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Gemüt.“ Daran hat sich bis heute nichts

geändert, am Willen Gottes. Das wussten die

Menschen ganz genau. Trotzdem sind sie

sozusagen mit vollem Tempo bei Rot über die

Ampel. Und jetzt hinterher wird gesagt: Gut,

die Ampel war zwar rot, das haben wir gesehen,

aber warum steht die denn auch hier? Die

Ampel ist schuld - oder der, der sie aufgestellt

hat.

„Herr, warum lässt du uns abirren von deinen

Wegen?“ Das ist keine gute Frage, weil das

„Fremdgehen“ immer einen selbst zum

Verursacher hat. In dem Zusammenhang muss

man nach sich selbst fragen.

Nun hat der Text aber noch einen zweiten

Charakter, nicht nur den der

Ungeschicklichkeit, Gott ein Versagen an zu

heften.

Der, der hier schreibt, ist zugleich getrieben von

einer aufrichtigen Sehnsucht und in jeder

Sehnsucht steckt ja auch ein bisschen

Verzweiflung, die einen mal so und mal so reden

lässt. Denn am Ende stellt er dann doch fest,

dass mit Gott nicht anders umzugehen ist, als

auf ihn zu harren, d.h. zu warten. „Kein Ohr hat

gehört, kein Auge hat gesehen einen Gott außer

dir, der so wohl tut denen, die auf ihn

harren.“ Man muss nicht genau sehen und

hören im physikalischen Sinn, sondern

vorzugsweise warten, um Wohltaten Gottes

wahrnehmen zu können. Diese hohe

Bedeutung des Wartens spiegelt sich für uns

wieder im Advent.

Und dieses Warten des Propheten ist

durchdrungen, nicht so, wie heutzutage von

Konsum, sondern von einer brennenden

Sehnsucht. „Oh Heiland reis die Himmel auf,

herab, herab vom Himmel fleuß“, dieses alte

Lied ist diesem Bibeltext nachgedichtet.

Sehnsucht, Sehnsucht nach ein bisschen mehr

Himmel auf der Erde, ein bisschen mehr

Menschlichkeit und Gerechtigkeit und Frieden

und einer Heimat, die der Seele halt gibt. Nicht

mehr verloren sein im Exil, das war die

Sehnsucht damals.

Gilt das auch für uns heute? Viele können, wie

gesagt, mit dem christlichen Gottesglauben

nichts mehr anfangen. Schlechter geht es uns

deshalb nicht. Und wir sind vielleicht auch

solche, die gerne die Schuld bei anderen

suchen, wenn etwas nicht nach unserer Nase

geht. Aber leben wir auch in einem Exil, dass die

Sehnsucht stark werden lässt?

Natürlich leben wir in keinem Exil im wörtlichen

Sinn. Aber wenn Exil bedeutet, nicht mehr da

sein zu können, wo man hingehört, wir aber

eigentlich zu Gott gehören, dann kommt das

Leben im Exil bedrohlich nahe. Das ist dann

vielleicht das Exil der Einsamkeit und

Verlassenheit, dem immer mehr Menschen

ausgesetzt sind, weil Liebe nicht mehr den Weg

findet sich darin auszudrücken, Zeit zu haben

für den anderen. Vielleicht ist es das Exil des

Urwalds, in dem unablässig mit den Ellbogen

gekämpft werden muss, um sich sein

Überlebensrecht zu bewahren. Vielleicht ist es

das Exil des Konsums, das nicht nur unser

Portemonnaie, sondern uns selber zu Zwergen

werden lässt gegenüber einem Gebirge an

Konsumgütern, ein Gebirge, aus dem es kein

Ausweg gibt, nur den Hunger nach immer mehr.

Und die Menschen, die nur noch am Computer

sitzen, keinen Kontakt mehr zu anderen haben

und die sogenannte virtuelle Welt für die

Wirklichkeit halten, ist das nicht auch eine Art

Exil, das Exil der großen Illusion?

Ich glaube, ein Exil kann viele Gesichter haben

und es steckt darin doch immer ein und

dasselbe, die Sehnsucht nach oder die Hoffnung

auf wirkliches Leben.

Aber wie ist das denn zu erreichen? Über

welche Hoffnung ist das zu erreichen?

Was bleibt denn zu hoffen, wenn die Hoffnung

auf Gott in die hinterste Reihe gesetzt oder

gleich ganz des Saales verwiesen wird? Worauf

soll man hoffen? Auf den Lottogewinn oder

darauf, möglichst viel Spaß zu haben im Leben

oder darauf, dass man nie von Neid zerfressen

wird, weil man selber derjenige ist, der immer

das dickere Auto fährt? Was gilt es zu hoffen?

Dass man schnell und schmerzlos stirbt, dass

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