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FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 3|2019 - Eine Sonderbeilage des Tre Torri Verlags

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 3|2019 - Eine Sonderbeilage des Tre Torri Verlags

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<strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />

EINE SONDERBEILAGE DES TRE TORRI VERLAGS · DER VERLAG <strong>FÜR</strong> ESSEN, TRINKEN <strong>UND</strong> <strong>GENUSS</strong> 3 | 2019<br />

URSPRUNG:<br />

DIE INDIVIDUALITÄT DER HERKUNFT<br />

EINE HANDELSKETTE SETZT AUF AUTHENTIZITÄT


FALKE · P.O.BOX 11 09 - D-57376 SCHMALLENBERG / GERMANY<br />

VERLEGER <strong>UND</strong> HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

ralf.frenzel@fine-magazines.de<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Thomas Schröder<br />

thomas.schroeder@fine-magazines.de<br />

REDAKTION<br />

Kristine Bäder, Susanne Grendel<br />

ART DIRECTION<br />

Guido Bittner<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Ursula Heinzelmann, Uwe Kauss, Edda<br />

Lamprecht, Dieter Mathiak, Dr. Stefan<br />

Pegatzky, Willy Picard, Angelika Ricard-<br />

Wolf<br />

FOTOGRAFEN<br />

Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes<br />

Grau, Alex Habermehl, Arne Landwehr,<br />

Marc Volk<br />

TITEL-FOTO<br />

Karotten, GUIDO BITTNER<br />

VERLAG<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

ANZEIGEN<br />

Judith Völkel<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

+49 611-57 990<br />

anzeigen@fine-magazines.de<br />

DRUCK<br />

Prinovis Ltd. & Co. KG · Nürnberg<br />

<strong>FINE</strong> Das Magazin für Genuss und Lebensstil<br />

ist eine Sonder beilage des Tre Torri Verlags<br />

im Verbund mit <strong>FINE</strong> Das Wein magazin,<br />

das viermal jährlich erscheint und im ausgesuchten<br />

Zeitschriftenhandel erhältlich ist.<br />

IN EINER WELT, in der alles immer schneller wird, jedes Bedürfnis und jeder Kaufimpuls<br />

mit nur einem Mausklick befriedigt werden kann, ist ein Einkauf auf dem Wochenmarkt eine<br />

geradezu altmodische Angelegenheit. Ein Spaziergang durch die Warenwelt des unmittelbaren<br />

Umlands die einzigartige Möglichkeit, mit den Erzeugerinnen und Erzeugern unserer Lebensmittel<br />

ins Gespräch zu kommen, und ist – ganz nebenbei – eine gute Gelegenheit, sich daran<br />

zu erinnern, welches Obst und Gemüse gerade Saison hat.<br />

Regionalität gewinnt für immer mehr Kundinnen und Kunden an Bedeutung: Klar – noch<br />

wachsen in Brandenburg keine Bananen, in der Gegend um Frankfurt am Main kann kein Seeteufel<br />

geangelt werden, und die frischen Tomaten stammen im November auch nicht vom Biobauernhof<br />

im Allgäu. Aber da, wo es möglich ist, ziehen immer mehr Menschen den Apfel aus<br />

dem Umland dem weitgereisten Produkt vom anderen Ende der Welt vor.<br />

Dass ein Lebensmittel, das den halben Erdball umrunden muss, um in unseren Supermärkten<br />

zu landen, oftmals billiger ist als ein gleiches vom zwanzig Kilometer entfernten Bauernhof, mag<br />

uns absurd vorkommen. Und dennoch, wer es sich leisten kann, ein paar Cent mehr zu bezahlen,<br />

dem gibt es ein gutes Gefühl zu wissen, dass dieses Geld den Landwirten aus der unmittelbaren<br />

Umgebung zugutekommt. Auch in der Gastronomie wird ein unbedingtes Bekenntnis<br />

zur Regionalität immer mehr zum Konzept: In zahlreichen Restaurants wird fast ausschließlich<br />

mit regionalen Zutaten gearbeitet. Einige verzichten dafür sogar auf Olivenöl und Zitronen –<br />

und kochen trotzdem auf höchstem kulinarischem Niveau. Insofern hilft Regionalität also auch<br />

dabei, einen neuen Blick auf die Vielfalt und den Reichtum unserer Heimat zu bekommen.<br />

In diesem Heft beschäftigen wir uns mit der Frage nach dem Ursprung der unterschiedlichsten<br />

Lebensmittel, ob und wie ein großer Handelskonzern den Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher<br />

nach Regionalität umsetzen kann. Und es ist bemerkenswert, wie gut das funktioniert!<br />

Für die Herstellung dieser Ausgabe hat die Einzelhandelskette real Produktionshilfe geleistet.<br />

INHALT<br />

FALKE Oxford Art. No. 15749 · FALKE Seidenglatt Art. No. 40490<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

wieder. Der Verlag haftet nicht für unverlangt<br />

eingereichte Manuskripte, Dateien, Datenträger<br />

und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten<br />

Artikel sind urheberrechtlich geschützt.<br />

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46<br />

MILCHKÄLBER AUS TIROL<br />

Bio-Fleisch vom Bergbauern<br />

THÜRINGER DUROC<br />

Ein echtes Original<br />

GRÜNES GOLD <strong>FÜR</strong> GOURMETS <strong>UND</strong> FLEISCHFANS<br />

Die Grafschaft Tipperary – wo die besten Rinder weiden<br />

F(R)ISCHE AHOI!<br />

Eine Fischauktion in der rauen Bretagne<br />

SCHROFFE FELSEN, REGEN <strong>UND</strong> FEINSTER LACHS<br />

Bio-zertifizierte Fischzucht im Westen Irlands<br />

MOLDAWISCHES GOLD<br />

Echter Kaviar aus nachhaltiger Zucht<br />

KURZE WEGE<br />

Obst und Gemüse aus der Region<br />

PURER <strong>GENUSS</strong> MIT GUTEM GEWISSEN<br />

Bananen und andere Exoten aus Bio-Kultur<br />

EINKAUFEN LASSEN – STATT EINKAUFEN GEHEN<br />

Stressfreier geht’s nicht<br />

DREI STERNE<br />

Klaus Erfort, Spitzenkoch mit Bodenhaftung<br />

ALLES KÄSE!<br />

Das Beste, was aus Milch werden kann<br />

DER VERKLÄRTE BRATAPFEL<br />

Was Kindheitsprägung so anstellt<br />

<strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 3


Theresia Prosser führt mit ihrem Mann Herbert den Schellhornhof,<br />

einen Oberauer Urhof auf neunhundertdreißig Metern Seehöhe<br />

in Wildschönau. Die Gemeinde aus vier Dörfern, mehreren<br />

Weilern und zahlreichen Einzelgehöften in den Kitzbüheler<br />

Alpen liegt fünfzehn Kilometer Luftlinie südlich von Kufstein.<br />

Unter der Traufe des Gutsgebäudes prangt eine eindrucksvolle<br />

Jahreszahl: 1526. »Der älteste Teil des Hauses hat noch einmal<br />

dreihundert Jahre mehr auf dem Buckel«, merkt Herbert<br />

Prosser nicht ohne Stolz an.<br />

MILCHKÄLBER<br />

AUS TIROL<br />

Von WILLY PICARD Fotos RUI CAMILO<br />

Der Schnellhornhof der Prossers ist einer unter dreitausend Betrieben, die sich zur Genossenschaft<br />

»Rinderzucht Tirol« zusammengefunden haben. Die für die Region typischen steilen Hanglagen<br />

und die klimatisch bedingten kurzen Vegetationsperioden bedingen die kleinstrukturierte Landwirtschaft,<br />

die sich hauptsächlich für die Viehhaltung eignet. Daher werden die meisten Höfe nur im Nebenerwerb<br />

geführt. Auch der mit zehn Hektar für die Region nicht einmal kleine Hof der Prossers könnte als<br />

landwirtschaftlicher Betrieb allein nicht bestehen. Vor seiner Verrentung war Herbert Prosser daher Forstmeister<br />

der Gemeinde. Dazu besaß die Familie bis vor acht Jahren noch zwanzig Milchkühe im Anbindestall.<br />

Doch aufgrund steigender Tierwohlanforderungen und verschärfter Richtlinien im Handel entschieden sie<br />

sich für eine Umstrukturierung und investierten in einen Laufstall für ihre Milchkühe. Seither werden die<br />

zehn Kühe nach Bio-Richtlinien gehalten. Die Umbaumaßnahmen waren eine Voraussetzung, um unter<br />

der Marke »Zurück zum Ursprung« des österreichischen Discounters Hofer ihre qualitativ hochwertige<br />

Milch verkaufen zu können. Durch den Verkauf des Milchkontingents von zwölftausend Litern erzielen<br />

sie nun einen Teil ihres Einkommens und können ihre Milch zu einem etwas höheren Preis auf den Markt<br />

bringen. Das andere Standbein der Prossers ist die Milchkalbaufzucht, die für die abgelegenen Höfe in dieser<br />

Region eine sinnvolle Verwertung der sogenannten Übermilch bietet. Also der Milch, die sie nicht über ihr<br />

Kontingent hinaus verkaufen können.<br />

Auf dem Schellhornhof werden bis zu acht Kälber im Jahr in der Mutterkuhhaltung aufgezogen. Kurz<br />

nach der Geburt wird jedes Kalb mit zwei Ohrmarken gekennzeichnet. »Die individuelle Nummer wird in<br />

einer Datenbank für Zuchtvieh erfasst«, erläutert Herbert Prosser den Vorgang, »jeder Ortswechsel der<br />

Tiere – selbst ein Sommer auf der Alm – ist dort verzeichnet. Nach dem Schlachten geht die Tiernummer<br />

in eine Chargennummer über. So ist bis ins Geschäft klar, woher das Tier stammt.«<br />

Morgens und abends kommen die Tiere zu den Müttern zum Säugen, so lässt sich auch kontrollieren,<br />

dass die Kälber ausreichend trinken. »Wir füttern die Kälber nicht mit Milch aus dem Eimer, sondern lassen<br />

sie direkt bei der Mutterkuh ans Euter. Das ist zwar deutlich aufwendiger, aber nicht zuletzt sorgen diese<br />

4 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 5


Zart und mild, so soll<br />

es sein: Kalbfleisch in<br />

allerfeinster Bio-Qualität<br />

aus Tirol. Es unterliegt<br />

strengen Kriterien<br />

hinsichtlich Haltung,<br />

Schlachtung und Verarbeitung.<br />

Dafür,<br />

dass es auch in den<br />

deutschen real-<br />

Märkten erhältlich ist,<br />

sorgt die Traditionsschlachterei<br />

Huber im<br />

österreichischen St.<br />

Johann. Die Maxime<br />

von Karl Huber junior<br />

(unten links) ist, stets<br />

das ganze Tier zu verarbeiten,<br />

denn »unedle<br />

Teile gibt es nicht«.<br />

Bedingungen dafür, dass die Fleischqualität unserer Tiere so gut ist.«<br />

Rund zehn Liter Milch braucht ein Kalb, um ein Kilogramm Gewicht<br />

zuzulegen. Etwa im Alter von vier Monaten erreichen die Kälber die<br />

Schlachtreife, also weit vor dem EU-Maximum von acht Monaten. Bis<br />

zu dieser Zeit wurden sie ausschließlich mit Milch und Stroh gefüttert<br />

und hatten entsprechend noch keinen Weidegang. Ihr Fleisch ist deshalb<br />

hell und besonders zart aufgrund des geringen Anteils an Bindegewebe.<br />

»Etwa acht bis zehn Jahre braucht es«, sagt Herbert Prosser,<br />

»bis man die Kälberaufzucht so beherrscht, dass sie sich auch wirtschaftlich<br />

lohnt.«<br />

Die Genossenschaft »Rinderzucht Tirol« betätigt sich als Planungsund<br />

Einkaufsorganisation und erwirbt in ganz Tirol etwa dreieinhalbtausend<br />

Kälber im Jahr. Sie übernimmt für die etwa neunhundert Kälberlieferanten<br />

der Genossenschaft auch die Logistik zu einem Schlachthof<br />

in der Nähe, um den Transportstress für die Tiere so gering wie möglich<br />

zu halten. Die Kälber vom Schellhornhof beispielsweise werden<br />

zur Schlächterei Huber in St. Johann transportiert. »Mein Großvater<br />

gründete den Schlachthof bereits 1924 im Zentrum des Ortes«, erzählt<br />

Karl Huber junior, der heute die Geschicke des Betriebs leitet. »Er<br />

hat damals schon einen Schwerpunkt auf das bei uns in Österreich so<br />

begehrte Kalbfleisch gelegt – nur das gehört schließlich zu einem echten<br />

Wiener Schnitzel. Das war wirklich weitsichtig!« Fünfzig Jahre später<br />

zog der Betrieb ins Industriegebiet vor die Tore der Marktgemeinde.<br />

Während beim Vater noch der Verkauf der Zuschnitte an Gastronomie<br />

und Handel im Vordergrund stand, erweiterte der Junior das Angebot<br />

auf die Weiterverarbeitung des Fleisches. Sein Ziel ist die Verwertung<br />

des ganzen Kalbs und nicht nur der Teilstücke aus dem Rücken oder<br />

der Keule: »Es wäre überhaupt nicht in unserem Sinne, vom Tierwohl<br />

einmal ganz abgesehen, nur die vermeintlich ›edlen‹ Teile zu<br />

verwenden!« Nose to Tail ist also auch hier die Maxime. In dem vergleichsweise<br />

kleinen Betrieb – gerade einmal dreißig Mitarbeiter sind<br />

in der Produktion beschäftigt – werden im Jahr fünfzehn- bis achtzehntausend<br />

Kälber geschlachtet. Die hochwertigen Produkte von Huber –<br />

»Kalbfleisch wie zu Großvaters Zeiten« – gelangen als zertifizierte<br />

Bio-Lebensmittel oder unter dem streng kontrollierten AMA-Gütesiegel<br />

auf den Markt und werden auch in die deutschen real-Märkte exportiert.<br />

Die Höfe der Bergbauern in Tirol sind, verglichen mit dem<br />

europäischen Mittel, eher klein – im Schnitt acht Hektar statt rund<br />

neunzehn. Doch Ackerbau und Viehzucht im Flachland, den Gunstlagen<br />

der Landwirtschaft, diktieren die Preise. Und dort dominiert die Quantität<br />

von Fleisch und Milch, nicht zuletzt bedingt durch die Größe der<br />

Betriebe immer noch über deren Qualität. Die meisten Tiroler Bauern<br />

reagieren auf den Preisverfall mit einer gesteigerten Produktion, aber das<br />

so erhöhte Angebot lässt die Preise nur weiter sinken. Um sich hiervon<br />

nicht abhängig zu machen, setzen Prosser und rund dreitausend Biobauern<br />

deshalb auf Qualität: weniger Produkte, dafür deutlich bessere,<br />

um dafür wiederum adäquatere Preise zu erzielen.<br />

EIN ECHTES<br />

ORIGINAL<br />

WARUM THÜRINGER DUROC NICHT EINFACH<br />

NUR SCHWEINEFLEISCH IST<br />

Von WILLY PICARD<br />

Fotos MARC VOLK und RUI CAMILO<br />

»Wie macht die das bloß?«, fragt man sich bei ihrem Anblick. Sie ist so rank und schlank, hat einfach das<br />

perfekte Gewicht und Aussehen, duftet verführerisch und ist absolut unwiderstehlich. Die Rede ist von –<br />

Bratwurst. Natürlich nicht irgendeiner. Es geht ums Original, die Thüringer Rostbratwurst, selbstverständlich<br />

auf dem Holzkohlegrill zubereitet. Dazu einen Klecks Thüringer Senf, noch so ein unverzichtbares<br />

Original. Serviert wird sie – nicht ohne Stolz – von Yves Panse, dem Vertriebsleiter der FM Fleischmarkt<br />

GmbH Aschara in Bad Langensalza.<br />

Weihnachten sei die umsatzstärkste Zeit fürs Unternehmen,<br />

sagt er und ergänzt: „Ein Weihnachtsmarkt in Thüringen<br />

ohne Bratwurst ist komplett undenkba!« Jeder waschechte<br />

Thüringer weiß, dass es sich bei der simplen Bezeichnung um die einzig<br />

wahre Rostbratwurst handelt, auch wenn sie quasi in jedem Ort<br />

anders heißt: in Gera beispielsweise Roster, in Erfurt Bratwurst. Die für<br />

den echten Geschmack unbedingt auf dem eingangs erwähnten Holzkohlegrill<br />

zubereitet werden müsse, erläutert der Vierundvierzigjährige.<br />

»Probieren Sie doch einfach mal!« In der Tat: Aromatisch-würzig<br />

schmeckt das gute Stück, mit einer Ahnung von Kümmel und einem<br />

Hauch von Knoblauch, mit feinem Biss, fest und knackig. Ganz genau so,<br />

wie eine richtig gute Bratwurst schmecken sollte. Verzeihung: Thüringer<br />

Rostbratwurst! »Geil, oder?« Yves Panse grinst. Er kennt schon diesen<br />

verzückten Blick, wenn jemand in diese Wurst beißt.<br />

Das »Nationalheiligtum«, für das es in Holzhausen sogar ein eigenes<br />

Museum gibt, ist eine von der EU geschützte Marke: Die Wurst, die seit<br />

über sechshundert Jahren Tradition hat, darf ausschließlich in diesem<br />

Bundesland mit einem genau festgelegten Gesamtfettgehalt hergestellt<br />

werden, nicht schwerer als einhundertfünfzig und nicht leichter als einhundert<br />

Gramm sein. Die regionaltypischen Rezepturen sind über-<br />

6 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 7


Für den Einkauf ist das Organisationstalent Yves Panse ebenso<br />

zuständig wie für den Verkauf; unermüdlich ist er unterwegs, sowohl<br />

in Thüringen als auch in der ganzen Republik, um Schweinefleisch –<br />

wieder – salonfähig zu machen. Schließlich handelt es sich nicht um<br />

irgendeines, sondern um <strong>DAS</strong> Thüringer Duroc. »Manchmal muss ich<br />

gar keine Werbung machen. Das können die Bratwürste ganz allein«,<br />

erzählt er. »Unsere fünfzehnjährige Tochter meinte zu Beginn des<br />

Jahres, sie müsse sich ab sofort nur noch vegetarisch ernähren. Das hat<br />

sie genau so lange geschaff, bis die ersten Würste auf dem Grill lagen.<br />

Dann hatte sich das wieder mit dem fleischlosen Essen.«<br />

Regionale Produktion<br />

Ob French Rack oder Nacken, das Fleisch vom Thüringer<br />

Duroc ist feinmarmoriert, kräftig in der Farbe, saftig und fein<br />

nussig im Geschmack. Nicht zuletzt deshalb schmecken<br />

die Thüringer Rostbratwürste , die aus diesem besonderen<br />

Schweinefleisch hergestellt werden, so einzigartig.<br />

liefert; überwacht wird das alles durch den Herkunftsverband. Dieser<br />

legt auch fest, welche Produkte mit dem Siegel »geografisch geschützte<br />

Angabe« ausgezeichnet werden dürfen. Dabei gibt es noch eine zusätzliche<br />

Besonderheit. Während außerhalb des Bundeslands die Rostbratwürste<br />

fast ausschließlich gebrüht verkauft werden, bevorzugt<br />

ein wahrer Thüringer die rohe Variante. »Weshalb das so ist, kann ich<br />

gar nicht erklären, geschmacklich macht es nämlich keinen großen<br />

Unterschied, ob die Bratwurst roh oder gebrüht ist. Nur die Kühlung<br />

ist eine andere: maximal vier Grad Celsius für die rohe, sieben für die<br />

gebrühte Variante.«<br />

Der gelernte Metzger und Betriebswirt Yves Panse ist absolut überzeugt<br />

von seinen Produkten. Er hält die gerade verkosteten Rostbratwürste<br />

aus dem Thüringer-Duroc-Schweinefleisch mit ihrer streng<br />

geheimen, traditionellen Kräuter- und Gewürzrezeptur für die besten<br />

überhaupt. Und nicht nur er – der Betrieb produziert und verkauft<br />

mittlerweile um die siebenhundertdreißig Tonnen davon im Jahr. Konjunktur<br />

hat die Wurst prinzipiell das ganze Jahr, auch wenn der Umsatz in<br />

den Monaten November und Dezember nochmals in die Höhe schnellt.<br />

Dann sind siebzig Prozent der Wurstproduktion Rostbratwürste.<br />

Anfang der Neunzigerjahre beschlossen knapp tausend ehemalige<br />

Genossenschaftsbauern in Aschara, einem Ortsteil von Bad Langensalza,<br />

sich zusammenzutun. Eine weitsichtige Entscheidung, wie sich<br />

gezeigt hat, denn so konnten die vielfältigen Tätigkeiten wie in einem<br />

Uhrwerk ineinandergreifen. Bereits 1991 also schlug die Geburtsstunde<br />

des heutigen Unternehmens FM Fleischmarkt GmbH Aschara. Die<br />

Idee einer regionalen Wertschöpfungskette besticht nach wie vor: Auf<br />

den Feldern werden die Futtermittel für die Tiere angebaut. Nach der<br />

Schlachtung wird das Fleisch im eigenen Betrieb verarbeitet. Die Fleischund<br />

Wurstprodukte werden schließlich in einem dazugehörigen Filialnetz<br />

und im Großhandel vermarktet, und neuerdings sind die echten<br />

»Roster« auch in den real-Märkten erhältlich.<br />

Um sich auf dem hart umkämpften Fleisch- und Wurstmarkt durchsetzen<br />

zu können, änderte man 2008 die Ziele in der Schweinezucht.<br />

Statt des damals üblichen Pietrain-Ebers, dessen Genetik die Anlage<br />

für eher mageres Schweinefleisch in sich trug, stellte man auf eine<br />

Kreuzung aus Sauen der Dänischen Landrasse und Duroc-Ebern um.<br />

Eine solche Umstellung erforderte jahrelange genaue Beobachtung und –<br />

eine gehörige Portion Mut. »Denn fetteres Schweinefleisch gibt in der<br />

Bewertung zunächst mal Abzüge; ein Mäster macht also automatisch<br />

Minus«, weiß Yves Panse, der seit dieser Zeit im Betrieb arbeitet. »Es hat<br />

wirklich volle vier Jahre gedauert, bis wir das Optimum für die Kunden<br />

hatten!« Seitdem sind die Produkte unter der Bezeichnung »Thüringer<br />

DUROC« im Handel. »Zu Beginn war es nicht so leicht, da das Fleisch<br />

mehr Fett enthält, das ist schließlich das Besondere daran. Und die<br />

Leute wollen ja immer Magerfleisch«, berichtet Verkaufsleiter Panse<br />

über die Anfänge. »Speziell Frauen sind bei Verkostungen skeptisch,<br />

dann überrascht und kurz darauf doch sehr schnell überzeugt von der<br />

Qualität und dem typischen, leicht nussigen Geschmack. Unser Duroc<br />

ist feinmarmoriert, dunkler in der Farbe, weil es mehr Eisen enthält,<br />

und viel saftiger als die blasse Massenware. Zusätzliches Fett braucht<br />

man auch nicht beim Braten oder Schmoren, weil das im Fleisch enthaltene<br />

schmilzt. Mal abgesehen davon, dass das Fleisch während der<br />

Zubereitung nicht um die Hälfte kleiner wird, weil unser Duroc kaum<br />

Flüssigkeit verliert.«<br />

Zwischenzeitlich hat sich herumgesprochen, wie qualitativ hochwertig<br />

das Thüringer Duroc ist, die Nachfrage steigt. Läuft also, oder?<br />

»Na ja«, sagt der Vertriebsleiter nachdenklich. »Solange es so ist, dass<br />

sich zwar keiner Gedanken darüber macht, was er für das neueste Handy<br />

ausgibt, aber Schweinefleisch und das, was daraus hergestellt wird, möglichst<br />

nichts kosten darf, stimmt doch etwas ganz und gar nicht. Was<br />

haben Lebensmittel bei uns in Deutschland denn für einen Stellenwert?<br />

Es wäre echt wünschenswert, dass sich das ändert.« Ein deutscher<br />

Discounter habe ihm neulich eröffnet, dass das Interesse an den Rostbratwürsten<br />

aus Aschara extrem hoch sei, was ja für sich genommen<br />

erst einmal toll wäre. »Allerdings hätte ich dann jede Wurst mit einem<br />

Minus von dreiundzwanzig Cent verkauft. Das muss man sich mal vorstellen!«<br />

Glücklicherweise gestalte sich die Zusammenarbeit mit den<br />

real-Märkten für alle Beteiligten sehr erfreulich; die zuständigen Einkäufer<br />

seien bei einer Verkostung der verschiedenen Produkte ausgesprochen<br />

beeindruckt von der Qualität des Thüringer Duroc gewesen.<br />

»Und«, zeigt sich Panse zufrieden, »was ja nicht ganz unwichtig ist, sie<br />

sind auch bereit, einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen.«<br />

8 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


GRÜNES GOLD<br />

<strong>FÜR</strong> GOURMETS<br />

<strong>UND</strong> FLEISCHFANS<br />

AUF DEN WEIDEN IM SÜDIRISCHEN TIPPERARY<br />

GEDEIHEN DIE BESTEN RINDER<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Ein Dutzend schwarzbraune Augenpaare zwischen hellem, dunkelbraunem und schwarzem Fell blicken<br />

ziemlich neugierig auf John Purcell, als er mit seinen groben Gummistiefeln auf den überwucherten Steinwall<br />

steigt. Er zieht seine Schiebermütze aus der Stirn und blickt vorbei an zweihundert Jahre alten Bäumen,<br />

über die im Sonnenlicht glitzernd-grüne Weide, die hohen Hecken und den Elektrozaun. Die Rinder traben<br />

noch ein paar Schritte näher und heben interessiert die Köpfe, als Purcell einen der Steine vom dicken Moos<br />

befreit. »Das ist der Rest eines viertausend Jahre alten Siedlungswalls«, erzählt der irische Rinderzüchter und<br />

deutet auf den kreisrunden Verlauf der einstigen Schutzmauer, »auf meinem Farmland haben damals drei<br />

Dörfer existiert. Archäologen haben genau an diesem Ort in den Achtzigerjahren Schmuck, Äxte, Meißel und<br />

mehr ausgegraben. Das war schon in der Bronzezeit ein Siedlungsgebiet, in dem Landwirtschaft betrieben<br />

wurde. Ist ’ne lange Tradition hier.«<br />

Die sattgrünen Hügel der Grafschaft Tipperary im Süden Irlands,<br />

unterbrochen nur von Hecken, Buschreihen und Bäumen,<br />

reichen von dort bis zu den Galtee Mountains, deren Bergzüge<br />

in den Horizont ragen. In dieser Gegend werden die teuersten Araberhengste<br />

der Welt gezüchtet, wovon diskret gelegene, riesige Gestüte<br />

und weite Pferdekoppeln entlang der Landstraßen zeugen. Und von<br />

hier stammt Rindfleisch, das zum besten der Welt gehört. Das liegt<br />

vor allem an Tipperary selbst – an seiner Landschaft, der Weite, den<br />

fruchtbaren Böden und den vielen Regenfällen, die hier selbstironisch<br />

»liquid sunshine« heißen, also flüssiger Sonnenschein. Nicht weit vom<br />

10 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 11


Ihre Kunstsammlung wird neidisch werden.<br />

Gedrängel gibt‘s nur für<br />

den Fotografen. John<br />

Purcells Vieh hat nämlich<br />

auf den Weiden<br />

Tipperarys mehr als<br />

genug Platz. Fressen<br />

dürfen sie nach Lust<br />

und Laune, was dort<br />

üppig wächst: Klee,<br />

Kräuter und Gras.<br />

Lässt das Wetter in<br />

den Wintermonaten<br />

die Weidehaltung<br />

nicht mehr zu, sind<br />

die Rinder in großen,<br />

offenen Ställen untergebracht.<br />

kleinen Ort Golden gehören über einhundertsiebzig Hektar Weideland<br />

einem der modern denkenden Farmer des Landes. John Purcell ist Bio-<br />

Farmer – und zugleich einer der größten der Region. Knapp fünfhundert<br />

Rinder etwa der Rassen Black Angus, Hereford, Shorthorn und ein paar<br />

Charolais weiden hier draußen in kleinen Herden im schier endlosen<br />

Meer aus Gras, Gebüsch und Kräutern. Gedränge gibt’s nirgends und<br />

niemals, für alle wächst mehr als genug. Dafür sorgt John Purcell. Alle<br />

drei Wochen kommen die Tiere auf eine andere Weide, damit Gras,<br />

Klee und Kräuter in Ruhe nachwachsen können. Wenn nötig, bringen<br />

er und seine beiden Mitarbeiter, zwei Brüder aus dem Nachbarort, ein<br />

paar Säcke Saat aus. Das ist alles. Denn das Atlantik-Klima, die fruchtbaren<br />

Böden und die fast täglich einsetzenden Regenschauer bringen<br />

alles Weitere in Balance.<br />

Doch dazu braucht Purcell einen weiten Blick und viel Geduld.<br />

Nach ein paar Minuten Fußweg bleibt er stehen und zeigt auf ein Feld<br />

voller roter und weißer Blüten. Dort hat er eine riesige Fläche mit<br />

silbernem, rotem und weißem Klee angelegt. »Die Pflanzen binden<br />

Stickstoff und bringen ihn über die Wurzeln in den Boden – das ist<br />

natürlicher Dünger. Außerdem liefern sie den Tieren eine ganze Menge<br />

Protein, yeah!«, schwärmt der Sechsundfünfzigjährige. Doch auf der<br />

mehrere Fußballfelder großen Weide dürfen in den kommenden fünf<br />

Jahren noch keine Rinder grasen. »Ich arbeite mit einem Sieben-Jahres-<br />

Zyklus beim Anlegen. Hier bin ich erst im zweiten Jahr.« Erst nach der<br />

gesamten Zeit haben die Pflanzen so tiefe Wurzeln geschlagen, dass sie<br />

bis zu dreimal pro Jahr nachwachsen und auch den entspannten Trab<br />

der Rinder überstehen.<br />

Das milde Klima des Golfstroms macht’s möglich: Vom Nationalfeiertag<br />

St. Patrick’s Day am 17. März bis Mitte, Ende Oktober<br />

leben die Rinder auf den Weiden und ernähren sich ausschließlich<br />

von dem, was sie unter ihren Hufen so finden. Das nötige Wasser für<br />

sie gibt es übers ganze Jahr in großen Steintrögen, das durch Gräben aus<br />

einem der Kanäle fließt, die an den großen Fluss im Ort angeschlossen<br />

sind. Zudem hat Purcell einige uralte Quellen gefunden und zugänglich<br />

gemacht, deren eiskaltes Wasser nun in die Becken sprudelt. Zum<br />

Überwintern führt er seine Rinder in offene, große Ställe ohne Seitenwände.<br />

Sie überwintern in Gruppen auf viel Stroh, mit frischer Luft<br />

und gesundem Silage-Futter, dessen Rohstoffe von seinem Hof und von<br />

Bauern aus der Gegend kommen. »In Irland leben sämtliche Tiere so«,<br />

betont der Züchter. »Der Unterschied zur Bioproduktion ist lediglich,<br />

dass Hormone und Antibiotika streng verboten sind und die Tiere im<br />

Winter nur sauberes, natürliches Futter erhalten. Bei der konventionellen<br />

Zucht sind auch künstliche Zusatzstoffe und Medikamente erlaubt.«<br />

Diese besondere Art der Haltung seiner Tiere sorgt dafür, dass sie ein<br />

hervorragendes Immunsystem ausprägen und damit ein gesundes Leben<br />

verbringen. »Einen Tierarzt brauche ich drei-, höchstens viermal im<br />

Jahr«, berichtet John Purcell, »wir rufen ihn beispielsweise, wenn ein<br />

Rind mit dem Huf in einen spitzen Stein getreten ist und wir den nicht<br />

mehr rauskriegen. Das ist bei mir jedenfalls der häufigste Grund, dass<br />

der Arzt kommen muss.«<br />

In Irland gibt es etwa 6,7 Millionen Kühe und Rinder sowie 4,5<br />

Millionen Menschen. Aber Massentierhaltung gehört nicht zur Tradition<br />

des Landes. Es gibt schließlich mehr als genug Weideland auf der grünen<br />

Insel. So leben im Durchschnitt nur etwa 2,2 Rinder auf einem Hektar<br />

Weideland, das sind zehntausend Quadratmeter. Für ihr Aufwachsen<br />

da draußen benötigen die Farmer meist nur relativ wenig Zeit, und so<br />

halten auch Tausende von Nebenerwerbszüchtern neben ihrem Beruf<br />

ein einziges Rind oder eben ein paar Tiere. Oft helfen Partner, Kinder<br />

und Freunde dabei mit. John Purcell etwa, der nicht auf der Farm lebt,<br />

kommt täglich und macht eine mehrere Kilometer lange Kontrollrunde<br />

über die riesigen Weideflächen. Hauptberuflich ist er CEO des<br />

Bio-Fleischproduzenten Good Herdsmen, der zwei Produktionsstätten<br />

unterhält und in sechs Länder exportiert. Vor zwei Jahren wurde das<br />

Unternehmen vom irischen Lebensmittelkonzern ABP Food Group<br />

übernommen. Nun beobachtet Purcell seine Tiere und ist dabei meist<br />

etwa zwei Stunden unterwegs. Das ist für ihn auf den meisten Runden<br />

keine Arbeit, sondern Entspannung: »Ich bin allein, ich bin in der<br />

Natur. Ich habe einfach meine Ruhe. Das liebe ich«, sagt der Züchter<br />

und schaut hinüber zu seinen Rindern. Hälse recken sich, ein Dutzend<br />

Augenpaare blickt zurück.<br />

Purcell gehört zu den Spezialisten unter den vielen Züchtern in<br />

Tipperary: Er übernimmt Tiere im Alter von einigen Monaten und<br />

lässt sie auf seinen Weiden aufwachsen. Je nach Rasse sind die Tiere im<br />

Alter von achtzehn bis knapp unter dreißig Monaten schlachtreif. »Bei<br />

mir kriegen sie meist etwa ein- bis eineinhalb Jahre ›Bed and Breakfast‹«,<br />

sagt Purcell und schiebt seine Mütze in den Nacken. Mit dem<br />

Der Unterschied heißt Gaggenau.<br />

Eindrucksvolle Architektur verlangt nach einem gleichermaßen<br />

beeindruckenden Inneren. Ihr Weinklimaschrank,<br />

wie auch Ihre Kunstsammlung, sagen viel darüber aus,<br />

wer Sie sind. Jedes Produkt von Gaggenau hat einen unverwechselbaren<br />

Charakter, ist aus hochwertigen Materialien<br />

gefertigt und überzeugt durch seine professionelle Leistung.<br />

Seit 1683.<br />

Setzen Sie ein Statement: gaggenau.com<br />

12 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />

Abgebildetes Produkt ist der RW 466 364| Energieeffzienzklasse: A |<br />

auf einer Skala der Effzienzklassen von A+++ bis G.


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Irish Beef für Sterneköche<br />

und real-<br />

Kunden. Nur das<br />

allerbeste Fleisch<br />

der Premium-Kategorie<br />

wird für das<br />

besondere Dry-Aged-<br />

Verfahren selektioniert.<br />

Durchschnittlich drei<br />

Wochen dauert es<br />

dann, bis ein Steak die<br />

ideale Reife erreicht<br />

hat. Veredelt wird<br />

es im Anschluss mit<br />

irischem Meersalz.<br />

LKW wird ein Teil seiner Tiere in nur etwa dreißig Minuten Fahrtzeit<br />

zum Verarbeitungsbetrieb von ABP ins Städtchen Cahir gebracht. Dort<br />

bleiben sie den Rest des Tages und noch eine Nacht draußen auf einer<br />

nahen Weide, bis es in den Betrieb zum Schlachten geht.<br />

In Cahir wird Irish Beef von einer so hohen Qualität selektiert und<br />

erzeugt, dass der ABP-Konzern über zweihundert Sterneköche in der<br />

ganzen Welt damit beliefert. Etwa dreizehntausend professionelle<br />

sowie Nebenerwerbszüchter, darunter viele Angestellte in der Fleischverarbeitung,<br />

liefern ihre auf der Weide aufgewachsenen Rinder an ABP.<br />

Die allerbesten Stücke der höchsten Qualitätsstufe reifen dort in einem<br />

speziellen Verfahren zu Dry-Aged-Beef, dessen Aroma und Saftigkeit<br />

die natürlichen, gesunden Lebensbedingungen der Tiere widerspiegelt.<br />

In Deutschland ist Dry-Aged-Tipperary-Beef beispielsweise bei der<br />

Warenhauskette real zu bekommen.<br />

Doch zur Produktion ist ein aufwendiger, komplexer Prozess der<br />

Reifung erforderlich, um den natürlichen Geschmack, die feine Textur<br />

und die Zartheit des Weiderindfleisches bis zum Teller zu erhalten. Die<br />

mit dem patentierten »Ultra Tender Process« veredelten, besonders fettarmen<br />

Hereford- oder Angus-Stücke werden zunächst von spezialisierten<br />

Metzgern selektiert. Die gesamte Karkasse muss den höchsten Standards<br />

entsprechen, und das sind »nur etwa vier bis fünf Prozent unserer<br />

gesamten Produktion«, betont Richard O’Sullivan von der ABP Food<br />

Group. Das Fleisch muss zunächst den strengen Richtlinien der Qualität<br />

und Umweltfreundlichkeit des Labels »Irish Nature« entsprechen.<br />

Nur wenn die Fleischexperten es auch in deren Premium-Kategorie einstufen,<br />

darf es zu Dry-Aged-Beef veredelt werden. Der Weg jedes einzelnen<br />

Stücks lässt sich später präzise zurückverfolgen: Alter, Geschlecht<br />

und Rasse, Schlachttag und Züchter sind genau dokumentiert.<br />

Im ersten Schritt wird die etwa einhundertsechzig Kilogramm<br />

schwere Karkasse, umgekehrt als üblich, mit einem schweren Haken<br />

an den Hüftknochen aufgehängt. »Damit werden die Fleischfasern zwei<br />

bis fünf Tage lang gedehnt, aber nur mit dem Eigengewicht«, erklärt<br />

O’Sullivan das Verfahren. Zudem machen sich die Metzger nach dem<br />

Aufhängen an die Elektrostimulation der Muskeln, um die Verhärtungen<br />

der Totenstarre zu lösen. Danach vierteln sie die Karkasse. Nun folgt<br />

eine Phase, in der die guten Stücke innerhalb von zwölf Stunden auf<br />

eine extrem schonende Weise gekühlt werden, um einen Kälteschock<br />

zu verhindern. »Der Temperaturverlauf ist geheim«, sagt der ABP-<br />

Fleischexperte, »denn es hat sehr lange Zeit gebraucht, bis wir die<br />

perfekte Kurve herausfinden konnten.« Mit dieser Temperatur reift das<br />

Fleisch achtundvierzig weitere Stunden und wird im nächsten Schritt<br />

zum Dry-Aged-Beef. In einer Kühlkammer und bei reduzierter Luftfeuchtigkeit<br />

beginnt der Trocknungsprozess, der das Aroma des Fleisches<br />

auf so intensive Weise verstärkt. Im Schnitt einundzwanzig Tage bleibt<br />

es unberührt in dem verschlossenen Edelstahlschrank, überwacht nur<br />

von Sensoren und Digitalanzeigen. In dieser Zeit darf die Kammer nicht<br />

geöffnet werden, um keine Luftfeuchtigkeit hineinzulassen. Im letzten<br />

Schritt vor dem Verkauf wird nach dem Ende des Aging-Prozesses die<br />

Oberfläche des Fleisches mit irischem Seesalz veredelt, das auf der<br />

Beara-Halbinsel im Südwesten der Insel gewonnen wird.<br />

Den Zeitraum der Trocknung haben die Dry-Aging-Experten von<br />

ABP in aufwendigen Tests ermittelt. Dabei hatten die besten<br />

Köche der Welt ein Wort mitzusprechen. »Zur Entscheidung<br />

über die richtige Dauer haben wir Verkostungen organisiert, bei denen<br />

nur Sterneköche aus Deutschland, Italien, Belgien und der Schweiz<br />

persönlich anwesend waren«, erinnert sich Richard O’Sullivan. Sie<br />

kosteten feinstes Beef, das in unterschiedlichen Zeiträumen getrocknet<br />

worden war. »Dabei haben wir gemeinsam herausgefunden: Eine<br />

längere Trockenzeit hatte auch für die erfahrenen Profiköche keinerlei<br />

sensorische Auswirkung, das Aroma hatte sich nicht schmeckbar besser<br />

ausgeprägt. Wir hatten also die optimale Dauer ermittelt.«<br />

Der umweltbewusste Rinderzüchter John Purcell hingegen ist kein<br />

enthusiastisch schwärmender Fleischesser. Meist lässt er sich nur zweimal<br />

pro Woche ein gutes Stück Rindfleisch schmecken. Sein Lieblingsstück<br />

sei das Ribeye-Steak, erzählt er auf dem Weg durchs Weideland.<br />

Doch der Farmer weiß genau, worauf es beim perfekten Aroma von Dry-<br />

Aged-Beef vor allem ankommt. Der erfahrene Züchter, der die Tradition<br />

in der fünften Generation seiner Familie darstellt, lüftet sein Geheimnis:<br />

»Der wichtigste Aspekt für die Qualität und den Geschmack des<br />

Fleisches ist für mich die fein ausgewogene Mischung der traditionellen<br />

Kräuter auf der Weide. Ich bin sicher: Das macht den Unterschied.«<br />

Foto: ABP Tipperary<br />

Foto: KME Studios Geisels Werneckhof Rezept von Tohru Nakamura<br />

IM KOSMOS DER AROMEN<br />

Ganz im Zeichen der Vielfalt kulinarischer Schätze und Aromen bittet Gaggenau,<br />

Hersteller luxuriöser Kücheneinbaugeräte, im Showroom wieder zu Tisch.<br />

Bei exklusiven Genussveranstaltungen in privater<br />

Atmosphäre erleben die Gäste die Welt der<br />

Haute Cuisine hautnah. Die besten Winzer und<br />

Sommeliers präsentieren korrespondierende Weine zu<br />

feinen Kreationen hochkarätiger Spitzenköche.<br />

Im November nimmt Tohru Nakamura die Gäste<br />

mit in seinen Kosmos der Aromen. Mit Miso, Shizo oder<br />

Yuzo führt die Reise kulinarisch nach Japan und gipfelt<br />

in einem 5-Gänge-Menü. Mit seiner ganz eigenen Handschrift<br />

kombiniert der Zwei-Sterne-Koch regionale Zutaten<br />

mit Einflüssen aus der japanischen Küche zu großartigen<br />

Kreationen aus Bekanntem und Neuem.<br />

Bresse-Wachtel, Périgord-Trüffel, Short Rib und Wildhase<br />

– am ersten Advent inspiriert Zwei-Sterne-Koch Bobby<br />

Bräuer aus dem EssZimmer by Käfer in der BMW Welt die<br />

Teilnehmer seines Kochkurses im Gaggenau Showroom<br />

zu einem Weihnachtsmenü. Nur einen Tag später entführt<br />

Alpina Wein die Gäste önologisch und kulinarisch nach<br />

Frankreich in die Region Bordeaux – Weinenthusiasten<br />

werden begeistert sein.<br />

Vorfreude auf das neue Jahr und wundervolle Geschenkideen<br />

für das Weihnachtsfest: Für alle, die bislang keine<br />

Gelegenheit hatten, Tohru Nakamura im Gaggenau Showroom<br />

zu erleben oder die gerne wiederkommen möchten,<br />

wiederholt der Spitzenkoch Anfang Februar 2020 sein Gastspiel<br />

mit einem neuen Menü. Im März feiern Christian<br />

Jürgens und Bobby Bräuer hier dann das Frühlingserwachen.<br />

Beste Zutaten, hohe Kochkunst und perfekte<br />

Weinbegleitung – diese Melange bietet den Rahmen für<br />

inspirierenden Genuss und interessante Begegnungen.<br />

Foto: Andreas Hantschke für Gaggenau<br />

AUSBLICK AUF DIE <strong>GENUSS</strong>VERANSTALTUNGEN<br />

18.11.2019 Tohru Nakamura: Europäische Gourmetküche<br />

mit den Einflüssen Japans<br />

01.12.2019 Bobby Bräuer: Das Beste zum Schluss<br />

02.12.2019 ALPINA WEIN: Schätze aus dem Bordeaux<br />

03.02.2020 Tohru Nakamura: Im Kosmos der Aromen<br />

16.03.2020 Christian Jürgens: Frühlingserwachen<br />

29.03.2020 Bobby Bräuer: Junge Triebe<br />

Informationen und Buchung unter<br />

www.gaggenau-showroom.de<br />

14 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


F(R)ISCHE AHOI!<br />

WIE <strong>UND</strong> WO SICH THOMAS SPAETT, EINKÄUFER <strong>FÜR</strong><br />

MEERES- <strong>UND</strong> KRUSTENTIERE, DEN BESTEN FANG<br />

SICHERT, UM DEUTSCHE SPITZENKÖCHE <strong>UND</strong> DIE<br />

THEKEN DER REAL-MÄRKTE MIT KABELJAU, STEINBUTT,<br />

AUSTERN <strong>UND</strong> ANDEREM MEERESGETIER ZU BELIEFERN.<br />

Von ANGELIKA RICARD-WOLF<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Das Nummernschild reflektiert im Licht der Scheinwerfer. Es ist kurz nach halb fünf Uhr<br />

morgens und stockdunkel auf den sich durch Wald und Flur schlängelnden schmalen Landstraßen<br />

der Bretagne. Zum Glück kennt Thomas Spaett den Weg und fährt voraus – zur<br />

Criée, der Fischauktion von Concarneau.<br />

Regelmäßig zieht es den für Fisch und Meeresfrüchte<br />

verantwortlichen Manager des Frischespezialisten<br />

Rungis Express hierher. Vor Ort macht er sich ein<br />

Bild von der Ausbeute, die den Küstenschiffern über Nacht<br />

ins Netz gegangen ist und hier vor Tau und Tag sofort meistbietend<br />

versteigert wird. Thomas Spaett, der direkt an Peter<br />

Reitz berichtet, den zuständigen Geschäftsbereichsleiter<br />

Food von real, will sichergehen, dass er als Einkäufer für<br />

zweihundertvierundachtzig real-Märkte und für das Gros<br />

der Spitzenrestaurants in Deutschland nur Eins-A-Ware<br />

an Land zieht. Fische und Meeresfrüchte aus Concarneau –<br />

Stunden zuvor noch in den wilden Fluten des Golfs von<br />

Biskaya – genießen unter Feinschmeckern einen besonders<br />

guten Ruf.<br />

Thomas Spaett nimmt die letzten Kurven durch das<br />

malerisch an einer geschützten Bucht liegende Städtchen<br />

mit seiner historischen, von Wasser und dicken Mauern<br />

umzingelten Festung. Die Gassen sind menschenleer. Noch<br />

schlafen die zahlreichen Touristen, die den Ort tagsüber<br />

bevölkern. Nur die blauen Fähnchen-Girlanden von der<br />

jährlich Ende August stattfindenden Fête des Filets Bleus,<br />

dem Fest der blauen Netze, sind dank einer frischen Brise<br />

hellwach und flattern aufgeregt im Wind.<br />

Im Hafen, vor der fünfzehntausend Quadratmeter<br />

großen Auktionshalle, wartet schon Marine Le Corre auf<br />

den Kollegen aus Deutschland. Sie ist die für den Export<br />

zuständige Einkäuferin. Gemeinsam mit fünf Kollegen bietet<br />

sie mit, wenn montags bis samstags der Fang der Nacht<br />

unter den Hammer kommt. Der Handel geschieht – wie an<br />

einer Börse – in der Regel an den Computern im Offce des<br />

Unternehmens an der Peripherie von Concarneau. Die Bildschirme<br />

sind mit den Auktionstafeln in der Halle verlinkt,<br />

anhand derer sich auch die Käufer am Ort des Geschehens<br />

den Zugriff auf die Anlandung sichern können.<br />

Aber Marine – der Name sagt eigentlich alles – begnügt<br />

sich nicht mit der Trockenübung am Display. Dazu ist sie,<br />

Bretonin durch und durch, ihrem Metier und der Tradition<br />

des Fischfangs in der Region viel zu sehr verbunden. Das<br />

geht so weit, dass sie in ihrer Freizeit schon mal mit einem<br />

Fischkutter in See sticht und beim Sardinenfang – zum<br />

Erstaunen der Matrosen – kräftig mit anpackt. Das schaff<br />

Respekt. Zu Wasser und an Land.<br />

Thomas Spaetts Liebe zum Fisch geht eher durch den<br />

Magen. Zwar lebt auch er am Wasser, allerdings »nur«<br />

am Rhein (in Bad Honnef ), und ist zwar immerhin im<br />

Sternzeichen Wassermann geboren, aber sein Faible für<br />

Schuppen- und Krustentiere hat der gelernte Koch in der<br />

Sterne-Küche des Hummerstübchen in Düsseldorf entdeckt.<br />

Seitdem hält er die fachkundige und schmackhafte<br />

Zubereitung von Meeresfrüchten für die »Königsdisziplin<br />

beim Kochen«. Dafür, dass sie möglichst gut gelingt – am<br />

heimischen Herd ebenso wie in den Restaurants der Spitzenköche<br />

– schaff er seit inzwischen mehr als zwölf Jahren<br />

zumindest die Grundvoraussetzung: mit dem Ankauf<br />

frischer Fische bester Qualität.<br />

Die stehen – nachts gefangen – jetzt um 5:30 Uhr in<br />

unzähligen blauen, weißen, gelben und grünen Kästen in der<br />

Auktionshalle zur Begutachtung bereit. Noch auf See haben<br />

die Fischer ihren Fang sortiert, klassifiziert, einen Teil der<br />

Fische bereits ausgenommen und den Beifang wieder ins<br />

Meer entlassen. Sobald sie am Pier in Concarneau anlegen,<br />

wird die Spezies in jeder Kiste noch einmal genau bestimmt<br />

und gewogen. Die Infos werden samt dem Namen des<br />

jeweiligen Schiffs auf einem Zettel notiert. Der kommt –<br />

plus einer gehörigen Portion Eiswürfel aus dem neben<br />

der Halle stehenden Kühlsilo, der dafür vierzig Tonnen<br />

pro Tag produziert – in die Caisses, wie die Behältnisse<br />

genannt werden.<br />

Marine Le Corre und Thomas Spaett schreiten die<br />

bunten Reihen ab und beäugen die Ware kritisch. Die<br />

»Lilwenn« hat ein paar echt dicke Brocken mitgebracht.<br />

Darunter einen Kawenzmann von Meeraal, über zwölf Kilo<br />

schwer. Dazu einen mehr als respektablen Steinbutt. »Die<br />

Bauchseite wird zur Auktion nach oben gedreht. Damit man<br />

sieht, dass sie makellos und unverletzt ist«, erklärt Thomas<br />

Spaett und nickt bei diesem Exemplar anerkennend. Der<br />

»Bikez« ist sogar ein knapp sieben Kilo schwerer Rochen<br />

ins Netz gegangen. Vor einer Kiste mit knapp zehn Kilogramm<br />

Kaisergranat bleibt Thomas Spaett stehen. »Sind<br />

wenig Langustinen da«, meint er. »Heute ist die Auswahl<br />

insgesamt nicht so groß«, ergänzt Marine Le Corre, »das<br />

liegt am schlechten Wetter. Nächste Woche wird es noch<br />

schwieriger. Es steht wieder eine Grande Marée an. Sie<br />

wird heftig – wegen der Tag- und Nachtgleiche.«<br />

16 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 17


Früh auf den Beinen<br />

muss sein, wer das<br />

Beste für den Kunden<br />

real haben will. Thomas<br />

Spaett, verantwortlicher<br />

Einkäufer von<br />

Meeres- und Krustentieren<br />

bei Rungis<br />

Express, weiß worauf<br />

es zu achten gilt:<br />

Frischfisch hat einen<br />

guten Glanz, riecht<br />

bestenfalls nach Meer,<br />

die Haut ist elastisch,<br />

die Augen sind klar, die<br />

Kiemen rot.<br />

Als Grande Marée bezeichnet man hier das Naturphänomen<br />

eines besonders großen Tidenhubs. Bei Ebbe zieht sich das<br />

Meer sehr weit zurück, um mit umso größerer Wucht wieder<br />

Richtung Festland zu fluten. Die Küstenschiffer haben in dieser Zeit<br />

extreme Schwierigkeiten, ihre Netze wie gewohnt auszuwerfen. Das<br />

Angebot wird dann knapper. Und die Ware teurer. Trotzdem kauft<br />

Thomas Spaett »kaum auf Tasche«, sprich: auf Vorrat.<br />

Hat in seinem Metier auch wenig Sinn. Weil man langes Lagern bei<br />

Fischen nicht nur riechen, sondern ihnen auch – aller Eiswürfel zum<br />

Trotz – schnell ansehen kann. Auch als Laie? »Klar«, sagt Spaett und<br />

gibt einen Schnellkurs in Lebensmittelkunde am fangfrischen Objekt.<br />

Er beugt sich über eine Kiste und erklärt: »Was Frische bedeutet, kann<br />

man an diesem Kabeljau prima erkennen. Er ist sauber, hat ein intaktes<br />

Schuppenkleid und einen guten Glanz. Fische dürfen nie stumpf aussehen.<br />

Die Haut lässt sich nicht eindrücken, sie ist elastisch. Die Augen<br />

sind gewölbt und nicht eingefallen, die Kiemen sind rot.« Alles klar,<br />

aber was, wenn der Fisch nicht im Ganzen, sondern filetiert in der Verkaufstheke<br />

liegt? »Die Filets müssen eine schöne Schnittfläche haben<br />

und dürfen nicht gelb aussehen.«<br />

Die Auktion beginnt. Von »criée«, wie sie auf Französisch (von crier,<br />

schreien) heißt, kann allerdings keine Rede sein. Laute Preistreiberei<br />

mit sich überbietendem Stimmengewirr samt finalem Hammerschlag?<br />

Fehlanzeige. Stattdessen zuckeln drei Auktionatoren auf elektrischen<br />

Wägelchen an den Kisten entlang und rufen, kaum verständlich, Partie<br />

für Partie auf. Das Wesentliche – Bootsname, Ware, Gewicht und Einstiegspreis<br />

– erscheint stattdessen auf elektronischen Anzeigentafeln,<br />

die auf den Elektromobilen montiert sind.<br />

Nicht minder unauffällig geben die Händler in der Auktionshalle<br />

ihre Gebote ab. Betont lässig, häufig ein Bein angewinkelt gegen die<br />

Mauer gestellt, lehnen sie mit dem Rücken in Reih und Glied an den<br />

Wänden. Dort prangt über jedem Einzelnen in blauen Versalien der<br />

Name des Unternehmens, für das er zuständig ist. Die meisten haben ihre<br />

Hände tief in den Taschen vergraben. Erstens ist es in der Halle ziemlich<br />

kühl und zweitens entgeht den Mitbewerbern so, wer mitsteigert.<br />

Das funktioniert nämlich diskret per Fernbedienung, die prima in eine<br />

Männerfaust passt. In roten Ziffern klettern die Preise auf den Anzeigetafeln<br />

hoch, manchmal auch ein Stück wieder runter – bis drei rote<br />

Punkte wie an einer Ampel aufleuchten. Verkauft. Die nächste Charge.<br />

Concarneau ist der drittgrößte Fischereihafen Frankreichs. Neunhundert<br />

Seeleute sind hier zu Hause, die Flotte umfasst sechsunddreißig<br />

Schiffe. Weit über drei Millionen Kilo Seehecht, Seeteufel,<br />

Schellfisch, Kaisergranat, Rochen, Kabeljau, Meeraal, Seelachs,<br />

Sardinen und Heringe werden hier jährlich verkauft. Und zwar aus nachhaltigem,<br />

zertifiziertem Fischfang. Das heißt, dass sich die Kapitäne verpflichten,<br />

die Fanggebiete nicht zu überfischen, um die Bestände nicht<br />

zu gefährden. Außerdem wenden sie Fangmethoden wie Ringwadennetze,<br />

pelagische Schleppnetze, die zwischen Grund und Oberfläche<br />

gezogen werden, oder Schleppangeln an, die das Ökosystem so wenig<br />

wie möglich beeinträchtigen. So bleibt der Meeresboden intakt und<br />

der Beifang relativ gering. Für die Einhaltung dieser Kriterien vergibt<br />

der Marine Stewardship Council mit Sitz in London, kurz MSC, seit<br />

1997 ein Gütesiegel. Die Vignette zeigt auf blauem Oval einen mittels<br />

einer weißen Linie stilisierten Fisch. Eine andere Qualität zu kaufen,<br />

kommt für Thomas Spaett ohnehin nicht in Frage. Schließlich ordert<br />

er für die real-Märkte, die ihr Frischfischangebot und die Eigenmarken<br />

schon 2002 auf zertifizierten Fisch umgestellt haben.<br />

Nach einer knappen Stunde ist die Auktion vorbei. Arbeiter ziehen<br />

die Boxen an langen Haken zu den Stellflächen der verschiedenen Händler.<br />

Kleine Gabelstapler rücken an, um sie von dort zu den vor der Halle<br />

wartenden Lastwagen zu fahren. Höchste Zeit für den ersten Kaffee<br />

des Tages. Im Seafood-Büro von Marine Le Corre blubbert schon die<br />

Maschine, frische Croissants warten auf die Frühaufsteher. Konnten die<br />

Kollegen hier am Computer alle Bestellungen erfüllen, die tags zuvor<br />

und in der Nacht bei ihnen in Concarneau eingetroffen sind, und die<br />

gewünschte Ware ersteigern? Klar! Alle Order sind erledigt.<br />

Wenig später werden die bei der Auktion erstandenen Posten schon<br />

einen Stock tiefer angeliefert, um für den Versand nach Deutschland<br />

vorbereitet zu werden. Marine Le Corre und Thomas Spaett ziehen<br />

Plastikschoner über die Straßenschuhe, einen<br />

Schutzmantel über die Kleidung und eine Maske<br />

vor den Mund. Einmal-Handschuhe kommen über<br />

die zuvor desinfizierten Hände, die Haare verschwinden<br />

unter einem Häubchen. Ausstaffert wie<br />

ein Chirurgenteam vor einer Operation starten die<br />

beiden einen Rundgang durch eine Halle, in der<br />

nicht minder vermummte Angestellte die gekaufte<br />

Ware gemäß der eingegangenen Order putzen, entgräten,<br />

filetieren und versandbereit verpacken. Das<br />

geht ruckzuck, denn gleich kommt der Kühlwagen,<br />

holt die Chargen und bringt sie zum französischen<br />

Logistikcenter für den Export von Lebensmitteln,<br />

zum Großmarkt nach Paris. Von dort aus reisen die<br />

Fische noch in derselben Nacht ins Zentrallager des<br />

Frischespezialisten nach Meckenheim bei Bonn, um<br />

im Anschluss sofort an die Gastronomie und die<br />

real-Märkte ausgeliefert zu werden. Ein Procedere,<br />

das bis ins Detail durchgetaktet ist – denn neben<br />

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18 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


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Frischer geht‘s nicht.<br />

Was nachts noch im<br />

Meer war, kommt am<br />

selben Tag schon<br />

in den Handel. Bei<br />

den Fisch auktionen<br />

der bretonischen<br />

»Cornouaille Port de<br />

Pêche« wird gut ein<br />

Fünftel des gesamten<br />

französischen Fischfangs<br />

versteigert.<br />

der Qualität ist Zeit für den Verkauf von frischem Fisch der wichtigste<br />

Faktor. Was heute gefangen wird, ist übermorgen auf den Tellern.<br />

Seine Stippvisiten in die Bretagne nutzt Thomas Spaett gern dazu,<br />

neue Lieferanten zu entdecken. Zum Beispiel für Krustentiere wie<br />

Austern. Abnehmer für diese Delikatesse gibt es in der Gastronomie<br />

sowie von real-Kundinnen und -Kunden genug. Vor allem das Körbchen<br />

mit einem Dutzend Felsenaustern Fine de Claire »facil à ouvrir«<br />

ist beliebt. Sie sind, wie ihr Namenszusatz verspricht, leicht zu öffnen.<br />

Der Züchter präpariert sie entsprechend und packt ein Messer zum<br />

Trennen der beiden Muschelhälften gleich mit dazu.<br />

Bewährtes ist gut, Neues belebt das Geschäft – warum also nicht die<br />

Austern aus der neuen Zucht »Les Viviers de la Forêt« probieren,<br />

von denen Marine Le Corre so schwärmt? Nichts wie hin! Tatsächlich<br />

schmecken ihm die Austern ausgezeichnet, die Christèle Revois<br />

und Mathieu Le Viol dort seit knapp zwei Jahren züchten. Auch das<br />

Engagement der jungen Quereinsteiger, ihr Mut zum Risiko, die verwunschene<br />

Lage der Zucht – direkt am Meer, doch unerwartet hinter<br />

einem Waldstück – beeindrucken den Einkäufer. »Es ist immer gut,<br />

wenn man zu einem Produkt eine Geschichte erzählen kann«, sagt<br />

Thomas Spaett und bestellt bei der darob überglücklichen Christèle<br />

ein Probekörbchen in die Zentrale in Meckenheim. Zwecks Verkostung<br />

mit seinem Team. Erst dann wird entschieden, ob die neue Sorte ins<br />

Programm aufgenommen wird.<br />

Marine Le Corre blickt auf die Uhr und drängt zur Eile. Gleich<br />

beginnt die Nachmittagsauktion in Le Guilvinec. Sie läuft genauso<br />

ab wie die morgens in Concarneau. Nur dass die Fischer dafür einen<br />

anderen Rhythmus haben. Die Kutter laufen kurz nach Mitternacht aus<br />

und kehren um 16:30 Uhr in den Hafen zurück.<br />

Das ist ein Spektakel, das sich auch viele Touristen nicht entgehen<br />

lassen wollen. Aber heute ist um diese Zeit an der Mole des Fischerorts<br />

noch weit und breit kein Mast in Sicht. Es regnet, stürmt, die See ist<br />

aufgewühlt, das Wetter ungemütlich. Die Zeit vergeht. Die zahlreichen<br />

Zuschauer am Pier harren tapfer aus und starren unter ihren Schirmen<br />

gebannt aufs Meer. Die Boote müssen ja kommen …<br />

Und plötzlich – weit hinten am Horizont – der erste bunte Punkt,<br />

der aus den Wellenbergen auftaucht. Dann geht es Schlag auf Schlag.<br />

Da und da und da! Aus den Punkten werden Schiffe, sie fädeln sich,<br />

aus allen Richtungen kommend, zu einer Kette Richtung Hafen auf.<br />

Der blauen »Oxalis« folgt die rote »Elluma«, die »Eter-Vag« ist keck<br />

in Türkis und Rosa gestrichen, die »Kan-Atao« in schlichtem Weiß.<br />

Hübsch sehen sie aus, die kleinen Kutter, vierundzwanzig an der Zahl,<br />

die in ihrer Farbenpracht dem Grau des Meeres trotzen. Und dessen<br />

Unberechenbarkeit viel direkter ausgesetzt sind als die »grands Culs«,<br />

die großen Ärsche, wie die Fischer hier verächtlich die großen Trawler<br />

der Hochseeflotten nennen, die tagelang unterwegs sind und dann gleich<br />

zwischen zehn und zwanzig Tonnen Fisch mitbringen.<br />

Dagegen nimmt sich der Fang der Küstenfischer der Bretagne auf den<br />

ersten Blick bescheiden aus. Aber bei den Auktionen von Concarneau,<br />

Le Guilvinec und fünf weiteren kleinen Küstenhäfen, die sich zur<br />

»Cornouaille Port de Pêche« zusammengeschlossen haben, werden<br />

immerhin fünfundvierzig Prozent des bretonischen und gut ein Fünftel<br />

des gesamten französischen Fischfangs angelandet. Und darauf ist die<br />

Region mindestens so stolz wie auf ihr anderes bekanntes Exportgut:<br />

Cidre, den Apfelwein.<br />

Es war ein langer Tag für Thomas Spaett. Abends in seiner Unterkunft<br />

im pittoresken Küstenort Sainte-Marine (daher hat Marine Le<br />

Corre übrigens ihren Vornamen, weil ihre Großmutter von dort stammt)<br />

wechselt er erst einmal die doch ziemlich nach Fisch riechende Kluft.<br />

Ein Zwischenspiel. Denn dann geht er ins Restaurant des Hauses und<br />

ordert: »Bitte das Gleiche wie gestern. Den leckeren Kabeljau.«<br />

Mack & Schühle AG, 73277 Owen /Teck<br />

JETZT ERHÄLTLICH<br />

IN IHREM<br />

LEBENSMITTELMARKT.<br />

20 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


SCHROFFE FELSEN, REGEN<br />

<strong>UND</strong> FEINSTER LACHS<br />

NACHHALTIGE <strong>UND</strong> BIO-ZERTIFIZIERTE FISCHZUCHT<br />

IM WESTEN IRLANDS<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Als der Landregen einsetzt, schaut die ältere Dame mit<br />

sorgsam gekämmter Dauerwelle nicht einmal hoch<br />

in die tief hängenden Wolken. Die Tropfen sammeln<br />

sich auf ihren Brillengläsern, doch sie geht unbeirrt<br />

weiter in Richtung des Lebensmittelladens auf der<br />

Insel Lettermore an der Westküste Irlands, ohne den<br />

Schritt auch nur ein wenig zu beschleunigen oder den<br />

Schirm an ihrem Arm zu öffnen. Wozu auch?<br />

Die geduckten Häuser des etwa 500 Einwohner kleinen Ortes,<br />

eine gute Autostunde entfernt von der Universitätsstadt Galway,<br />

wirken, als wären sie einfach in die Felsen am Atlantik zwischen<br />

Sträucher, sturmzerzausten Bäume, Farn und Moos hineingestreut<br />

worden. Die Straßen hier sind nicht beleuchtet, die kaum mehr als zwei<br />

Meter schmalen Verbindungsstraßen haben keine Markierungen, Hinweisschilder<br />

sind selten. Innerhalb kürzester Zeit wechselt das Wetter<br />

von strömendem Regen zu Sonnenschein, Nebel, Sturm und allem<br />

zugleich. Doch Peter, der Besitzer des einzigen Pubs im Ort, blickt durch<br />

die Scheibe, hebt die Schultern und sagt gelangweilt: »Das Wetter ist<br />

doch klasse! Ihr solltet mal im November oder Februar herkommen.«<br />

Die Flut spült die Wellen über die braun bemoosten Felsen unter der<br />

alten Steinbrücke. Die einzige Landstraße, die R 374, führt über sie auf<br />

den westlichen Teil der Insel und endet irgendwo auf einem grünen Felsplateau.<br />

Sackgasse. Dahinter öffnet sich nach Westen der Horizont des<br />

Atlantik, dessen Wellen erst in Amerika wieder Land finden. An dieser<br />

von Sturm und Regen zerzausten Küste lässt Seán Gavin seine Lachse<br />

aufwachsen. Unter kontrolliert biologischen Bedingungen schwimmen<br />

sie mit viel Platz in glasklarem Wasser durch bis zu zehn Meter hohe<br />

Wellen. Der Mittfünfziger mit grauem Haar und hintersinnigem Humor<br />

ist Geschäftsführer von Irish Sea Spray, dem größten Produzenten von<br />

Biolachs in Irland, der sogar vom Demeter-Verband zertifiziert ist. Der<br />

Lachs ist tief in der westirischen Tradition verankert, ein keltischer<br />

Mythos erzählt gar von einem, der das Wissen der Welt in sich vereint<br />

hatte. Seán Gavin stammt aus der Gegend und bittet um Entschuldigung,<br />

sein Englisch sei nicht so gut – es sei ja nur seine erste Fremdsprache.<br />

Hier draußen werde ausschließlich gälisch gesprochen.<br />

Irish Sea Spray wurde 1988 auf der Insel von Michael Muhr gegründet,<br />

einem Deutschen, der aus dem Sauerland stammt. Die Lachszucht<br />

nach Bio-Richtlinien spielte damals noch keine Rolle. Auch 1991<br />

noch nicht, als Gavin nach seinem Studium und der Arbeit bei einem<br />

Produzenten von Heringsfilet seinen Job als Geschäftsführer in einem<br />

kleinen, schmucklosen Büro im Obergeschoss des grauen Zweckbaus an<br />

der R 374 antrat. »Damals waren biologische Lebensmittel nur etwas für<br />

Freaks, das interessierte in Europa zu der Zeit noch keinen«, erinnert<br />

er sich. Heute exportiert er achtundneunzig Prozent seiner Jahresproduktion<br />

vor allem nach Italien, Frankreich und – nach Deutschland.<br />

Hier sind die edlen Biolachsfilets sowie der hoch aromatische Räucherlachs<br />

aus Lettermore etwa in der Warenhauskette real zu bekommen. Sie<br />

zeichnen sich aus durch einen besonders geringen Fettanteil, ein sehr<br />

kräftiges Fleisch mit ausgeprägter Muskelstruktur, reichlich Omega-<br />

3-Fettsäure sowie durch einen intensiven, eigenständigen Geschmack.<br />

Zudem ist jede einzelne Packung über die Website lückenlos rückverfolgbar<br />

bis zum einzelnen Lachs und sogar bis zu seiner Zucht.<br />

1996 begannen Muhr und Gavin mit der Umstellung auf Bioproduktion,<br />

denn die Dinge hatten sich verändert. Das Bewusstsein<br />

für organische Lebensmittel begann, sich vor allem in Deutschland zu<br />

etablieren – und Lachs wurde andererseits zu einem globalen Milliardengeschäft.<br />

Immer größere Lachsfarmen in Norwegen, Osteuropa und<br />

Thailand machten den irischen Züchtern das Leben schwer. Die Preise<br />

fielen und fielen. Und so besann sich Muhr, der seit Jahren vor allem in<br />

Irland lebt, gemeinsam mit seinem Geschäftsführer auf die Stärke der<br />

westirischen Region am Atlantik. Sie ist das Gegenmodell zur globalen,<br />

arbeitsteiligen Industrieproduktion. Im Westen Irlands gibt es entlang<br />

der gesamten Küste keine Industrie und nirgends Fabriken. Die<br />

22 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 23


»Wer braucht denn hier eine Jacke?«,<br />

fragt sich Seán Gavin, Geschäftsführer<br />

von Irish Sea Spray, dem größten<br />

irischen Exporteur für Biolachs. Die<br />

wilde See sorgt für den perfekten<br />

Lachs, der unter kontrollierten<br />

Bedingungen in bio-zertifizierter Aquakultur<br />

so viel Bewegung hat wie ein<br />

Wildlachs und deshalb so aussieht und<br />

schmeckt: kräftig in der Farbe, mit<br />

wenig eingelagertem Fett.<br />

Wasserqualität ist die beste in der Europäischen Union, der mehrere<br />

Meter hohe Tidenhub der Gezeiten zwischen Ebbe und Flut erzeugt<br />

eine permanente Strömung und stetigen Wellengang, es gibt weder<br />

starken Frost noch zu heiße Temperaturen im Sommer. Die Menschen<br />

an der Küste haben zudem einen traditionellen, intensiven Bezug zur<br />

Fischerei, viele Vorfahren der Bewohner waren einst Fischer.<br />

Entscheidend für die Qualität wie für die Umwelt – die Wege sind<br />

kurz: »Die Lachse wachsen zwischen zwanzig und dreißig Kilometer<br />

vor der Küste im tiefen Wasser auf, und der LKW braucht<br />

vom Hafen, an dem die Kutter anlegen, bis in die Verarbeitung zum verpackten<br />

Produkt nur zehn Minuten«, erzählt Seán Gavin. »Mit all diesen<br />

Aspekten, dazu mit unserer Arbeit an einem noch besseren CO 2<br />

-Fußabdruck<br />

sowie dem viel besseren Aroma als in der konventionellen<br />

Zucht wollen wir uns am Markt von den Riesen unterscheiden.« Das<br />

ist gelungen: Inzwischen ist der Lachs von Irish Sea Spray so gefragt,<br />

dass Gavin die Produktionsmenge von fünf bis zehn Tonnen pro Woche<br />

drastisch vergrößern könnte. Aber genau das will er gar nicht: »Wir sind<br />

ein kleiner, spezialisierter Betrieb mit Abnehmern, die zu uns passen<br />

müssen. Wir können keine Discounter bedienen, und wir wollen das<br />

auch gar nicht. Wir stammen von hier, wir wollen hier auch bleiben. Wir<br />

haben 35 Mitarbeiter, die sind auch alle von hier. Wir wollen höchste<br />

Qualität nach ethisch höchsten Standards produzieren. Das ist gut für<br />

die Kunden, gut für die Fische, die Umwelt und gut für uns. Wenn wir<br />

wachsen, dann langsam und organisch.«<br />

Irish Sea Spray züchtet die Lachse nicht selbst, sondern verarbeitet<br />

sie nur. Für das Aufwachsen der Fische sorgen die nach Bio-Standards<br />

zertifizierten Fischereibetriebe, mit denen Gavin langfristige Partnerschaften<br />

abgeschlossen hat. »Das größte Problem für uns ist nicht der<br />

Vertrieb, es ist die Lieferung von Lachs«, sagt er und blickt nachdenklich<br />

aus dem Fenster auf den Felshang. Denn um eine staatliche Erlaubnis<br />

zur Lachszucht zu erhalten, seien zehn Jahre Zeit, Dutzende von<br />

Gutachten etwa zu Umweltfolgen, Energieverbrauch sowie zu Landschafts-<br />

und Gesundheitsschutz samt aufwendiger Dokumentation nötig.<br />

»Zusammen kostet das Genehmigungsverfahren derzeit etwa 100 000<br />

Euro, das können sich die meisten Fischer gar nicht leisten.« Aber eine<br />

arbeitsteilige Logistik in der Produktion mit Züchtern aus anderen<br />

Regionen kommt für ihn nicht in Frage: »Sehr viel konventioneller<br />

Lachs aus Norwegen wird in Polystyrolboxen mit Eis bis nach Polen<br />

transportiert und geht von dort in den Verkauf nach Deutschland«,<br />

empört er sich. Das sei für ihn nicht denkbar. »Wir verarbeiteten den<br />

Lachs nur dort, wo er gefangen wird.« Zudem habe er inzwischen<br />

40 000 Polystyrolboxen für den Transport der Lachse durch umweltfreundliche<br />

und langlebige Behälter ersetzen lassen: »Die Plastikkisten<br />

schwimmen überall im Meer herum und sorgen für eine Umweltverschmutzung,<br />

die noch Generationen beschäftigen wird.«<br />

Zwischen fünf und zehn Tonnen Biolachs verarbeiten seine Mitarbeiter<br />

unten in den beiden Produktionsräumen. Etwa zehn Männer<br />

und Frauen in weißer Schutzkleidung zerlegen mit modernsten, laserund<br />

computergesteuerten Maschinen die dreieinhalb bis fünf Kilogramm<br />

schweren Fische; dazu setzen sie mit sicherem Auge und extrem scharfen<br />

Messern geübte Schnitte. Unter ihnen sind auch ehemals selbstständige<br />

Fischer, die ihren Beruf aufgegeben haben, weil er sich schlicht nicht<br />

mehr lohnte, erzählt Seán Gavin. Sie reden nicht viel zwischen Edelstahl,<br />

riesigen Gittern und im Neonlicht tief orangefarben leuchtendem<br />

Lachs. Ein gälischer Witz aus drei Worten, ein kurzes Grinsen und weiter<br />

geht’s. Nebenan wird in sechs riesigen Kammern der Lachs geräuchert –<br />

mit umweltfreundlichen Eichenholzspänen aus Deutschland, die vom<br />

Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert sind. Der Geruch ist<br />

so umwerfend gut, dass man sich sofort an den Tisch setzen und den<br />

frischen Räucherlachs in großer Menge verspeisen möchte.<br />

Obwohl nur die Filets etwa in einem real-Warenhaus landen, erzeugt<br />

die Lachsproduktion keinen Abfall. »Wir verwerten den gesamten Fisch«,<br />

sagt Gavin und zeigt auf die Köpfe. »Die werden tiefgefroren und gehen<br />

nach China. Dort gelten sie als Delikatesse, beispielsweise für Fischsuppen.«<br />

Das Fleisch, das sich laut der Laser-Analyse nicht mehr für<br />

Filets eignet, aber selbstverständlich immer noch von höchster Qualität<br />

ist, wird separiert und kommt unter anderem als Teil von Fertiggerichten,<br />

in Saucen und Dips auf den Tisch. Die weiteren Reste verarbeiten<br />

andere Produzenten zu Katzenfutter. Sämtliche Gräten und<br />

Schwänze werden zudem gereinigt, gemahlen und als Knochenmehl<br />

in Tierfutter verwertet.<br />

Lachse leben in freier Wildbahn als Raubfische. In der Zucht wachsen<br />

sie etwa achtzehn Monate auf, in runden, sehr tiefen Gummikäfigen<br />

mit etwa fünfundzwanzig Metern Durchmesser. Der Fisch,<br />

mit dem sie neben zertifiziertem Bio-Soja gefüttert werden, stammt<br />

aus anderen Betrieben mit zertifiziert nachhaltiger Zucht. Auch hier<br />

schließt sich ein Kreislauf der Verwertung – dazu ein sehr ressourcenschonender.<br />

»Ein Wildlachs frisst auf seinem Weg umgerechnet etwa<br />

zehn Kilo Fisch pro Kilogramm Lebendgewicht. In der Zucht genügt<br />

uns dagegen ein Kilogramm, denn unsere Lachse erhalten dazu ausreichend<br />

Soja. Das ist also deutlich nachhaltiger«, erläutert Gavin den<br />

Vorteil der Zucht.<br />

Die Fische haben in den Gattern unter Wasser drastisch mehr Platz<br />

als bei der konventionellen Produktion, erklärt der Geschäftsführer:<br />

»Die Regel für Biozucht besagt, dass ein Kubikmeter Wasser, das sind<br />

tausend Liter, Platz für zehn Kilo Lachs bieten muss. Je nach Alter sind<br />

das zwei, drei Fische. In Anlagen ohne Bio-Normen sind, je nach Staat,<br />

fünfundzwanzig bis zu vierzig Kilo pro Kubikmeter Wasser erlaubt. Wir<br />

liegen derzeit deutlich unter zehn.« So könnten die Lachse ihre Muskeln<br />

im kalten Wasser gut ausprägen und würden durch Gezeiten, Seegang<br />

und heftige Stürme im Lauf ihres Lebens etwa achtzehntausend Kilometer<br />

zurücklegen – so viel wie ein Wildlachs.<br />

In der Biozucht gilt ein strenges Verbot von Antibiotika, das in<br />

normalen Betrieben häufig im täglichen Futter verabreicht werde. Aber<br />

das sei in seinen Anlagen ohnehin niemals nötig. Denn sämtliche lebensgefährlichen,<br />

infektiösen Parasiten ließen sich auf einfache und biologische<br />

Weise erledigen: »Die Lachse gehen baden«, erzählt Seán<br />

Gavin, blickt in die ungläubigen Augen seines Gesprächspartners und<br />

lacht. So gehen seine Fischer gegen die lebensgefährlichen Lachsläuse<br />

vor und den gefürchteten Parasiten Neoparamoeba perurans, der sich<br />

in den Kiemen ansiedelt und die Fische ersticken lässt. »Beide leben<br />

im Meer und können in Süßwasser nicht überleben«, erklärt Gavin<br />

die Behandlungsmethode. Also lässt er mehrmals pro Jahr ein großes<br />

Schiff mit Tanks voller Süßwasser zu den Farmen fahren. Die Lachse<br />

werden in die Tanks geschleust, bleiben zwei bis drei Stunden dort,<br />

werden noch einmal abgebraust und kommen zurück ins Meer. Für<br />

alle weiteren Krankheiten habe die Medizin inzwischen Impfstoffe<br />

entwickelt, sodass die Fische völlig chemiefrei aufwachsen können.<br />

Draußen steht einer der wetterresistenten Arbeiter auf dem Parkplatz<br />

und zündet sich im Windschatten des Gebäudes eine Zigarette<br />

an. Er nimmt ein paar Züge, als über ihm Wolken wie im Zeitraffer<br />

die Sonne verdunkeln und es Sekunden später in Strömen zu regnen<br />

beginnt. Der Arbeiter atmet aus, nimmt noch einen letzten Zug, steckt<br />

die Hände in Taschen seiner Jeans und blickt noch einen Moment über<br />

die Landschaft, die sich vor ihm ausbreitet. Als er die Tür zur Fischhalle<br />

wieder öffnet, strahlt die Sonne bereits erneut über leuchtend<br />

grün-braune Felsen, die weiter hinten mit dem wilden Atlantik verschmelzen.<br />

24 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 25


Fotos: Pascal Walterfang<br />

MOLDAWISCHES<br />

GOLD<br />

Im<br />

Dnister, der sich über rund 1360 Kilometer durch die Ukraine und die Republik Moldau<br />

zieht und ins Schwarze Meer mündet, fanden sich früher reichlich Störe, der Kaviar galt<br />

als lokale Spezialität. Heute widmet sich die Firma Aquatir wieder der Erzeugung des<br />

sogenannten Schwarzen Goldes – mit historischem Bezug und auf schonende Weise.<br />

Von DIETER MATHIAK<br />

Man muss sich die Republik Moldau, allgemeinsprachlich Moldawien, als Land zwischen den Welten vorstellen:<br />

In Chisinau, der Hauptstadt des zwischen Rumänien und der Ukraine eingeklemmten Staates, ist der<br />

Kaffee durchschnittlich besser als in so manch deutscher Großstadt, die Szene der Weinbars ist bunt. Die<br />

Weinkellereien im Süden des Landes wiederum haben längst den Wert autochthoner Rebsorten entdeckt,<br />

bieten Besonderheiten, die es anderswo in der Welt kaum gibt.<br />

Dem Genießer kommt zugute, dass kulinarische Traditionen in<br />

allen Landesteilen der einstigen Sowjetrepublik eifrig gepflegt<br />

werden. »Ohne Kaviar keine Feierlichkeit«, das galt in der<br />

UdSSR als Staatsräson – und wenn es sich um den echten handelte, den<br />

vom Stör und seinen diversen Arten, dann umso besser. »Im Dnister in<br />

Moldawien lebten ursprünglich Störe«, sagt Victoria Uzun, Managerin<br />

und Presseverantwortliche von Aquatir. Mit Kaviar kennt sie sich aus,<br />

mit den Besonderheiten von Sterlet oder Beluga. Vor allem die letztere<br />

Variante gilt als Nummer eins unter den Arten. Ob die Tiere, die erst nach<br />

zwölf bis vierzehn Jahren und damit deutlich später als ihre Genossen<br />

anderer Arten geschlechtsreif werden, wirklich den schmackhaftesten<br />

Kaviar ergeben, ist unter Kennern gelegentlich Anlass für unterschiedliche<br />

Standpunkte. Connaisseure diskutieren auch gern, welche Art<br />

der Kaviargewinnung die beste sei. Das Tier zu schlachten, sei sinnvoll,<br />

sagen die einen. Es leben zu lassen, den Kaviar zu entnehmen<br />

und diesen Prozess im besten Falle mehrfach zu wiederholen, ist für<br />

andere besonders fortschrittlich, in jedem Fall eine deutlich nachhaltigere<br />

Variante. Bei Aquatir wird ausschließlich die zweite Art der<br />

Kaviargewinnung praktiziert – und die ist mit Augenmaß und Fachwissen<br />

verknüpft. Den perfekten Zeitpunkt gilt es abzuwarten, damit<br />

die Eier exakt die richtigen Eigenschaften aufweisen. Immerhin hat<br />

man in Moldawien bereits eine Menge an Erfahrungen gesammelt.<br />

»2006 wurden Sterlet, Bester und Beluga aus Astrachan importiert«,<br />

sagt Pressechefin Uzun, »und 2007 russische Störe.« Also genau jene<br />

Arten, die einst auch im Dnister vorkamen. Das Ganze ist übrigens nicht<br />

nur ein Geschäft, sondern auch ein Beitrag zur Kultur. »Um Störe in<br />

ihre historische Heimat zurückzubringen, wurde beschlossen, diesen<br />

großflächigen Produktionskomplex hier in Moldawien zu errichten.«<br />

Womit das Stichwort gefallen wäre. Tatsächlich ist Aquatir keine<br />

Hobbyproduktion, sondern eine ernsthafte, durch und durch professionell<br />

arbeitende Fischverarbeitung – ISO-zertifiziert und Mitglied bei CITE<br />

sowie NACEE –, die sich über eine beachtliche Größe verteilt. Über<br />

beinah acht Hektar erstrecken sich die Anlagen, für fünfzig bis achtzig<br />

Tonnen Fisch und fünf Tonnen Kaviar pro Jahr ist der Aquakulturbereich<br />

ausgelegt. Kleine Becken für die Jungtiere, gewaltige für die<br />

Großstöre: Der Aufwand ist enorm. Man weiß hier, was man tut – auch<br />

bei der Weiterverarbeitung der Fischeier. »Die Firma Aquatir verwendet<br />

kein Borax, wir bevorzugen nur ein einziges natürliches Konservierungsmittel<br />

– Salz«, betont Victoria Uzun. »Konservierungs- und Farbstoffe<br />

kommen nicht in die Dose.« Der Kaviar, der durch Anwendung derartiger<br />

Prinzipien besonders pur schmeckt, werde beispielsweise an Gastronomie<br />

und Hotels vermarktet sowie an real-Märkte, sagt Serghei Lainer,<br />

der sich um das Europageschäft kümmert. Bis es auch in Deutschland<br />

selbstverständlich ist, dass bei Familienfesten und anderen Feierlichkeiten<br />

Kaviar so serviert wird wie Schwarzwälder Kirschtorte, dürfte<br />

es zwar noch eine Weile dauern – aber sich langsam an diese Sitte zu<br />

gewöhnen, wäre ja durchaus ein guter Vorsatz für 2020.<br />

BALDESSARINI BLACK<br />

<strong>FÜR</strong> MÄNNER MIT STIL<br />

Baldessarini. So könnte ein großer Magier heißen. Im Prinzip ist Werner Baldessarini nichts<br />

anderes – was Mode und Düfte betriff. Beides umgibt der Designer mit einer Magie, die<br />

sie unwiderstehlich macht.<br />

Die jüngste Duftkreation des gebürtigen Tirolers<br />

beweist erneut sein ausgeprägtes Talent für Stil<br />

und Finesse und entspricht perfekt dem Credo der<br />

Marke: »Baldessarini – separates the men from the boys«.<br />

Das Eau de Toilette Baldessarini Black ist ein facettenreicher,<br />

holziger Duft, der durch seine ausdruckstarken<br />

Nuancen besticht. Im Auftakt treffen herb-prickelnder<br />

rosa Pfeffer und aromatisches Basilikum auf einen kühlen,<br />

maskulinen Eis-Akkord. Eine raffnierte Eröffnung, die<br />

in eine faszinierende Melange aus prägnantem Patschuli,<br />

mystischer Myrrhe und betörender Geranie mündet<br />

und so subtil an Opulenz gewinnt. Wildleder-Akkorde,<br />

rauchiges Labdanum und eine Spur Tonkabohne runden<br />

die Komposition harmonisch ab.<br />

Es ist eine ausgewogene Rezeptur, die gekonnt an<br />

den Duft Baldessarini anknüpft, den ersten Duft der 2002<br />

gegründeten Parfümmarke. Der männlich-markante<br />

Signaturduft des Hauses, ein Eau de Cologne, das noch<br />

im Lancierungsjahr mit dem »Oscar der Parfümindustrie«,<br />

dem FiFi Award, in den Kategorien »Bestes Parfum einer<br />

Neuheit Haute Couture« und »Bester Flakon einer Neuheit«<br />

ausgezeichnet wurde, ist auch heute noch äußerst erfolgreich<br />

und längst in die Elite der Duftklassiker aufgestiegen.<br />

Dessen zeitloses Design stand denn auch Pate bei der<br />

Aufmachung des neuen Duftes. Sein schwerer Glasflakon<br />

in edlem Schwarz spiegelt mit purem Unterstatement die<br />

Eleganz und das Luxuriöse der Duftkomposition wider. Die<br />

Verpackung ist ebenfalls schwarz, das von glänzendem Silber<br />

kontrastiert wird. Auch die Werbung orientiert sich am<br />

Vorreiter: Der bekannte Münchner Barkeeper und Gastronom<br />

Charles Schumann ist einst wie jetzt das Gesicht der<br />

Kampagne.<br />

Beide, Klassiker und Newcomer, eint zudem der kraftvolle,<br />

spritzige Auftakt und die Patschuli-Note, die allen,<br />

inzwischen acht Düften der Marke, ihren unverwechselbaren<br />

Charakter gibt. Während der Pionierduft als leichteres<br />

Eau de Cologne konzipiert ist, überzeugt die Fortsetzung<br />

Baldessarini Black als voluminöses Eau de Toilette.<br />

Werner Baldessarini, Gründer der Fragrance-Marke und<br />

ihr Namensgeber, vertraut heute bei der Zusammenstellung<br />

der Rezepturen der fachlichen Kompetenz von Alexandra<br />

Kalle. Sie ist als Hausparfümeurin für die Duftkonzepte bei<br />

Mäurer+Wirtz verantwortlich. Das traditionsreiche, seit<br />

1845 im Familienbesitz befindliche deutsche Beauty-Unternehmen<br />

in Stolberg bei Aachen ist Lizenznehmer der<br />

Marke. Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Verbindet<br />

Baldessarini seine Kindheit und die Erinnerung an<br />

seinen Vater doch mit dem Duft »Tabac Original«, den jener<br />

immer trug. Der Duft-Evergreen kam 1959 – zunächst als<br />

After Shave – just bei Mäurer+Wirtz heraus.<br />

Sein klares Stilempfinden habe er denn auch von seinem<br />

Vater gelernt, betont Werner Baldessarini gern. Ursprünglich<br />

wollte der heute Vierundsiebzigjährige das Kurz- und<br />

Galanteriewarengeschäft übernehmen, das seine Eltern<br />

in München führten. Doch nach seiner Lehre im Textilhandel<br />

machte er schnell Karriere, wurde Einkäufer, später<br />

Geschäftsführer bei einem Herrenausstatter, bevor ihn das<br />

Metzinger Modeunternehmen BOSS engagierte. Im Laufe<br />

der Zeit avancierte er dort zum Chefdesigner und Vorstandsvorsitzenden.<br />

Er prägte die Marke über Jahrzehnte,<br />

gab ihr jenes Flair, das sie zu einem »global brand« machte.<br />

Heute lebt Werner Baldessarini in Kitzbühel. Seine<br />

Passion gehört ganz den Düften – neben dem Mitfiebern<br />

bei der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft; die Marke<br />

ist Sponsor des Teams R-Motorsport/Aston Martin. Hält er<br />

doch Düfte – bei aller Affnität zur Mode – für das wirklich<br />

Essenzielle, Ehrliche. Denn was nützt der schönste Zwirn,<br />

wenn man jemanden nicht riechen kann? ■<br />

26 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


Die Bodensee-Region ist nicht nur<br />

eine besonders liebliche Gegend im<br />

Süden Deutschlands. Es ist vor allem<br />

eines der größten Obstanbaugebiete<br />

innerhalb Europas. Thomas Löhle<br />

ist einer der Apfelbauern, die die<br />

Salem-Frucht GmbH beliefern. Seit<br />

deren Gründung im Jahr 2011 sind<br />

unter anderem bereits 2,8 Milliarden<br />

knackiger Äpfel vom Bodensee in<br />

den Handel gelangt.<br />

KURZE WEGE<br />

OBST <strong>UND</strong> GEMÜSE AUS DER REGION<br />

Von URSULA HEINZELMANN<br />

Fotos ALEX HABERMEHL<br />

Bei manchen Berufen möchte man glatt neidisch werden. Champagner-Winzer etwa, das klingt so fein. Oder<br />

Apfelbauer am Bodensee: Während der Erntezeit in der Herbstsonne Äpfel pflücken, aber sonst nicht viel<br />

tun, außer den Früchten beim Wachsen zuzuschauen und den Blick über den funkelnden See auf die Alpen<br />

zu genießen. Die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus. Reben wollen gepflegt werden, Apfelbäume<br />

auch, bestätigt Thomas Löhle, dessen Hof in Gebhardsweiler oberhalb von Salem am nordwestlichen Ufer<br />

des Sees liegt und sich seit Generationen im Besitz der Familie befindet. Auf siebenundvierzig Hektar gibt<br />

es rund ums Jahr alle Hände voll zu tun, um leuchtende, duftende Äpfel ernten zu können.<br />

Über den Winter bis zur Blüte im April müssen die Bäume<br />

geschnitten und neue gepflanzt werden, außerdem sind die<br />

Netze zum Schutz vor Hagel auszubessern. »Ja, natürlich gibt<br />

es auch eine Versicherung«, sagt der rothaarige Endvierziger, »aber<br />

Äpfel habe ich dann trotzdem keine, und ich muss doch liefern!« Im<br />

Sommer geht es dann wie beim Wein ans Ausdünnen: Zu viele Äpfel<br />

beeinträchtigen das Ergebnis im Herbst. Die Ernte beginnt mit den<br />

ersten frühen Sorten Mitte August und zieht sich bis Ende Oktober<br />

oder sogar in den November. Dabei wird jeder Apfel mit der Hand<br />

gepflückt und behutsam in große Kisten gelegt, damit die dunkelroten<br />

Red Delicious, die farbfrohen Elstar oder die rotfleischigen Red Moon,<br />

eine ganz neue, sehr spannende Sorte, keine Druckstellen bekommen.<br />

Bei dem nur wenige Kilometer entfernten Großmarkt Salem-Frucht<br />

geht es beim Sortieren und Verpacken ebenso sorgfältig zu. Das Unternehmen<br />

ist 2001 aus einem Zusammenschluss dreier alteingesessener<br />

privater Obstgroßmärkte der Region entstanden, um Kapazitäten zu<br />

bündeln und in moderne Technik investieren zu können. Rund zweihundert<br />

Obstbauern stehen hier unter Vertrag, die neben Äpfeln auch<br />

Birnen, Zwetschgen, Brombeeren und Himbeeren liefern. Sämtlich<br />

aus integriertem Anbau: Überall sorgen Blühflächen und Nistkästen<br />

fürs Summen, Brummen und Zwitschern zwischen den Bäumen. Auf<br />

dem Dach der großen Halle von Salem-Frucht wird das Sonnenlicht<br />

für Solarstrom eingefangen, und die ständige Suche nach möglichst<br />

robusten neuen Sorten gehört zur Firmenphilosophie. Neben vertrauten<br />

Namen wie Elstar, Gala, Jonagold oder Boskoop gibt es etwa<br />

den schorfresistenten Swing. Die meisten greifen immer zur selben<br />

Sorte, doch Neues zu probieren lohnt sich. Granny-Smith-Fans etwa<br />

entdecken dann vielleicht Topaz oder Red Moon oder aber Snack, der<br />

besonders gut in Kinderhände passt, als neuen Lieblingsapfel, und Kiku,<br />

Red Rose, Sweetheart oder Evelina sind ebenfalls echte Premiumklasse.<br />

Ob alte oder neue Sorten, bei Salem-Frucht werden alle aus den<br />

Kisten vorsichtig in Becken mit fließendem Wasser gekippt, das als<br />

schonendes Transportmedium dient, und mithilfe von Kameras und<br />

modernster Computertechnik nach Größe und Farbanteil sortiert. In<br />

langen blaugestrichenen Bahnen leuchtet es rot, grün, gelb und orange,<br />

als seien Olympiaschwimmer unterwegs, und zu Stoßzeiten werden hier<br />

je nach Größe zehn bis zwanzig<br />

Tonnen durchgeschleust. Danach<br />

geht es in den Winterschlaf, in<br />

großen Lagern bei knapp über null<br />

Grad Celsius und einem Sauerstoffgehalt,<br />

der ebenso knapp über<br />

Null liegt – so kann das ganze Jahr<br />

über frische Ware in die Regale der<br />

real-Märkte geliefert werden. Und<br />

schließlich wird alles wiederum<br />

behutsam und Stück für Stück<br />

in die Tüten, Trays und Kisten<br />

gepackt. In jedem einzelnen Apfel<br />

stecken also viel Erfahrung und<br />

Können und ebenso viele Handgriffe<br />

und Arbeitsschritte.<br />

Genau wie beim Wein lohnt<br />

sich das in einer Landschaft wie<br />

der am Bodensee ganz besonders.<br />

Denn der glitzert nicht nur, er<br />

fungiert im Herbst auch als<br />

Wärmespeicher und ermöglicht<br />

dadurch den Anbau spätreifender<br />

Sorten. Die Lage auf vierhundert<br />

28 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 29


Auch wenn mein<br />

Wein mal die ganze<br />

Welt erobert – meine<br />

Wurzeln sind hier.<br />

Armin Kreiselmaier,<br />

Gemüsebauer in der<br />

»deutschen Toskana«,<br />

der Pfalz, bürgt mit<br />

seinem Namen für<br />

die herausragende<br />

Qualität seiner biozertifizierten<br />

Produkte.<br />

Bei ihm gedeihen<br />

sowohl heimische<br />

Gemüsesorten als<br />

auch wärmeliebende<br />

wie schmackhafte<br />

Zucchini prächtig. Seit<br />

einigen Jahren baut<br />

der Mittvierziger sogar<br />

Melonen an, die deutlich<br />

geschmacksintensiver<br />

sind als<br />

importierte Ware.<br />

Metern über dem Meeresspiegel sorgt für kühle Nächte und warme<br />

Tage. Wenn alles stimmt, übersetzt sich das in eine belebende, fast<br />

champagnerartige Säure – das ist das Bodensee-Aroma, das uns Landwirte<br />

wie Thomas Löhle in Form von Äpfeln auf die Zunge legen.<br />

Auch Armin Kreiselmaier wird es nicht langweilig – der Pfälzer<br />

Gemüsebauer umsorgt und beackert zweihundertzwanzig<br />

Hektar in Ruchheim zwischen Ludwigshafen und Bad Dürkheim.<br />

Bei ihm wachsen Kartoffeln, Kohlrabi, Fenchel, Staudensellerie,<br />

Zucchini, Landgurken, Brokkoli, Spargel, Salatherzen, Kürbisse – und<br />

Melonen! »Ich war schon immer risiko- und experimentierfreudig«,<br />

sagt der lebhafte Mittvierziger, »und habe dafür nicht selten einiges<br />

an Kopfschütteln geerntet.« Auf die Melonen sei er über die wärmeliebenden<br />

Zucchini gekommen, mit denen er vor acht Jahren begann.<br />

Mit Erfolg: »Wir sind hier sowohl das größte zusammenhängende<br />

Gemüseanbaugebiet Deutschlands als auch Frühanbaugebiet, sozusagen<br />

die Toskana Deutschlands!« Und da die ersten Felder mit biologisch<br />

abbaubarer Folie geschützt werden, sind diese heimischen Zucchini<br />

schon im Frühsommer zu genießen.<br />

Angesichts seiner prächtig gedeihenden Zucchini dachte sich der<br />

ideenreiche Bauer: Warum nicht mal Melonen? Auch dieses deutlich<br />

riskantere Experiment gelang. Seit sechs Jahren erzeugt Armin Kreiselmaier<br />

Galia-, Charentais-, Honig- und Wassermelonen, auf mittlerweile<br />

fünfundzwanzig Hektar. Dass er seit der Übernahme des Betriebs<br />

von den Eltern im Jahr 2008 konsequent alles auf Bio umgestellt hat,<br />

macht es nicht unbedingt einfacher, steht aber nicht zur Diskussion.<br />

»Interessanterweise verhält sich jede Melonensorte jedes Jahr etwas<br />

anders«, erzählt er, »die einen breiten sich gleich so aus, dass gar kein<br />

Unkraut wächst, bei den anderen muss man mit dem Jäten hinterher<br />

sein, damit die Blätter sich gut entwickeln können.« Die Ernte zieht sich<br />

durch die einzelnen Sorten je nach Witterung vier bis sieben Wochen hin,<br />

und je heißer es ist, desto besser läuft natürlich das Geschäft. Die große<br />

Nachfrage rechtfertigt den Aufwand – die Wassermelone, die er als Kostprobe<br />

aufschneidet, ist einfach großartig, äußerst geschmacksinteniv<br />

und weniger wässrig als andere handelsübliche Ware.<br />

Damit sie richtig duften und saftig sind, müssen Melonen so reif<br />

wie möglich geerntet und innerhalb von drei Tagen gegessen werden –<br />

da ist die Pfalz klar im Vorteil gegenüber den langen Transportwegen<br />

von Spanien und Frankreich. Genau den richtigen Ernte-Zeitpunkt<br />

zu erkennen, erfordert viel Erfahrung; bei jeder Sorte gibt es andere<br />

Merkmale: »Wir gehen oft mit dem ganzen Ernte-Team durch, schneiden<br />

dreißig bis vierzig Melonen auf, bis wir sicher sind. Ich habe großes<br />

Glück, dass ich so motivierte Mitarbeiter habe.«<br />

Anders als zuvor seine Eltern vermarktet Armin Kreiselmaier ohne<br />

die Genossenschaft, weil er mit seinem Namen bürgen will. Und noch<br />

einiges hat sich geändert: Vor zehn Jahren sei man als Biobauer noch<br />

nicht sehr gern gesehen worden, während das Miteinander heute viel<br />

besser funktioniere. Eigenes Engagement sei wichtig, nicht einfach<br />

nur das zu tun, was alle anderen machen, sondern nach einem festen<br />

Anbauplan genau das, was der Kunde möchte. »Es ist eine große Freude<br />

zu beobachten, dass doch viele mittlerweile bewusster einkaufen und<br />

die Biowelle mittragen!« sagt er. Man darf gespannt sein, was noch aus<br />

Ruchheim kommen könnte, die Ideen gehen dem Gemüsebauern nicht<br />

aus: »Vielleicht probiere ich ja als Nächstes Physalis?«<br />

Weine aus deutschen Regionen:<br />

Qualität, die man schmeckt.<br />

Die 13 deutschen Weinregionen sind<br />

geschützte Ursprungsbezeichnungen.<br />

Weine aus deutschen Anbaugebieten überzeugen<br />

nicht nur mit außergewöhnlichem Geschmack, sondern<br />

auch mit höchster Qualität. Das garantiert auch die<br />

Europäische Union, die alle 13 deutschen Weinregionen<br />

als geschützte Ursprungsbezeichnungen anerkannt hat.<br />

Mehr Informationen: www.weine-mit-herkunft.de<br />

30 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


PURER <strong>GENUSS</strong><br />

MIT GUTEM<br />

GEWISSEN<br />

Von URSULA HEINZELMANN<br />

Fotos RUI CAMILO<br />

»Der Kunde soll die Wahl haben, sich entscheiden können zwischen konventionell angebauten Äpfeln, Bio-<br />

Äpfeln und solchen wie unseren, aus biodynamischer Landwirtschaft«, betont Mathias Lang, Verkaufsleiter<br />

der Bio Meran. 42 Südtiroler Apfelbauern und -bäuerinnen haben sich 2013 unter diesem Namen zu einer<br />

Genossenschaft zusammengeschlossen, um für Lager und Vertrieb ihrer Früchte die Kräfte zu bündeln. Ihre<br />

Bäume wachsen in ganz Südtirol, in diesem einzigartigen Zusammenspiel von Sonne, Wärme und Niederschlag,<br />

profitieren von den milden Wintern und den Winden, die vor Pilzkrankheiten schützen. Sie wachsen<br />

am Talboden und an den ersten Hängen, wachsen in der großartigen Bergluft der Dolomiten – und leuchten<br />

in dieser malerischen Gebirgskulisse ganz besonders wegen der Temperaturunterschiede zwischen Tag und<br />

Nacht. Im Frühjahr blühen sie strahlend unterhalb der noch schneebedeckten Berggipfel – und ja, bestätigt<br />

Lang, »da besteht durchaus die Gefahr von Frösten, daher gibt es Beregnungsanlagen, dank derer die Blüten<br />

durch einen Eisklumpen geschützt werden; das ist wirklich eine große Errungenschaft für den Apfelanbau.«<br />

Über zweihundert Hektar bewirtschaften die Mitglieder der Bio<br />

Meran insgesamt, doch jeder betrachtet seinen Hof als einzelnen<br />

Organismus. Jeder folgt den biodynamischen Richtlinien<br />

des Demeter-Verbands, gestaltet aber die Lebensprozesse ganz aktiv<br />

mit, übernimmt die Verantwortung für die Gesundheit von Tieren und<br />

Pflanzen. So entsteht mit der Zeit ein Erfahrungsschatz, der wiederum<br />

durch den Austausch der Bauern untereinander gewinnt. »Es ist ein sehr<br />

respektvoller Umgang mit der Natur«, sagt Lang, »Schädlinge werden<br />

mit Nützlingen vertrieben, und die biodynamischen Präparate sorgen<br />

für die Stärkung von Boden und Pflanzen. So steigern wir die Frucht-<br />

32 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 33


Die über vierzig Biobauern der Genossenschaft Bio<br />

Meran liefern nicht nur alt bekannte Apfelsorten, sondern<br />

auch seltene wie die saftigen, rotfleischigen Red Moon.<br />

Besonders die deutschen real-Kunden schätzen die<br />

spezielle Qualität, weiß Verkaufsleiter Matthias Lang.<br />

barkeit, und die Humusschicht wächst. Natürlich<br />

kann man mit anderen Methoden kurzfristig höhere<br />

Erträge erzielen, aber wir denken langfristig und<br />

nachhaltig.« Kamille und Baldrian, Schachtelhalm,<br />

Brennessel und Schafgarbe werden aufbereitet und<br />

zu bestimmten Momenten der Mondphasen versprüht,<br />

Mist reift in Rinderhörnern zu Kompost<br />

heran und wird als Dünger eingesetzt.<br />

»Besonders in Deutschland unterstützen die<br />

Kunden unsere Philosophie und Arbeitsweise«,<br />

freut sich Lang, »das ist eine wichtige Bestätigung.«<br />

Und wie könnte man dies auch nicht unterstützen<br />

wollen, wenn die Vitalität von Boden und Bäumen<br />

in den Äpfeln so deutlich zu schmecken ist? Hier<br />

versteht man den Namen des Golden Delicious,<br />

weil er hier tatsächlich golden leuchtet und köstlich<br />

schmeckt, hier sind auch all die anderen vertrauten<br />

Sorten wie Gala, Braeburn, Granny Smith<br />

oder Morgenduft von einer ganz besonderen Komplexität. Und wer<br />

Glück hat, erwischt Seltenes wie den Gold Rush oder sogar echte, alte<br />

Raritäten wie die Ananasreinette. So hat man als Kunde gerne die Wahl!<br />

Was gleichermaßen für Biolatina gilt, ebenfalls eine Genossenschaft.<br />

In Sabaudia, auf halbem Wege zwischen Rom und<br />

Neapel, wachsen hier in einer ganz anderen Kulisse vielerlei<br />

Sorten Salate, Fenchel, Radieschen, Möhren, Rettiche, Spinat, Datteltomaten,<br />

mannigfache Kräuter und auch Ausgefalleneres wie Aloe Vera,<br />

Puntarelle oder Erdnüsse und Kiwis. Die Seeluft des Mittelmeers und<br />

die Wärme des italienischen Südens, aber auch die Hingabe und Sorgfalt,<br />

mit der hier gearbeitet wird, drückt sich in knackigen, würzigen<br />

Wurzeln und Blättern aus. Die 1985 gegründete Genossenschaft arbeitet<br />

bereits seit 1992 nach den Demeter-Richtlinien. Selbstverständlich<br />

gibt es auch moderne Technik, aber stets sind es die Menschen, die<br />

den Takt angeben, die Verbindung zum Boden halten, die letzten und<br />

die wichtigsten Handgriffe tun. Biodiversität ist ebenso wichtig wie die<br />

selbst hergestellten Kräuter- und Mistpräparate: Da summen Bienen,<br />

zwitschert es in und um die Nistkästen, scharren Hühner inmitten von<br />

Blumen und Blüten, sorgen Rinder<br />

für den eigenen Dünger – alles<br />

und alle gehören dazu. Auch die<br />

Zukunft: Biolatina beteiligt sich an<br />

der Aktion »Seminare Il Futuro«,<br />

Zukunft säen, bei der einmal im<br />

Jahr auf einem bestimmten Feld<br />

von Kunden, Nachbarn und Besuchern,<br />

jung und alt Bio-Weizenkörner<br />

ausgesät werden – »ogni<br />

seme che germoglia è una speranza<br />

per la vita«, jeder Samen,<br />

der keimt, ist eine Hoffnung auf<br />

Leben, sagt Tonino Falzarano,<br />

eines der Gründungsmitglieder<br />

von Biolatina.<br />

Von dieser Hoffnung, der Verantwortung<br />

für die Zukunft und<br />

dem Bestreben, Verbrauchern die<br />

Möglichkeit der Entscheidung zu<br />

geben, ist auch die Arbeit auf den<br />

Dominique Farms geprägt. An der<br />

karibischen Küste, am Fuße der<br />

kolumbianischen Sierra Nevada recken Bananenstauden ihre grünen<br />

Blätterwedel der Sonne entgegen. Es ist ein besonderer Ort, denn hier<br />

werden die Pflanzen von den Ausläufern der Anden vor Wirbelstürmen<br />

geschützt und aus den beinahe 6000 Meter hohen Bergen durch zahlreiche<br />

Flüsse mit reichlich Schmelzwasser versorgt, das viel vulkanische<br />

Mineralien und fruchtbaren Schlick mitbringt. Außerdem sorgen die<br />

heißen Tage und kühlen Nächte dieses Mikroklimas für die Bildung von<br />

besonders viel Fruchtzucker.<br />

Doch die Santa-Marta-Bananen sind nicht nur besonders köstlich,<br />

sie entstammen auch einem Unternehmen, in dem alles erdenklich<br />

Mögliche für ein integres und gesundes Arbeiten mit und in der Natur<br />

getan wird. »Biosecurity-Maßnahmen sind extrem wichtig, um dem<br />

verheerenden Bananenpilz entgegenzuwirken. Vor allem brauchen wir<br />

aber widerstandsfähige Pflanzen, in einem stabilen, natürlichen Ökosystem«,<br />

erklärt Besitzer und Geschäftsführer Louis Hesselholt, »nur<br />

dann sind wir tatsächlich geschützt.« Im natürlichen Regenwald der<br />

Tropen habe der überhaupt keine Chance, in einer Monokultur jedoch,<br />

wie den herkömmlichen Bananenplantagen, verbreite er sich rasant.<br />

Dort kommen deshalb große Mengen Fungizide zum Einsatz, die nicht<br />

Foto: Biolatina<br />

zuletzt auch die Arbeiter gesundheitlich stark in Mitleidenschaft ziehen.<br />

»Als Bio- und Demeterproduzent setzen wir lieber auf möglichst große<br />

Artenvielfalt«, sagt Hesselholt, »wir haben ausgesprochen tiefe, von<br />

einer enormen Zahl von Würmern durchsetzte Böden, denn die Mutterpflanzen,<br />

die nach der Ernte absterben, werden gefällt und bilden vor<br />

Ort Humus. Bei uns wachsen zwischen den Bananen außerdem mehrere<br />

Sorten Mangos, Schlangenbohnen, Ingwer und viele Bodendecker, auf<br />

unseren Farmen leben Krokodile, Jaguare, Affen, Wölfe, Wildhunde<br />

und Schlangen, ganz zu schweigen von all den Vögeln, Insekten und<br />

Mikroorganismen. Darüber hinaus haben wir in Zusammenarbeit mit<br />

der hiesigen Universität unsere eigenen biodynamischen Mittel und<br />

Dünger entwickelt, die vollständig aus Rohstoffen von unseren Anwesen,<br />

aus dem Regenwald der Sierra Nevada, von den Flussufern und anderen<br />

naturbelassenen Gegenden entstehen.«<br />

Seit Anfang 2019 bietet real in einem für die Branche revolutionären<br />

Schritt Bananen unverpackt und ausschließlich in Bio- und<br />

Demeterqualität an, um das Engagement auf den Dominique<br />

Farms zu unterstützen. Denn diese Bananen sind nicht nur nach streng<br />

kontrollierten Richtlinien gewachsen, das Wohl der Arbeiter steht dabei<br />

ebenso im Mittelpunkt, jenen Menschen, die sie hegen und pflegen,<br />

ernten und packen. Das ist dann echter Genuss mit gutem Gewissen.<br />

Was großartigerweise auch für die Avocados gilt, die über den<br />

Bio-Großhändler Lehmann Natur aus Andalusien im Süden Spaniens<br />

in die Obst- und Gemüseabteilungen der real-Märkte kommen. Die<br />

nahrhaften Früchte sind aufgrund ihres Status als Superfood und der<br />

dadurch extrem gestiegenen Nachfrage bei umwelt- und sozialbewussten<br />

Konsumenten etwas in Verruf geraten. Doch die Avocados, die bei<br />

Firmengründer Friedrich Lehmann auf fünfzig Hektar neben Granatäpfeln,<br />

Kumquats, Kakis und Mispeln wachsen, stammen tatsächlich<br />

aus einer Art Paradies. Seit fünfundzwanzig Jahren erforscht Lehmann<br />

hier die ökologische Landwirtschaft und Permakultur. Dies ist kein<br />

starres Konzept oder Regelsystem, sondern eine Richtung mit immer<br />

wieder neuen Versuchen. »Es ist die Landwirtschaft der Zukunft«, ist<br />

der agile Anfangsiebziger überzeugt, »ein Arbeiten mit der Natur, in<br />

einem vollkommen transparenten, ökologischen Wirtschaftssystem.<br />

Wir müssen nur respektvoll beobachten, dann zeigt uns die Natur, was<br />

wir tun müssen und gibt uns Früchte im Überfluss.«<br />

Hier sind die Baumreihen nicht gerade, denn so werden Wind- und<br />

Wasserkanäle vermieden, bleibt das Regenwasser auf dem Grundstück.<br />

Es kommen weder chemische Dünger noch Pestizide, Fungizide oder<br />

Herbizide zum Einsatz: »Wir bauen Boden auf, statt Bäume zu füttern.<br />

Ein starker Boden bringt starke Bäume und Pflanzen hervor, und die<br />

wiederum liefern uns Früchte voller Nährstoffe und Geschmack.«<br />

Die blühenden Pflanzen ziehen auch Nützlinge an, um Schädlinge<br />

in Schach zu halten. Avocadoblüten sind zwar nicht besonders attraktiv<br />

für die Bienen, die ein benachbarter Imker betreut, aber es blüht so viel<br />

Anderes: Granatäpfel, Borretsch, Malven, Rosen, dazwischen stehen<br />

Feigen, wächst duftende Minze. Ein buntes Durcheinander, das fürs<br />

ungeübte Auge chaotisch erscheint. »Jede Pflanze hat ihre Bestimmung«,<br />

betont Lehmann, »vieles wissen wir einfach nicht.« Die Mikroorganismen<br />

im Boden werden mit einem selbst hergestellten Biopräparat<br />

gefördert, einer intensiv würzig riechenden orangefarbenen Flüssigkeit,<br />

die mit der Bewässerung von April bis Oktober auf der Finca verteilt<br />

wird. Wie bei den Dominique Farms in Kolumbien gibt es auch<br />

hier im Süden Spaniens keinerlei nackte Erde. Manche der Avocadobäume<br />

werfen im Frühjahr viele Blätter ab, andere behalten nahezu ihr<br />

gesamtes Laub. Manche sind dunkelgrün, andere glänzen gelbrötlich.<br />

Keiner ist wie der andere, »wie Menschen«, lächelt Lehmann, dem sehr<br />

am Wohl seiner Mitarbeiter liegt. Er beschäftigt ausschließlich Nachbarn,<br />

und die örtliche Versorgung ist ebenso wichtig wie der Export.<br />

Geerntet wird ab Oktober, mit der Hand und in Boxen, die auf Maultierkarren<br />

statt Traktorgespannen stehen, ohne Krach und Gestank. In<br />

einer Halle wird sortiert und verpackt, möglichst reduziert. »Schließlich<br />

sind die Früchte bereits von Natur aus perfekt verpackt!« Was<br />

wiederum bestens zur real-Philosophie passt und zu den Wünschen der<br />

Kundinnen und Kunden an genussvolle Nachhaltigkeit.<br />

Weder die Bio-Avocados<br />

aus Südspanien noch die<br />

Demeter-Bananen aus<br />

dem kolumbianischen<br />

Regenwald brauchen<br />

eine zusätzliche Verpackung.<br />

Sie sind bereits<br />

durch ihre natürliche<br />

Hülle geschützt. Ganz<br />

im Sinne der seit Anfang<br />

2019 konsequent<br />

umgesetzten real-Philosophie,<br />

wonach Plastik<br />

wann immer möglich<br />

eingespart wird.<br />

34 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 35


EINKAUFEN LASSEN<br />

STATT EINKAUFEN GEHEN<br />

BALD IST WEIHNACHTEN –<br />

ZEIT, BÜCHER ZU VERSCHENKEN!<br />

Von UWE KAUSS<br />

Foto JOHANNES GRAU<br />

JETZT NEU!<br />

IM NOVEMBER 2019<br />

NATHALIE GLEITMAN<br />

ME FOOD, MY FOOD,<br />

MY TEL AVIV<br />

Mit mehr als 120 kreativen Rezepten vermittelt<br />

Nathalie Gleitman das einzigartige Lebensgefühl<br />

des kulturellen und kulinarischen Hot Spots<br />

Israels und zeigt dabei, wie einfach eine gesunde<br />

Ernährung für jeden Tag sein kann.<br />

ISBN 978-3-96033-043-1 € 29,90 (D)<br />

JETZT NEU!<br />

IM NOVEMBER 2019<br />

ANDREE KÖTHE & YVES OLLECH<br />

<strong>DAS</strong> GROSSE GEMÜSEKOCHBUCH<br />

Frische, saisonale und regionale Gemüse stehen in der Küche des Nürnberger Restaurants<br />

Essigbrätlein im Vordergrund. Die Philosophie von Andree Köthe und Yves Ollech ist einfach<br />

und klar: Nur was in der Region wächst, kann in optimaler Qualität in den Kochtopf wandern.<br />

ISBN 978-3-96033-064-6<br />

Subskriptionspreis € 55,00 (D)<br />

Ab dem 01.12.2019: € 69,90 (D)<br />

Die Liste mit den Dingen, die gebraucht werden, ist lang und wird länger, aber die Zeit ist wieder mal<br />

zu knapp. Vor allem in den Wochen vor Weihnachten gestaltet sich der Alltag noch stressiger und<br />

hektischer als sonst. Also schnell in den Supermarkt, mit Vollgas durch die Regale fegen und dabei,<br />

na klar, das Wichtigste vergessen. Dagegen gibt’s eine die Nerven schonende und günstige Lösung:<br />

Einkaufen lassen! Der Wochenmarkt real bietet ihren Kunden hierfür einen speziellen Service. Einfach<br />

bis Mitternacht online im Lebensmittelshop von real.de bestellen und mit ein paar Klicks den<br />

Lieferservice beauftragen. Schon wenige Stunden später kommt alles nach Hause. Die gesparte Zeit<br />

lässt sich nun für andere wichtige Erledigungen nutzen. Oder mal kurz zum Luft holen.<br />

Bequemer geht’s nicht: Denn am Tag<br />

nach dem Bestelleingang besorgt<br />

ein real-Mitarbeiter im nächsten<br />

Wochenmarkt für Sie das, was Sie benötigen,<br />

und legt Ihre bestellten Waren in den Einkaufswagen<br />

– und schon am Nachmittag<br />

oder Abend klingelt ein Lieferant an der<br />

Haustür. Werden beim Bestellen online<br />

noch freie Lieferkapazitäten angezeigt,<br />

lässt sich alles sogar noch am selben Tag<br />

in Empfang nehmen. Auch dabei gibt’s<br />

keine nervige Warterei: Die Lieferung<br />

lässt sich auf ein Zeitfenster von maximal<br />

zwei Stunden eingrenzen. Wer seinen Einkauf<br />

dagegen erst später benötigt, kann den<br />

Liefertermin bis zu fünf Tage im Voraus verbindlich<br />

festlegen. Selbst frische, gekühlte<br />

oder tiefgefrorene Lebensmittel sind kein<br />

Problem: real liefert Kühl- und Tiefkühlwaren<br />

in speziellen Boxen – und garantiert,<br />

dass die Kühlkette bis zur Haustüre niemals<br />

unterbrochen wird.<br />

Dabei haben Sie online die riesige Auswahl<br />

unter etwa siebenundzwanzigtausend<br />

Qualitätsprodukten und damit fast so viel<br />

wie im Wochenmarkt in Ihrer Nähe. Dazu<br />

gehören Obst und Gemüse, Milcherzeugnisse,<br />

eine riesige Auswahl an Wurst, Käse,<br />

Fleisch, Fisch, Tiefkühlkost, alkoholische<br />

und nicht alkoholische Getränke sowie<br />

Drogerieartikel und Haushaltswaren.<br />

Was Sie an der Haustür erhalten, ist<br />

wie selbst eingekauft: Denn die real-Mitarbeiter<br />

prüfen beim Zusammenstellen der<br />

gewünschten Waren die Mindesthaltbarkeit<br />

sowie die Frische und Unversehrtheit, damit<br />

36 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />

Sie auch dabei niemals Abstriche machen<br />

müssen. Die Lieferung von maximal zwei<br />

Getränkekisten ist übrigens kostenfrei.<br />

Stehen zu Hause leere Pfandflaschen oder<br />

Leergutkisten im Weg? Der real-Lieferant<br />

nimmt sie einfach mit, der Pfandbetrag wird<br />

von der Rechnung abgezogen. Damit sparen<br />

Sie sich die lästige Schlepperei und wieder<br />

einen Weg.<br />

Übrigens sind die meisten Sonderangebote<br />

in den Regalen Ihres real-Wochenmarkts<br />

auch im Online-Lebensmittelshop<br />

gültig. So können Sie bei der bequemen<br />

Lieferung nicht nur Zeit, sondern auch<br />

eine Menge Geld sparen. Zudem haben<br />

Sie daheim an der Haustür das gleiche<br />

unkomplizierte Rückgaberecht wie an<br />

der Kasse: Sollten Sie feststellen, dass ein<br />

bestellter Artikel nicht Ihren Vorstellungen<br />

entspricht, so verweigern Sie einfach die<br />

Annahme oder geben ihn direkt beim<br />

Lieferanten zurück. Ganz klar: Sie bezahlen<br />

selbstverständlich nur die angenommenen<br />

Artikel.<br />

Die kundenfreundliche Gebühr für<br />

den Lieferservice im Lebensmittelshop<br />

auf real.de beträgt bis zu 7,95 Euro. Sie<br />

ergibt sich aus verschiedenen Faktoren, die<br />

im Lauf der Bestellung sehr transparent<br />

angezeigt werden. Dazu gehört etwa, wie<br />

hoch der Warenwert ist und welcher Zeitraum<br />

für die Zustellung des Einkaufs<br />

ausgewählt wird. Soll beispielsweise die<br />

Lieferung noch am selben Tag erfolgen,<br />

kostet das den geringen Aufschlag von<br />

1,50 Euro. Bis zu zwei Getränkekisten oder<br />

anderes Sperrgut sind dabei ohne weiteren<br />

Zuschlag enthalten. Erst ab dem dritten<br />

Sperrgutartikel berechnet real zusätzlich<br />

1,50 Euro.<br />

Wer Payback-Punkte sammelt, wird<br />

von real sogar doppelt beliefert. Denn für<br />

je zwei Euro Umsatz wird Ihnen ein Payback-Punkt<br />

auf dem Konto gutgeschrieben.<br />

Sie müssen lediglich beim Bestellen die<br />

Payback-Nummer eingeben, die Gutschrift<br />

erfolgt automatisch kurz nach jeder<br />

Rechnungsstellung.<br />

JETZT NEU!<br />

IM DEZEMBER 2019<br />

FRENZELS WEINSCHULE BAND 2<br />

Nach dem großen Erfolg des ersten Bandes folgt nun mit FRENZELS WEIN-<br />

SCHULE 2 die Fortführung für alle, die tiefer in das Thema Wein einsteigen wollen.<br />

ISBN 978-3-96033-060-8<br />

Subskriptionspreis € 55,00 (D)<br />

Ab 1.1.2020 € 69,90 (D)<br />

JETZT NEU!<br />

IM NOVEMBER 2019<br />

JÜRGEN DAVID<br />

BUTCHER’S REVOLUTION<br />

Das erste Buch über und mit Metzgermeister<br />

Jürgen David, DER Koryphäe für Dry-Aged-<br />

Beef in Deutschland. Wort- und bildreich schildert<br />

er seinen Werdegang von der traditionellen<br />

Dorfmetzgerei zur preisgekrönten Hall of Beef.<br />

ISBN 978-3-96033-056-1 € 39,90 (D)<br />

GAGGENAU<br />

<strong>DAS</strong> KOCHBUCH<br />

Wie kocht man aroma- und vitaminschonend? Welcher<br />

Wein passt am besten zu welchem Essen? Und<br />

wie lassen sich eigentlich kleine und vor allem große<br />

Events im privaten Rahmen gut planen?<br />

Antworten auf diese und zahlreiche andere Fragen<br />

bietet das große Gaggenau Kochbuch mit 100<br />

Rezepten und zahlreichen Tipps für die perfekte<br />

Zubereitung im Dampfbackofen.<br />

ISBN 978-3-96033-042-4<br />

JETZT NEU!<br />

IM NOVEMBER 2019<br />

€ 69,90 (D)<br />

JETZT NEU!<br />

IM NOVEMBER 2019<br />

JÖRG & NICO SACKMANN<br />

SACKMANN –<br />

UNSER KOCHBUCH<br />

Familientradition – das wird bei Familie Sackmann<br />

seit vier Generationen im „Hotel Sackmann“ in Baiersbronn<br />

gelebt. Bereits seit mehr als 25 Jahren<br />

zeigt Jörg Sackmann in seinem Sternerestaurant<br />

„Schlossberg“ seine einmalige Kochkunst.<br />

ISBN 978-3-96033-041-7 € 49,90 (D)<br />

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Heute erinnert sich kaum einer mehr daran, wie besonders das<br />

Saarland, dieses kleinste Flächenland der Bundesrepublik,<br />

eigentlich ist. Dabei war das Land ein ewiger Zankapfel<br />

zwischen Deutschland und Frankreich. Was politisch häufig schmerzhaft<br />

war, erwies sich aus kulinarischer Sicht als Segen. Mit nachhaltigem<br />

Erfolg: In keinem deutschen Bundesland gibt es mehr Michelin-Sterne<br />

als im Saarland. Klaus Erfort wurde 1972 in Saarbrücken geboren. In<br />

der üblichen kulinarischen Zeitrechnung zählt man dies als Jahr Eins<br />

des deutschen Küchenwunders, das mit der Eröffnung des Münchner<br />

Restaurants Tantris unter Chefkoch Eckart Witzigmann seinen Anfang<br />

nahm. Dass es ein solches im Saarland längst gab, hatte der junge Klaus<br />

Erfort zunächst gar nicht mitbekommen. Der strenge Beamtenhaushalt,<br />

in dem er aufwuchs, hatte mit derlei Possen nichts am Hut, zumal die<br />

Mutter früh starb. Das änderte sich beinahe über Nacht, als dem vierzehnjährigen<br />

Schüler ein Praktikum in den Winzerstuben d’Alsace von<br />

Rudi Kubig zugeteilt wurde.<br />

Der junge Erfort tauchte für einige Wochen in diese für ihn völlig<br />

neue Welt ein und war danach ein anderer. Nach dem Praktikum half er<br />

noch einige Male aus und begann nach der Schulzeit 1987 eine Koch-<br />

Klingt eigentlich ganz schlicht und einfach: auf Meersalz<br />

gegarte Langoustines »Royales« mit gegrilltem jungem<br />

Lauch. Wenn Klaus Erfort mit seinem Küchenteam seinen<br />

»Signature Dish« zubereitet, wird daraus eine Speise in<br />

Sternequalität. Erforts Geheimnis: nur allerbeste Zutaten,<br />

auf den perfekten Punkt gegart, im Mittelpunkt immer<br />

das Produkt! Da verwundert es nicht, dass der gebürtige<br />

Saarländer jedes Jahr aufs Neue mit allerhöchsten Auszeichnungen<br />

bedacht wird.<br />

DREI STERNE<br />

KLAUS ERFORT<br />

Von STEFAN PEGATZKY<br />

Fotos AXL KLEIN & MARTIN REPPLINGER<br />

Man könnte meinen, er ist endlich angekommen. Wie er am neuen Chef ’s Table seines<br />

Restaurants in Saarbrücken sitzt, den Blick über den weitläufigen Garten streifen lässt<br />

und dabei per Telefon die Bestellungen für den nächsten Tag durchgibt: Das ist so<br />

selbstverständlich wie souverän. Etwas mehr als fünfzehn Jahre ist er hier nun der Chef,<br />

im historischen Gästehaus der Saarbergwerke AG, das heute GästeHaus Klaus Erfort<br />

heißt. Von Stillstand ist bei ihm allerdings immer noch nichts zu spüren, im Gegenteil:<br />

eher eine immerwährende, kreative Unruhe.<br />

lehre bei Gertrud Thiel in Saarbrücken. Das Restaurant war nicht ohne<br />

Ambitionen, aber doch auch nicht das, was er in der Winzerstube kennengelernt<br />

hatte. Und so stach er heraus. Ein Kollege erinnert sich, dass Klaus<br />

Erfort in der Lehrzeit alle »an die Wand gekocht« habe. Nach der Ausbildung<br />

wechselte er in die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Villa<br />

Fayence im fünfunddreißig Kilometer entfernten Wallerfangen. Doch<br />

auch das war Klaus Erfort nicht genug, und so ging es in den Norden<br />

des Saarlandes, nach Tholey, in Josef Hubertus’ Hotellerie – was ebenfalls<br />

nicht das Richtige war. Nach einem Jahr stand Klaus Erfort also<br />

wieder dort, wo alles seinen Anfang genommen hatte: in der Küche der<br />

Winzerstube in Saarbrücken.<br />

Wer weiß, wo er heute stünde, hätte er nicht im Januar 1992<br />

die Idee gehabt, mit seiner Freundin nach Baiersbronn zum<br />

kulinarischen Bildungsurlaub zu reisen. Dort hatte Karlheinz<br />

Schuhmair zwei Michelin-Sterne im Restaurant Bareiss des Kurhotels<br />

Mitteltal erkocht – und wohl nur der unwirtlichen Jahreszeit war es zu<br />

verdanken, dass die mittägliche Reservierungsanfrage für den Abend<br />

positiv beschieden wurde. Beim Restaurantbesuch erfuhr Erfort von<br />

einem Stellenangebot, am Tag darauf folgte das Vorstellungsgespräch,<br />

und am 1. März stand der Jungkoch aus dem Saarland in einer Küche<br />

im Schwarzwald. Für ihn war es ein Schritt heraus aus der Komfortzone<br />

seiner Heimat. Und zugleich der Anschluss an die zeitgenössische<br />

Spitzenküche: München und Wertheim-Bettingen galten spätestens<br />

Ende der Siebzigerjahre als Hauptstädte der deutschen Gourmets – und<br />

seit 1992 galt das auch für den Luftkurort Baiersbronn. Platzhirsch vor<br />

Ort war die Familie Finkbeiner, die die Traube im Ortsteil Tonbach in<br />

den frühen Siebzigerjahren zu einem der besten Hotels Deutschlands<br />

ausgebaut hatte. Wichtigster Konkurrent: die Familie Bareiss und ihr<br />

Kurhotel Mitteltal.<br />

1978 gab es für die Schwarzwaldstube in der Traube-Tonbach bereits<br />

den zweiten Michelin-Stern. Doch das Bareiss blieb dicht auf den Fersen<br />

und zog 1984 mit zwei Sternen gleich, die Karlheinz Schuhmair seit 1989<br />

verteidigen konnte. Unübersehbar hatte die Schwarzwaldstube unter<br />

Harald Wohlfahrt allerdings bereits Kurs auf den dritten Stern genommen.<br />

Auch darauf reagierte Hermann Bareiss, indem er dem jungen Claus-<br />

Peter Lumpp durch Drei-Sterne-Köche in München, Monte Carlo und<br />

Mailand den letzten Feinschliff geben ließ. Exakt an dem 1. März 1992<br />

schließlich, an dem Klaus Erfort seine Arbeit im Restaurant Bareiss<br />

begann, kehrte Lumpp nach Baiersbronn zurück und löste Karlheinz<br />

Schuhmair als Chefkoch ab.<br />

Man muss diesen Hintergrund kennen, um zu verstehen, warum<br />

diese Jahre für die Karriere von Klaus Erfort entscheidend waren. Der<br />

Wechsel vom Saarland in den Schwarzwald bedeutete nicht einfach<br />

den Aufstieg von der Ein- in die Zwei-Sterne-Gastronomie. Es war der<br />

Sprung von der gehobenen Küche in die dünne Luft der europäischen<br />

38 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 39


Spitzenköche beim<br />

Schnibbeln: Klaus Erfort<br />

(rechts) und Mirko<br />

Bunk bereiten da mal<br />

was Schönes für die<br />

Gäste vor, zum Beispiel<br />

ein frühlings-traumhaftes<br />

Dessert -<br />

mit Rhabarber,<br />

Champagner und Erdbeeren.<br />

Spitzengastronomie. Dass der junge Erfort diese Herausforderung<br />

unter dem hochambitionierten Claus-Peter Lumpp meisterte, war<br />

die entscheidende Bewährungsprobe seiner Karriere. Kein Wunder,<br />

dass sich seine Aufmerksamkeit bald auf ein neues Ziel richtete: Im<br />

September 1993 wechselte er also zu Harald Wohlfahrt. Spätestens<br />

nachdem Erfort sich auch hier bewährt hatte, zählte er zu den vielversprechendsten<br />

Nachwuchstalenten des Landes. Bereits im Jahr darauf<br />

erhielt der Einundzwanzigjährige ein verlockendes Angebot für eine<br />

Küchenchef-Stelle in der Orangerie im Parkhotel Gengenbach in Völklingen.<br />

Klaus Erfort ließ sich überzeugen und verteidigte umgehend<br />

den bereits bestehenden Stern.<br />

Im März 1999 wechselte Klaus Erfort als Küchenchef ins feudale<br />

Gourmetrestaurant Imperial im Schlosshotel Bühlerhöhe. Das<br />

Anwesen war seit seinem Bau 1912 so etwas wie die Gralsburg der<br />

deutschen Grand-Hotellerie. Zum Tempel der Gastronomie hatte es 1986<br />

der Industrielle Max Grundig machen wollen, doch das war krachend<br />

schiefgegangen. Ende der Neunzigerjahre gab es erneut hochfliegende<br />

Pläne für die Luxusimmobilie. SAP-Gründer und Investor Dietmar Hopp<br />

erwarb das Haus. Wichtiges Puzzlestück: ein unter Klaus Erfort für<br />

Furore sorgendes Gourmetrestaurant Imperial, über dem nach kurzer<br />

Zeit der erste Stern leuchtete. Wenig später war das Abenteuer auch<br />

schon wieder vorbei, das Hotel verkauft. Der große Traum in Bühl war<br />

ausgeträumt – und Klaus Erfort<br />

um einiges an Erfahrung reicher.<br />

Noch einmal, so sagte er sich, sollte<br />

ihm so etwas nicht passieren. Dazu<br />

musste er jedoch sein eigener<br />

Chef werden. Am 5. März 2002<br />

eröffnete er, knapp dreißigjährig,<br />

sein Restaurant im ehemaligen<br />

Gästehaus der Saarbergwerk AG<br />

in Saarbrücken. Der Kreis hatte<br />

sich geschlossen. Noch im selben<br />

Jahr erkochte er sich den ersten<br />

Michelin-Stern, 2004 den zweiten<br />

und 2007 schließlich den dritten,<br />

der ihn seit dieser Zeit ununterbrochen<br />

schmückt.<br />

Kaum einer denkt darüber<br />

nach, ob die Tatsache, dass<br />

Klaus Erfort selbstständig ist, die<br />

Art seines Kochens beeinflusst.<br />

In Deutschland, dem Land der<br />

Dichter und Denker, entdecken<br />

Gourmets im Spitzenkoch gerne<br />

den Künstler – und sind unangenehm<br />

berührt, wenn sie an die<br />

wirtschaftlichen Grundlagen der<br />

Branche erinnert werden. Erfort<br />

selbst versteht sich in erster Linie<br />

als Unternehmer und will mit<br />

seiner Arbeit vor allem die Gäste<br />

glücklich machen und nicht sich<br />

selbst einen Platz im Pantheon<br />

der Kochgeschichte sichern.<br />

So hat Klaus Erfort an den drei<br />

wichtigsten Orten seiner Karriere<br />

drei unterschiedliche Wege<br />

kennengelernt, um die Magie einer<br />

großen kulinarischen Erfahrung zu<br />

erzeugen: die opulente Produktinszenierung<br />

bei Claus-Peter<br />

Lumpp, den perfekten, variantenreichen<br />

Telleraufbau durch eine<br />

vielköpfige Brigade bei Harald<br />

Wohlfahrt und die Verzauberung<br />

durch eine einzigartige Örtlichkeit auf der Bühlerhöhe. Das war in jedem<br />

Fall nur möglich gewesen, weil die Eigentümer die Küche als Zuschussgeschäft<br />

verstanden hatten und sie entsprechend subventionierten. Für<br />

einen Selbstständigen wie Klaus Erfort war das nicht machbar, und so<br />

entnahm er jeweils gleichsam die Essenz der Ansätze – die Produkte,<br />

die Präzision der Prozesse und das Raumkonzept – und fügte sie in<br />

seinem GästeHaus zu einem Ganzen zusammen. Vielleicht ist das der<br />

Schlüssel seines Erfolges, dass sich seine vielgerühmte »Reduktion<br />

auf das Wesentliche« unter dem Druck des »echten Lebens« bildete.<br />

Erfort selbst nennt das Jahr 2004 als den Zeitpunkt, in dem er<br />

fokussierter wurde und sich sein eigener Stil zu bilden begann. Es ist<br />

eine in der französischen Haute Cuisine wurzelnde Küche: Mit großer<br />

Aufmerksamkeit für Proportion und Balance der einzelnen Gänge,<br />

kulinarisch sinnvoll und von wenigen Komponenten begleitet. Und<br />

doch lässt sich diese Küche stilistisch nicht leicht festlegen. Das liegt<br />

daran, dass Erfort sich beständig weiterentwickelt. Es ist eben die<br />

Maximierung des Geschmacks, um die es ihm geht. Eine Kritikerin hat<br />

einmal von »Deep Taste« gesprochen. Da kann dann neben filigrane<br />

Kompositionen auch etwas Deftiges treten, aber selbst das gelingt,<br />

wie im Magazin Feinschmecker einmal zu lesen war, »Klaus Erfort<br />

und seinem Team wie ein Spitzentanz«. Tatsächlich entsprechen der<br />

Konzentration auf dem Teller die perfekten Arbeitsabläufe hinter den<br />

Kulissen: Gerade einmal acht Mann stehen unter der Regie von Sous-<br />

Chef Stephan Krogmann in der Küche. Nicht von ungefähr sind deshalb<br />

Erfort die Stimmung und der Zusammenhalt im Team sehr wichtig.<br />

»Die Wahrheit liegt auf dem Teller« ist das Motto im GästeHaus und<br />

meint, dass eben das »ungeschminkte« gute Produkt die Hauptsache<br />

ist. Der Satz lässt sich auf zwei Arten betonen, einmal auf »Teller«, aber<br />

eben auch auf »Wahrheit«. Und dann fängt man an, den Anspruch von<br />

Klaus Erfort zu begreifen.<br />

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cleverer Überflieger?<br />

Dann seien Sie auch so smart, Ihre Werbung<br />

mit Produkten zu bezahlen.<br />

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40 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong>


ALLES KÄSE!<br />

Käse<br />

Von URSULA HEINZELMANN Fotos CHRISTOF HERDT<br />

ist so vielfältig, von einfacher Stärkung, unprätenziös und erschwinglich, bis hin zu<br />

lang gereifter Rarität, kann handwerklich auf kleinen Höfen oder im großen Stil industriell<br />

erzeugt werden. Immer ist er jedoch Ausdruck einer ganz bestimmten Situation, spiegelt<br />

Klima und Landschaft, Menschen und Tiere, Erinnerungen und Träume wider. Flüssige<br />

Milch zu festem Käse zu verarbeiten, das ist unseren Vorfahren in grauer Vorzeit nicht aus<br />

Jux und Tollerei oder gar Langeweile eingefallen. Ihnen ging es darum, mit den ihnen zur<br />

Verfügung stehenden Mitteln etwas leicht Verderbliches haltbar zu machen, für die langen<br />

Monate ohne frische Milch, aber auch für die Möglichkeit des Transports, aus abgelegenen<br />

Tälern und hinunter von der Sommer-Alpe, auf die Märkte.<br />

Solche wirtschaftlichen Zwänge stecken hinter vielen<br />

Entwicklungen, und häufig machen sie sich irgendwann<br />

selbstständig: Heute kann frische Milch längst<br />

Riesenentfernungen zurücklegen, aber wir möchten trotzdem<br />

Käse essen, weil sich durch die Reifung der haltbaren,<br />

konzentrierten Milch ein derart faszinierendes Geschmacksuniversum<br />

auftut.<br />

Käsegeschmack entsteht durch die Arbeit unzählig<br />

vieler verschiedener Mikroorganismen. Zuerst beginnen<br />

die Milchsäurebakterien, die Laktose, den Milchzucker,<br />

in Milchsäure umzuwandeln – je härter und älter der Käse,<br />

desto mehr tendiert er zu kompletter Laktosefreiheit. Dann<br />

werden Eiweiß und Fett ab- und umgebaut: Der Käse reift.<br />

Dabei entstehen kleine, flüchtige Moleküle, von fruchtigblumigen<br />

Estern bis hin zu würzigen Aminosäuren und<br />

Schwefelverbindungen – der Duft wird immer komplexer.<br />

Und die Textur verändert sich: Weiche Käse werden cremig,<br />

bisweilen sogar wieder flüssig; harte Käse sind in ihrer<br />

Jugend elastisch und werden dann immer spröder und<br />

bröckeliger. Unzählige Varianten bescheren uns dabei<br />

die ebenso unendliche Vielfalt an Käsesorten. Die Milch<br />

wird von der Tierart und -rasse beeinflusst, ihrer Haltung<br />

und Ernährung. In der Käserei kann die Milch dann entweder<br />

euterwarm mit der ganzen natürlichen komplexen<br />

Zusammensetzung als sogenannte Rohmilch direkt weiterverarbeitet<br />

oder beim Risiko von schädlichen Keimen durch<br />

das Pasteurisieren kurzzeitig erhitzt werden. Es lässt sich<br />

mit den natürlichen Bakterien und Hefen arbeiten oder<br />

mit selektierten kommerziellen. Und am Kessel selbst und<br />

im Reiferaum schließlich entscheiden Feuchtigkeit und<br />

Temperatur, welche Kleinstlebewesen wann und wie aktiv<br />

werden.<br />

Zu erschmecken ist all das am besten, wenn der Käse<br />

nicht zu kalt ist, man ihn also rechtzeitig aus dem Kühlschrank<br />

nimmt. Und dazu nicht übermäßig dominante<br />

Begleiter serviert! Der Löffel Erdbeermarmelade auf dem<br />

Frühstückskäse, der Klacks Feigensenf zu einem sehr jungen<br />

Schnittkäse, wunderbar! Fein gereifte Hof- oder Alpkäse<br />

hingegen, das sind Charakterdarsteller, die man ebenso<br />

ungeschminkt genießen sollte, wie man auch einen Spitzenwein<br />

eher nicht mit Limonade mischt. Ganz im Gegenteil:<br />

Alle fünf Sinne und die ganze Aufmerksamkeit sind<br />

gefragt, um die Geschichte, die in jedem guten Käse steckt,<br />

in ihrer ganzen spannenden Länge zu riechen, zu fühlen<br />

und zu schmecken.<br />

42 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 43


Aus Österreich: Tiroler Alm- oder Alpkäse<br />

Traditionell ziehen die Bergbauern im Sommer mit den Kühen auf höher<br />

gelegene Gebirgsweiden, um im Tal für den Winter Heu machen zu<br />

können. In den Berghütten, die im Tiroler Oberland Alpen, im Unterland<br />

jedoch Almen heißen, wird die besonders charaktervolle Milch<br />

in großen Kupferkesseln sofort verarbeitet. Die alten, traditionellen<br />

Methoden sind längst geschützt, und es kommt ausschließlich natürliches<br />

Kälberlab zum Einsatz. Die großen Laibe lassen sich gut lagern<br />

und sind stabil genug für den Weg ins Tal und darüber hinaus. Nicht<br />

nur in Tirol ist das urkundlich ab Mitte des 16. Jahrhunderts belegt.<br />

So lässt sich die Würze des Tiroler Sommers mitten im Winter an weit<br />

entfernten Orten genießen, und es werden durch die Beweidung auch<br />

Landschaften erhalten, die sonst verwalden oder Lawinen zum Opfer<br />

fallen würden: Käse ist Teil einer ganzen Kultur.<br />

Aus Deutschland: Allgäuer Bergkäse, achtzehn Monate gereift<br />

Bayern ist das deutsche Käseland schlechthin und das Allgäu mit vielen glücklichen Kühen<br />

dessen Herzstück. Allgäuer Käse ist vor allem Käse aus den Bergen – wo sich mit jedem Höhenmeter<br />

der Bewuchs der Weiden ändert und die Milch mit wichtigen Nährstoffen anreichert.<br />

Nach dem Vorbild der Schweiz wird der allergrößte Teil der Milch unbehandelt zu großen<br />

Hartkäserädern verarbeitet, die typischerweise um dreißig Kilogramm wiegen. Sogenannte<br />

Rotschmierkulturen sorgen während der Reife für zusätzliche Würze und eine stabile Rinde,<br />

die vollkommen natürlich und das Probieren durchaus wert ist. In derart konzentrierter<br />

Form – aus elf bis zwölf Litern Milch entsteht ein Kilo Käse – verläuft die Reife verhältnismäßig<br />

langsam. Mit drei Monaten erinnern die Aromen noch an die süßsäuerliche frische<br />

Milch, während ein unter besten Bedingungen gereifter »überjähriger« achtzehn Monate<br />

alter Käse wunderbar komplex wirkt, bisweilen sogar an getrocknete gelbe Früchte und<br />

Tabakblätter denken lässt.<br />

Aus Spanien: Queso Manchego<br />

Der Manchego ist nach der Hochebene von La Mancha im Zentrum<br />

von Spanien südlich von Madrid benannt. Es ist das Land von Don<br />

Quichotte – aber auch der Schäfer, deren Tiere selbst in der sonnenverbrannten<br />

Dehesa noch genügend Nahrung finden. Die zumeist cremeweißen<br />

Manchega-Schafe geben wenig, aber dafür um so aromatischere<br />

Milch, die zu drei Kilogramm schweren Laiben verarbeitet wird. Nach<br />

mindestens sechs Monaten Reife ist der Manchego ein harter, aber nicht<br />

trockener Käse, dessen Oberfläche den einst gebräuchlichen Formen aus<br />

geflochtenem Esparto-Gras nachempfunden ist. Manchego wirkt ein<br />

wenig ölig aufgrund der hohen Konzentration der Milch; die Aromen<br />

erinnern an das lanolinweiche Fell der Tiere sowie an Paranüsse und<br />

enden mit einem erfrischenden Zitronenschalen-Touch. Wunderbar mit<br />

einem kräftigen jungen Rotwein oder auch einem trockenen Sherry!<br />

Aus Irland: Cashel Blue<br />

Von der irischen Bäuerin Jane Grubb 1984 in der Küche ihres Milchbauernhofs<br />

in Tipperary »erfunden«, gehört der Cashel Blue zu den<br />

Pionieren der irischen Käse-Renaissance. Heute kaufen die Grubbs<br />

zur Milch ihrer eigenen Kühe auch die mehrerer benachbarter Höfe,<br />

weil ihr Käse nahezu weltweit äußerst beliebt ist. Kein Wunder: Der<br />

nach dem sagenumwobenen Rock of Cashel, Sitz von Feen, Geistern<br />

und Clans, benannte Blauschimmelkäse ist etwas ganz Besonderes und<br />

doch nicht kompliziert oder anstrengend. Mit acht Wochen ist er eher<br />

jung und noch etwas bröckelig, nach über drei Monaten zergeht er auf<br />

der Zunge, die üppige, cremige Art von feiner Säure belebt. Die blauen<br />

Adern und Einsprengsel von Penicillium roqueforti, den gleichen Edelschimmel-Kulturen<br />

wie beim südfranzösischen Klassiker Roquefort,<br />

sorgen für eine zusätzliche Dimension an Würze.<br />

Aus der Schweiz: Le Gruyère<br />

Zwischen Bern und Genf liegt in der Westschweiz, im Kanton Fribourg, das Greyerzerland,<br />

wo sich das Käsemachen in dieser Form urkundlich sogar bis auf Anfang des zwölften Jahrhunderts<br />

zurückverfolgen lässt. Heute wird Le Gruyère, wie er auf französisch heißt und<br />

europaweit geschützt ist, in weiten Teilen der Westschweiz erzeugt. Es sind große, mehr<br />

oder weniger harte Laibe, die mindestens fünf Monate alt sein müssen, wenn sie in den<br />

Handel und die Regale der real-Märkte kommen. Sie entstehen zumeist in kleinen Dorfkäsereien<br />

und reifen in zentralen Lagern. Feuchtigkeit und Temperatur sind dabei entscheidend<br />

für das Endergebnis, damit die Rinde nicht austrocknet und sich die Aromen<br />

voll entfalten können, die typischerweise runder und voller wirken als bei vergleichbaren<br />

Käsen aus dem Allgäu oder Tirol – bester Stoff fürs Fondue!<br />

Aus Italien: Robiola<br />

Ein alter Käse mit sehr vielen Varianten aus dem Piemont und der<br />

Lombardei in Norditalien, dessen Name wahrscheinlich auf »rubium«<br />

für rot zurückgeht, aufgrund der Farbe manch reiferer Robiola-Käse.<br />

Einige Erzeuger wickeln ihn in Wirsingblätter, andere in Kastanienoder<br />

Feigenlaub. Um ihn bis in den Winter aufheben zu können, wird<br />

er gelegentlich auch in Öl eingelegt, mit Wachs überzogen oder mit<br />

Asche und Gewürzen umhüllt und getrocknet. Meistens ist es jedoch<br />

ein sehr junger, weißer und leicht säuerlicher Käse, aus Ziegen- oder<br />

einem Gemisch aus Kuh-, Ziegen- und gelegentlich auch Schafsmilch.<br />

Robiola sollte dann möglichst frisch genossen werden. Er schmeckt<br />

großartig mit einem Tropfen Honig oder ein wenig Olivenöl und sorgt<br />

in der Küche für besonders cremige Pasta- und Risottogerichte.<br />

Aus Frankreich: Vacherin Mont-d’Or<br />

Der kleine, weiche Bruder des Gruyère wird auf beiden Seiten der Grenze erzeugt – in<br />

Frankreich, in der Franche-Comté, jedoch grundsätzlich aus unbehandelter Rohmilch.<br />

Immer sind es aber die reichhaltige winterliche Heumilch, der Ring aus Rotfichtenrinde<br />

und die Reifung auf Holzbrettern, die ihm seinen besonderen Charakter verleihen. Er reift<br />

mindestens drei Wochen in der Käserei und wird dann in Spanschachteln verpackt. So lockt<br />

er von September bis ins Frühjahr in den real- Käsetheken – ein perfekter Käse für die Feiertage!<br />

Am besten kauft man ihn in gut handtellergroßem Format und im Ganzen. Er sollte<br />

ein paar Falten haben, die hellrorangefarbene Rinde fein-weiß-samtig überzogen sein. Nach<br />

ein paar Minuten im warmen Ofen lässt er sich buchstäblich mit dem Löffel essen, und die<br />

leicht harzigen Noten sind am Rand besonders ausgeprägt.<br />

Sämtliche Käsesorten sind in den real-Märkten erhältlich.<br />

44 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 3 | 2019 45


WEIHNACHTSGESCHENK?<br />

BAR IN DER BOX!<br />

Foto: Guido Bittner<br />

DER VERKLÄRTE<br />

BRATAPFEL<br />

Von EDDA LAMPRECHT<br />

Als ich klein war, las mir meine Mutter Jahr für Jahr im Dezember »Schnüpperle – vierundzwanzig Geschichten<br />

zur Weihnachtszeit« vor. In dem Buch von Barbara Bartos-Höppner, 1969 erschienen, wird erzählt, wie der<br />

fünfjährige Schnüpperle den Advent erlebt. Für jeden Tag vom ersten Dezember bis zum Heiligabend gibt<br />

es ein Kapitel. Eines meiner Lieblingskapitel war »Der 6. Dezember«, denn der Nikolaustag war der Tag, an<br />

dem die Mutter des Jungen »Äpfel in den Bratofen legt«, während es draußen anfängt, dunkel zu werden: Sie<br />

»knipst das Licht noch nicht an, aber sie stellt eine brennende Kerze auf den Tisch«. Daraufhin Schnüpperle,<br />

zufrieden mit der Gesamtsituation: »Jetzt ist es so richtig bratäpfelschummerig.«<br />

1 Flasche prämierter Muscatel Distilled Gin 0,5 l<br />

1 Buch Cocktailian aus dem Tre Torri Verlag<br />

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Bratäpfelschummerig. Seit meine Mutter mir dieses Wort vor rund<br />

vierzig Jahren zum ersten Mal vorgelesen hat, beschreibt es mein<br />

Adventsnachmittags-Ideal: Draußen ist es kalt und düster, drinnen<br />

sitzt man warm beisammen in der von Kerzenschein erhellten Küche,<br />

voller Vorfreude aufs Weihnachtsfest und auf die Bratäpfel, die noch im<br />

Ofen brutzeln, aber schon ihren köstlichen Duft verbreiten.<br />

Seit ich meine Mutter damals dazu genötigt habe, ebenfalls Äpfel in<br />

den Bratofen zu legen, ist aber auch klar, dass es bei der Verwirklichung<br />

meines Ideals ein entscheidendes Problem gibt, nämlich: Ich mag Bratäpfel<br />

eigentlich gar nicht. Jedenfalls nicht annähernd so gern, wie ich sie<br />

aus stilistischen Gründen gern mögen würde.<br />

Ich kann meine Abneigung erklären. Erstens, Bratäpfel schmecken<br />

nur, wenn sie richtig heiß sind. Doch wenn sie richtig heiß sind, verbrennt<br />

man sich in neun von zehn Fällen die Zunge. Zweitens, das Innere<br />

von Bratäpfeln ist immer zu weich, die Schale ist immer zu hart. Drittens,<br />

das Beste am Bratapfel ist die Füllung, meiner Meinung nach. Das Zweitbeste<br />

am Bratapfel sind die Beilagen, Vanilleeis oder Vanillesauce. Der<br />

Apfel ist am Bratapfel nur das Drittbeste, also notfalls verzichtbar. Und<br />

viertens, um Platz für eine Füllung zu haben, muss das Kerngehäuse des<br />

Apfels ausgestochen werden, das gelingt meist nur unvollständig, sodass<br />

kleine Reste des Gehäuses erst mitgegart werden und dann in meinem<br />

Mund landen. Kerngehäusereste finde ich fast so eklig wie Fischgräten.<br />

Obwohl ich meine fehlende Bratapfelbegeisterung also gut begründen<br />

kann, war sie mir lange unangenehm. Sie scheint zu beweisen, wie<br />

generationentypisch anspruchsvoll ich bin: Früher – in den alten Kinderbüchern<br />

– waren die Menschen dankbar für einen gebratenen Apfel, den<br />

46 <strong>FINE</strong> 3 | 2019 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong><br />

sie mit Zucker bestreuen durften. Heute muss es irgendwas mit Tonkabohne<br />

oder Tahitivanille, wenigstens eine Mousse au Chocolat oder ein<br />

Marillenknödel sein, um Augen zum Leuchten zu bringen. Nur in Spanien,<br />

erzählte mir eine dort lebende Bekannte, sei der »manzana al horno«<br />

noch ein üblicher Nachtisch, den man in fast jeder Gaststätte bestellen<br />

könne, serviert werde er ganzjährig, meist kalt, mit Karamellsauce und<br />

Kerngehäuse. Ja, auch Spanien hat seine Schattenseiten.<br />

Kürzlich aber habe ich beschlossen, mich meines widersprüchlichen<br />

Verhältnisses zum Bratapfel nicht länger zu schämen. Denn eine nicht<br />

repräsentative Umfrage in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat<br />

ergeben, dass ich nicht die Einzige bin, die Bratäpfel zwar unlecker, aber<br />

dennoch höchst romantisch findet. Kein Wunder, schließlich haben wir<br />

fast alle in der Kindheit irgendwelche Geschichten gehört und gelesen,<br />

in denen der Bratapfel als Inbegriff winterweihnachtlicher Gemütlichkeit<br />

verklärt wurde – etwa bei Astrid Lindgren und Otfried Preußler<br />

oder im Gedicht »Der Bratapfel«: »Kinder, kommt und ratet, was im<br />

Ofen bratet! Hört, wie’s knallt und zischt. Bald wird er aufgetischt, der<br />

Zipfel, der Zapfel, der Kipfel, der Kapfel, der gelbrote Apfel.« Eine<br />

solche frühkindliche Prägung schüttelt man nicht einfach ab, nur weil<br />

man erwachsen ist.<br />

Besonders romantisch finde ich übrigens die Tradition in der Familie<br />

eines Freundes, in der es immer dann Bratäpfel gibt, wenn die allerersten<br />

Schneeflocken des Jahres gefallen sind. Ich denke darüber nach, dies zu<br />

kopieren, denn Familientraditionen sind einerseits etwas sehr Herzerwärmendes.<br />

Andererseits halte ich es wohl aus, einmal pro Jahr einen<br />

Bratapfel essen zu müssen, der Romantik zuliebe …<br />

Das Beste heute genießen<br />

und für die Zukunft erhalten.<br />

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