akzent Magazin Januar '20 Bodensee-Oberschwaben
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46<br />
KULTUR | BÜHNE<br />
AUF ÜT E N<br />
R<br />
T<br />
L<br />
Um was für ein Thema muss es wohl gehen, das Autorin Annalena<br />
Küspert seit ihrer Kindheit umtreibt? Die 34-Jährige ist<br />
in Überlingen aufgewachsen und hat deutsche und englische<br />
Literaturwissenschaft in Berlin, Cambridge und Würzburg<br />
studiert. Sie lebt heute in Frankfurt und sagt rückblickend: „In<br />
meiner Kindheitswelt wird der Tod produziert.“ Eine starke<br />
Aussage. Für das Theater Konstanz hat sie ihre Erinnerungen,<br />
aber auch Fragen und Visionen im Stück „Am Wasser“<br />
zusammengefasst.<br />
„Ich wusste, dass die Rüstungsindustrie da ist,<br />
aber ich habe nie darüber nachgedacht. Und<br />
das, obwohl ich mich als politische Jugendliche<br />
wahrgenommen habe“, so Annalena<br />
Küspert rückblickend. Dass in ihrer „schönen<br />
heilen Kindheitswelt“ der Tod produziert<br />
würde, habe bei ihr starke Gefühle ausgelöst.<br />
Einer der größten Arbeitgeber in Überlingen<br />
in diesem Sektor tätig – und nicht der einzige.<br />
Doch sie möchte weder mit erhobenem Zeigefinger<br />
dastehen noch utopische Forderungen,<br />
wie etwa sofortige Firmenschließungen,<br />
stellen. Wichtig sei ihr die künstlerische Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema. Für sie war<br />
klar, dass es ein Stück für Jugendliche werden<br />
soll. „Wie wäre das wohl gewesen, wenn ich<br />
das Stück als Jugendliche gesehen hätte? Kann<br />
ich denen vielleicht heute etwas erzählen, was<br />
ich selbst gerne erzählt bekommen hätte“, so<br />
Küspert, die auch Erfahrung als Dramaturgin<br />
im Jugendtheater hat. Ihr Sendungsbewusstsein<br />
gehe aber nicht so weit, dass sie denke,<br />
dass junge Zuschauer nach dem Stück einen<br />
Anti-Rüstungsprotest losstoßen würden.<br />
„Grundsätzlich finde ich es einfach toll, wenn<br />
junge Menschen mit dem Theater in Berührung<br />
kommen und wenn es dann auch noch<br />
ein politisches Thema ist, dann ist das doppelt<br />
gut.“ Minimaleffekt ist aus ihrer Sicht,<br />
wenn die Besucher des Stückes das Thema<br />
Rüstungsindustrie in der Familie ansprechen,<br />
um im Kleinen Debatten auszulösen.<br />
Weg mit der Rüstungsindustrie?<br />
Obwohl sie das Thema Rüstungsindustrie<br />
stark umtreibt, fordert Küspert keine Firmenschließungen<br />
– was naheliegend wäre.<br />
„Dann müsste ich politische Aktivistin sein.<br />
Ich bin aber Schriftstellerin“, stellt sie klar. „Es<br />
geht mir um die künstlerische Überformung<br />
eines realen, schwierigen Themas.“ In der Auseinandersetzung<br />
gehe es ihr vornehmlich um<br />
die kollektive Verdrängung und wie mit dem<br />
Thema umgegangen wird. Ihr Stück hatte bereits<br />
im Vorfeld hitzige Diskussionen am <strong>Bodensee</strong><br />
ausgelöst. Ein einschlägiger Ingenieur<br />
ließ dazu verlauten, dass sie „Frieden schaffen<br />
durch Abschreckung“. Also doch alles nicht<br />
so schlimm? „Diese Argumentation ist sehr<br />
oberflächlich. Sie vernachlässigt den riesen<br />
Gewinn, der vor allem mit Rüstungsgütern erwirtschaftet<br />
wird“, so Küspert. Und genau der<br />
ist ihrer Meinung nach das Hauptproblem.<br />
Schwarzes Wasser<br />
Gewinn durch Rüstung, Gewinn auf Kosten<br />
des Lebens anderer. Bildlich setzt Annalena<br />
Küspert diese düstere Tatsache in ihrem Stück<br />
als „schwarzes Wasser“ um. Was würde den<br />
Menschen in unserer Region weh tun? „Wenn<br />
was mit dem See wäre“, ist sich Küspert sicher.<br />
Und so entdeckt in ihrem Stück die junge<br />
Saliha, dass sich das Wasser des <strong>Bodensee</strong>s,<br />
der eines Tages schwarz gefärbt ist, als Beautytrend<br />
im Internet vermarken lässt. Zum abschminken,<br />
zum trinken, für alles. Doch ihre<br />
Großmutter sieht das schwarze Wasser als böses<br />
Omen und der Vater von Salihas Freund<br />
verhält sich verdächtig. Er ist Mitarbeiter in<br />
der Rüstungsindustrie. Ein Tabuthema in der<br />
schönen <strong>Bodensee</strong>-Idylle. Doch möglicherweise<br />
ist dort die Ursache für die Schwarzfärbung<br />
des Wassers? Saliha muss sich entscheiden.<br />
Weiter leise sein und mitverdienen oder einen<br />
Protest anzetteln, der sie letztlich auch ihre<br />
Beziehung kosten kann?<br />
08.-24.01. Am Wasser, JTK 14+<br />
Spiegelhalle<br />
Hafenstraße 12<br />
D-78462 Konstanz<br />
+49 (0)7531 900 21 50<br />
www.theaterkonstanz.de<br />
TEXT: TANJA HORLACHER, FOTO: THEATER KONSTANZ/ILJA<br />
MESS, PORTRAIT VON JULIAN PETER