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KAV MAGAZIN, Ausgabe 4/2019

40 Jahre Strafrechtsausschuss im Kölner Anwaltverein, Seminare und Events 2020, JURTOUR: Florenz, Interview mit Herrn Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität zu Köln und Herrn Prof. Dr. Ulrich Luckhaus, Mitglied des KAV e.V. Vorstands, KAV trifft Gericht, Nachbarschaftsstreit 3.0, Hat der Anwalt in der digitalen Welt eine Zukunft?, KAV RefaRep

40 Jahre Strafrechtsausschuss im Kölner Anwaltverein, Seminare und Events 2020, JURTOUR: Florenz, Interview mit Herrn Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität zu Köln und Herrn Prof. Dr. Ulrich Luckhaus, Mitglied des KAV e.V. Vorstands, KAV trifft Gericht, Nachbarschaftsstreit 3.0, Hat der Anwalt in der digitalen Welt eine Zukunft?, KAV RefaRep

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Ausschüsse & Arbeitskreise | 47<br />

AUSSCHUSS GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ<br />

Internationale Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte – EuGH sticht „Parfummarken“-Urteil<br />

des BGH<br />

Der EuGH hat mit Urteil vom 05.09.<strong>2019</strong> entschieden, dass der<br />

Inhaber einer Unionsmarke eine Markenverletzungsklage auch vor<br />

einem Gericht desjenigen Mitgliedstaats erheben kann, in dem<br />

sich die durch eine rechtsverletzende Werbung oder ein Verkaufsangebot<br />

angesprochenen Verbraucher oder Händler befinden.<br />

Maßgeblich für die Zuständigkeit sei demnach nicht der Ort, an<br />

dem die Veröffentlichung des Angebots in Gang gesetzt worden<br />

sei, sondern der Ort, an dem die entsprechende Werbe-/Angebots-<br />

Website abgerufen werden könne (EuGH, Urteil v. 05.09.<strong>2019</strong>,<br />

Az.: C-172/18, AMS Neve Ltd ./. Heritage Audio SL).<br />

Hintergrund<br />

Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens ist ein Rechtsstreit<br />

über die Verletzung einer Unionsmarke, die nach dem Vorbringen<br />

der Kläger durch die Bewerbung und den Vertrieb markenverletzender<br />

Waren über eine von Spanien aus betriebene und an Kunden<br />

u. a. im Vereinigten Königreich gerichtete Website verwirklicht wurde.<br />

Die Kläger, Inhaber bzw. exklusive Lizenznehmer verschiedener<br />

Unionsmarken für Audiogeräte mit Sitz im Vereinigten Königreich,<br />

reichten Klage beim englischen Intellectual Property and Enterprise<br />

Court (IPEC) ein. Infolge der Einrede der Beklagten erklärte sich das<br />

als Unionsgericht angerufene IPEC für die Verletzungsklage (soweit<br />

sie die Unionsmarke betreffe) als international unzuständig; vielmehr<br />

seien die Gerichte in Spanien zuständig, wo die Beklagten ihren<br />

Wohnsitz bzw. ihre Niederlassung haben. Eine andere Zuständigkeit<br />

ergebe sich auch nicht, wenn man auf den Ort abstellen würde,<br />

wo die Beklagten die „Verletzungshandlung begangen haben“. Der<br />

Court of Appeal für England und Wales (EWCA) war anderer Ansicht,<br />

setzte die Entscheidung über die Berufung der Beklagten aus und<br />

bat den EuGH zu klären, welches Gericht im Fall einer Klage wegen<br />

Verletzung einer Unionsmarke durch Online-Werbung und Verkaufsangebote<br />

international zuständig sei.<br />

Ort der Verletzungshandlung – Auslegung von Art. 97 Abs. 5<br />

GMV<br />

Grundsätzlich sind nach Art. 97 Abs. 1 Gemeinschaftsmarkenverordnung<br />

Nr. 207/2009 (GMV) (heute: Art. 125 Abs. 1 Unionsmarkenverordnung<br />

- UMV) wegen Verletzungsklagen einer Unionsmarke die<br />

Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Kläger seinen<br />

Wohnsitz oder seine Niederlassung hat. Alternativ kann nach Art.<br />

97 Abs. 5 GMV (heute: Art. 125 Abs. 5 UMV) die Klage auch bei<br />

den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, „in dem eine<br />

Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“ (sog. Verletzungsgerichtsstand).<br />

Wird die Verletzungsklage auf Art. 97 Abs. 1<br />

GMV gestützt, betrifft sie potenziell die im gesamten Unionsgebiet<br />

begangenen Verletzungshandlungen, wohingegen ein nach Art. 97<br />

Abs. 5 GMV zuständiges Unionsmarkengericht nur für die Handlungen<br />

zuständig ist, die in dem Mitgliedstaat begangen worden sind<br />

oder drohen, in dem das Gericht seinen Sitz hat.<br />

In der „Coty“ Entscheidung aus dem Jahr 2014 (EuGH, Urteil v.<br />

05.06.2014, C-360/12) hatte sich der EuGH bereits für eine autonome<br />

Auslegung des Art. 97 Abs. 5 GMV und des darin enthaltenden<br />

Begriffes des Mitgliedstaates, in dem eine Verletzungshandlung<br />

begangen wurde, ausgesprochen. Maßgeblich für die Frage, wo<br />

eine Verletzungshandlung begangen worden sei oder drohe, sei<br />

allein der Handlungsort, nicht der Erfolgsort.<br />

Lange war jedoch unklar, wie der Ort der Verletzungshandlung im<br />

Fall von Online-Werbung und Verkaufsangeboten zu definieren<br />

sei. Nun hat der EuGH entschieden, dass für die Zuständigkeit<br />

in solchen Fällen nicht der Ort maßgeblich sein soll, an dem die<br />

Veröffentlichung des Angebots in Gang gesetzt wurde, sondern<br />

der Ort, an dem die Website tatsächlich abgerufen werden kann.<br />

Bestehen die dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen in der<br />

elektronischen Anzeige und Werbung und Verkaufsangeboten für<br />

Waren, die eine Markenverletzung darstellen, ist demnach davon<br />

auszugehen, dass diese Handlungen in dem Hoheitsgebiet begangen<br />

worden sind, in dem sich die durch eine Online-Werbung oder<br />

ein Verkaufsangebot angesprochenen Verbraucher oder Händler<br />

befinden. Dies gilt ungeachtet dessen, ob der Beklagte in einem<br />

anderen Hoheitsgebiet niedergelassen ist, ob sich der von ihm<br />

benutzte Server des elektronischen Netzes in einem anderen Hoheitsgebiet<br />

befindet oder ob sich die Waren, die den Gegenstand<br />

der Werbung und Verkaufsangebote bilden, in einem anderen<br />

Hoheitsgebiet befinden.<br />

Der EuGH argumentiert wie folgt: Würde man im vorliegenden<br />

Fall allein auf eine rein faktische Betrachtungsweise abstellen,<br />

wären als Verletzungsgerichte nur die Gerichte des Mitgliedstaats<br />

zuständig, wo das Auslösen des technischen Vorgangs durch den<br />

Verletzenden stattfindet. Dies würde jedoch zu erheblichen Problemen<br />

in der Praxis führen. Der Ort der „zentralen Schadensverursachung“<br />

falle regelmäßig mit dem Sitz bzw. der Niederlassung<br />

des Beklagten zusammen, soweit sich dieser in der EU befinde.<br />

Dies würde dazu führen, dass dem Inhaber der Unionsmarke die<br />

Möglichkeit eines alternativen Gerichtsstands genommen würde.<br />

Zudem könne der Verletzende die Website bewusst so einrichten,<br />

dass das Hoheitsgebiet der Einstellung ins Internet und das seiner<br />

Niederlassung zusammenfallen. Hätte der Rechtsverletzende in<br />

der EU weder Wohnsitz noch Niederlassung, würde die Anknüpfung<br />

an den Ort der Schadensverursachung ins Leere gehen. Eine<br />

Auslegung des Ortes der Verletzungshandlung als Ort, an dem<br />

der Rechtsverletzende die Entscheidung und technischen Maßnahmen<br />

zur Schaltung der Anzeige im Internet getroffen hat, sei<br />

ebenfalls nicht tauglich, da es dem Unionsmarkeninhaber in vielen<br />

Fällen übermäßig erschwere, wenn nicht gar unmöglich gemacht<br />

werde, von diesem Ort Kenntnis zu erlangen. Folglich hätte der<br />

Verletzungsgerichtsstand für Unionsmarkenrechte neben den<br />

Gerichtsständen des Art. 97 Abs. 1 und Abs. 2 GMV faktisch keine<br />

Bedeutung mehr.<br />

Vor diesem Hintergrund und im Sinne der vom EuGH in „Coty“<br />

geforderten, autonomen Auslegung und Berücksichtigung von Kontext<br />

und Ziel des Art. 97 Abs. 5 GMV – ist der Handlungsort in dem<br />

Sinne zu interpretieren, dass „Handlungen“ als „tatbestandsmäßige<br />

Fortsetzung auf der nächsten Seite »

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