Melange No6
Melange No6 - Das Magazin im Süden Bayerns
Melange No6 - Das Magazin im Süden Bayerns
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L I V E<br />
„Wind Nord/Ost, Startbahn null-drei“...<br />
Schon seit dem Aufwachen habe ich Reinhard Meys „Über den<br />
Wolken“ im Kopf. Es ist neun Uhr morgens, die Sonne leuchtet<br />
am blauen Herbsthimmel und ich bin aufgeregt und voller Vorfreude.<br />
Als ich vor gar nicht langer Zeit für ein paar Jahre in Spanien<br />
gelebt habe, hing dort in meiner Küche ein Kalender mit Luftbildaufnahmen<br />
aus dem Blauen Land, der mich regelmäßig in<br />
großes Heimweh gestürzt hat. Die imposanten Fotografien unserer<br />
Seenlandschaften von oben, von Gebirgsmassiven im<br />
Abendrot und von glitzerndem Schnee aus der Vogelperspektive<br />
haben mich daran erinnert, wie wunderschön Bayern ist. So<br />
schön nämlich, dass ich schließlich wieder heimgekehrt bin.<br />
Zum Spaß habe ich vor kurzem den Fotografen und Herausgeber<br />
dieser Luftbildkalender, Jörg Bodenbender, gefragt,<br />
ob wir mal mit seinem Motorsegler über das Blaue Land<br />
nach Venedig fliegen könnten. Eine witzige Idee, die zwei<br />
Träume –Venedig und das Fliegen – miteinander verband. Niemals<br />
hätte ich damit gerechnet, dass Jörg tatsächlich zusagt.<br />
Doch das hat er getan. Für die <strong>Melange</strong>, so verrät er mir, macht<br />
er eine große Ausnahme.<br />
Und heute ist es soweit. Am Flugplatz in Ohlstadt sehe<br />
ich zum ersten Mal den eleganten Motorsegler des österreichischen<br />
Flugzeugbauers Diamond. Zwei bequeme Ledersitze<br />
nebeneinander, darüber eine Plexiglashaube. Die Flügel, so<br />
verrät mir Jörg, haben eine Spannweite von 16,5 Metern. Falls<br />
doch einmal der Motor ausfallen sollte, was schon einmal vorgekommen<br />
ist, geben die guten Segeleigenschaften eine gewisse<br />
Sicherheit, mitten in den Bergen noch ein landbares Gelände<br />
zu erreichen.<br />
Bevor es nun losgeht, kontrolliert Jörg noch einmal die Technik.<br />
Dann steigen wir ein, setzen Kopfhörer auf und verständigen<br />
uns von nun an über Headsets. Daumen hoch?, signalisiert<br />
mir Jörg. Daumen hoch! Der Propeller dreht sich. Und<br />
mir wird mulmig zumute. Doch schon rollen wir<br />
zur Startbahn, beschleunigen… und heben ab.<br />
Ganz sanft steigen wir nach oben. Wie eine Spielzeugstraße<br />
liegt unter uns die A95. Zu unserer Rechten blicken wir auf<br />
das Murnauer Moos, geradeaus liegt Garmisch vor dem Wettersteinmassiv<br />
und der mächtigen Zugspitze im Westen. Ich<br />
schaue zurück und sehe den Staffelsee als<br />
blau-schimmernden Klecks, eingebettet in satte<br />
Herbstfarben. Mit jedem Höhenmeter werde ich ruhiger.<br />
Alles fühlt sich leicht an, schwerelos, frei und euphorisch. Und<br />
zum Greifen nahe. Wir sitzen in der Sonne und gleiten direkt<br />
über den Wank hinweg.<br />
Normalerweise hat Jörg auf dem Passagiersitz seine Fotoausrüstung<br />
dabei. Fest verzurrt begleitet sie ihn in luftige Höhen,<br />
wo er durch ein Schiebefenster all die beeindruckenden Aufnahmen<br />
macht, die ich bereits von seinen Kalendern kenne.<br />
Neben dem künstlerischen Aspekt nimmt auch die Umweltforschung<br />
einen Teil seiner Arbeit ein, dabei geht es unter anderem<br />
um die Dokumentation von Landschaften und deren<br />
Veränderung. Jörg, der mit seiner Frau Barbara in Grafenaschau<br />
wohnt, ist promovierter Biologie und Klimaforscher.<br />
Die Fliegerei und die Fotografie wurden 1998 vom Hobby zum<br />
Beruf. Mittlerweile verfügt er über ein beeindruckendes Luftbildarchiv<br />
und wurde bekannt durch Veröffentlichungen in diversen<br />
Magazinen, Fernsehproduktionen und durch seine eigenen<br />
Bücher und Kalendereditionen.<br />
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