Zett Magazin Dezember 2019 / Januar 2020
Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN Warum sollte man mit Rechten reden?
Magazin für Stadtkultur // Schlachthof Bremen
DISKUTIEREN STREITEN AUSGRENZEN
Warum sollte man mit Rechten reden?
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halbzeitwissen
FÜR STADTKUlTUR
Barbara Bocks
Das bessere Ich?!? – Living with yourself
VIEWER’S
cORNER
Es könnte kaum schlechter laufen für Miles. Er ist
ein frustrierter Mitarbeiter einer Werbeagentur ohne
Schwung und ideen und wohnt in einer typisch
amerikanischen Vorstadtsiedlung. Seine Ehe und die
Familienplanung laufen auch eher frustrierend:
Stagnation in allen Lebensbereichen. So beginnt die
Serie ›Living with yourself‹, die Netflix seit oktober
im Programm hat. im Gespräch mit einem kollegen
bekommt Miles dann den rettenden Tipp für eine
Spa-Behandlung der besonderen art. Er fährt in ein
heruntergekommenes industriegebiet, um sich dort
für 50.000 Dollar, die er eigentlich gar nicht übrig hat,
behandeln zu lassen.
Die Betreiber klonen die Besucher und übertragen
alle Erinnerungen auf eine neue Version mit optimierter
DNa. Die sterblichen Hüllen der klienten verscharren
sie danach normalerweise in einem Waldstück
in der Nähe; normalerweise und natürlich nicht so bei
Miles. Sein ursprungs-ich kann sich aus dem Grab im
Wald befreien. Es gibt ihn jetzt also in zwei Varianten:
original-Miles, der in einem Diner Cola und einen
Burger bestellt und sein update, das wohl als erster
Besucher dort grünen Tee und einen obstteller essen
möchte. Hätte es Chia-Pudding gegeben, hätte er den
wohl auch genommen.
›Living with yourself‹ ist eine art schwarze Science-
Fiction-Tragikomödie, die die Geschichte von Miles,
seiner Frau kate und seinem klon mit vielen rückblenden
spannend erzählt. Es gibt ja wirklich schon Serien
über alle möglichen Typen: Lehrer, die zu Crystal-Meth-
Dealern werden, die Queen, Zombies und so weiter.
klone gibt es auch schon in der einen oder anderen
Serie. aber wie jemand Stinknormales sich mit seinem
perfektionierten klon herumärgern muss, ist hier mal
lustig, mal tragisch dargestellt, da beide den jeweils
anderen kopieren, wenn sie nicht weiter wissen.
Wer träumt nicht davon, die eine oder andere mentale
oder körperliche unperfektheit mal eben auf knopfdruck
verschwinden zu lassen, ganz ohne arbeit und
nicht erst mit einem speziellen Filter oder langwierigen
Yoga- und Fasten-kuren. Dem perfekten ich jeden Tag
auf der Straße zu begegnen, stelle ich mir dennoch im
ersten Moment gruselig und dann vor allem nervig vor.
Da geht es mir wie Miles.
Das Treffen im Diner ist allerdings nur der anfang
der Geschichte. Denn beide teilen ja alle Erinnerungen
und rangeln ab diesem Zeitpunkt um Miles‘ Leben.
Seinen Job gibt original-Miles noch sehr gerne an seine
verbesserte Version ab, kate allerdings nicht. also
kommt es, wie es kommen muss: Da die Ehe seit Längerem
an einem seidenen Faden hängt, beginnt kate
eine affäre mit Super-Miles. Sie langweilt sich allerdings
bereits nach dem ersten Tag, oder besser gesagt
der ersten Nacht, zu Tode und ist ansonsten völlig
überfordert von den vielen ideen und der ständig
fabelhaften Laune ihres Gegenübers.
im weiteren Verlauf der Geschichte tauchen noch
viele schräge Situationen auf, wie zum Beispiel das tote
Edel-Schwein, das irgendwann in der Garage hängt, und
das Miles aus Versehen anfährt und es fast nicht von
der Windschutzscheibe ziehen kann. Eine japanische
Methode, wie man weibliche und männliche küken
unterscheidet, spielt später auch noch eine rolle. Großartig
ist auch, wie Miles einmal für eine Nacht bei der
FDa, der uS-amerikanischen Behörde für Lebensmittelund
arzneimittelsicherheit, landet, weil er seinen klon
melden wollte. Dort streikt jedoch der Lügendetektor
und die Beamten wissen weder, wo sie die Ersatzteile
herbekommen, noch ob Miles original oder kopie ist.
am Ende der Staffel haben sich Miles, sein klon und
kate nach einem echten Showdown dann doch alle
wieder lieb und es gibt noch eine fette überraschung.