

in kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen

republik kongo, regeln große roboter, die ein bisschen

wie Menschen aussehen, den Straßenverkehr. im

afrikamuseum in Tervuren bei Brüssel steht so ein

roboter umgeben von einem Foto-Panorama, das uns

eine Straßenkreuzung aus seiner Warte zeigt. Ein

knappes halbes Dutzend von ihnen soll heute auf

kinshasas kreuzungen seinen Dienst versehen. in

jenem Museum vor den Toren Brüssels steht der

mechanische Verkehrspolizist für den dort unlängst

vollzogenen, längst überfälligen Perspektivwechsel, hin

zu einer kritischen, zumindest partiell afrikanischen

Sicht.

Die multikulturelle europäische Metropole ist gewiss

nicht zufällig der Geburtsort der a-cappella-Formation

Zap Mama und des Plattenlabels Crammed Discs, das

gerade auf ziemlich hinreißende Weise demonstriert,

was die Welt von kinshasa neben der Verkehrsführung

noch lernen kann. Dass beinahe zeitgleich die Band

Bantou Mentale ihren Entwurf einer zeitgenössischen

kongolesischen Pop-avantgarde vorlegt und das Label

Soul Jazz records auf zwei LPs unter dem Titel ›Congo

revolution‹ Musik aus den beiden kongos von 1955

bis 1962 zusammenfasst, bietet eine hervorragende

Gelegenheit, den kulturellen reichtum des Landes, das

wir ansonsten aus den Nachrichten eher im Zusammenhang

mit allerlei krisen kennen, immerhin zu erahnen.

Die revolution, von der die Zusammenstellung von

Soul Jazz kündet, war eine politische, aber auch eine

ästhetische: Was via transatlantischem Feedback aus

kuba vor allem über kinshasa nach afrika kam und

dort von Bands wie o.k. Jazz, african Jazz und anderen

weiterentwickelt wurde, machte in fast ganz afrika

Furore. im afrika-Hype der vergangenen Jahre spielte

das eigenartigerweise kaum eine rolle. Fela kuti,

Manu Dibango und selbst Mulatu astatke sind da aus

LISTENER’S

cORNER

verschiedenen Gründen leichter zu verkaufen. ›Congo

revolution‹ ist deshalb mehr als eine prima Einstiegsdroge.

Crammed Discs fügen dem Blick auf die kongolesische

Musikgeschichte mit drei Veröffentlichungen

essenzielle Facetten bei: Zap Mama waren mit ihrem

Debüt 1991 eines der Zugpferde des Labels und führten

schon damals vor, wie im besten Fall notdürftig die

rede von der Weltmusik ist. in ihren Songs ist kongolesische

rumba ebenso zu hören wie diverse weitere

afrikanische, aber auch europäische Techniken und

Stilistiken. ›adventures in afropea‹ ist der passende

Titel für dieses album, das nun zum ersten Mal auf

Vinyl erhältlich ist.

Historisch spannender sind die aufnahmen und

deren Bearbeitungen, die Crammed Disc für das Projekt

›kinshasa 1978‹ jüngst veröffentlicht hat. Die ›originals‹

wurden im Herbst 1978 in kinshasa aufgenommen

und legen noch einmal ganz andere Stränge

kongolesischer Musik frei, darunter der markante

Sound von konono No. 1, die in den vergangenen

Jahren international karriere gemacht haben und deren

tief in der Tradition verwurzelte Musik schon hier in

voller Blüte steht. Martin Meissonier hat die aufnahmen

neu abgemischt und sie klangtechnisch anschlussfähig

für das 21. Jahrhundert gemacht.

Bantou Mentale treiben derweil die kühne Mash-up-

Ästhetik ihrer früheren Bands wie Staff Benda Bilili,

Jupiter okwess und Mbongwana Star auf ihrem unbetitelten

Debüt-album (Glitterbeat) weiter, erzählen in

Songs wie ›Zanzibar‹ und ›Boko Haram‹ unmissverständlich

von afrika, präsentieren sich aber zugleich

ästhetisch kosmopolitisch in ihrem Zugriff auf Grime,

auf rock, auf Dub und Glitch-Elektronik. Es bleibt

spannend im kongo, so und so.

Foto: Lixing Zhang

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