FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 3|2019 - Eine Sonderbeilage des Tre Torri Verlags
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 3|2019 - Eine Sonderbeilage des Tre Torri Verlags
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<strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />
EINE SONDERBEILAGE DES TRE TORRI VERLAGS · DER VERLAG <strong>FÜR</strong> ESSEN, TRINKEN <strong>UND</strong> <strong>GENUSS</strong> 3 | 2019<br />
URSPRUNG:<br />
DIE INDIVIDUALITÄT DER HERKUNFT<br />
EINE HANDELSKETTE SETZT AUF AUTHENTIZITÄT
FALKE · P.O.BOX 11 09 - D-57376 SCHMALLENBERG / GERMANY<br />
VERLEGER <strong>UND</strong> HERAUSGEBER<br />
Ralf Frenzel<br />
ralf.frenzel@fine-magazines.de<br />
CHEFREDAKTEUR<br />
Thomas Schröder<br />
thomas.schroeder@fine-magazines.de<br />
REDAKTION<br />
Kristine Bäder, Susanne Grendel<br />
ART DIRECTION<br />
Guido Bittner<br />
MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />
Ursula Heinzelmann, Uwe Kauss, Edda<br />
Lamprecht, Dieter Mathiak, Dr. Stefan<br />
Pegatzky, Willy Picard, Angelika Ricard-<br />
Wolf<br />
FOTOGRAFEN<br />
Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes<br />
Grau, Alex Habermehl, Arne Landwehr,<br />
Marc Volk<br />
TITEL-FOTO<br />
Karotten, GUIDO BITTNER<br />
VERLAG<br />
Tre Torri Verlag GmbH<br />
Sonnenberger Straße 43<br />
65191 Wiesbaden<br />
www.tretorri.de<br />
Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />
ANZEIGEN<br />
Judith Völkel<br />
Tre Torri Verlag GmbH<br />
+49 611-57 990<br />
anzeigen@fine-magazines.de<br />
DRUCK<br />
Prinovis Ltd. & Co. KG · Nürnberg<br />
<strong>FINE</strong> Das Magazin für Genuss und Lebensstil<br />
ist eine Sonder beilage des Tre Torri Verlags<br />
im Verbund mit <strong>FINE</strong> Das Wein magazin,<br />
das viermal jährlich erscheint und im ausgesuchten<br />
Zeitschriftenhandel erhältlich ist.<br />
IN EINER WELT, in der alles immer schneller wird, jedes Bedürfnis und jeder Kaufimpuls<br />
mit nur einem Mausklick befriedigt werden kann, ist ein Einkauf auf dem Wochenmarkt eine<br />
geradezu altmodische Angelegenheit. Ein Spaziergang durch die Warenwelt des unmittelbaren<br />
Umlands die einzigartige Möglichkeit, mit den Erzeugerinnen und Erzeugern unserer Lebensmittel<br />
ins Gespräch zu kommen, und ist – ganz nebenbei – eine gute Gelegenheit, sich daran<br />
zu erinnern, welches Obst und Gemüse gerade Saison hat.<br />
Regionalität gewinnt für immer mehr Kundinnen und Kunden an Bedeutung: Klar – noch<br />
wachsen in Brandenburg keine Bananen, in der Gegend um Frankfurt am Main kann kein Seeteufel<br />
geangelt werden, und die frischen Tomaten stammen im November auch nicht vom Biobauernhof<br />
im Allgäu. Aber da, wo es möglich ist, ziehen immer mehr Menschen den Apfel aus<br />
dem Umland dem weitgereisten Produkt vom anderen Ende der Welt vor.<br />
Dass ein Lebensmittel, das den halben Erdball umrunden muss, um in unseren Supermärkten<br />
zu landen, oftmals billiger ist als ein gleiches vom zwanzig Kilometer entfernten Bauernhof, mag<br />
uns absurd vorkommen. Und dennoch, wer es sich leisten kann, ein paar Cent mehr zu bezahlen,<br />
dem gibt es ein gutes Gefühl zu wissen, dass dieses Geld den Landwirten aus der unmittelbaren<br />
Umgebung zugutekommt. Auch in der Gastronomie wird ein unbedingtes Bekenntnis<br />
zur Regionalität immer mehr zum Konzept: In zahlreichen Restaurants wird fast ausschließlich<br />
mit regionalen Zutaten gearbeitet. Einige verzichten dafür sogar auf Olivenöl und Zitronen –<br />
und kochen trotzdem auf höchstem kulinarischem Niveau. Insofern hilft Regionalität also auch<br />
dabei, einen neuen Blick auf die Vielfalt und den Reichtum unserer Heimat zu bekommen.<br />
In diesem Heft beschäftigen wir uns mit der Frage nach dem Ursprung der unterschiedlichsten<br />
Lebensmittel, ob und wie ein großer Handelskonzern den Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
nach Regionalität umsetzen kann. Und es ist bemerkenswert, wie gut das funktioniert!<br />
Für die Herstellung dieser Ausgabe hat die Einzelhandelskette real Produktionshilfe geleistet.<br />
INHALT<br />
FALKE Oxford Art. No. 15749 · FALKE Seidenglatt Art. No. 40490<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />
wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt<br />
eingereichte Manuskripte, Dateien, Datenträger<br />
und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten<br />
Artikel sind urheberrechtlich geschützt.<br />
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MILCHKÄLBER AUS TIROL<br />
Bio-Fleisch vom Bergbauern<br />
THÜRINGER DUROC<br />
Ein echtes Original<br />
GRÜNES GOLD <strong>FÜR</strong> GOURMETS <strong>UND</strong> FLEISCHFANS<br />
Die Grafschaft Tipperary – wo die besten Rinder weiden<br />
F(R)ISCHE AHOI!<br />
Eine Fischauktion in der rauen Bretagne<br />
SCHROFFE FELSEN, REGEN <strong>UND</strong> FEINSTER LACHS<br />
Bio-zertifizierte Fischzucht im Westen Irlands<br />
MOLDAWISCHES GOLD<br />
Echter Kaviar aus nachhaltiger Zucht<br />
KURZE WEGE<br />
Obst und Gemüse aus der Region<br />
PURER <strong>GENUSS</strong> MIT GUTEM GEWISSEN<br />
Bananen und andere Exoten aus Bio-Kultur<br />
EINKAUFEN LASSEN – STATT EINKAUFEN GEHEN<br />
Stressfreier geht’s nicht<br />
DREI STERNE<br />
Klaus Erfort, Spitzenkoch mit Bodenhaftung<br />
ALLES KÄSE!<br />
Das Beste, was aus Milch werden kann<br />
DER VERKLÄRTE BRATAPFEL<br />
Was Kindheitsprägung so anstellt<br />
<strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 3
Theresia Prosser führt mit ihrem Mann Herbert den Schellhornhof,<br />
einen Oberauer Urhof auf neunhundertdreißig Metern Seehöhe<br />
in Wildschönau. Die Gemeinde aus vier Dörfern, mehreren<br />
Weilern und zahlreichen Einzelgehöften in den Kitzbüheler<br />
Alpen liegt fünfzehn Kilometer Luftlinie südlich von Kufstein.<br />
Unter der Traufe des Gutsgebäudes prangt eine eindrucksvolle<br />
Jahreszahl: 1526. »Der älteste Teil des Hauses hat noch einmal<br />
dreihundert Jahre mehr auf dem Buckel«, merkt Herbert<br />
Prosser nicht ohne Stolz an.<br />
MILCHKÄLBER<br />
AUS TIROL<br />
Von WILLY PICARD Fotos RUI CAMILO<br />
Der Schnellhornhof der Prossers ist einer unter dreitausend Betrieben, die sich zur Genossenschaft<br />
»Rinderzucht Tirol« zusammengefunden haben. Die für die Region typischen steilen Hanglagen<br />
und die klimatisch bedingten kurzen Vegetationsperioden bedingen die kleinstrukturierte Landwirtschaft,<br />
die sich hauptsächlich für die Viehhaltung eignet. Daher werden die meisten Höfe nur im Nebenerwerb<br />
geführt. Auch der mit zehn Hektar für die Region nicht einmal kleine Hof der Prossers könnte als<br />
landwirtschaftlicher Betrieb allein nicht bestehen. Vor seiner Verrentung war Herbert Prosser daher Forstmeister<br />
der Gemeinde. Dazu besaß die Familie bis vor acht Jahren noch zwanzig Milchkühe im Anbindestall.<br />
Doch aufgrund steigender Tierwohlanforderungen und verschärfter Richtlinien im Handel entschieden sie<br />
sich für eine Umstrukturierung und investierten in einen Laufstall für ihre Milchkühe. Seither werden die<br />
zehn Kühe nach Bio-Richtlinien gehalten. Die Umbaumaßnahmen waren eine Voraussetzung, um unter<br />
der Marke »Zurück zum Ursprung« des österreichischen Discounters Hofer ihre qualitativ hochwertige<br />
Milch verkaufen zu können. Durch den Verkauf des Milchkontingents von zwölftausend Litern erzielen<br />
sie nun einen Teil ihres Einkommens und können ihre Milch zu einem etwas höheren Preis auf den Markt<br />
bringen. Das andere Standbein der Prossers ist die Milchkalbaufzucht, die für die abgelegenen Höfe in dieser<br />
Region eine sinnvolle Verwertung der sogenannten Übermilch bietet. Also der Milch, die sie nicht über ihr<br />
Kontingent hinaus verkaufen können.<br />
Auf dem Schellhornhof werden bis zu acht Kälber im Jahr in der Mutterkuhhaltung aufgezogen. Kurz<br />
nach der Geburt wird jedes Kalb mit zwei Ohrmarken gekennzeichnet. »Die individuelle Nummer wird in<br />
einer Datenbank für Zuchtvieh erfasst«, erläutert Herbert Prosser den Vorgang, »jeder Ortswechsel der<br />
Tiere – selbst ein Sommer auf der Alm – ist dort verzeichnet. Nach dem Schlachten geht die Tiernummer<br />
in eine Chargennummer über. So ist bis ins Geschäft klar, woher das Tier stammt.«<br />
Morgens und abends kommen die Tiere zu den Müttern zum Säugen, so lässt sich auch kontrollieren,<br />
dass die Kälber ausreichend trinken. »Wir füttern die Kälber nicht mit Milch aus dem Eimer, sondern lassen<br />
sie direkt bei der Mutterkuh ans Euter. Das ist zwar deutlich aufwendiger, aber nicht zuletzt sorgen diese<br />
4 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 5
Zart und mild, so soll<br />
es sein: Kalbfleisch in<br />
allerfeinster Bio-Qualität<br />
aus Tirol. Es unterliegt<br />
strengen Kriterien<br />
hinsichtlich Haltung,<br />
Schlachtung und Verarbeitung.<br />
Dafür,<br />
dass es auch in den<br />
deutschen real-<br />
Märkten erhältlich ist,<br />
sorgt die Traditionsschlachterei<br />
Huber im<br />
österreichischen St.<br />
Johann. Die Maxime<br />
von Karl Huber junior<br />
(unten links) ist, stets<br />
das ganze Tier zu verarbeiten,<br />
denn »unedle<br />
Teile gibt es nicht«.<br />
Bedingungen dafür, dass die Fleischqualität unserer Tiere so gut ist.«<br />
Rund zehn Liter Milch braucht ein Kalb, um ein Kilogramm Gewicht<br />
zuzulegen. Etwa im Alter von vier Monaten erreichen die Kälber die<br />
Schlachtreife, also weit vor dem EU-Maximum von acht Monaten. Bis<br />
zu dieser Zeit wurden sie ausschließlich mit Milch und Stroh gefüttert<br />
und hatten entsprechend noch keinen Weidegang. Ihr Fleisch ist deshalb<br />
hell und besonders zart aufgrund des geringen Anteils an Bindegewebe.<br />
»Etwa acht bis zehn Jahre braucht es«, sagt Herbert Prosser,<br />
»bis man die Kälberaufzucht so beherrscht, dass sie sich auch wirtschaftlich<br />
lohnt.«<br />
Die Genossenschaft »Rinderzucht Tirol« betätigt sich als Planungsund<br />
Einkaufsorganisation und erwirbt in ganz Tirol etwa dreieinhalbtausend<br />
Kälber im Jahr. Sie übernimmt für die etwa neunhundert Kälberlieferanten<br />
der Genossenschaft auch die Logistik zu einem Schlachthof<br />
in der Nähe, um den Transportstress für die Tiere so gering wie möglich<br />
zu halten. Die Kälber vom Schellhornhof beispielsweise werden<br />
zur Schlächterei Huber in St. Johann transportiert. »Mein Großvater<br />
gründete den Schlachthof bereits 1924 im Zentrum des Ortes«, erzählt<br />
Karl Huber junior, der heute die Geschicke des Betriebs leitet. »Er<br />
hat damals schon einen Schwerpunkt auf das bei uns in Österreich so<br />
begehrte Kalbfleisch gelegt – nur das gehört schließlich zu einem echten<br />
Wiener Schnitzel. Das war wirklich weitsichtig!« Fünfzig Jahre später<br />
zog der Betrieb ins Industriegebiet vor die Tore der Marktgemeinde.<br />
Während beim Vater noch der Verkauf der Zuschnitte an Gastronomie<br />
und Handel im Vordergrund stand, erweiterte der Junior das Angebot<br />
auf die Weiterverarbeitung des Fleisches. Sein Ziel ist die Verwertung<br />
des ganzen Kalbs und nicht nur der Teilstücke aus dem Rücken oder<br />
der Keule: »Es wäre überhaupt nicht in unserem Sinne, vom Tierwohl<br />
einmal ganz abgesehen, nur die vermeintlich ›edlen‹ Teile zu<br />
verwenden!« Nose to Tail ist also auch hier die Maxime. In dem vergleichsweise<br />
kleinen Betrieb – gerade einmal dreißig Mitarbeiter sind<br />
in der Produktion beschäftigt – werden im Jahr fünfzehn- bis achtzehntausend<br />
Kälber geschlachtet. Die hochwertigen Produkte von Huber –<br />
»Kalbfleisch wie zu Großvaters Zeiten« – gelangen als zertifizierte<br />
Bio-Lebensmittel oder unter dem streng kontrollierten AMA-Gütesiegel<br />
auf den Markt und werden auch in die deutschen real-Märkte exportiert.<br />
Die Höfe der Bergbauern in Tirol sind, verglichen mit dem<br />
europäischen Mittel, eher klein – im Schnitt acht Hektar statt rund<br />
neunzehn. Doch Ackerbau und Viehzucht im Flachland, den Gunstlagen<br />
der Landwirtschaft, diktieren die Preise. Und dort dominiert die Quantität<br />
von Fleisch und Milch, nicht zuletzt bedingt durch die Größe der<br />
Betriebe immer noch über deren Qualität. Die meisten Tiroler Bauern<br />
reagieren auf den Preisverfall mit einer gesteigerten Produktion, aber das<br />
so erhöhte Angebot lässt die Preise nur weiter sinken. Um sich hiervon<br />
nicht abhängig zu machen, setzen Prosser und rund dreitausend Biobauern<br />
deshalb auf Qualität: weniger Produkte, dafür deutlich bessere,<br />
um dafür wiederum adäquatere Preise zu erzielen.<br />
EIN ECHTES<br />
ORIGINAL<br />
WARUM THÜRINGER DUROC NICHT EINFACH<br />
NUR SCHWEINEFLEISCH IST<br />
Von WILLY PICARD<br />
Fotos MARC VOLK und RUI CAMILO<br />
»Wie macht die das bloß?«, fragt man sich bei ihrem Anblick. Sie ist so rank und schlank, hat einfach das<br />
perfekte Gewicht und Aussehen, duftet verführerisch und ist absolut unwiderstehlich. Die Rede ist von –<br />
Bratwurst. Natürlich nicht irgendeiner. Es geht ums Original, die Thüringer Rostbratwurst, selbstverständlich<br />
auf dem Holzkohlegrill zubereitet. Dazu einen Klecks Thüringer Senf, noch so ein unverzichtbares<br />
Original. Serviert wird sie – nicht ohne Stolz – von Yves Panse, dem Vertriebsleiter der FM Fleischmarkt<br />
GmbH Aschara in Bad Langensalza.<br />
Weihnachten sei die umsatzstärkste Zeit fürs Unternehmen,<br />
sagt er und ergänzt: „Ein Weihnachtsmarkt in Thüringen<br />
ohne Bratwurst ist komplett undenkba!« Jeder waschechte<br />
Thüringer weiß, dass es sich bei der simplen Bezeichnung um die einzig<br />
wahre Rostbratwurst handelt, auch wenn sie quasi in jedem Ort<br />
anders heißt: in Gera beispielsweise Roster, in Erfurt Bratwurst. Die für<br />
den echten Geschmack unbedingt auf dem eingangs erwähnten Holzkohlegrill<br />
zubereitet werden müsse, erläutert der Vierundvierzigjährige.<br />
»Probieren Sie doch einfach mal!« In der Tat: Aromatisch-würzig<br />
schmeckt das gute Stück, mit einer Ahnung von Kümmel und einem<br />
Hauch von Knoblauch, mit feinem Biss, fest und knackig. Ganz genau so,<br />
wie eine richtig gute Bratwurst schmecken sollte. Verzeihung: Thüringer<br />
Rostbratwurst! »Geil, oder?« Yves Panse grinst. Er kennt schon diesen<br />
verzückten Blick, wenn jemand in diese Wurst beißt.<br />
Das »Nationalheiligtum«, für das es in Holzhausen sogar ein eigenes<br />
Museum gibt, ist eine von der EU geschützte Marke: Die Wurst, die seit<br />
über sechshundert Jahren Tradition hat, darf ausschließlich in diesem<br />
Bundesland mit einem genau festgelegten Gesamtfettgehalt hergestellt<br />
werden, nicht schwerer als einhundertfünfzig und nicht leichter als einhundert<br />
Gramm sein. Die regionaltypischen Rezepturen sind über-<br />
6 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 7
Für den Einkauf ist das Organisationstalent Yves Panse ebenso<br />
zuständig wie für den Verkauf; unermüdlich ist er unterwegs, sowohl<br />
in Thüringen als auch in der ganzen Republik, um Schweinefleisch –<br />
wieder – salonfähig zu machen. Schließlich handelt es sich nicht um<br />
irgendeines, sondern um <strong>DAS</strong> Thüringer Duroc. »Manchmal muss ich<br />
gar keine Werbung machen. Das können die Bratwürste ganz allein«,<br />
erzählt er. »Unsere fünfzehnjährige Tochter meinte zu Beginn des<br />
Jahres, sie müsse sich ab sofort nur noch vegetarisch ernähren. Das hat<br />
sie genau so lange geschaff, bis die ersten Würste auf dem Grill lagen.<br />
Dann hatte sich das wieder mit dem fleischlosen Essen.«<br />
Regionale Produktion<br />
Ob French Rack oder Nacken, das Fleisch vom Thüringer<br />
Duroc ist feinmarmoriert, kräftig in der Farbe, saftig und fein<br />
nussig im Geschmack. Nicht zuletzt deshalb schmecken<br />
die Thüringer Rostbratwürste , die aus diesem besonderen<br />
Schweinefleisch hergestellt werden, so einzigartig.<br />
liefert; überwacht wird das alles durch den Herkunftsverband. Dieser<br />
legt auch fest, welche Produkte mit dem Siegel »geografisch geschützte<br />
Angabe« ausgezeichnet werden dürfen. Dabei gibt es noch eine zusätzliche<br />
Besonderheit. Während außerhalb des Bundeslands die Rostbratwürste<br />
fast ausschließlich gebrüht verkauft werden, bevorzugt<br />
ein wahrer Thüringer die rohe Variante. »Weshalb das so ist, kann ich<br />
gar nicht erklären, geschmacklich macht es nämlich keinen großen<br />
Unterschied, ob die Bratwurst roh oder gebrüht ist. Nur die Kühlung<br />
ist eine andere: maximal vier Grad Celsius für die rohe, sieben für die<br />
gebrühte Variante.«<br />
Der gelernte Metzger und Betriebswirt Yves Panse ist absolut überzeugt<br />
von seinen Produkten. Er hält die gerade verkosteten Rostbratwürste<br />
aus dem Thüringer-Duroc-Schweinefleisch mit ihrer streng<br />
geheimen, traditionellen Kräuter- und Gewürzrezeptur für die besten<br />
überhaupt. Und nicht nur er – der Betrieb produziert und verkauft<br />
mittlerweile um die siebenhundertdreißig Tonnen davon im Jahr. Konjunktur<br />
hat die Wurst prinzipiell das ganze Jahr, auch wenn der Umsatz in<br />
den Monaten November und Dezember nochmals in die Höhe schnellt.<br />
Dann sind siebzig Prozent der Wurstproduktion Rostbratwürste.<br />
Anfang der Neunzigerjahre beschlossen knapp tausend ehemalige<br />
Genossenschaftsbauern in Aschara, einem Ortsteil von Bad Langensalza,<br />
sich zusammenzutun. Eine weitsichtige Entscheidung, wie sich<br />
gezeigt hat, denn so konnten die vielfältigen Tätigkeiten wie in einem<br />
Uhrwerk ineinandergreifen. Bereits 1991 also schlug die Geburtsstunde<br />
des heutigen Unternehmens FM Fleischmarkt GmbH Aschara. Die<br />
Idee einer regionalen Wertschöpfungskette besticht nach wie vor: Auf<br />
den Feldern werden die Futtermittel für die Tiere angebaut. Nach der<br />
Schlachtung wird das Fleisch im eigenen Betrieb verarbeitet. Die Fleischund<br />
Wurstprodukte werden schließlich in einem dazugehörigen Filialnetz<br />
und im Großhandel vermarktet, und neuerdings sind die echten<br />
»Roster« auch in den real-Märkten erhältlich.<br />
Um sich auf dem hart umkämpften Fleisch- und Wurstmarkt durchsetzen<br />
zu können, änderte man 2008 die Ziele in der Schweinezucht.<br />
Statt des damals üblichen Pietrain-Ebers, dessen Genetik die Anlage<br />
für eher mageres Schweinefleisch in sich trug, stellte man auf eine<br />
Kreuzung aus Sauen der Dänischen Landrasse und Duroc-Ebern um.<br />
Eine solche Umstellung erforderte jahrelange genaue Beobachtung und –<br />
eine gehörige Portion Mut. »Denn fetteres Schweinefleisch gibt in der<br />
Bewertung zunächst mal Abzüge; ein Mäster macht also automatisch<br />
Minus«, weiß Yves Panse, der seit dieser Zeit im Betrieb arbeitet. »Es hat<br />
wirklich volle vier Jahre gedauert, bis wir das Optimum für die Kunden<br />
hatten!« Seitdem sind die Produkte unter der Bezeichnung »Thüringer<br />
DUROC« im Handel. »Zu Beginn war es nicht so leicht, da das Fleisch<br />
mehr Fett enthält, das ist schließlich das Besondere daran. Und die<br />
Leute wollen ja immer Magerfleisch«, berichtet Verkaufsleiter Panse<br />
über die Anfänge. »Speziell Frauen sind bei Verkostungen skeptisch,<br />
dann überrascht und kurz darauf doch sehr schnell überzeugt von der<br />
Qualität und dem typischen, leicht nussigen Geschmack. Unser Duroc<br />
ist feinmarmoriert, dunkler in der Farbe, weil es mehr Eisen enthält,<br />
und viel saftiger als die blasse Massenware. Zusätzliches Fett braucht<br />
man auch nicht beim Braten oder Schmoren, weil das im Fleisch enthaltene<br />
schmilzt. Mal abgesehen davon, dass das Fleisch während der<br />
Zubereitung nicht um die Hälfte kleiner wird, weil unser Duroc kaum<br />
Flüssigkeit verliert.«<br />
Zwischenzeitlich hat sich herumgesprochen, wie qualitativ hochwertig<br />
das Thüringer Duroc ist, die Nachfrage steigt. Läuft also, oder?<br />
»Na ja«, sagt der Vertriebsleiter nachdenklich. »Solange es so ist, dass<br />
sich zwar keiner Gedanken darüber macht, was er für das neueste Handy<br />
ausgibt, aber Schweinefleisch und das, was daraus hergestellt wird, möglichst<br />
nichts kosten darf, stimmt doch etwas ganz und gar nicht. Was<br />
haben Lebensmittel bei uns in Deutschland denn für einen Stellenwert?<br />
Es wäre echt wünschenswert, dass sich das ändert.« Ein deutscher<br />
Discounter habe ihm neulich eröffnet, dass das Interesse an den Rostbratwürsten<br />
aus Aschara extrem hoch sei, was ja für sich genommen<br />
erst einmal toll wäre. »Allerdings hätte ich dann jede Wurst mit einem<br />
Minus von dreiundzwanzig Cent verkauft. Das muss man sich mal vorstellen!«<br />
Glücklicherweise gestalte sich die Zusammenarbeit mit den<br />
real-Märkten für alle Beteiligten sehr erfreulich; die zuständigen Einkäufer<br />
seien bei einer Verkostung der verschiedenen Produkte ausgesprochen<br />
beeindruckt von der Qualität des Thüringer Duroc gewesen.<br />
»Und«, zeigt sich Panse zufrieden, »was ja nicht ganz unwichtig ist, sie<br />
sind auch bereit, einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen.«<br />
8 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
GRÜNES GOLD<br />
<strong>FÜR</strong> GOURMETS<br />
<strong>UND</strong> FLEISCHFANS<br />
AUF DEN WEIDEN IM SÜDIRISCHEN TIPPERARY<br />
GEDEIHEN DIE BESTEN RINDER<br />
Von UWE KAUSS<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
Ein Dutzend schwarzbraune Augenpaare zwischen hellem, dunkelbraunem und schwarzem Fell blicken<br />
ziemlich neugierig auf John Purcell, als er mit seinen groben Gummistiefeln auf den überwucherten Steinwall<br />
steigt. Er zieht seine Schiebermütze aus der Stirn und blickt vorbei an zweihundert Jahre alten Bäumen,<br />
über die im Sonnenlicht glitzernd-grüne Weide, die hohen Hecken und den Elektrozaun. Die Rinder traben<br />
noch ein paar Schritte näher und heben interessiert die Köpfe, als Purcell einen der Steine vom dicken Moos<br />
befreit. »Das ist der Rest eines viertausend Jahre alten Siedlungswalls«, erzählt der irische Rinderzüchter und<br />
deutet auf den kreisrunden Verlauf der einstigen Schutzmauer, »auf meinem Farmland haben damals drei<br />
Dörfer existiert. Archäologen haben genau an diesem Ort in den Achtzigerjahren Schmuck, Äxte, Meißel und<br />
mehr ausgegraben. Das war schon in der Bronzezeit ein Siedlungsgebiet, in dem Landwirtschaft betrieben<br />
wurde. Ist ’ne lange Tradition hier.«<br />
Die sattgrünen Hügel der Grafschaft Tipperary im Süden Irlands,<br />
unterbrochen nur von Hecken, Buschreihen und Bäumen,<br />
reichen von dort bis zu den Galtee Mountains, deren Bergzüge<br />
in den Horizont ragen. In dieser Gegend werden die teuersten Araberhengste<br />
der Welt gezüchtet, wovon diskret gelegene, riesige Gestüte<br />
und weite Pferdekoppeln entlang der Landstraßen zeugen. Und von<br />
hier stammt Rindfleisch, das zum besten der Welt gehört. Das liegt<br />
vor allem an Tipperary selbst – an seiner Landschaft, der Weite, den<br />
fruchtbaren Böden und den vielen Regenfällen, die hier selbstironisch<br />
»liquid sunshine« heißen, also flüssiger Sonnenschein. Nicht weit vom<br />
10 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 11
Ihre Kunstsammlung wird neidisch werden.<br />
Gedrängel gibt‘s nur für<br />
den Fotografen. John<br />
Purcells Vieh hat nämlich<br />
auf den Weiden<br />
Tipperarys mehr als<br />
genug Platz. Fressen<br />
dürfen sie nach Lust<br />
und Laune, was dort<br />
üppig wächst: Klee,<br />
Kräuter und Gras.<br />
Lässt das Wetter in<br />
den Wintermonaten<br />
die Weidehaltung<br />
nicht mehr zu, sind<br />
die Rinder in großen,<br />
offenen Ställen untergebracht.<br />
kleinen Ort Golden gehören über einhundertsiebzig Hektar Weideland<br />
einem der modern denkenden Farmer des Landes. John Purcell ist Bio-<br />
Farmer – und zugleich einer der größten der Region. Knapp fünfhundert<br />
Rinder etwa der Rassen Black Angus, Hereford, Shorthorn und ein paar<br />
Charolais weiden hier draußen in kleinen Herden im schier endlosen<br />
Meer aus Gras, Gebüsch und Kräutern. Gedränge gibt’s nirgends und<br />
niemals, für alle wächst mehr als genug. Dafür sorgt John Purcell. Alle<br />
drei Wochen kommen die Tiere auf eine andere Weide, damit Gras,<br />
Klee und Kräuter in Ruhe nachwachsen können. Wenn nötig, bringen<br />
er und seine beiden Mitarbeiter, zwei Brüder aus dem Nachbarort, ein<br />
paar Säcke Saat aus. Das ist alles. Denn das Atlantik-Klima, die fruchtbaren<br />
Böden und die fast täglich einsetzenden Regenschauer bringen<br />
alles Weitere in Balance.<br />
Doch dazu braucht Purcell einen weiten Blick und viel Geduld.<br />
Nach ein paar Minuten Fußweg bleibt er stehen und zeigt auf ein Feld<br />
voller roter und weißer Blüten. Dort hat er eine riesige Fläche mit<br />
silbernem, rotem und weißem Klee angelegt. »Die Pflanzen binden<br />
Stickstoff und bringen ihn über die Wurzeln in den Boden – das ist<br />
natürlicher Dünger. Außerdem liefern sie den Tieren eine ganze Menge<br />
Protein, yeah!«, schwärmt der Sechsundfünfzigjährige. Doch auf der<br />
mehrere Fußballfelder großen Weide dürfen in den kommenden fünf<br />
Jahren noch keine Rinder grasen. »Ich arbeite mit einem Sieben-Jahres-<br />
Zyklus beim Anlegen. Hier bin ich erst im zweiten Jahr.« Erst nach der<br />
gesamten Zeit haben die Pflanzen so tiefe Wurzeln geschlagen, dass sie<br />
bis zu dreimal pro Jahr nachwachsen und auch den entspannten Trab<br />
der Rinder überstehen.<br />
Das milde Klima des Golfstroms macht’s möglich: Vom Nationalfeiertag<br />
St. Patrick’s Day am 17. März bis Mitte, Ende Oktober<br />
leben die Rinder auf den Weiden und ernähren sich ausschließlich<br />
von dem, was sie unter ihren Hufen so finden. Das nötige Wasser für<br />
sie gibt es übers ganze Jahr in großen Steintrögen, das durch Gräben aus<br />
einem der Kanäle fließt, die an den großen Fluss im Ort angeschlossen<br />
sind. Zudem hat Purcell einige uralte Quellen gefunden und zugänglich<br />
gemacht, deren eiskaltes Wasser nun in die Becken sprudelt. Zum<br />
Überwintern führt er seine Rinder in offene, große Ställe ohne Seitenwände.<br />
Sie überwintern in Gruppen auf viel Stroh, mit frischer Luft<br />
und gesundem Silage-Futter, dessen Rohstoffe von seinem Hof und von<br />
Bauern aus der Gegend kommen. »In Irland leben sämtliche Tiere so«,<br />
betont der Züchter. »Der Unterschied zur Bioproduktion ist lediglich,<br />
dass Hormone und Antibiotika streng verboten sind und die Tiere im<br />
Winter nur sauberes, natürliches Futter erhalten. Bei der konventionellen<br />
Zucht sind auch künstliche Zusatzstoffe und Medikamente erlaubt.«<br />
Diese besondere Art der Haltung seiner Tiere sorgt dafür, dass sie ein<br />
hervorragendes Immunsystem ausprägen und damit ein gesundes Leben<br />
verbringen. »Einen Tierarzt brauche ich drei-, höchstens viermal im<br />
Jahr«, berichtet John Purcell, »wir rufen ihn beispielsweise, wenn ein<br />
Rind mit dem Huf in einen spitzen Stein getreten ist und wir den nicht<br />
mehr rauskriegen. Das ist bei mir jedenfalls der häufigste Grund, dass<br />
der Arzt kommen muss.«<br />
In Irland gibt es etwa 6,7 Millionen Kühe und Rinder sowie 4,5<br />
Millionen Menschen. Aber Massentierhaltung gehört nicht zur Tradition<br />
des Landes. Es gibt schließlich mehr als genug Weideland auf der grünen<br />
Insel. So leben im Durchschnitt nur etwa 2,2 Rinder auf einem Hektar<br />
Weideland, das sind zehntausend Quadratmeter. Für ihr Aufwachsen<br />
da draußen benötigen die Farmer meist nur relativ wenig Zeit, und so<br />
halten auch Tausende von Nebenerwerbszüchtern neben ihrem Beruf<br />
ein einziges Rind oder eben ein paar Tiere. Oft helfen Partner, Kinder<br />
und Freunde dabei mit. John Purcell etwa, der nicht auf der Farm lebt,<br />
kommt täglich und macht eine mehrere Kilometer lange Kontrollrunde<br />
über die riesigen Weideflächen. Hauptberuflich ist er CEO des<br />
Bio-Fleischproduzenten Good Herdsmen, der zwei Produktionsstätten<br />
unterhält und in sechs Länder exportiert. Vor zwei Jahren wurde das<br />
Unternehmen vom irischen Lebensmittelkonzern ABP Food Group<br />
übernommen. Nun beobachtet Purcell seine Tiere und ist dabei meist<br />
etwa zwei Stunden unterwegs. Das ist für ihn auf den meisten Runden<br />
keine Arbeit, sondern Entspannung: »Ich bin allein, ich bin in der<br />
Natur. Ich habe einfach meine Ruhe. Das liebe ich«, sagt der Züchter<br />
und schaut hinüber zu seinen Rindern. Hälse recken sich, ein Dutzend<br />
Augenpaare blickt zurück.<br />
Purcell gehört zu den Spezialisten unter den vielen Züchtern in<br />
Tipperary: Er übernimmt Tiere im Alter von einigen Monaten und<br />
lässt sie auf seinen Weiden aufwachsen. Je nach Rasse sind die Tiere im<br />
Alter von achtzehn bis knapp unter dreißig Monaten schlachtreif. »Bei<br />
mir kriegen sie meist etwa ein- bis eineinhalb Jahre ›Bed and Breakfast‹«,<br />
sagt Purcell und schiebt seine Mütze in den Nacken. Mit dem<br />
Der Unterschied heißt Gaggenau.<br />
Eindrucksvolle Architektur verlangt nach einem gleichermaßen<br />
beeindruckenden Inneren. Ihr Weinklimaschrank,<br />
wie auch Ihre Kunstsammlung, sagen viel darüber aus,<br />
wer Sie sind. Jedes Produkt von Gaggenau hat einen unverwechselbaren<br />
Charakter, ist aus hochwertigen Materialien<br />
gefertigt und überzeugt durch seine professionelle Leistung.<br />
Seit 1683.<br />
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12 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />
Abgebildetes Produkt ist der RW 466 364| Energieeffzienzklasse: A |<br />
auf einer Skala der Effzienzklassen von A+++ bis G.
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Irish Beef für Sterneköche<br />
und real-<br />
Kunden. Nur das<br />
allerbeste Fleisch<br />
der Premium-Kategorie<br />
wird für das<br />
besondere Dry-Aged-<br />
Verfahren selektioniert.<br />
Durchschnittlich drei<br />
Wochen dauert es<br />
dann, bis ein Steak die<br />
ideale Reife erreicht<br />
hat. Veredelt wird<br />
es im Anschluss mit<br />
irischem Meersalz.<br />
LKW wird ein Teil seiner Tiere in nur etwa dreißig Minuten Fahrtzeit<br />
zum Verarbeitungsbetrieb von ABP ins Städtchen Cahir gebracht. Dort<br />
bleiben sie den Rest des Tages und noch eine Nacht draußen auf einer<br />
nahen Weide, bis es in den Betrieb zum Schlachten geht.<br />
In Cahir wird Irish Beef von einer so hohen Qualität selektiert und<br />
erzeugt, dass der ABP-Konzern über zweihundert Sterneköche in der<br />
ganzen Welt damit beliefert. Etwa dreizehntausend professionelle<br />
sowie Nebenerwerbszüchter, darunter viele Angestellte in der Fleischverarbeitung,<br />
liefern ihre auf der Weide aufgewachsenen Rinder an ABP.<br />
Die allerbesten Stücke der höchsten Qualitätsstufe reifen dort in einem<br />
speziellen Verfahren zu Dry-Aged-Beef, dessen Aroma und Saftigkeit<br />
die natürlichen, gesunden Lebensbedingungen der Tiere widerspiegelt.<br />
In Deutschland ist Dry-Aged-Tipperary-Beef beispielsweise bei der<br />
Warenhauskette real zu bekommen.<br />
Doch zur Produktion ist ein aufwendiger, komplexer Prozess der<br />
Reifung erforderlich, um den natürlichen Geschmack, die feine Textur<br />
und die Zartheit des Weiderindfleisches bis zum Teller zu erhalten. Die<br />
mit dem patentierten »Ultra Tender Process« veredelten, besonders fettarmen<br />
Hereford- oder Angus-Stücke werden zunächst von spezialisierten<br />
Metzgern selektiert. Die gesamte Karkasse muss den höchsten Standards<br />
entsprechen, und das sind »nur etwa vier bis fünf Prozent unserer<br />
gesamten Produktion«, betont Richard O’Sullivan von der ABP Food<br />
Group. Das Fleisch muss zunächst den strengen Richtlinien der Qualität<br />
und Umweltfreundlichkeit des Labels »Irish Nature« entsprechen.<br />
Nur wenn die Fleischexperten es auch in deren Premium-Kategorie einstufen,<br />
darf es zu Dry-Aged-Beef veredelt werden. Der Weg jedes einzelnen<br />
Stücks lässt sich später präzise zurückverfolgen: Alter, Geschlecht<br />
und Rasse, Schlachttag und Züchter sind genau dokumentiert.<br />
Im ersten Schritt wird die etwa einhundertsechzig Kilogramm<br />
schwere Karkasse, umgekehrt als üblich, mit einem schweren Haken<br />
an den Hüftknochen aufgehängt. »Damit werden die Fleischfasern zwei<br />
bis fünf Tage lang gedehnt, aber nur mit dem Eigengewicht«, erklärt<br />
O’Sullivan das Verfahren. Zudem machen sich die Metzger nach dem<br />
Aufhängen an die Elektrostimulation der Muskeln, um die Verhärtungen<br />
der Totenstarre zu lösen. Danach vierteln sie die Karkasse. Nun folgt<br />
eine Phase, in der die guten Stücke innerhalb von zwölf Stunden auf<br />
eine extrem schonende Weise gekühlt werden, um einen Kälteschock<br />
zu verhindern. »Der Temperaturverlauf ist geheim«, sagt der ABP-<br />
Fleischexperte, »denn es hat sehr lange Zeit gebraucht, bis wir die<br />
perfekte Kurve herausfinden konnten.« Mit dieser Temperatur reift das<br />
Fleisch achtundvierzig weitere Stunden und wird im nächsten Schritt<br />
zum Dry-Aged-Beef. In einer Kühlkammer und bei reduzierter Luftfeuchtigkeit<br />
beginnt der Trocknungsprozess, der das Aroma des Fleisches<br />
auf so intensive Weise verstärkt. Im Schnitt einundzwanzig Tage bleibt<br />
es unberührt in dem verschlossenen Edelstahlschrank, überwacht nur<br />
von Sensoren und Digitalanzeigen. In dieser Zeit darf die Kammer nicht<br />
geöffnet werden, um keine Luftfeuchtigkeit hineinzulassen. Im letzten<br />
Schritt vor dem Verkauf wird nach dem Ende des Aging-Prozesses die<br />
Oberfläche des Fleisches mit irischem Seesalz veredelt, das auf der<br />
Beara-Halbinsel im Südwesten der Insel gewonnen wird.<br />
Den Zeitraum der Trocknung haben die Dry-Aging-Experten von<br />
ABP in aufwendigen Tests ermittelt. Dabei hatten die besten<br />
Köche der Welt ein Wort mitzusprechen. »Zur Entscheidung<br />
über die richtige Dauer haben wir Verkostungen organisiert, bei denen<br />
nur Sterneköche aus Deutschland, Italien, Belgien und der Schweiz<br />
persönlich anwesend waren«, erinnert sich Richard O’Sullivan. Sie<br />
kosteten feinstes Beef, das in unterschiedlichen Zeiträumen getrocknet<br />
worden war. »Dabei haben wir gemeinsam herausgefunden: Eine<br />
längere Trockenzeit hatte auch für die erfahrenen Profiköche keinerlei<br />
sensorische Auswirkung, das Aroma hatte sich nicht schmeckbar besser<br />
ausgeprägt. Wir hatten also die optimale Dauer ermittelt.«<br />
Der umweltbewusste Rinderzüchter John Purcell hingegen ist kein<br />
enthusiastisch schwärmender Fleischesser. Meist lässt er sich nur zweimal<br />
pro Woche ein gutes Stück Rindfleisch schmecken. Sein Lieblingsstück<br />
sei das Ribeye-Steak, erzählt er auf dem Weg durchs Weideland.<br />
Doch der Farmer weiß genau, worauf es beim perfekten Aroma von Dry-<br />
Aged-Beef vor allem ankommt. Der erfahrene Züchter, der die Tradition<br />
in der fünften Generation seiner Familie darstellt, lüftet sein Geheimnis:<br />
»Der wichtigste Aspekt für die Qualität und den Geschmack des<br />
Fleisches ist für mich die fein ausgewogene Mischung der traditionellen<br />
Kräuter auf der Weide. Ich bin sicher: Das macht den Unterschied.«<br />
Foto: ABP Tipperary<br />
Foto: KME Studios Geisels Werneckhof Rezept von Tohru Nakamura<br />
IM KOSMOS DER AROMEN<br />
Ganz im Zeichen der Vielfalt kulinarischer Schätze und Aromen bittet Gaggenau,<br />
Hersteller luxuriöser Kücheneinbaugeräte, im Showroom wieder zu Tisch.<br />
Bei exklusiven Genussveranstaltungen in privater<br />
Atmosphäre erleben die Gäste die Welt der<br />
Haute Cuisine hautnah. Die besten Winzer und<br />
Sommeliers präsentieren korrespondierende Weine zu<br />
feinen Kreationen hochkarätiger Spitzenköche.<br />
Im November nimmt Tohru Nakamura die Gäste<br />
mit in seinen Kosmos der Aromen. Mit Miso, Shizo oder<br />
Yuzo führt die Reise kulinarisch nach Japan und gipfelt<br />
in einem 5-Gänge-Menü. Mit seiner ganz eigenen Handschrift<br />
kombiniert der Zwei-Sterne-Koch regionale Zutaten<br />
mit Einflüssen aus der japanischen Küche zu großartigen<br />
Kreationen aus Bekanntem und Neuem.<br />
Bresse-Wachtel, Périgord-Trüffel, Short Rib und Wildhase<br />
– am ersten Advent inspiriert Zwei-Sterne-Koch Bobby<br />
Bräuer aus dem EssZimmer by Käfer in der BMW Welt die<br />
Teilnehmer seines Kochkurses im Gaggenau Showroom<br />
zu einem Weihnachtsmenü. Nur einen Tag später entführt<br />
Alpina Wein die Gäste önologisch und kulinarisch nach<br />
Frankreich in die Region Bordeaux – Weinenthusiasten<br />
werden begeistert sein.<br />
Vorfreude auf das neue Jahr und wundervolle Geschenkideen<br />
für das Weihnachtsfest: Für alle, die bislang keine<br />
Gelegenheit hatten, Tohru Nakamura im Gaggenau Showroom<br />
zu erleben oder die gerne wiederkommen möchten,<br />
wiederholt der Spitzenkoch Anfang Februar 2020 sein Gastspiel<br />
mit einem neuen Menü. Im März feiern Christian<br />
Jürgens und Bobby Bräuer hier dann das Frühlingserwachen.<br />
Beste Zutaten, hohe Kochkunst und perfekte<br />
Weinbegleitung – diese Melange bietet den Rahmen für<br />
inspirierenden Genuss und interessante Begegnungen.<br />
Foto: Andreas Hantschke für Gaggenau<br />
AUSBLICK AUF DIE <strong>GENUSS</strong>VERANSTALTUNGEN<br />
18.11.2019 Tohru Nakamura: Europäische Gourmetküche<br />
mit den Einflüssen Japans<br />
01.12.2019 Bobby Bräuer: Das Beste zum Schluss<br />
02.12.2019 ALPINA WEIN: Schätze aus dem Bordeaux<br />
03.02.2020 Tohru Nakamura: Im Kosmos der Aromen<br />
16.03.2020 Christian Jürgens: Frühlingserwachen<br />
29.03.2020 Bobby Bräuer: Junge Triebe<br />
Informationen und Buchung unter<br />
www.gaggenau-showroom.de<br />
14 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
F(R)ISCHE AHOI!<br />
WIE <strong>UND</strong> WO SICH THOMAS SPAETT, EINKÄUFER <strong>FÜR</strong><br />
MEERES- <strong>UND</strong> KRUSTENTIERE, DEN BESTEN FANG<br />
SICHERT, UM DEUTSCHE SPITZENKÖCHE <strong>UND</strong> DIE<br />
THEKEN DER REAL-MÄRKTE MIT KABELJAU, STEINBUTT,<br />
AUSTERN <strong>UND</strong> ANDEREM MEERESGETIER ZU BELIEFERN.<br />
Von ANGELIKA RICARD-WOLF<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
Das Nummernschild reflektiert im Licht der Scheinwerfer. Es ist kurz nach halb fünf Uhr<br />
morgens und stockdunkel auf den sich durch Wald und Flur schlängelnden schmalen Landstraßen<br />
der Bretagne. Zum Glück kennt Thomas Spaett den Weg und fährt voraus – zur<br />
Criée, der Fischauktion von Concarneau.<br />
Regelmäßig zieht es den für Fisch und Meeresfrüchte<br />
verantwortlichen Manager des Frischespezialisten<br />
Rungis Express hierher. Vor Ort macht er sich ein<br />
Bild von der Ausbeute, die den Küstenschiffern über Nacht<br />
ins Netz gegangen ist und hier vor Tau und Tag sofort meistbietend<br />
versteigert wird. Thomas Spaett, der direkt an Peter<br />
Reitz berichtet, den zuständigen Geschäftsbereichsleiter<br />
Food von real, will sichergehen, dass er als Einkäufer für<br />
zweihundertvierundachtzig real-Märkte und für das Gros<br />
der Spitzenrestaurants in Deutschland nur Eins-A-Ware<br />
an Land zieht. Fische und Meeresfrüchte aus Concarneau –<br />
Stunden zuvor noch in den wilden Fluten des Golfs von<br />
Biskaya – genießen unter Feinschmeckern einen besonders<br />
guten Ruf.<br />
Thomas Spaett nimmt die letzten Kurven durch das<br />
malerisch an einer geschützten Bucht liegende Städtchen<br />
mit seiner historischen, von Wasser und dicken Mauern<br />
umzingelten Festung. Die Gassen sind menschenleer. Noch<br />
schlafen die zahlreichen Touristen, die den Ort tagsüber<br />
bevölkern. Nur die blauen Fähnchen-Girlanden von der<br />
jährlich Ende August stattfindenden Fête des Filets Bleus,<br />
dem Fest der blauen Netze, sind dank einer frischen Brise<br />
hellwach und flattern aufgeregt im Wind.<br />
Im Hafen, vor der fünfzehntausend Quadratmeter<br />
großen Auktionshalle, wartet schon Marine Le Corre auf<br />
den Kollegen aus Deutschland. Sie ist die für den Export<br />
zuständige Einkäuferin. Gemeinsam mit fünf Kollegen bietet<br />
sie mit, wenn montags bis samstags der Fang der Nacht<br />
unter den Hammer kommt. Der Handel geschieht – wie an<br />
einer Börse – in der Regel an den Computern im Offce des<br />
Unternehmens an der Peripherie von Concarneau. Die Bildschirme<br />
sind mit den Auktionstafeln in der Halle verlinkt,<br />
anhand derer sich auch die Käufer am Ort des Geschehens<br />
den Zugriff auf die Anlandung sichern können.<br />
Aber Marine – der Name sagt eigentlich alles – begnügt<br />
sich nicht mit der Trockenübung am Display. Dazu ist sie,<br />
Bretonin durch und durch, ihrem Metier und der Tradition<br />
des Fischfangs in der Region viel zu sehr verbunden. Das<br />
geht so weit, dass sie in ihrer Freizeit schon mal mit einem<br />
Fischkutter in See sticht und beim Sardinenfang – zum<br />
Erstaunen der Matrosen – kräftig mit anpackt. Das schaff<br />
Respekt. Zu Wasser und an Land.<br />
Thomas Spaetts Liebe zum Fisch geht eher durch den<br />
Magen. Zwar lebt auch er am Wasser, allerdings »nur«<br />
am Rhein (in Bad Honnef ), und ist zwar immerhin im<br />
Sternzeichen Wassermann geboren, aber sein Faible für<br />
Schuppen- und Krustentiere hat der gelernte Koch in der<br />
Sterne-Küche des Hummerstübchen in Düsseldorf entdeckt.<br />
Seitdem hält er die fachkundige und schmackhafte<br />
Zubereitung von Meeresfrüchten für die »Königsdisziplin<br />
beim Kochen«. Dafür, dass sie möglichst gut gelingt – am<br />
heimischen Herd ebenso wie in den Restaurants der Spitzenköche<br />
– schaff er seit inzwischen mehr als zwölf Jahren<br />
zumindest die Grundvoraussetzung: mit dem Ankauf<br />
frischer Fische bester Qualität.<br />
Die stehen – nachts gefangen – jetzt um 5:30 Uhr in<br />
unzähligen blauen, weißen, gelben und grünen Kästen in der<br />
Auktionshalle zur Begutachtung bereit. Noch auf See haben<br />
die Fischer ihren Fang sortiert, klassifiziert, einen Teil der<br />
Fische bereits ausgenommen und den Beifang wieder ins<br />
Meer entlassen. Sobald sie am Pier in Concarneau anlegen,<br />
wird die Spezies in jeder Kiste noch einmal genau bestimmt<br />
und gewogen. Die Infos werden samt dem Namen des<br />
jeweiligen Schiffs auf einem Zettel notiert. Der kommt –<br />
plus einer gehörigen Portion Eiswürfel aus dem neben<br />
der Halle stehenden Kühlsilo, der dafür vierzig Tonnen<br />
pro Tag produziert – in die Caisses, wie die Behältnisse<br />
genannt werden.<br />
Marine Le Corre und Thomas Spaett schreiten die<br />
bunten Reihen ab und beäugen die Ware kritisch. Die<br />
»Lilwenn« hat ein paar echt dicke Brocken mitgebracht.<br />
Darunter einen Kawenzmann von Meeraal, über zwölf Kilo<br />
schwer. Dazu einen mehr als respektablen Steinbutt. »Die<br />
Bauchseite wird zur Auktion nach oben gedreht. Damit man<br />
sieht, dass sie makellos und unverletzt ist«, erklärt Thomas<br />
Spaett und nickt bei diesem Exemplar anerkennend. Der<br />
»Bikez« ist sogar ein knapp sieben Kilo schwerer Rochen<br />
ins Netz gegangen. Vor einer Kiste mit knapp zehn Kilogramm<br />
Kaisergranat bleibt Thomas Spaett stehen. »Sind<br />
wenig Langustinen da«, meint er. »Heute ist die Auswahl<br />
insgesamt nicht so groß«, ergänzt Marine Le Corre, »das<br />
liegt am schlechten Wetter. Nächste Woche wird es noch<br />
schwieriger. Es steht wieder eine Grande Marée an. Sie<br />
wird heftig – wegen der Tag- und Nachtgleiche.«<br />
16 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 17
Früh auf den Beinen<br />
muss sein, wer das<br />
Beste für den Kunden<br />
real haben will. Thomas<br />
Spaett, verantwortlicher<br />
Einkäufer von<br />
Meeres- und Krustentieren<br />
bei Rungis<br />
Express, weiß worauf<br />
es zu achten gilt:<br />
Frischfisch hat einen<br />
guten Glanz, riecht<br />
bestenfalls nach Meer,<br />
die Haut ist elastisch,<br />
die Augen sind klar, die<br />
Kiemen rot.<br />
Als Grande Marée bezeichnet man hier das Naturphänomen<br />
eines besonders großen Tidenhubs. Bei Ebbe zieht sich das<br />
Meer sehr weit zurück, um mit umso größerer Wucht wieder<br />
Richtung Festland zu fluten. Die Küstenschiffer haben in dieser Zeit<br />
extreme Schwierigkeiten, ihre Netze wie gewohnt auszuwerfen. Das<br />
Angebot wird dann knapper. Und die Ware teurer. Trotzdem kauft<br />
Thomas Spaett »kaum auf Tasche«, sprich: auf Vorrat.<br />
Hat in seinem Metier auch wenig Sinn. Weil man langes Lagern bei<br />
Fischen nicht nur riechen, sondern ihnen auch – aller Eiswürfel zum<br />
Trotz – schnell ansehen kann. Auch als Laie? »Klar«, sagt Spaett und<br />
gibt einen Schnellkurs in Lebensmittelkunde am fangfrischen Objekt.<br />
Er beugt sich über eine Kiste und erklärt: »Was Frische bedeutet, kann<br />
man an diesem Kabeljau prima erkennen. Er ist sauber, hat ein intaktes<br />
Schuppenkleid und einen guten Glanz. Fische dürfen nie stumpf aussehen.<br />
Die Haut lässt sich nicht eindrücken, sie ist elastisch. Die Augen<br />
sind gewölbt und nicht eingefallen, die Kiemen sind rot.« Alles klar,<br />
aber was, wenn der Fisch nicht im Ganzen, sondern filetiert in der Verkaufstheke<br />
liegt? »Die Filets müssen eine schöne Schnittfläche haben<br />
und dürfen nicht gelb aussehen.«<br />
Die Auktion beginnt. Von »criée«, wie sie auf Französisch (von crier,<br />
schreien) heißt, kann allerdings keine Rede sein. Laute Preistreiberei<br />
mit sich überbietendem Stimmengewirr samt finalem Hammerschlag?<br />
Fehlanzeige. Stattdessen zuckeln drei Auktionatoren auf elektrischen<br />
Wägelchen an den Kisten entlang und rufen, kaum verständlich, Partie<br />
für Partie auf. Das Wesentliche – Bootsname, Ware, Gewicht und Einstiegspreis<br />
– erscheint stattdessen auf elektronischen Anzeigentafeln,<br />
die auf den Elektromobilen montiert sind.<br />
Nicht minder unauffällig geben die Händler in der Auktionshalle<br />
ihre Gebote ab. Betont lässig, häufig ein Bein angewinkelt gegen die<br />
Mauer gestellt, lehnen sie mit dem Rücken in Reih und Glied an den<br />
Wänden. Dort prangt über jedem Einzelnen in blauen Versalien der<br />
Name des Unternehmens, für das er zuständig ist. Die meisten haben ihre<br />
Hände tief in den Taschen vergraben. Erstens ist es in der Halle ziemlich<br />
kühl und zweitens entgeht den Mitbewerbern so, wer mitsteigert.<br />
Das funktioniert nämlich diskret per Fernbedienung, die prima in eine<br />
Männerfaust passt. In roten Ziffern klettern die Preise auf den Anzeigetafeln<br />
hoch, manchmal auch ein Stück wieder runter – bis drei rote<br />
Punkte wie an einer Ampel aufleuchten. Verkauft. Die nächste Charge.<br />
Concarneau ist der drittgrößte Fischereihafen Frankreichs. Neunhundert<br />
Seeleute sind hier zu Hause, die Flotte umfasst sechsunddreißig<br />
Schiffe. Weit über drei Millionen Kilo Seehecht, Seeteufel,<br />
Schellfisch, Kaisergranat, Rochen, Kabeljau, Meeraal, Seelachs,<br />
Sardinen und Heringe werden hier jährlich verkauft. Und zwar aus nachhaltigem,<br />
zertifiziertem Fischfang. Das heißt, dass sich die Kapitäne verpflichten,<br />
die Fanggebiete nicht zu überfischen, um die Bestände nicht<br />
zu gefährden. Außerdem wenden sie Fangmethoden wie Ringwadennetze,<br />
pelagische Schleppnetze, die zwischen Grund und Oberfläche<br />
gezogen werden, oder Schleppangeln an, die das Ökosystem so wenig<br />
wie möglich beeinträchtigen. So bleibt der Meeresboden intakt und<br />
der Beifang relativ gering. Für die Einhaltung dieser Kriterien vergibt<br />
der Marine Stewardship Council mit Sitz in London, kurz MSC, seit<br />
1997 ein Gütesiegel. Die Vignette zeigt auf blauem Oval einen mittels<br />
einer weißen Linie stilisierten Fisch. Eine andere Qualität zu kaufen,<br />
kommt für Thomas Spaett ohnehin nicht in Frage. Schließlich ordert<br />
er für die real-Märkte, die ihr Frischfischangebot und die Eigenmarken<br />
schon 2002 auf zertifizierten Fisch umgestellt haben.<br />
Nach einer knappen Stunde ist die Auktion vorbei. Arbeiter ziehen<br />
die Boxen an langen Haken zu den Stellflächen der verschiedenen Händler.<br />
Kleine Gabelstapler rücken an, um sie von dort zu den vor der Halle<br />
wartenden Lastwagen zu fahren. Höchste Zeit für den ersten Kaffee<br />
des Tages. Im Seafood-Büro von Marine Le Corre blubbert schon die<br />
Maschine, frische Croissants warten auf die Frühaufsteher. Konnten die<br />
Kollegen hier am Computer alle Bestellungen erfüllen, die tags zuvor<br />
und in der Nacht bei ihnen in Concarneau eingetroffen sind, und die<br />
gewünschte Ware ersteigern? Klar! Alle Order sind erledigt.<br />
Wenig später werden die bei der Auktion erstandenen Posten schon<br />
einen Stock tiefer angeliefert, um für den Versand nach Deutschland<br />
vorbereitet zu werden. Marine Le Corre und Thomas Spaett ziehen<br />
Plastikschoner über die Straßenschuhe, einen<br />
Schutzmantel über die Kleidung und eine Maske<br />
vor den Mund. Einmal-Handschuhe kommen über<br />
die zuvor desinfizierten Hände, die Haare verschwinden<br />
unter einem Häubchen. Ausstaffert wie<br />
ein Chirurgenteam vor einer Operation starten die<br />
beiden einen Rundgang durch eine Halle, in der<br />
nicht minder vermummte Angestellte die gekaufte<br />
Ware gemäß der eingegangenen Order putzen, entgräten,<br />
filetieren und versandbereit verpacken. Das<br />
geht ruckzuck, denn gleich kommt der Kühlwagen,<br />
holt die Chargen und bringt sie zum französischen<br />
Logistikcenter für den Export von Lebensmitteln,<br />
zum Großmarkt nach Paris. Von dort aus reisen die<br />
Fische noch in derselben Nacht ins Zentrallager des<br />
Frischespezialisten nach Meckenheim bei Bonn, um<br />
im Anschluss sofort an die Gastronomie und die<br />
real-Märkte ausgeliefert zu werden. Ein Procedere,<br />
das bis ins Detail durchgetaktet ist – denn neben<br />
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18 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
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Was nachts noch im<br />
Meer war, kommt am<br />
selben Tag schon<br />
in den Handel. Bei<br />
den Fisch auktionen<br />
der bretonischen<br />
»Cornouaille Port de<br />
Pêche« wird gut ein<br />
Fünftel des gesamten<br />
französischen Fischfangs<br />
versteigert.<br />
der Qualität ist Zeit für den Verkauf von frischem Fisch der wichtigste<br />
Faktor. Was heute gefangen wird, ist übermorgen auf den Tellern.<br />
Seine Stippvisiten in die Bretagne nutzt Thomas Spaett gern dazu,<br />
neue Lieferanten zu entdecken. Zum Beispiel für Krustentiere wie<br />
Austern. Abnehmer für diese Delikatesse gibt es in der Gastronomie<br />
sowie von real-Kundinnen und -Kunden genug. Vor allem das Körbchen<br />
mit einem Dutzend Felsenaustern Fine de Claire »facil à ouvrir«<br />
ist beliebt. Sie sind, wie ihr Namenszusatz verspricht, leicht zu öffnen.<br />
Der Züchter präpariert sie entsprechend und packt ein Messer zum<br />
Trennen der beiden Muschelhälften gleich mit dazu.<br />
Bewährtes ist gut, Neues belebt das Geschäft – warum also nicht die<br />
Austern aus der neuen Zucht »Les Viviers de la Forêt« probieren,<br />
von denen Marine Le Corre so schwärmt? Nichts wie hin! Tatsächlich<br />
schmecken ihm die Austern ausgezeichnet, die Christèle Revois<br />
und Mathieu Le Viol dort seit knapp zwei Jahren züchten. Auch das<br />
Engagement der jungen Quereinsteiger, ihr Mut zum Risiko, die verwunschene<br />
Lage der Zucht – direkt am Meer, doch unerwartet hinter<br />
einem Waldstück – beeindrucken den Einkäufer. »Es ist immer gut,<br />
wenn man zu einem Produkt eine Geschichte erzählen kann«, sagt<br />
Thomas Spaett und bestellt bei der darob überglücklichen Christèle<br />
ein Probekörbchen in die Zentrale in Meckenheim. Zwecks Verkostung<br />
mit seinem Team. Erst dann wird entschieden, ob die neue Sorte ins<br />
Programm aufgenommen wird.<br />
Marine Le Corre blickt auf die Uhr und drängt zur Eile. Gleich<br />
beginnt die Nachmittagsauktion in Le Guilvinec. Sie läuft genauso<br />
ab wie die morgens in Concarneau. Nur dass die Fischer dafür einen<br />
anderen Rhythmus haben. Die Kutter laufen kurz nach Mitternacht aus<br />
und kehren um 16:30 Uhr in den Hafen zurück.<br />
Das ist ein Spektakel, das sich auch viele Touristen nicht entgehen<br />
lassen wollen. Aber heute ist um diese Zeit an der Mole des Fischerorts<br />
noch weit und breit kein Mast in Sicht. Es regnet, stürmt, die See ist<br />
aufgewühlt, das Wetter ungemütlich. Die Zeit vergeht. Die zahlreichen<br />
Zuschauer am Pier harren tapfer aus und starren unter ihren Schirmen<br />
gebannt aufs Meer. Die Boote müssen ja kommen …<br />
Und plötzlich – weit hinten am Horizont – der erste bunte Punkt,<br />
der aus den Wellenbergen auftaucht. Dann geht es Schlag auf Schlag.<br />
Da und da und da! Aus den Punkten werden Schiffe, sie fädeln sich,<br />
aus allen Richtungen kommend, zu einer Kette Richtung Hafen auf.<br />
Der blauen »Oxalis« folgt die rote »Elluma«, die »Eter-Vag« ist keck<br />
in Türkis und Rosa gestrichen, die »Kan-Atao« in schlichtem Weiß.<br />
Hübsch sehen sie aus, die kleinen Kutter, vierundzwanzig an der Zahl,<br />
die in ihrer Farbenpracht dem Grau des Meeres trotzen. Und dessen<br />
Unberechenbarkeit viel direkter ausgesetzt sind als die »grands Culs«,<br />
die großen Ärsche, wie die Fischer hier verächtlich die großen Trawler<br />
der Hochseeflotten nennen, die tagelang unterwegs sind und dann gleich<br />
zwischen zehn und zwanzig Tonnen Fisch mitbringen.<br />
Dagegen nimmt sich der Fang der Küstenfischer der Bretagne auf den<br />
ersten Blick bescheiden aus. Aber bei den Auktionen von Concarneau,<br />
Le Guilvinec und fünf weiteren kleinen Küstenhäfen, die sich zur<br />
»Cornouaille Port de Pêche« zusammengeschlossen haben, werden<br />
immerhin fünfundvierzig Prozent des bretonischen und gut ein Fünftel<br />
des gesamten französischen Fischfangs angelandet. Und darauf ist die<br />
Region mindestens so stolz wie auf ihr anderes bekanntes Exportgut:<br />
Cidre, den Apfelwein.<br />
Es war ein langer Tag für Thomas Spaett. Abends in seiner Unterkunft<br />
im pittoresken Küstenort Sainte-Marine (daher hat Marine Le<br />
Corre übrigens ihren Vornamen, weil ihre Großmutter von dort stammt)<br />
wechselt er erst einmal die doch ziemlich nach Fisch riechende Kluft.<br />
Ein Zwischenspiel. Denn dann geht er ins Restaurant des Hauses und<br />
ordert: »Bitte das Gleiche wie gestern. Den leckeren Kabeljau.«<br />
Mack & Schühle AG, 73277 Owen /Teck<br />
JETZT ERHÄLTLICH<br />
IN IHREM<br />
LEBENSMITTELMARKT.<br />
20 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
SCHROFFE FELSEN, REGEN<br />
<strong>UND</strong> FEINSTER LACHS<br />
NACHHALTIGE <strong>UND</strong> BIO-ZERTIFIZIERTE FISCHZUCHT<br />
IM WESTEN IRLANDS<br />
Von UWE KAUSS<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
Als der Landregen einsetzt, schaut die ältere Dame mit<br />
sorgsam gekämmter Dauerwelle nicht einmal hoch<br />
in die tief hängenden Wolken. Die Tropfen sammeln<br />
sich auf ihren Brillengläsern, doch sie geht unbeirrt<br />
weiter in Richtung des Lebensmittelladens auf der<br />
Insel Lettermore an der Westküste Irlands, ohne den<br />
Schritt auch nur ein wenig zu beschleunigen oder den<br />
Schirm an ihrem Arm zu öffnen. Wozu auch?<br />
Die geduckten Häuser des etwa 500 Einwohner kleinen Ortes,<br />
eine gute Autostunde entfernt von der Universitätsstadt Galway,<br />
wirken, als wären sie einfach in die Felsen am Atlantik zwischen<br />
Sträucher, sturmzerzausten Bäume, Farn und Moos hineingestreut<br />
worden. Die Straßen hier sind nicht beleuchtet, die kaum mehr als zwei<br />
Meter schmalen Verbindungsstraßen haben keine Markierungen, Hinweisschilder<br />
sind selten. Innerhalb kürzester Zeit wechselt das Wetter<br />
von strömendem Regen zu Sonnenschein, Nebel, Sturm und allem<br />
zugleich. Doch Peter, der Besitzer des einzigen Pubs im Ort, blickt durch<br />
die Scheibe, hebt die Schultern und sagt gelangweilt: »Das Wetter ist<br />
doch klasse! Ihr solltet mal im November oder Februar herkommen.«<br />
Die Flut spült die Wellen über die braun bemoosten Felsen unter der<br />
alten Steinbrücke. Die einzige Landstraße, die R 374, führt über sie auf<br />
den westlichen Teil der Insel und endet irgendwo auf einem grünen Felsplateau.<br />
Sackgasse. Dahinter öffnet sich nach Westen der Horizont des<br />
Atlantik, dessen Wellen erst in Amerika wieder Land finden. An dieser<br />
von Sturm und Regen zerzausten Küste lässt Seán Gavin seine Lachse<br />
aufwachsen. Unter kontrolliert biologischen Bedingungen schwimmen<br />
sie mit viel Platz in glasklarem Wasser durch bis zu zehn Meter hohe<br />
Wellen. Der Mittfünfziger mit grauem Haar und hintersinnigem Humor<br />
ist Geschäftsführer von Irish Sea Spray, dem größten Produzenten von<br />
Biolachs in Irland, der sogar vom Demeter-Verband zertifiziert ist. Der<br />
Lachs ist tief in der westirischen Tradition verankert, ein keltischer<br />
Mythos erzählt gar von einem, der das Wissen der Welt in sich vereint<br />
hatte. Seán Gavin stammt aus der Gegend und bittet um Entschuldigung,<br />
sein Englisch sei nicht so gut – es sei ja nur seine erste Fremdsprache.<br />
Hier draußen werde ausschließlich gälisch gesprochen.<br />
Irish Sea Spray wurde 1988 auf der Insel von Michael Muhr gegründet,<br />
einem Deutschen, der aus dem Sauerland stammt. Die Lachszucht<br />
nach Bio-Richtlinien spielte damals noch keine Rolle. Auch 1991<br />
noch nicht, als Gavin nach seinem Studium und der Arbeit bei einem<br />
Produzenten von Heringsfilet seinen Job als Geschäftsführer in einem<br />
kleinen, schmucklosen Büro im Obergeschoss des grauen Zweckbaus an<br />
der R 374 antrat. »Damals waren biologische Lebensmittel nur etwas für<br />
Freaks, das interessierte in Europa zu der Zeit noch keinen«, erinnert<br />
er sich. Heute exportiert er achtundneunzig Prozent seiner Jahresproduktion<br />
vor allem nach Italien, Frankreich und – nach Deutschland.<br />
Hier sind die edlen Biolachsfilets sowie der hoch aromatische Räucherlachs<br />
aus Lettermore etwa in der Warenhauskette real zu bekommen. Sie<br />
zeichnen sich aus durch einen besonders geringen Fettanteil, ein sehr<br />
kräftiges Fleisch mit ausgeprägter Muskelstruktur, reichlich Omega-<br />
3-Fettsäure sowie durch einen intensiven, eigenständigen Geschmack.<br />
Zudem ist jede einzelne Packung über die Website lückenlos rückverfolgbar<br />
bis zum einzelnen Lachs und sogar bis zu seiner Zucht.<br />
1996 begannen Muhr und Gavin mit der Umstellung auf Bioproduktion,<br />
denn die Dinge hatten sich verändert. Das Bewusstsein<br />
für organische Lebensmittel begann, sich vor allem in Deutschland zu<br />
etablieren – und Lachs wurde andererseits zu einem globalen Milliardengeschäft.<br />
Immer größere Lachsfarmen in Norwegen, Osteuropa und<br />
Thailand machten den irischen Züchtern das Leben schwer. Die Preise<br />
fielen und fielen. Und so besann sich Muhr, der seit Jahren vor allem in<br />
Irland lebt, gemeinsam mit seinem Geschäftsführer auf die Stärke der<br />
westirischen Region am Atlantik. Sie ist das Gegenmodell zur globalen,<br />
arbeitsteiligen Industrieproduktion. Im Westen Irlands gibt es entlang<br />
der gesamten Küste keine Industrie und nirgends Fabriken. Die<br />
22 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 23
»Wer braucht denn hier eine Jacke?«,<br />
fragt sich Seán Gavin, Geschäftsführer<br />
von Irish Sea Spray, dem größten<br />
irischen Exporteur für Biolachs. Die<br />
wilde See sorgt für den perfekten<br />
Lachs, der unter kontrollierten<br />
Bedingungen in bio-zertifizierter Aquakultur<br />
so viel Bewegung hat wie ein<br />
Wildlachs und deshalb so aussieht und<br />
schmeckt: kräftig in der Farbe, mit<br />
wenig eingelagertem Fett.<br />
Wasserqualität ist die beste in der Europäischen Union, der mehrere<br />
Meter hohe Tidenhub der Gezeiten zwischen Ebbe und Flut erzeugt<br />
eine permanente Strömung und stetigen Wellengang, es gibt weder<br />
starken Frost noch zu heiße Temperaturen im Sommer. Die Menschen<br />
an der Küste haben zudem einen traditionellen, intensiven Bezug zur<br />
Fischerei, viele Vorfahren der Bewohner waren einst Fischer.<br />
Entscheidend für die Qualität wie für die Umwelt – die Wege sind<br />
kurz: »Die Lachse wachsen zwischen zwanzig und dreißig Kilometer<br />
vor der Küste im tiefen Wasser auf, und der LKW braucht<br />
vom Hafen, an dem die Kutter anlegen, bis in die Verarbeitung zum verpackten<br />
Produkt nur zehn Minuten«, erzählt Seán Gavin. »Mit all diesen<br />
Aspekten, dazu mit unserer Arbeit an einem noch besseren CO 2<br />
-Fußabdruck<br />
sowie dem viel besseren Aroma als in der konventionellen<br />
Zucht wollen wir uns am Markt von den Riesen unterscheiden.« Das<br />
ist gelungen: Inzwischen ist der Lachs von Irish Sea Spray so gefragt,<br />
dass Gavin die Produktionsmenge von fünf bis zehn Tonnen pro Woche<br />
drastisch vergrößern könnte. Aber genau das will er gar nicht: »Wir sind<br />
ein kleiner, spezialisierter Betrieb mit Abnehmern, die zu uns passen<br />
müssen. Wir können keine Discounter bedienen, und wir wollen das<br />
auch gar nicht. Wir stammen von hier, wir wollen hier auch bleiben. Wir<br />
haben 35 Mitarbeiter, die sind auch alle von hier. Wir wollen höchste<br />
Qualität nach ethisch höchsten Standards produzieren. Das ist gut für<br />
die Kunden, gut für die Fische, die Umwelt und gut für uns. Wenn wir<br />
wachsen, dann langsam und organisch.«<br />
Irish Sea Spray züchtet die Lachse nicht selbst, sondern verarbeitet<br />
sie nur. Für das Aufwachsen der Fische sorgen die nach Bio-Standards<br />
zertifizierten Fischereibetriebe, mit denen Gavin langfristige Partnerschaften<br />
abgeschlossen hat. »Das größte Problem für uns ist nicht der<br />
Vertrieb, es ist die Lieferung von Lachs«, sagt er und blickt nachdenklich<br />
aus dem Fenster auf den Felshang. Denn um eine staatliche Erlaubnis<br />
zur Lachszucht zu erhalten, seien zehn Jahre Zeit, Dutzende von<br />
Gutachten etwa zu Umweltfolgen, Energieverbrauch sowie zu Landschafts-<br />
und Gesundheitsschutz samt aufwendiger Dokumentation nötig.<br />
»Zusammen kostet das Genehmigungsverfahren derzeit etwa 100 000<br />
Euro, das können sich die meisten Fischer gar nicht leisten.« Aber eine<br />
arbeitsteilige Logistik in der Produktion mit Züchtern aus anderen<br />
Regionen kommt für ihn nicht in Frage: »Sehr viel konventioneller<br />
Lachs aus Norwegen wird in Polystyrolboxen mit Eis bis nach Polen<br />
transportiert und geht von dort in den Verkauf nach Deutschland«,<br />
empört er sich. Das sei für ihn nicht denkbar. »Wir verarbeiteten den<br />
Lachs nur dort, wo er gefangen wird.« Zudem habe er inzwischen<br />
40 000 Polystyrolboxen für den Transport der Lachse durch umweltfreundliche<br />
und langlebige Behälter ersetzen lassen: »Die Plastikkisten<br />
schwimmen überall im Meer herum und sorgen für eine Umweltverschmutzung,<br />
die noch Generationen beschäftigen wird.«<br />
Zwischen fünf und zehn Tonnen Biolachs verarbeiten seine Mitarbeiter<br />
unten in den beiden Produktionsräumen. Etwa zehn Männer<br />
und Frauen in weißer Schutzkleidung zerlegen mit modernsten, laserund<br />
computergesteuerten Maschinen die dreieinhalb bis fünf Kilogramm<br />
schweren Fische; dazu setzen sie mit sicherem Auge und extrem scharfen<br />
Messern geübte Schnitte. Unter ihnen sind auch ehemals selbstständige<br />
Fischer, die ihren Beruf aufgegeben haben, weil er sich schlicht nicht<br />
mehr lohnte, erzählt Seán Gavin. Sie reden nicht viel zwischen Edelstahl,<br />
riesigen Gittern und im Neonlicht tief orangefarben leuchtendem<br />
Lachs. Ein gälischer Witz aus drei Worten, ein kurzes Grinsen und weiter<br />
geht’s. Nebenan wird in sechs riesigen Kammern der Lachs geräuchert –<br />
mit umweltfreundlichen Eichenholzspänen aus Deutschland, die vom<br />
Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sind. Der Geruch ist<br />
so umwerfend gut, dass man sich sofort an den Tisch setzen und den<br />
frischen Räucherlachs in großer Menge verspeisen möchte.<br />
Obwohl nur die Filets etwa in einem real-Warenhaus landen, erzeugt<br />
die Lachsproduktion keinen Abfall. »Wir verwerten den gesamten Fisch«,<br />
sagt Gavin und zeigt auf die Köpfe. »Die werden tiefgefroren und gehen<br />
nach China. Dort gelten sie als Delikatesse, beispielsweise für Fischsuppen.«<br />
Das Fleisch, das sich laut der Laser-Analyse nicht mehr für<br />
Filets eignet, aber selbstverständlich immer noch von höchster Qualität<br />
ist, wird separiert und kommt unter anderem als Teil von Fertiggerichten,<br />
in Saucen und Dips auf den Tisch. Die weiteren Reste verarbeiten<br />
andere Produzenten zu Katzenfutter. Sämtliche Gräten und<br />
Schwänze werden zudem gereinigt, gemahlen und als Knochenmehl<br />
in Tierfutter verwertet.<br />
Lachse leben in freier Wildbahn als Raubfische. In der Zucht wachsen<br />
sie etwa achtzehn Monate auf, in runden, sehr tiefen Gummikäfigen<br />
mit etwa fünfundzwanzig Metern Durchmesser. Der Fisch,<br />
mit dem sie neben zertifiziertem Bio-Soja gefüttert werden, stammt<br />
aus anderen Betrieben mit zertifiziert nachhaltiger Zucht. Auch hier<br />
schließt sich ein Kreislauf der Verwertung – dazu ein sehr ressourcenschonender.<br />
»Ein Wildlachs frisst auf seinem Weg umgerechnet etwa<br />
zehn Kilo Fisch pro Kilogramm Lebendgewicht. In der Zucht genügt<br />
uns dagegen ein Kilogramm, denn unsere Lachse erhalten dazu ausreichend<br />
Soja. Das ist also deutlich nachhaltiger«, erläutert Gavin den<br />
Vorteil der Zucht.<br />
Die Fische haben in den Gattern unter Wasser drastisch mehr Platz<br />
als bei der konventionellen Produktion, erklärt der Geschäftsführer:<br />
»Die Regel für Biozucht besagt, dass ein Kubikmeter Wasser, das sind<br />
tausend Liter, Platz für zehn Kilo Lachs bieten muss. Je nach Alter sind<br />
das zwei, drei Fische. In Anlagen ohne Bio-Normen sind, je nach Staat,<br />
fünfundzwanzig bis zu vierzig Kilo pro Kubikmeter Wasser erlaubt. Wir<br />
liegen derzeit deutlich unter zehn.« So könnten die Lachse ihre Muskeln<br />
im kalten Wasser gut ausprägen und würden durch Gezeiten, Seegang<br />
und heftige Stürme im Lauf ihres Lebens etwa achtzehntausend Kilometer<br />
zurücklegen – so viel wie ein Wildlachs.<br />
In der Biozucht gilt ein strenges Verbot von Antibiotika, das in<br />
normalen Betrieben häufig im täglichen Futter verabreicht werde. Aber<br />
das sei in seinen Anlagen ohnehin niemals nötig. Denn sämtliche lebensgefährlichen,<br />
infektiösen Parasiten ließen sich auf einfache und biologische<br />
Weise erledigen: »Die Lachse gehen baden«, erzählt Seán<br />
Gavin, blickt in die ungläubigen Augen seines Gesprächspartners und<br />
lacht. So gehen seine Fischer gegen die lebensgefährlichen Lachsläuse<br />
vor und den gefürchteten Parasiten Neoparamoeba perurans, der sich<br />
in den Kiemen ansiedelt und die Fische ersticken lässt. »Beide leben<br />
im Meer und können in Süßwasser nicht überleben«, erklärt Gavin<br />
die Behandlungsmethode. Also lässt er mehrmals pro Jahr ein großes<br />
Schiff mit Tanks voller Süßwasser zu den Farmen fahren. Die Lachse<br />
werden in die Tanks geschleust, bleiben zwei bis drei Stunden dort,<br />
werden noch einmal abgebraust und kommen zurück ins Meer. Für<br />
alle weiteren Krankheiten habe die Medizin inzwischen Impfstoffe<br />
entwickelt, sodass die Fische völlig chemiefrei aufwachsen können.<br />
Draußen steht einer der wetterresistenten Arbeiter auf dem Parkplatz<br />
und zündet sich im Windschatten des Gebäudes eine Zigarette<br />
an. Er nimmt ein paar Züge, als über ihm Wolken wie im Zeitraffer<br />
die Sonne verdunkeln und es Sekunden später in Strömen zu regnen<br />
beginnt. Der Arbeiter atmet aus, nimmt noch einen letzten Zug, steckt<br />
die Hände in Taschen seiner Jeans und blickt noch einen Moment über<br />
die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitet. Als er die Tür zur Fischhalle<br />
wieder öffnet, strahlt die Sonne bereits erneut über leuchtend<br />
grün-braune Felsen, die weiter hinten mit dem wilden Atlantik verschmelzen.<br />
24 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 25
Fotos: Pascal Walterfang<br />
MOLDAWISCHES<br />
GOLD<br />
Im<br />
Dnister, der sich über rund 1360 Kilometer durch die Ukraine und die Republik Moldau<br />
zieht und ins Schwarze Meer mündet, fanden sich früher reichlich Störe, der Kaviar galt<br />
als lokale Spezialität. Heute widmet sich die Firma Aquatir wieder der Erzeugung des<br />
sogenannten Schwarzen Goldes – mit historischem Bezug und auf schonende Weise.<br />
Von DIETER MATHIAK<br />
Man muss sich die Republik Moldau, allgemeinsprachlich Moldawien, als Land zwischen den Welten vorstellen:<br />
In Chisinau, der Hauptstadt des zwischen Rumänien und der Ukraine eingeklemmten Staates, ist der<br />
Kaffee durchschnittlich besser als in so manch deutscher Großstadt, die Szene der Weinbars ist bunt. Die<br />
Weinkellereien im Süden des Landes wiederum haben längst den Wert autochthoner Rebsorten entdeckt,<br />
bieten Besonderheiten, die es anderswo in der Welt kaum gibt.<br />
Dem Genießer kommt zugute, dass kulinarische Traditionen in<br />
allen Landesteilen der einstigen Sowjetrepublik eifrig gepflegt<br />
werden. »Ohne Kaviar keine Feierlichkeit«, das galt in der<br />
UdSSR als Staatsräson – und wenn es sich um den echten handelte, den<br />
vom Stör und seinen diversen Arten, dann umso besser. »Im Dnister in<br />
Moldawien lebten ursprünglich Störe«, sagt Victoria Uzun, Managerin<br />
und Presseverantwortliche von Aquatir. Mit Kaviar kennt sie sich aus,<br />
mit den Besonderheiten von Sterlet oder Beluga. Vor allem die letztere<br />
Variante gilt als Nummer eins unter den Arten. Ob die Tiere, die erst nach<br />
zwölf bis vierzehn Jahren und damit deutlich später als ihre Genossen<br />
anderer Arten geschlechtsreif werden, wirklich den schmackhaftesten<br />
Kaviar ergeben, ist unter Kennern gelegentlich Anlass für unterschiedliche<br />
Standpunkte. Connaisseure diskutieren auch gern, welche Art<br />
der Kaviargewinnung die beste sei. Das Tier zu schlachten, sei sinnvoll,<br />
sagen die einen. Es leben zu lassen, den Kaviar zu entnehmen<br />
und diesen Prozess im besten Falle mehrfach zu wiederholen, ist für<br />
andere besonders fortschrittlich, in jedem Fall eine deutlich nachhaltigere<br />
Variante. Bei Aquatir wird ausschließlich die zweite Art der<br />
Kaviargewinnung praktiziert – und die ist mit Augenmaß und Fachwissen<br />
verknüpft. Den perfekten Zeitpunkt gilt es abzuwarten, damit<br />
die Eier exakt die richtigen Eigenschaften aufweisen. Immerhin hat<br />
man in Moldawien bereits eine Menge an Erfahrungen gesammelt.<br />
»2006 wurden Sterlet, Bester und Beluga aus Astrachan importiert«,<br />
sagt Pressechefin Uzun, »und 2007 russische Störe.« Also genau jene<br />
Arten, die einst auch im Dnister vorkamen. Das Ganze ist übrigens nicht<br />
nur ein Geschäft, sondern auch ein Beitrag zur Kultur. »Um Störe in<br />
ihre historische Heimat zurückzubringen, wurde beschlossen, diesen<br />
großflächigen Produktionskomplex hier in Moldawien zu errichten.«<br />
Womit das Stichwort gefallen wäre. Tatsächlich ist Aquatir keine<br />
Hobbyproduktion, sondern eine ernsthafte, durch und durch professionell<br />
arbeitende Fischverarbeitung – ISO-zertifiziert und Mitglied bei CITE<br />
sowie NACEE –, die sich über eine beachtliche Größe verteilt. Über<br />
beinah acht Hektar erstrecken sich die Anlagen, für fünfzig bis achtzig<br />
Tonnen Fisch und fünf Tonnen Kaviar pro Jahr ist der Aquakulturbereich<br />
ausgelegt. Kleine Becken für die Jungtiere, gewaltige für die<br />
Großstöre: Der Aufwand ist enorm. Man weiß hier, was man tut – auch<br />
bei der Weiterverarbeitung der Fischeier. »Die Firma Aquatir verwendet<br />
kein Borax, wir bevorzugen nur ein einziges natürliches Konservierungsmittel<br />
– Salz«, betont Victoria Uzun. »Konservierungs- und Farbstoffe<br />
kommen nicht in die Dose.« Der Kaviar, der durch Anwendung derartiger<br />
Prinzipien besonders pur schmeckt, werde beispielsweise an Gastronomie<br />
und Hotels vermarktet sowie an real-Märkte, sagt Serghei Lainer,<br />
der sich um das Europageschäft kümmert. Bis es auch in Deutschland<br />
selbstverständlich ist, dass bei Familienfesten und anderen Feierlichkeiten<br />
Kaviar so serviert wird wie Schwarzwälder Kirschtorte, dürfte<br />
es zwar noch eine Weile dauern – aber sich langsam an diese Sitte zu<br />
gewöhnen, wäre ja durchaus ein guter Vorsatz für 2020.<br />
BALDESSARINI BLACK<br />
<strong>FÜR</strong> MÄNNER MIT STIL<br />
Baldessarini. So könnte ein großer Magier heißen. Im Prinzip ist Werner Baldessarini nichts<br />
anderes – was Mode und Düfte betriff. Beides umgibt der Designer mit einer Magie, die<br />
sie unwiderstehlich macht.<br />
Die jüngste Duftkreation des gebürtigen Tirolers<br />
beweist erneut sein ausgeprägtes Talent für Stil<br />
und Finesse und entspricht perfekt dem Credo der<br />
Marke: »Baldessarini – separates the men from the boys«.<br />
Das Eau de Toilette Baldessarini Black ist ein facettenreicher,<br />
holziger Duft, der durch seine ausdruckstarken<br />
Nuancen besticht. Im Auftakt treffen herb-prickelnder<br />
rosa Pfeffer und aromatisches Basilikum auf einen kühlen,<br />
maskulinen Eis-Akkord. Eine raffnierte Eröffnung, die<br />
in eine faszinierende Melange aus prägnantem Patschuli,<br />
mystischer Myrrhe und betörender Geranie mündet<br />
und so subtil an Opulenz gewinnt. Wildleder-Akkorde,<br />
rauchiges Labdanum und eine Spur Tonkabohne runden<br />
die Komposition harmonisch ab.<br />
Es ist eine ausgewogene Rezeptur, die gekonnt an<br />
den Duft Baldessarini anknüpft, den ersten Duft der 2002<br />
gegründeten Parfümmarke. Der männlich-markante<br />
Signaturduft des Hauses, ein Eau de Cologne, das noch<br />
im Lancierungsjahr mit dem »Oscar der Parfümindustrie«,<br />
dem FiFi Award, in den Kategorien »Bestes Parfum einer<br />
Neuheit Haute Couture« und »Bester Flakon einer Neuheit«<br />
ausgezeichnet wurde, ist auch heute noch äußerst erfolgreich<br />
und längst in die Elite der Duftklassiker aufgestiegen.<br />
Dessen zeitloses Design stand denn auch Pate bei der<br />
Aufmachung des neuen Duftes. Sein schwerer Glasflakon<br />
in edlem Schwarz spiegelt mit purem Unterstatement die<br />
Eleganz und das Luxuriöse der Duftkomposition wider. Die<br />
Verpackung ist ebenfalls schwarz, das von glänzendem Silber<br />
kontrastiert wird. Auch die Werbung orientiert sich am<br />
Vorreiter: Der bekannte Münchner Barkeeper und Gastronom<br />
Charles Schumann ist einst wie jetzt das Gesicht der<br />
Kampagne.<br />
Beide, Klassiker und Newcomer, eint zudem der kraftvolle,<br />
spritzige Auftakt und die Patschuli-Note, die allen,<br />
inzwischen acht Düften der Marke, ihren unverwechselbaren<br />
Charakter gibt. Während der Pionierduft als leichteres<br />
Eau de Cologne konzipiert ist, überzeugt die Fortsetzung<br />
Baldessarini Black als voluminöses Eau de Toilette.<br />
Werner Baldessarini, Gründer der Fragrance-Marke und<br />
ihr Namensgeber, vertraut heute bei der Zusammenstellung<br />
der Rezepturen der fachlichen Kompetenz von Alexandra<br />
Kalle. Sie ist als Hausparfümeurin für die Duftkonzepte bei<br />
Mäurer+Wirtz verantwortlich. Das traditionsreiche, seit<br />
1845 im Familienbesitz befindliche deutsche Beauty-Unternehmen<br />
in Stolberg bei Aachen ist Lizenznehmer der<br />
Marke. Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Verbindet<br />
Baldessarini seine Kindheit und die Erinnerung an<br />
seinen Vater doch mit dem Duft »Tabac Original«, den jener<br />
immer trug. Der Duft-Evergreen kam 1959 – zunächst als<br />
After Shave – just bei Mäurer+Wirtz heraus.<br />
Sein klares Stilempfinden habe er denn auch von seinem<br />
Vater gelernt, betont Werner Baldessarini gern. Ursprünglich<br />
wollte der heute Vierundsiebzigjährige das Kurz- und<br />
Galanteriewarengeschäft übernehmen, das seine Eltern<br />
in München führten. Doch nach seiner Lehre im Textilhandel<br />
machte er schnell Karriere, wurde Einkäufer, später<br />
Geschäftsführer bei einem Herrenausstatter, bevor ihn das<br />
Metzinger Modeunternehmen BOSS engagierte. Im Laufe<br />
der Zeit avancierte er dort zum Chefdesigner und Vorstandsvorsitzenden.<br />
Er prägte die Marke über Jahrzehnte,<br />
gab ihr jenes Flair, das sie zu einem »global brand« machte.<br />
Heute lebt Werner Baldessarini in Kitzbühel. Seine<br />
Passion gehört ganz den Düften – neben dem Mitfiebern<br />
bei der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft; die Marke<br />
ist Sponsor des Teams R-Motorsport/Aston Martin. Hält er<br />
doch Düfte – bei aller Affnität zur Mode – für das wirklich<br />
Essenzielle, Ehrliche. Denn was nützt der schönste Zwirn,<br />
wenn man jemanden nicht riechen kann? ■<br />
26 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
Die Bodensee-Region ist nicht nur<br />
eine besonders liebliche Gegend im<br />
Süden Deutschlands. Es ist vor allem<br />
eines der größten Obstanbaugebiete<br />
innerhalb Europas. Thomas Löhle<br />
ist einer der Apfelbauern, die die<br />
Salem-Frucht GmbH beliefern. Seit<br />
deren Gründung im Jahr 2011 sind<br />
unter anderem bereits 2,8 Milliarden<br />
knackiger Äpfel vom Bodensee in<br />
den Handel gelangt.<br />
KURZE WEGE<br />
OBST <strong>UND</strong> GEMÜSE AUS DER REGION<br />
Von URSULA HEINZELMANN<br />
Fotos ALEX HABERMEHL<br />
Bei manchen Berufen möchte man glatt neidisch werden. Champagner-Winzer etwa, das klingt so fein. Oder<br />
Apfelbauer am Bodensee: Während der Erntezeit in der Herbstsonne Äpfel pflücken, aber sonst nicht viel<br />
tun, außer den Früchten beim Wachsen zuzuschauen und den Blick über den funkelnden See auf die Alpen<br />
zu genießen. Die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus. Reben wollen gepflegt werden, Apfelbäume<br />
auch, bestätigt Thomas Löhle, dessen Hof in Gebhardsweiler oberhalb von Salem am nordwestlichen Ufer<br />
des Sees liegt und sich seit Generationen im Besitz der Familie befindet. Auf siebenundvierzig Hektar gibt<br />
es rund ums Jahr alle Hände voll zu tun, um leuchtende, duftende Äpfel ernten zu können.<br />
Über den Winter bis zur Blüte im April müssen die Bäume<br />
geschnitten und neue gepflanzt werden, außerdem sind die<br />
Netze zum Schutz vor Hagel auszubessern. »Ja, natürlich gibt<br />
es auch eine Versicherung«, sagt der rothaarige Endvierziger, »aber<br />
Äpfel habe ich dann trotzdem keine, und ich muss doch liefern!« Im<br />
Sommer geht es dann wie beim Wein ans Ausdünnen: Zu viele Äpfel<br />
beeinträchtigen das Ergebnis im Herbst. Die Ernte beginnt mit den<br />
ersten frühen Sorten Mitte August und zieht sich bis Ende Oktober<br />
oder sogar in den November. Dabei wird jeder Apfel mit der Hand<br />
gepflückt und behutsam in große Kisten gelegt, damit die dunkelroten<br />
Red Delicious, die farbfrohen Elstar oder die rotfleischigen Red Moon,<br />
eine ganz neue, sehr spannende Sorte, keine Druckstellen bekommen.<br />
Bei dem nur wenige Kilometer entfernten Großmarkt Salem-Frucht<br />
geht es beim Sortieren und Verpacken ebenso sorgfältig zu. Das Unternehmen<br />
ist 2001 aus einem Zusammenschluss dreier alteingesessener<br />
privater Obstgroßmärkte der Region entstanden, um Kapazitäten zu<br />
bündeln und in moderne Technik investieren zu können. Rund zweihundert<br />
Obstbauern stehen hier unter Vertrag, die neben Äpfeln auch<br />
Birnen, Zwetschgen, Brombeeren und Himbeeren liefern. Sämtlich<br />
aus integriertem Anbau: Überall sorgen Blühflächen und Nistkästen<br />
fürs Summen, Brummen und Zwitschern zwischen den Bäumen. Auf<br />
dem Dach der großen Halle von Salem-Frucht wird das Sonnenlicht<br />
für Solarstrom eingefangen, und die ständige Suche nach möglichst<br />
robusten neuen Sorten gehört zur Firmenphilosophie. Neben vertrauten<br />
Namen wie Elstar, Gala, Jonagold oder Boskoop gibt es etwa<br />
den schorfresistenten Swing. Die meisten greifen immer zur selben<br />
Sorte, doch Neues zu probieren lohnt sich. Granny-Smith-Fans etwa<br />
entdecken dann vielleicht Topaz oder Red Moon oder aber Snack, der<br />
besonders gut in Kinderhände passt, als neuen Lieblingsapfel, und Kiku,<br />
Red Rose, Sweetheart oder Evelina sind ebenfalls echte Premiumklasse.<br />
Ob alte oder neue Sorten, bei Salem-Frucht werden alle aus den<br />
Kisten vorsichtig in Becken mit fließendem Wasser gekippt, das als<br />
schonendes Transportmedium dient, und mithilfe von Kameras und<br />
modernster Computertechnik nach Größe und Farbanteil sortiert. In<br />
langen blaugestrichenen Bahnen leuchtet es rot, grün, gelb und orange,<br />
als seien Olympiaschwimmer unterwegs, und zu Stoßzeiten werden hier<br />
je nach Größe zehn bis zwanzig<br />
Tonnen durchgeschleust. Danach<br />
geht es in den Winterschlaf, in<br />
großen Lagern bei knapp über null<br />
Grad Celsius und einem Sauerstoffgehalt,<br />
der ebenso knapp über<br />
Null liegt – so kann das ganze Jahr<br />
über frische Ware in die Regale der<br />
real-Märkte geliefert werden. Und<br />
schließlich wird alles wiederum<br />
behutsam und Stück für Stück<br />
in die Tüten, Trays und Kisten<br />
gepackt. In jedem einzelnen Apfel<br />
stecken also viel Erfahrung und<br />
Können und ebenso viele Handgriffe<br />
und Arbeitsschritte.<br />
Genau wie beim Wein lohnt<br />
sich das in einer Landschaft wie<br />
der am Bodensee ganz besonders.<br />
Denn der glitzert nicht nur, er<br />
fungiert im Herbst auch als<br />
Wärmespeicher und ermöglicht<br />
dadurch den Anbau spätreifender<br />
Sorten. Die Lage auf vierhundert<br />
28 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 29
Auch wenn mein<br />
Wein mal die ganze<br />
Welt erobert – meine<br />
Wurzeln sind hier.<br />
Armin Kreiselmaier,<br />
Gemüsebauer in der<br />
»deutschen Toskana«,<br />
der Pfalz, bürgt mit<br />
seinem Namen für<br />
die herausragende<br />
Qualität seiner biozertifizierten<br />
Produkte.<br />
Bei ihm gedeihen<br />
sowohl heimische<br />
Gemüsesorten als<br />
auch wärmeliebende<br />
wie schmackhafte<br />
Zucchini prächtig. Seit<br />
einigen Jahren baut<br />
der Mittvierziger sogar<br />
Melonen an, die deutlich<br />
geschmacksintensiver<br />
sind als<br />
importierte Ware.<br />
Metern über dem Meeresspiegel sorgt für kühle Nächte und warme<br />
Tage. Wenn alles stimmt, übersetzt sich das in eine belebende, fast<br />
champagnerartige Säure – das ist das Bodensee-Aroma, das uns Landwirte<br />
wie Thomas Löhle in Form von Äpfeln auf die Zunge legen.<br />
Auch Armin Kreiselmaier wird es nicht langweilig – der Pfälzer<br />
Gemüsebauer umsorgt und beackert zweihundertzwanzig<br />
Hektar in Ruchheim zwischen Ludwigshafen und Bad Dürkheim.<br />
Bei ihm wachsen Kartoffeln, Kohlrabi, Fenchel, Staudensellerie,<br />
Zucchini, Landgurken, Brokkoli, Spargel, Salatherzen, Kürbisse – und<br />
Melonen! »Ich war schon immer risiko- und experimentierfreudig«,<br />
sagt der lebhafte Mittvierziger, »und habe dafür nicht selten einiges<br />
an Kopfschütteln geerntet.« Auf die Melonen sei er über die wärmeliebenden<br />
Zucchini gekommen, mit denen er vor acht Jahren begann.<br />
Mit Erfolg: »Wir sind hier sowohl das größte zusammenhängende<br />
Gemüseanbaugebiet Deutschlands als auch Frühanbaugebiet, sozusagen<br />
die Toskana Deutschlands!« Und da die ersten Felder mit biologisch<br />
abbaubarer Folie geschützt werden, sind diese heimischen Zucchini<br />
schon im Frühsommer zu genießen.<br />
Angesichts seiner prächtig gedeihenden Zucchini dachte sich der<br />
ideenreiche Bauer: Warum nicht mal Melonen? Auch dieses deutlich<br />
riskantere Experiment gelang. Seit sechs Jahren erzeugt Armin Kreiselmaier<br />
Galia-, Charentais-, Honig- und Wassermelonen, auf mittlerweile<br />
fünfundzwanzig Hektar. Dass er seit der Übernahme des Betriebs<br />
von den Eltern im Jahr 2008 konsequent alles auf Bio umgestellt hat,<br />
macht es nicht unbedingt einfacher, steht aber nicht zur Diskussion.<br />
»Interessanterweise verhält sich jede Melonensorte jedes Jahr etwas<br />
anders«, erzählt er, »die einen breiten sich gleich so aus, dass gar kein<br />
Unkraut wächst, bei den anderen muss man mit dem Jäten hinterher<br />
sein, damit die Blätter sich gut entwickeln können.« Die Ernte zieht sich<br />
durch die einzelnen Sorten je nach Witterung vier bis sieben Wochen hin,<br />
und je heißer es ist, desto besser läuft natürlich das Geschäft. Die große<br />
Nachfrage rechtfertigt den Aufwand – die Wassermelone, die er als Kostprobe<br />
aufschneidet, ist einfach großartig, äußerst geschmacksinteniv<br />
und weniger wässrig als andere handelsübliche Ware.<br />
Damit sie richtig duften und saftig sind, müssen Melonen so reif<br />
wie möglich geerntet und innerhalb von drei Tagen gegessen werden –<br />
da ist die Pfalz klar im Vorteil gegenüber den langen Transportwegen<br />
von Spanien und Frankreich. Genau den richtigen Ernte-Zeitpunkt<br />
zu erkennen, erfordert viel Erfahrung; bei jeder Sorte gibt es andere<br />
Merkmale: »Wir gehen oft mit dem ganzen Ernte-Team durch, schneiden<br />
dreißig bis vierzig Melonen auf, bis wir sicher sind. Ich habe großes<br />
Glück, dass ich so motivierte Mitarbeiter habe.«<br />
Anders als zuvor seine Eltern vermarktet Armin Kreiselmaier ohne<br />
die Genossenschaft, weil er mit seinem Namen bürgen will. Und noch<br />
einiges hat sich geändert: Vor zehn Jahren sei man als Biobauer noch<br />
nicht sehr gern gesehen worden, während das Miteinander heute viel<br />
besser funktioniere. Eigenes Engagement sei wichtig, nicht einfach<br />
nur das zu tun, was alle anderen machen, sondern nach einem festen<br />
Anbauplan genau das, was der Kunde möchte. »Es ist eine große Freude<br />
zu beobachten, dass doch viele mittlerweile bewusster einkaufen und<br />
die Biowelle mittragen!« sagt er. Man darf gespannt sein, was noch aus<br />
Ruchheim kommen könnte, die Ideen gehen dem Gemüsebauern nicht<br />
aus: »Vielleicht probiere ich ja als Nächstes Physalis?«<br />
Weine aus deutschen Regionen:<br />
Qualität, die man schmeckt.<br />
Die 13 deutschen Weinregionen sind<br />
geschützte Ursprungsbezeichnungen.<br />
Weine aus deutschen Anbaugebieten überzeugen<br />
nicht nur mit außergewöhnlichem Geschmack, sondern<br />
auch mit höchster Qualität. Das garantiert auch die<br />
Europäische Union, die alle 13 deutschen Weinregionen<br />
als geschützte Ursprungsbezeichnungen anerkannt hat.<br />
Mehr Informationen: www.weine-mit-herkunft.de<br />
30 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
PURER <strong>GENUSS</strong><br />
MIT GUTEM<br />
GEWISSEN<br />
Von URSULA HEINZELMANN<br />
Fotos RUI CAMILO<br />
»Der Kunde soll die Wahl haben, sich entscheiden können zwischen konventionell angebauten Äpfeln, Bio-<br />
Äpfeln und solchen wie unseren, aus biodynamischer Landwirtschaft«, betont Mathias Lang, Verkaufsleiter<br />
der Bio Meran. 42 Südtiroler Apfelbauern und -bäuerinnen haben sich 2013 unter diesem Namen zu einer<br />
Genossenschaft zusammengeschlossen, um für Lager und Vertrieb ihrer Früchte die Kräfte zu bündeln. Ihre<br />
Bäume wachsen in ganz Südtirol, in diesem einzigartigen Zusammenspiel von Sonne, Wärme und Niederschlag,<br />
profitieren von den milden Wintern und den Winden, die vor Pilzkrankheiten schützen. Sie wachsen<br />
am Talboden und an den ersten Hängen, wachsen in der großartigen Bergluft der Dolomiten – und leuchten<br />
in dieser malerischen Gebirgskulisse ganz besonders wegen der Temperaturunterschiede zwischen Tag und<br />
Nacht. Im Frühjahr blühen sie strahlend unterhalb der noch schneebedeckten Berggipfel – und ja, bestätigt<br />
Lang, »da besteht durchaus die Gefahr von Frösten, daher gibt es Beregnungsanlagen, dank derer die Blüten<br />
durch einen Eisklumpen geschützt werden; das ist wirklich eine große Errungenschaft für den Apfelanbau.«<br />
Über zweihundert Hektar bewirtschaften die Mitglieder der Bio<br />
Meran insgesamt, doch jeder betrachtet seinen Hof als einzelnen<br />
Organismus. Jeder folgt den biodynamischen Richtlinien<br />
des Demeter-Verbands, gestaltet aber die Lebensprozesse ganz aktiv<br />
mit, übernimmt die Verantwortung für die Gesundheit von Tieren und<br />
Pflanzen. So entsteht mit der Zeit ein Erfahrungsschatz, der wiederum<br />
durch den Austausch der Bauern untereinander gewinnt. »Es ist ein sehr<br />
respektvoller Umgang mit der Natur«, sagt Lang, »Schädlinge werden<br />
mit Nützlingen vertrieben, und die biodynamischen Präparate sorgen<br />
für die Stärkung von Boden und Pflanzen. So steigern wir die Frucht-<br />
32 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 33
Die über vierzig Biobauern der Genossenschaft Bio<br />
Meran liefern nicht nur alt bekannte Apfelsorten, sondern<br />
auch seltene wie die saftigen, rotfleischigen Red Moon.<br />
Besonders die deutschen real-Kunden schätzen die<br />
spezielle Qualität, weiß Verkaufsleiter Matthias Lang.<br />
barkeit, und die Humusschicht wächst. Natürlich<br />
kann man mit anderen Methoden kurzfristig höhere<br />
Erträge erzielen, aber wir denken langfristig und<br />
nachhaltig.« Kamille und Baldrian, Schachtelhalm,<br />
Brennessel und Schafgarbe werden aufbereitet und<br />
zu bestimmten Momenten der Mondphasen versprüht,<br />
Mist reift in Rinderhörnern zu Kompost<br />
heran und wird als Dünger eingesetzt.<br />
»Besonders in Deutschland unterstützen die<br />
Kunden unsere Philosophie und Arbeitsweise«,<br />
freut sich Lang, »das ist eine wichtige Bestätigung.«<br />
Und wie könnte man dies auch nicht unterstützen<br />
wollen, wenn die Vitalität von Boden und Bäumen<br />
in den Äpfeln so deutlich zu schmecken ist? Hier<br />
versteht man den Namen des Golden Delicious,<br />
weil er hier tatsächlich golden leuchtet und köstlich<br />
schmeckt, hier sind auch all die anderen vertrauten<br />
Sorten wie Gala, Braeburn, Granny Smith<br />
oder Morgenduft von einer ganz besonderen Komplexität. Und wer<br />
Glück hat, erwischt Seltenes wie den Gold Rush oder sogar echte, alte<br />
Raritäten wie die Ananasreinette. So hat man als Kunde gerne die Wahl!<br />
Was gleichermaßen für Biolatina gilt, ebenfalls eine Genossenschaft.<br />
In Sabaudia, auf halbem Wege zwischen Rom und<br />
Neapel, wachsen hier in einer ganz anderen Kulisse vielerlei<br />
Sorten Salate, Fenchel, Radieschen, Möhren, Rettiche, Spinat, Datteltomaten,<br />
mannigfache Kräuter und auch Ausgefalleneres wie Aloe Vera,<br />
Puntarelle oder Erdnüsse und Kiwis. Die Seeluft des Mittelmeers und<br />
die Wärme des italienischen Südens, aber auch die Hingabe und Sorgfalt,<br />
mit der hier gearbeitet wird, drückt sich in knackigen, würzigen<br />
Wurzeln und Blättern aus. Die 1985 gegründete Genossenschaft arbeitet<br />
bereits seit 1992 nach den Demeter-Richtlinien. Selbstverständlich<br />
gibt es auch moderne Technik, aber stets sind es die Menschen, die<br />
den Takt angeben, die Verbindung zum Boden halten, die letzten und<br />
die wichtigsten Handgriffe tun. Biodiversität ist ebenso wichtig wie die<br />
selbst hergestellten Kräuter- und Mistpräparate: Da summen Bienen,<br />
zwitschert es in und um die Nistkästen, scharren Hühner inmitten von<br />
Blumen und Blüten, sorgen Rinder<br />
für den eigenen Dünger – alles<br />
und alle gehören dazu. Auch die<br />
Zukunft: Biolatina beteiligt sich an<br />
der Aktion »Seminare Il Futuro«,<br />
Zukunft säen, bei der einmal im<br />
Jahr auf einem bestimmten Feld<br />
von Kunden, Nachbarn und Besuchern,<br />
jung und alt Bio-Weizenkörner<br />
ausgesät werden – »ogni<br />
seme che germoglia è una speranza<br />
per la vita«, jeder Samen,<br />
der keimt, ist eine Hoffnung auf<br />
Leben, sagt Tonino Falzarano,<br />
eines der Gründungsmitglieder<br />
von Biolatina.<br />
Von dieser Hoffnung, der Verantwortung<br />
für die Zukunft und<br />
dem Bestreben, Verbrauchern die<br />
Möglichkeit der Entscheidung zu<br />
geben, ist auch die Arbeit auf den<br />
Dominique Farms geprägt. An der<br />
karibischen Küste, am Fuße der<br />
kolumbianischen Sierra Nevada recken Bananenstauden ihre grünen<br />
Blätterwedel der Sonne entgegen. Es ist ein besonderer Ort, denn hier<br />
werden die Pflanzen von den Ausläufern der Anden vor Wirbelstürmen<br />
geschützt und aus den beinahe 6000 Meter hohen Bergen durch zahlreiche<br />
Flüsse mit reichlich Schmelzwasser versorgt, das viel vulkanische<br />
Mineralien und fruchtbaren Schlick mitbringt. Außerdem sorgen die<br />
heißen Tage und kühlen Nächte dieses Mikroklimas für die Bildung von<br />
besonders viel Fruchtzucker.<br />
Doch die Santa-Marta-Bananen sind nicht nur besonders köstlich,<br />
sie entstammen auch einem Unternehmen, in dem alles erdenklich<br />
Mögliche für ein integres und gesundes Arbeiten mit und in der Natur<br />
getan wird. »Biosecurity-Maßnahmen sind extrem wichtig, um dem<br />
verheerenden Bananenpilz entgegenzuwirken. Vor allem brauchen wir<br />
aber widerstandsfähige Pflanzen, in einem stabilen, natürlichen Ökosystem«,<br />
erklärt Besitzer und Geschäftsführer Louis Hesselholt, »nur<br />
dann sind wir tatsächlich geschützt.« Im natürlichen Regenwald der<br />
Tropen habe der überhaupt keine Chance, in einer Monokultur jedoch,<br />
wie den herkömmlichen Bananenplantagen, verbreite er sich rasant.<br />
Dort kommen deshalb große Mengen Fungizide zum Einsatz, die nicht<br />
Foto: Biolatina<br />
zuletzt auch die Arbeiter gesundheitlich stark in Mitleidenschaft ziehen.<br />
»Als Bio- und Demeterproduzent setzen wir lieber auf möglichst große<br />
Artenvielfalt«, sagt Hesselholt, »wir haben ausgesprochen tiefe, von<br />
einer enormen Zahl von Würmern durchsetzte Böden, denn die Mutterpflanzen,<br />
die nach der Ernte absterben, werden gefällt und bilden vor<br />
Ort Humus. Bei uns wachsen zwischen den Bananen außerdem mehrere<br />
Sorten Mangos, Schlangenbohnen, Ingwer und viele Bodendecker, auf<br />
unseren Farmen leben Krokodile, Jaguare, Affen, Wölfe, Wildhunde<br />
und Schlangen, ganz zu schweigen von all den Vögeln, Insekten und<br />
Mikroorganismen. Darüber hinaus haben wir in Zusammenarbeit mit<br />
der hiesigen Universität unsere eigenen biodynamischen Mittel und<br />
Dünger entwickelt, die vollständig aus Rohstoffen von unseren Anwesen,<br />
aus dem Regenwald der Sierra Nevada, von den Flussufern und anderen<br />
naturbelassenen Gegenden entstehen.«<br />
Seit Anfang 2019 bietet real in einem für die Branche revolutionären<br />
Schritt Bananen unverpackt und ausschließlich in Bio- und<br />
Demeterqualität an, um das Engagement auf den Dominique<br />
Farms zu unterstützen. Denn diese Bananen sind nicht nur nach streng<br />
kontrollierten Richtlinien gewachsen, das Wohl der Arbeiter steht dabei<br />
ebenso im Mittelpunkt, jenen Menschen, die sie hegen und pflegen,<br />
ernten und packen. Das ist dann echter Genuss mit gutem Gewissen.<br />
Was großartigerweise auch für die Avocados gilt, die über den<br />
Bio-Großhändler Lehmann Natur aus Andalusien im Süden Spaniens<br />
in die Obst- und Gemüseabteilungen der real-Märkte kommen. Die<br />
nahrhaften Früchte sind aufgrund ihres Status als Superfood und der<br />
dadurch extrem gestiegenen Nachfrage bei umwelt- und sozialbewussten<br />
Konsumenten etwas in Verruf geraten. Doch die Avocados, die bei<br />
Firmengründer Friedrich Lehmann auf fünfzig Hektar neben Granatäpfeln,<br />
Kumquats, Kakis und Mispeln wachsen, stammen tatsächlich<br />
aus einer Art Paradies. Seit fünfundzwanzig Jahren erforscht Lehmann<br />
hier die ökologische Landwirtschaft und Permakultur. Dies ist kein<br />
starres Konzept oder Regelsystem, sondern eine Richtung mit immer<br />
wieder neuen Versuchen. »Es ist die Landwirtschaft der Zukunft«, ist<br />
der agile Anfangsiebziger überzeugt, »ein Arbeiten mit der Natur, in<br />
einem vollkommen transparenten, ökologischen Wirtschaftssystem.<br />
Wir müssen nur respektvoll beobachten, dann zeigt uns die Natur, was<br />
wir tun müssen und gibt uns Früchte im Überfluss.«<br />
Hier sind die Baumreihen nicht gerade, denn so werden Wind- und<br />
Wasserkanäle vermieden, bleibt das Regenwasser auf dem Grundstück.<br />
Es kommen weder chemische Dünger noch Pestizide, Fungizide oder<br />
Herbizide zum Einsatz: »Wir bauen Boden auf, statt Bäume zu füttern.<br />
Ein starker Boden bringt starke Bäume und Pflanzen hervor, und die<br />
wiederum liefern uns Früchte voller Nährstoffe und Geschmack.«<br />
Die blühenden Pflanzen ziehen auch Nützlinge an, um Schädlinge<br />
in Schach zu halten. Avocadoblüten sind zwar nicht besonders attraktiv<br />
für die Bienen, die ein benachbarter Imker betreut, aber es blüht so viel<br />
Anderes: Granatäpfel, Borretsch, Malven, Rosen, dazwischen stehen<br />
Feigen, wächst duftende Minze. Ein buntes Durcheinander, das fürs<br />
ungeübte Auge chaotisch erscheint. »Jede Pflanze hat ihre Bestimmung«,<br />
betont Lehmann, »vieles wissen wir einfach nicht.« Die Mikroorganismen<br />
im Boden werden mit einem selbst hergestellten Biopräparat<br />
gefördert, einer intensiv würzig riechenden orangefarbenen Flüssigkeit,<br />
die mit der Bewässerung von April bis Oktober auf der Finca verteilt<br />
wird. Wie bei den Dominique Farms in Kolumbien gibt es auch<br />
hier im Süden Spaniens keinerlei nackte Erde. Manche der Avocadobäume<br />
werfen im Frühjahr viele Blätter ab, andere behalten nahezu ihr<br />
gesamtes Laub. Manche sind dunkelgrün, andere glänzen gelbrötlich.<br />
Keiner ist wie der andere, »wie Menschen«, lächelt Lehmann, dem sehr<br />
am Wohl seiner Mitarbeiter liegt. Er beschäftigt ausschließlich Nachbarn,<br />
und die örtliche Versorgung ist ebenso wichtig wie der Export.<br />
Geerntet wird ab Oktober, mit der Hand und in Boxen, die auf Maultierkarren<br />
statt Traktorgespannen stehen, ohne Krach und Gestank. In<br />
einer Halle wird sortiert und verpackt, möglichst reduziert. »Schließlich<br />
sind die Früchte bereits von Natur aus perfekt verpackt!« Was<br />
wiederum bestens zur real-Philosophie passt und zu den Wünschen der<br />
Kundinnen und Kunden an genussvolle Nachhaltigkeit.<br />
Weder die Bio-Avocados<br />
aus Südspanien noch die<br />
Demeter-Bananen aus<br />
dem kolumbianischen<br />
Regenwald brauchen<br />
eine zusätzliche Verpackung.<br />
Sie sind bereits<br />
durch ihre natürliche<br />
Hülle geschützt. Ganz<br />
im Sinne der seit Anfang<br />
2019 konsequent<br />
umgesetzten real-Philosophie,<br />
wonach Plastik<br />
wann immer möglich<br />
eingespart wird.<br />
34 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 35
EINKAUFEN LASSEN<br />
STATT EINKAUFEN GEHEN<br />
BALD IST WEIHNACHTEN –<br />
ZEIT, BÜCHER ZU VERSCHENKEN!<br />
Von UWE KAUSS<br />
Foto JOHANNES GRAU<br />
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IM NOVEMBER 2019<br />
NATHALIE GLEITMAN<br />
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MY TEL AVIV<br />
Mit mehr als 120 kreativen Rezepten vermittelt<br />
Nathalie Gleitman das einzigartige Lebensgefühl<br />
des kulturellen und kulinarischen Hot Spots<br />
Israels und zeigt dabei, wie einfach eine gesunde<br />
Ernährung für jeden Tag sein kann.<br />
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IM NOVEMBER 2019<br />
ANDREE KÖTHE & YVES OLLECH<br />
<strong>DAS</strong> GROSSE GEMÜSEKOCHBUCH<br />
Frische, saisonale und regionale Gemüse stehen in der Küche des Nürnberger Restaurants<br />
Essigbrätlein im Vordergrund. Die Philosophie von Andree Köthe und Yves Ollech ist einfach<br />
und klar: Nur was in der Region wächst, kann in optimaler Qualität in den Kochtopf wandern.<br />
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Ab dem 01.12.2019: € 69,90 (D)<br />
Die Liste mit den Dingen, die gebraucht werden, ist lang und wird länger, aber die Zeit ist wieder mal<br />
zu knapp. Vor allem in den Wochen vor Weihnachten gestaltet sich der Alltag noch stressiger und<br />
hektischer als sonst. Also schnell in den Supermarkt, mit Vollgas durch die Regale fegen und dabei,<br />
na klar, das Wichtigste vergessen. Dagegen gibt’s eine die Nerven schonende und günstige Lösung:<br />
Einkaufen lassen! Der Wochenmarkt real bietet ihren Kunden hierfür einen speziellen Service. Einfach<br />
bis Mitternacht online im Lebensmittelshop von real.de bestellen und mit ein paar Klicks den<br />
Lieferservice beauftragen. Schon wenige Stunden später kommt alles nach Hause. Die gesparte Zeit<br />
lässt sich nun für andere wichtige Erledigungen nutzen. Oder mal kurz zum Luft holen.<br />
Bequemer geht’s nicht: Denn am Tag<br />
nach dem Bestelleingang besorgt<br />
ein real-Mitarbeiter im nächsten<br />
Wochenmarkt für Sie das, was Sie benötigen,<br />
und legt Ihre bestellten Waren in den Einkaufswagen<br />
– und schon am Nachmittag<br />
oder Abend klingelt ein Lieferant an der<br />
Haustür. Werden beim Bestellen online<br />
noch freie Lieferkapazitäten angezeigt,<br />
lässt sich alles sogar noch am selben Tag<br />
in Empfang nehmen. Auch dabei gibt’s<br />
keine nervige Warterei: Die Lieferung<br />
lässt sich auf ein Zeitfenster von maximal<br />
zwei Stunden eingrenzen. Wer seinen Einkauf<br />
dagegen erst später benötigt, kann den<br />
Liefertermin bis zu fünf Tage im Voraus verbindlich<br />
festlegen. Selbst frische, gekühlte<br />
oder tiefgefrorene Lebensmittel sind kein<br />
Problem: real liefert Kühl- und Tiefkühlwaren<br />
in speziellen Boxen – und garantiert,<br />
dass die Kühlkette bis zur Haustüre niemals<br />
unterbrochen wird.<br />
Dabei haben Sie online die riesige Auswahl<br />
unter etwa siebenundzwanzigtausend<br />
Qualitätsprodukten und damit fast so viel<br />
wie im Wochenmarkt in Ihrer Nähe. Dazu<br />
gehören Obst und Gemüse, Milcherzeugnisse,<br />
eine riesige Auswahl an Wurst, Käse,<br />
Fleisch, Fisch, Tiefkühlkost, alkoholische<br />
und nicht alkoholische Getränke sowie<br />
Drogerieartikel und Haushaltswaren.<br />
Was Sie an der Haustür erhalten, ist<br />
wie selbst eingekauft: Denn die real-Mitarbeiter<br />
prüfen beim Zusammenstellen der<br />
gewünschten Waren die Mindesthaltbarkeit<br />
sowie die Frische und Unversehrtheit, damit<br />
36 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />
Sie auch dabei niemals Abstriche machen<br />
müssen. Die Lieferung von maximal zwei<br />
Getränkekisten ist übrigens kostenfrei.<br />
Stehen zu Hause leere Pfandflaschen oder<br />
Leergutkisten im Weg? Der real-Lieferant<br />
nimmt sie einfach mit, der Pfandbetrag wird<br />
von der Rechnung abgezogen. Damit sparen<br />
Sie sich die lästige Schlepperei und wieder<br />
einen Weg.<br />
Übrigens sind die meisten Sonderangebote<br />
in den Regalen Ihres real-Wochenmarkts<br />
auch im Online-Lebensmittelshop<br />
gültig. So können Sie bei der bequemen<br />
Lieferung nicht nur Zeit, sondern auch<br />
eine Menge Geld sparen. Zudem haben<br />
Sie daheim an der Haustür das gleiche<br />
unkomplizierte Rückgaberecht wie an<br />
der Kasse: Sollten Sie feststellen, dass ein<br />
bestellter Artikel nicht Ihren Vorstellungen<br />
entspricht, so verweigern Sie einfach die<br />
Annahme oder geben ihn direkt beim<br />
Lieferanten zurück. Ganz klar: Sie bezahlen<br />
selbstverständlich nur die angenommenen<br />
Artikel.<br />
Die kundenfreundliche Gebühr für<br />
den Lieferservice im Lebensmittelshop<br />
auf real.de beträgt bis zu 7,95 Euro. Sie<br />
ergibt sich aus verschiedenen Faktoren, die<br />
im Lauf der Bestellung sehr transparent<br />
angezeigt werden. Dazu gehört etwa, wie<br />
hoch der Warenwert ist und welcher Zeitraum<br />
für die Zustellung des Einkaufs<br />
ausgewählt wird. Soll beispielsweise die<br />
Lieferung noch am selben Tag erfolgen,<br />
kostet das den geringen Aufschlag von<br />
1,50 Euro. Bis zu zwei Getränkekisten oder<br />
anderes Sperrgut sind dabei ohne weiteren<br />
Zuschlag enthalten. Erst ab dem dritten<br />
Sperrgutartikel berechnet real zusätzlich<br />
1,50 Euro.<br />
Wer Payback-Punkte sammelt, wird<br />
von real sogar doppelt beliefert. Denn für<br />
je zwei Euro Umsatz wird Ihnen ein Payback-Punkt<br />
auf dem Konto gutgeschrieben.<br />
Sie müssen lediglich beim Bestellen die<br />
Payback-Nummer eingeben, die Gutschrift<br />
erfolgt automatisch kurz nach jeder<br />
Rechnungsstellung.<br />
JETZT NEU!<br />
IM DEZEMBER 2019<br />
FRENZELS WEINSCHULE BAND 2<br />
Nach dem großen Erfolg des ersten Bandes folgt nun mit FRENZELS WEIN-<br />
SCHULE 2 die Fortführung für alle, die tiefer in das Thema Wein einsteigen wollen.<br />
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Ab 1.1.2020 € 69,90 (D)<br />
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IM NOVEMBER 2019<br />
JÜRGEN DAVID<br />
BUTCHER’S REVOLUTION<br />
Das erste Buch über und mit Metzgermeister<br />
Jürgen David, DER Koryphäe für Dry-Aged-<br />
Beef in Deutschland. Wort- und bildreich schildert<br />
er seinen Werdegang von der traditionellen<br />
Dorfmetzgerei zur preisgekrönten Hall of Beef.<br />
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<strong>DAS</strong> KOCHBUCH<br />
Wie kocht man aroma- und vitaminschonend? Welcher<br />
Wein passt am besten zu welchem Essen? Und<br />
wie lassen sich eigentlich kleine und vor allem große<br />
Events im privaten Rahmen gut planen?<br />
Antworten auf diese und zahlreiche andere Fragen<br />
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Heute erinnert sich kaum einer mehr daran, wie besonders das<br />
Saarland, dieses kleinste Flächenland der Bundesrepublik,<br />
eigentlich ist. Dabei war das Land ein ewiger Zankapfel<br />
zwischen Deutschland und Frankreich. Was politisch häufig schmerzhaft<br />
war, erwies sich aus kulinarischer Sicht als Segen. Mit nachhaltigem<br />
Erfolg: In keinem deutschen Bundesland gibt es mehr Michelin-Sterne<br />
als im Saarland. Klaus Erfort wurde 1972 in Saarbrücken geboren. In<br />
der üblichen kulinarischen Zeitrechnung zählt man dies als Jahr Eins<br />
des deutschen Küchenwunders, das mit der Eröffnung des Münchner<br />
Restaurants Tantris unter Chefkoch Eckart Witzigmann seinen Anfang<br />
nahm. Dass es ein solches im Saarland längst gab, hatte der junge Klaus<br />
Erfort zunächst gar nicht mitbekommen. Der strenge Beamtenhaushalt,<br />
in dem er aufwuchs, hatte mit derlei Possen nichts am Hut, zumal die<br />
Mutter früh starb. Das änderte sich beinahe über Nacht, als dem vierzehnjährigen<br />
Schüler ein Praktikum in den Winzerstuben d’Alsace von<br />
Rudi Kubig zugeteilt wurde.<br />
Der junge Erfort tauchte für einige Wochen in diese für ihn völlig<br />
neue Welt ein und war danach ein anderer. Nach dem Praktikum half er<br />
noch einige Male aus und begann nach der Schulzeit 1987 eine Koch-<br />
Klingt eigentlich ganz schlicht und einfach: auf Meersalz<br />
gegarte Langoustines »Royales« mit gegrilltem jungem<br />
Lauch. Wenn Klaus Erfort mit seinem Küchenteam seinen<br />
»Signature Dish« zubereitet, wird daraus eine Speise in<br />
Sternequalität. Erforts Geheimnis: nur allerbeste Zutaten,<br />
auf den perfekten Punkt gegart, im Mittelpunkt immer<br />
das Produkt! Da verwundert es nicht, dass der gebürtige<br />
Saarländer jedes Jahr aufs Neue mit allerhöchsten Auszeichnungen<br />
bedacht wird.<br />
DREI STERNE<br />
KLAUS ERFORT<br />
Von STEFAN PEGATZKY<br />
Fotos AXL KLEIN & MARTIN REPPLINGER<br />
Man könnte meinen, er ist endlich angekommen. Wie er am neuen Chef ’s Table seines<br />
Restaurants in Saarbrücken sitzt, den Blick über den weitläufigen Garten streifen lässt<br />
und dabei per Telefon die Bestellungen für den nächsten Tag durchgibt: Das ist so<br />
selbstverständlich wie souverän. Etwas mehr als fünfzehn Jahre ist er hier nun der Chef,<br />
im historischen Gästehaus der Saarbergwerke AG, das heute GästeHaus Klaus Erfort<br />
heißt. Von Stillstand ist bei ihm allerdings immer noch nichts zu spüren, im Gegenteil:<br />
eher eine immerwährende, kreative Unruhe.<br />
lehre bei Gertrud Thiel in Saarbrücken. Das Restaurant war nicht ohne<br />
Ambitionen, aber doch auch nicht das, was er in der Winzerstube kennengelernt<br />
hatte. Und so stach er heraus. Ein Kollege erinnert sich, dass Klaus<br />
Erfort in der Lehrzeit alle »an die Wand gekocht« habe. Nach der Ausbildung<br />
wechselte er in die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Villa<br />
Fayence im fünfunddreißig Kilometer entfernten Wallerfangen. Doch<br />
auch das war Klaus Erfort nicht genug, und so ging es in den Norden<br />
des Saarlandes, nach Tholey, in Josef Hubertus’ Hotellerie – was ebenfalls<br />
nicht das Richtige war. Nach einem Jahr stand Klaus Erfort also<br />
wieder dort, wo alles seinen Anfang genommen hatte: in der Küche der<br />
Winzerstube in Saarbrücken.<br />
Wer weiß, wo er heute stünde, hätte er nicht im Januar 1992<br />
die Idee gehabt, mit seiner Freundin nach Baiersbronn zum<br />
kulinarischen Bildungsurlaub zu reisen. Dort hatte Karlheinz<br />
Schuhmair zwei Michelin-Sterne im Restaurant Bareiss des Kurhotels<br />
Mitteltal erkocht – und wohl nur der unwirtlichen Jahreszeit war es zu<br />
verdanken, dass die mittägliche Reservierungsanfrage für den Abend<br />
positiv beschieden wurde. Beim Restaurantbesuch erfuhr Erfort von<br />
einem Stellenangebot, am Tag darauf folgte das Vorstellungsgespräch,<br />
und am 1. März stand der Jungkoch aus dem Saarland in einer Küche<br />
im Schwarzwald. Für ihn war es ein Schritt heraus aus der Komfortzone<br />
seiner Heimat. Und zugleich der Anschluss an die zeitgenössische<br />
Spitzenküche: München und Wertheim-Bettingen galten spätestens<br />
Ende der Siebzigerjahre als Hauptstädte der deutschen Gourmets – und<br />
seit 1992 galt das auch für den Luftkurort Baiersbronn. Platzhirsch vor<br />
Ort war die Familie Finkbeiner, die die Traube im Ortsteil Tonbach in<br />
den frühen Siebzigerjahren zu einem der besten Hotels Deutschlands<br />
ausgebaut hatte. Wichtigster Konkurrent: die Familie Bareiss und ihr<br />
Kurhotel Mitteltal.<br />
1978 gab es für die Schwarzwaldstube in der Traube-Tonbach bereits<br />
den zweiten Michelin-Stern. Doch das Bareiss blieb dicht auf den Fersen<br />
und zog 1984 mit zwei Sternen gleich, die Karlheinz Schuhmair seit 1989<br />
verteidigen konnte. Unübersehbar hatte die Schwarzwaldstube unter<br />
Harald Wohlfahrt allerdings bereits Kurs auf den dritten Stern genommen.<br />
Auch darauf reagierte Hermann Bareiss, indem er dem jungen Claus-<br />
Peter Lumpp durch Drei-Sterne-Köche in München, Monte Carlo und<br />
Mailand den letzten Feinschliff geben ließ. Exakt an dem 1. März 1992<br />
schließlich, an dem Klaus Erfort seine Arbeit im Restaurant Bareiss<br />
begann, kehrte Lumpp nach Baiersbronn zurück und löste Karlheinz<br />
Schuhmair als Chefkoch ab.<br />
Man muss diesen Hintergrund kennen, um zu verstehen, warum<br />
diese Jahre für die Karriere von Klaus Erfort entscheidend waren. Der<br />
Wechsel vom Saarland in den Schwarzwald bedeutete nicht einfach<br />
den Aufstieg von der Ein- in die Zwei-Sterne-Gastronomie. Es war der<br />
Sprung von der gehobenen Küche in die dünne Luft der europäischen<br />
38 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 39
Spitzenköche beim<br />
Schnibbeln: Klaus Erfort<br />
(rechts) und Mirko<br />
Bunk bereiten da mal<br />
was Schönes für die<br />
Gäste vor, zum Beispiel<br />
ein frühlings-traumhaftes<br />
Dessert -<br />
mit Rhabarber,<br />
Champagner und Erdbeeren.<br />
Spitzengastronomie. Dass der junge Erfort diese Herausforderung<br />
unter dem hochambitionierten Claus-Peter Lumpp meisterte, war<br />
die entscheidende Bewährungsprobe seiner Karriere. Kein Wunder,<br />
dass sich seine Aufmerksamkeit bald auf ein neues Ziel richtete: Im<br />
September 1993 wechselte er also zu Harald Wohlfahrt. Spätestens<br />
nachdem Erfort sich auch hier bewährt hatte, zählte er zu den vielversprechendsten<br />
Nachwuchstalenten des Landes. Bereits im Jahr darauf<br />
erhielt der Einundzwanzigjährige ein verlockendes Angebot für eine<br />
Küchenchef-Stelle in der Orangerie im Parkhotel Gengenbach in Völklingen.<br />
Klaus Erfort ließ sich überzeugen und verteidigte umgehend<br />
den bereits bestehenden Stern.<br />
Im März 1999 wechselte Klaus Erfort als Küchenchef ins feudale<br />
Gourmetrestaurant Imperial im Schlosshotel Bühlerhöhe. Das<br />
Anwesen war seit seinem Bau 1912 so etwas wie die Gralsburg der<br />
deutschen Grand-Hotellerie. Zum Tempel der Gastronomie hatte es 1986<br />
der Industrielle Max Grundig machen wollen, doch das war krachend<br />
schiefgegangen. Ende der Neunzigerjahre gab es erneut hochfliegende<br />
Pläne für die Luxusimmobilie. SAP-Gründer und Investor Dietmar Hopp<br />
erwarb das Haus. Wichtiges Puzzlestück: ein unter Klaus Erfort für<br />
Furore sorgendes Gourmetrestaurant Imperial, über dem nach kurzer<br />
Zeit der erste Stern leuchtete. Wenig später war das Abenteuer auch<br />
schon wieder vorbei, das Hotel verkauft. Der große Traum in Bühl war<br />
ausgeträumt – und Klaus Erfort<br />
um einiges an Erfahrung reicher.<br />
Noch einmal, so sagte er sich, sollte<br />
ihm so etwas nicht passieren. Dazu<br />
musste er jedoch sein eigener<br />
Chef werden. Am 5. März 2002<br />
eröffnete er, knapp dreißigjährig,<br />
sein Restaurant im ehemaligen<br />
Gästehaus der Saarbergwerk AG<br />
in Saarbrücken. Der Kreis hatte<br />
sich geschlossen. Noch im selben<br />
Jahr erkochte er sich den ersten<br />
Michelin-Stern, 2004 den zweiten<br />
und 2007 schließlich den dritten,<br />
der ihn seit dieser Zeit ununterbrochen<br />
schmückt.<br />
Kaum einer denkt darüber<br />
nach, ob die Tatsache, dass<br />
Klaus Erfort selbstständig ist, die<br />
Art seines Kochens beeinflusst.<br />
In Deutschland, dem Land der<br />
Dichter und Denker, entdecken<br />
Gourmets im Spitzenkoch gerne<br />
den Künstler – und sind unangenehm<br />
berührt, wenn sie an die<br />
wirtschaftlichen Grundlagen der<br />
Branche erinnert werden. Erfort<br />
selbst versteht sich in erster Linie<br />
als Unternehmer und will mit<br />
seiner Arbeit vor allem die Gäste<br />
glücklich machen und nicht sich<br />
selbst einen Platz im Pantheon<br />
der Kochgeschichte sichern.<br />
So hat Klaus Erfort an den drei<br />
wichtigsten Orten seiner Karriere<br />
drei unterschiedliche Wege<br />
kennengelernt, um die Magie einer<br />
großen kulinarischen Erfahrung zu<br />
erzeugen: die opulente Produktinszenierung<br />
bei Claus-Peter<br />
Lumpp, den perfekten, variantenreichen<br />
Telleraufbau durch eine<br />
vielköpfige Brigade bei Harald<br />
Wohlfahrt und die Verzauberung<br />
durch eine einzigartige Örtlichkeit auf der Bühlerhöhe. Das war in jedem<br />
Fall nur möglich gewesen, weil die Eigentümer die Küche als Zuschussgeschäft<br />
verstanden hatten und sie entsprechend subventionierten. Für<br />
einen Selbstständigen wie Klaus Erfort war das nicht machbar, und so<br />
entnahm er jeweils gleichsam die Essenz der Ansätze – die Produkte,<br />
die Präzision der Prozesse und das Raumkonzept – und fügte sie in<br />
seinem GästeHaus zu einem Ganzen zusammen. Vielleicht ist das der<br />
Schlüssel seines Erfolges, dass sich seine vielgerühmte »Reduktion<br />
auf das Wesentliche« unter dem Druck des »echten Lebens« bildete.<br />
Erfort selbst nennt das Jahr 2004 als den Zeitpunkt, in dem er<br />
fokussierter wurde und sich sein eigener Stil zu bilden begann. Es ist<br />
eine in der französischen Haute Cuisine wurzelnde Küche: Mit großer<br />
Aufmerksamkeit für Proportion und Balance der einzelnen Gänge,<br />
kulinarisch sinnvoll und von wenigen Komponenten begleitet. Und<br />
doch lässt sich diese Küche stilistisch nicht leicht festlegen. Das liegt<br />
daran, dass Erfort sich beständig weiterentwickelt. Es ist eben die<br />
Maximierung des Geschmacks, um die es ihm geht. Eine Kritikerin hat<br />
einmal von »Deep Taste« gesprochen. Da kann dann neben filigrane<br />
Kompositionen auch etwas Deftiges treten, aber selbst das gelingt,<br />
wie im Magazin Feinschmecker einmal zu lesen war, »Klaus Erfort<br />
und seinem Team wie ein Spitzentanz«. Tatsächlich entsprechen der<br />
Konzentration auf dem Teller die perfekten Arbeitsabläufe hinter den<br />
Kulissen: Gerade einmal acht Mann stehen unter der Regie von Sous-<br />
Chef Stephan Krogmann in der Küche. Nicht von ungefähr sind deshalb<br />
Erfort die Stimmung und der Zusammenhalt im Team sehr wichtig.<br />
»Die Wahrheit liegt auf dem Teller« ist das Motto im GästeHaus und<br />
meint, dass eben das »ungeschminkte« gute Produkt die Hauptsache<br />
ist. Der Satz lässt sich auf zwei Arten betonen, einmal auf »Teller«, aber<br />
eben auch auf »Wahrheit«. Und dann fängt man an, den Anspruch von<br />
Klaus Erfort zu begreifen.<br />
Sind Sie ein<br />
cleverer Überflieger?<br />
Dann seien Sie auch so smart, Ihre Werbung<br />
mit Produkten zu bezahlen.<br />
Ihr Klaus Westrick<br />
Klaus Erfort | Drei Sterne – Zu Hause<br />
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40 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>
ALLES KÄSE!<br />
Käse<br />
Von URSULA HEINZELMANN Fotos CHRISTOF HERDT<br />
ist so vielfältig, von einfacher Stärkung, unprätenziös und erschwinglich, bis hin zu<br />
lang gereifter Rarität, kann handwerklich auf kleinen Höfen oder im großen Stil industriell<br />
erzeugt werden. Immer ist er jedoch Ausdruck einer ganz bestimmten Situation, spiegelt<br />
Klima und Landschaft, Menschen und Tiere, Erinnerungen und Träume wider. Flüssige<br />
Milch zu festem Käse zu verarbeiten, das ist unseren Vorfahren in grauer Vorzeit nicht aus<br />
Jux und Tollerei oder gar Langeweile eingefallen. Ihnen ging es darum, mit den ihnen zur<br />
Verfügung stehenden Mitteln etwas leicht Verderbliches haltbar zu machen, für die langen<br />
Monate ohne frische Milch, aber auch für die Möglichkeit des Transports, aus abgelegenen<br />
Tälern und hinunter von der Sommer-Alpe, auf die Märkte.<br />
Solche wirtschaftlichen Zwänge stecken hinter vielen<br />
Entwicklungen, und häufig machen sie sich irgendwann<br />
selbstständig: Heute kann frische Milch längst<br />
Riesenentfernungen zurücklegen, aber wir möchten trotzdem<br />
Käse essen, weil sich durch die Reifung der haltbaren,<br />
konzentrierten Milch ein derart faszinierendes Geschmacksuniversum<br />
auftut.<br />
Käsegeschmack entsteht durch die Arbeit unzählig<br />
vieler verschiedener Mikroorganismen. Zuerst beginnen<br />
die Milchsäurebakterien, die Laktose, den Milchzucker,<br />
in Milchsäure umzuwandeln – je härter und älter der Käse,<br />
desto mehr tendiert er zu kompletter Laktosefreiheit. Dann<br />
werden Eiweiß und Fett ab- und umgebaut: Der Käse reift.<br />
Dabei entstehen kleine, flüchtige Moleküle, von fruchtigblumigen<br />
Estern bis hin zu würzigen Aminosäuren und<br />
Schwefelverbindungen – der Duft wird immer komplexer.<br />
Und die Textur verändert sich: Weiche Käse werden cremig,<br />
bisweilen sogar wieder flüssig; harte Käse sind in ihrer<br />
Jugend elastisch und werden dann immer spröder und<br />
bröckeliger. Unzählige Varianten bescheren uns dabei<br />
die ebenso unendliche Vielfalt an Käsesorten. Die Milch<br />
wird von der Tierart und -rasse beeinflusst, ihrer Haltung<br />
und Ernährung. In der Käserei kann die Milch dann entweder<br />
euterwarm mit der ganzen natürlichen komplexen<br />
Zusammensetzung als sogenannte Rohmilch direkt weiterverarbeitet<br />
oder beim Risiko von schädlichen Keimen durch<br />
das Pasteurisieren kurzzeitig erhitzt werden. Es lässt sich<br />
mit den natürlichen Bakterien und Hefen arbeiten oder<br />
mit selektierten kommerziellen. Und am Kessel selbst und<br />
im Reiferaum schließlich entscheiden Feuchtigkeit und<br />
Temperatur, welche Kleinstlebewesen wann und wie aktiv<br />
werden.<br />
Zu erschmecken ist all das am besten, wenn der Käse<br />
nicht zu kalt ist, man ihn also rechtzeitig aus dem Kühlschrank<br />
nimmt. Und dazu nicht übermäßig dominante<br />
Begleiter serviert! Der Löffel Erdbeermarmelade auf dem<br />
Frühstückskäse, der Klacks Feigensenf zu einem sehr jungen<br />
Schnittkäse, wunderbar! Fein gereifte Hof- oder Alpkäse<br />
hingegen, das sind Charakterdarsteller, die man ebenso<br />
ungeschminkt genießen sollte, wie man auch einen Spitzenwein<br />
eher nicht mit Limonade mischt. Ganz im Gegenteil:<br />
Alle fünf Sinne und die ganze Aufmerksamkeit sind<br />
gefragt, um die Geschichte, die in jedem guten Käse steckt,<br />
in ihrer ganzen spannenden Länge zu riechen, zu fühlen<br />
und zu schmecken.<br />
42 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 43
Aus Österreich: Tiroler Alm- oder Alpkäse<br />
Traditionell ziehen die Bergbauern im Sommer mit den Kühen auf höher<br />
gelegene Gebirgsweiden, um im Tal für den Winter Heu machen zu<br />
können. In den Berghütten, die im Tiroler Oberland Alpen, im Unterland<br />
jedoch Almen heißen, wird die besonders charaktervolle Milch<br />
in großen Kupferkesseln sofort verarbeitet. Die alten, traditionellen<br />
Methoden sind längst geschützt, und es kommt ausschließlich natürliches<br />
Kälberlab zum Einsatz. Die großen Laibe lassen sich gut lagern<br />
und sind stabil genug für den Weg ins Tal und darüber hinaus. Nicht<br />
nur in Tirol ist das urkundlich ab Mitte des 16. Jahrhunderts belegt.<br />
So lässt sich die Würze des Tiroler Sommers mitten im Winter an weit<br />
entfernten Orten genießen, und es werden durch die Beweidung auch<br />
Landschaften erhalten, die sonst verwalden oder Lawinen zum Opfer<br />
fallen würden: Käse ist Teil einer ganzen Kultur.<br />
Aus Deutschland: Allgäuer Bergkäse, achtzehn Monate gereift<br />
Bayern ist das deutsche Käseland schlechthin und das Allgäu mit vielen glücklichen Kühen<br />
dessen Herzstück. Allgäuer Käse ist vor allem Käse aus den Bergen – wo sich mit jedem Höhenmeter<br />
der Bewuchs der Weiden ändert und die Milch mit wichtigen Nährstoffen anreichert.<br />
Nach dem Vorbild der Schweiz wird der allergrößte Teil der Milch unbehandelt zu großen<br />
Hartkäserädern verarbeitet, die typischerweise um dreißig Kilogramm wiegen. Sogenannte<br />
Rotschmierkulturen sorgen während der Reife für zusätzliche Würze und eine stabile Rinde,<br />
die vollkommen natürlich und das Probieren durchaus wert ist. In derart konzentrierter<br />
Form – aus elf bis zwölf Litern Milch entsteht ein Kilo Käse – verläuft die Reife verhältnismäßig<br />
langsam. Mit drei Monaten erinnern die Aromen noch an die süßsäuerliche frische<br />
Milch, während ein unter besten Bedingungen gereifter »überjähriger« achtzehn Monate<br />
alter Käse wunderbar komplex wirkt, bisweilen sogar an getrocknete gelbe Früchte und<br />
Tabakblätter denken lässt.<br />
Aus Spanien: Queso Manchego<br />
Der Manchego ist nach der Hochebene von La Mancha im Zentrum<br />
von Spanien südlich von Madrid benannt. Es ist das Land von Don<br />
Quichotte – aber auch der Schäfer, deren Tiere selbst in der sonnenverbrannten<br />
Dehesa noch genügend Nahrung finden. Die zumeist cremeweißen<br />
Manchega-Schafe geben wenig, aber dafür um so aromatischere<br />
Milch, die zu drei Kilogramm schweren Laiben verarbeitet wird. Nach<br />
mindestens sechs Monaten Reife ist der Manchego ein harter, aber nicht<br />
trockener Käse, dessen Oberfläche den einst gebräuchlichen Formen aus<br />
geflochtenem Esparto-Gras nachempfunden ist. Manchego wirkt ein<br />
wenig ölig aufgrund der hohen Konzentration der Milch; die Aromen<br />
erinnern an das lanolinweiche Fell der Tiere sowie an Paranüsse und<br />
enden mit einem erfrischenden Zitronenschalen-Touch. Wunderbar mit<br />
einem kräftigen jungen Rotwein oder auch einem trockenen Sherry!<br />
Aus Irland: Cashel Blue<br />
Von der irischen Bäuerin Jane Grubb 1984 in der Küche ihres Milchbauernhofs<br />
in Tipperary »erfunden«, gehört der Cashel Blue zu den<br />
Pionieren der irischen Käse-Renaissance. Heute kaufen die Grubbs<br />
zur Milch ihrer eigenen Kühe auch die mehrerer benachbarter Höfe,<br />
weil ihr Käse nahezu weltweit äußerst beliebt ist. Kein Wunder: Der<br />
nach dem sagenumwobenen Rock of Cashel, Sitz von Feen, Geistern<br />
und Clans, benannte Blauschimmelkäse ist etwas ganz Besonderes und<br />
doch nicht kompliziert oder anstrengend. Mit acht Wochen ist er eher<br />
jung und noch etwas bröckelig, nach über drei Monaten zergeht er auf<br />
der Zunge, die üppige, cremige Art von feiner Säure belebt. Die blauen<br />
Adern und Einsprengsel von Penicillium roqueforti, den gleichen Edelschimmel-Kulturen<br />
wie beim südfranzösischen Klassiker Roquefort,<br />
sorgen für eine zusätzliche Dimension an Würze.<br />
Aus der Schweiz: Le Gruyère<br />
Zwischen Bern und Genf liegt in der Westschweiz, im Kanton Fribourg, das Greyerzerland,<br />
wo sich das Käsemachen in dieser Form urkundlich sogar bis auf Anfang des zwölften Jahrhunderts<br />
zurückverfolgen lässt. Heute wird Le Gruyère, wie er auf französisch heißt und<br />
europaweit geschützt ist, in weiten Teilen der Westschweiz erzeugt. Es sind große, mehr<br />
oder weniger harte Laibe, die mindestens fünf Monate alt sein müssen, wenn sie in den<br />
Handel und die Regale der real-Märkte kommen. Sie entstehen zumeist in kleinen Dorfkäsereien<br />
und reifen in zentralen Lagern. Feuchtigkeit und Temperatur sind dabei entscheidend<br />
für das Endergebnis, damit die Rinde nicht austrocknet und sich die Aromen<br />
voll entfalten können, die typischerweise runder und voller wirken als bei vergleichbaren<br />
Käsen aus dem Allgäu oder Tirol – bester Stoff fürs Fondue!<br />
Aus Italien: Robiola<br />
Ein alter Käse mit sehr vielen Varianten aus dem Piemont und der<br />
Lombardei in Norditalien, dessen Name wahrscheinlich auf »rubium«<br />
für rot zurückgeht, aufgrund der Farbe manch reiferer Robiola-Käse.<br />
Einige Erzeuger wickeln ihn in Wirsingblätter, andere in Kastanienoder<br />
Feigenlaub. Um ihn bis in den Winter aufheben zu können, wird<br />
er gelegentlich auch in Öl eingelegt, mit Wachs überzogen oder mit<br />
Asche und Gewürzen umhüllt und getrocknet. Meistens ist es jedoch<br />
ein sehr junger, weißer und leicht säuerlicher Käse, aus Ziegen- oder<br />
einem Gemisch aus Kuh-, Ziegen- und gelegentlich auch Schafsmilch.<br />
Robiola sollte dann möglichst frisch genossen werden. Er schmeckt<br />
großartig mit einem Tropfen Honig oder ein wenig Olivenöl und sorgt<br />
in der Küche für besonders cremige Pasta- und Risottogerichte.<br />
Aus Frankreich: Vacherin Mont-d’Or<br />
Der kleine, weiche Bruder des Gruyère wird auf beiden Seiten der Grenze erzeugt – in<br />
Frankreich, in der Franche-Comté, jedoch grundsätzlich aus unbehandelter Rohmilch.<br />
Immer sind es aber die reichhaltige winterliche Heumilch, der Ring aus Rotfichtenrinde<br />
und die Reifung auf Holzbrettern, die ihm seinen besonderen Charakter verleihen. Er reift<br />
mindestens drei Wochen in der Käserei und wird dann in Spanschachteln verpackt. So lockt<br />
er von September bis ins Frühjahr in den real- Käsetheken – ein perfekter Käse für die Feiertage!<br />
Am besten kauft man ihn in gut handtellergroßem Format und im Ganzen. Er sollte<br />
ein paar Falten haben, die hellrorangefarbene Rinde fein-weiß-samtig überzogen sein. Nach<br />
ein paar Minuten im warmen Ofen lässt er sich buchstäblich mit dem Löffel essen, und die<br />
leicht harzigen Noten sind am Rand besonders ausgeprägt.<br />
Sämtliche Käsesorten sind in den real-Märkten erhältlich.<br />
44 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 45
WEIHNACHTSGESCHENK?<br />
BAR IN DER BOX!<br />
Foto: Guido Bittner<br />
DER VERKLÄRTE<br />
BRATAPFEL<br />
Von EDDA LAMPRECHT<br />
Als ich klein war, las mir meine Mutter Jahr für Jahr im Dezember »Schnüpperle – vierundzwanzig Geschichten<br />
zur Weihnachtszeit« vor. In dem Buch von Barbara Bartos-Höppner, 1969 erschienen, wird erzählt, wie der<br />
fünfjährige Schnüpperle den Advent erlebt. Für jeden Tag vom ersten Dezember bis zum Heiligabend gibt<br />
es ein Kapitel. Eines meiner Lieblingskapitel war »Der 6. Dezember«, denn der Nikolaustag war der Tag, an<br />
dem die Mutter des Jungen »Äpfel in den Bratofen legt«, während es draußen anfängt, dunkel zu werden: Sie<br />
»knipst das Licht noch nicht an, aber sie stellt eine brennende Kerze auf den Tisch«. Daraufhin Schnüpperle,<br />
zufrieden mit der Gesamtsituation: »Jetzt ist es so richtig bratäpfelschummerig.«<br />
1 Flasche prämierter Muscatel Distilled Gin 0,5 l<br />
1 Buch Cocktailian aus dem Tre Torri Verlag<br />
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Bratäpfelschummerig. Seit meine Mutter mir dieses Wort vor rund<br />
vierzig Jahren zum ersten Mal vorgelesen hat, beschreibt es mein<br />
Adventsnachmittags-Ideal: Draußen ist es kalt und düster, drinnen<br />
sitzt man warm beisammen in der von Kerzenschein erhellten Küche,<br />
voller Vorfreude aufs Weihnachtsfest und auf die Bratäpfel, die noch im<br />
Ofen brutzeln, aber schon ihren köstlichen Duft verbreiten.<br />
Seit ich meine Mutter damals dazu genötigt habe, ebenfalls Äpfel in<br />
den Bratofen zu legen, ist aber auch klar, dass es bei der Verwirklichung<br />
meines Ideals ein entscheidendes Problem gibt, nämlich: Ich mag Bratäpfel<br />
eigentlich gar nicht. Jedenfalls nicht annähernd so gern, wie ich sie<br />
aus stilistischen Gründen gern mögen würde.<br />
Ich kann meine Abneigung erklären. Erstens, Bratäpfel schmecken<br />
nur, wenn sie richtig heiß sind. Doch wenn sie richtig heiß sind, verbrennt<br />
man sich in neun von zehn Fällen die Zunge. Zweitens, das Innere<br />
von Bratäpfeln ist immer zu weich, die Schale ist immer zu hart. Drittens,<br />
das Beste am Bratapfel ist die Füllung, meiner Meinung nach. Das Zweitbeste<br />
am Bratapfel sind die Beilagen, Vanilleeis oder Vanillesauce. Der<br />
Apfel ist am Bratapfel nur das Drittbeste, also notfalls verzichtbar. Und<br />
viertens, um Platz für eine Füllung zu haben, muss das Kerngehäuse des<br />
Apfels ausgestochen werden, das gelingt meist nur unvollständig, sodass<br />
kleine Reste des Gehäuses erst mitgegart werden und dann in meinem<br />
Mund landen. Kerngehäusereste finde ich fast so eklig wie Fischgräten.<br />
Obwohl ich meine fehlende Bratapfelbegeisterung also gut begründen<br />
kann, war sie mir lange unangenehm. Sie scheint zu beweisen, wie<br />
generationentypisch anspruchsvoll ich bin: Früher – in den alten Kinderbüchern<br />
– waren die Menschen dankbar für einen gebratenen Apfel, den<br />
46 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />
sie mit Zucker bestreuen durften. Heute muss es irgendwas mit Tonkabohne<br />
oder Tahitivanille, wenigstens eine Mousse au Chocolat oder ein<br />
Marillenknödel sein, um Augen zum Leuchten zu bringen. Nur in Spanien,<br />
erzählte mir eine dort lebende Bekannte, sei der »manzana al horno«<br />
noch ein üblicher Nachtisch, den man in fast jeder Gaststätte bestellen<br />
könne, serviert werde er ganzjährig, meist kalt, mit Karamellsauce und<br />
Kerngehäuse. Ja, auch Spanien hat seine Schattenseiten.<br />
Kürzlich aber habe ich beschlossen, mich meines widersprüchlichen<br />
Verhältnisses zum Bratapfel nicht länger zu schämen. Denn eine nicht<br />
repräsentative Umfrage in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat<br />
ergeben, dass ich nicht die Einzige bin, die Bratäpfel zwar unlecker, aber<br />
dennoch höchst romantisch findet. Kein Wunder, schließlich haben wir<br />
fast alle in der Kindheit irgendwelche Geschichten gehört und gelesen,<br />
in denen der Bratapfel als Inbegriff winterweihnachtlicher Gemütlichkeit<br />
verklärt wurde – etwa bei Astrid Lindgren und Otfried Preußler<br />
oder im Gedicht »Der Bratapfel«: »Kinder, kommt und ratet, was im<br />
Ofen bratet! Hört, wie’s knallt und zischt. Bald wird er aufgetischt, der<br />
Zipfel, der Zapfel, der Kipfel, der Kapfel, der gelbrote Apfel.« Eine<br />
solche frühkindliche Prägung schüttelt man nicht einfach ab, nur weil<br />
man erwachsen ist.<br />
Besonders romantisch finde ich übrigens die Tradition in der Familie<br />
eines Freundes, in der es immer dann Bratäpfel gibt, wenn die allerersten<br />
Schneeflocken des Jahres gefallen sind. Ich denke darüber nach, dies zu<br />
kopieren, denn Familientraditionen sind einerseits etwas sehr Herzerwärmendes.<br />
Andererseits halte ich es wohl aus, einmal pro Jahr einen<br />
Bratapfel essen zu müssen, der Romantik zuliebe …<br />
Das Beste heute genießen<br />
und für die Zukunft erhalten.<br />
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