EDUCATION 1.20
Die Kraft der Geschichten
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Mittelschule/Berufsbildung | Ecoles moyennes/Formation professionnelle<br />
Kommission Gymnasium-Hochschule<br />
«Den akademischen Weg<br />
als Ganzes denken»<br />
Interview: Rolf Marti<br />
Seit elf Jahren gibt es im<br />
Kanton Bern die Kommission<br />
Gymnasium-Hochschule (KGH).<br />
Derzeit befasst sie sich unter<br />
anderem mit der Überprüfung<br />
der Bildungsziele, der Begabtenförderung<br />
sowie den Motivations-<br />
und Hemmfaktoren von<br />
Schülerinnen und Schülern. Die<br />
beiden KGH-Mitglieder Bruno<br />
Moretti (Vizerektor Lehre Universität<br />
Bern) und Peter Stalder<br />
(Rektor Gymnasium Hofwil) im<br />
Gespräch.<br />
Beginnen wir mit der Gretchenfrage:<br />
Braucht es die KGH?<br />
Bruno Moretti Unbedingt. Gymnasien<br />
und Hochschulen haben den Auftrag,<br />
den akademischen Bildungsweg<br />
als Ganzes zu denken und den Übergang<br />
vom Gymnasium an die Hochschule<br />
optimal zu gestalten. Die Hochschulen<br />
müssen sich darauf verlassen<br />
können, dass die eintretenden Studierenden<br />
über die geforderte Hochschulreife<br />
verfügen.<br />
Peter Stalder Das ist ein zentraler<br />
Punkt. Die Gymnasien stellen mit der<br />
Maturität den Jugendlichen die Legitimation<br />
aus, an ei ner universitären<br />
oder an einer pädagogischen Hochschule<br />
zu studieren. Deshalb müssen<br />
wir die gegenseitigen Erwartungen<br />
klären. Die KGH ist das ideale Gefäss<br />
dafür. Nur wenige Kantone führen einen<br />
derart institu tionalisierten Dialog.<br />
Die KGH gibt es seit elf Jahren.<br />
Wie hat sich die Beziehung zwischen<br />
Gymnasien und Hochschulen<br />
verändert?<br />
Moretti Wir hatten stets eine gute<br />
und produktive Diskussionskultur. In<br />
Sachen Kommunikation gegen aussen<br />
können wir uns sicher steigern.<br />
Stalder Auf der Leitungsebene der<br />
beteiligten Institutionen ist das gegenseitige<br />
Verständnis und Vertrauen<br />
meines Erachtens gewachsen – dank<br />
der KGH, dank verschiedenen Arbeitsgruppen<br />
und Austauschplattformen.<br />
Wie weit dies auch auf der Ebene der<br />
Dozierenden und der Lehrpersonen<br />
zutrifft, ist schwierig zu beurteilen.<br />
Welches sind die wichtigsten<br />
Ergebnisse der bisherigen Zusammenarbeit?<br />
Stalder Erstens: das gemeinsam<br />
erarbeitete Papier zu den zentralen<br />
Studierkompetenzen. Zweitens: die<br />
verstärkte institutionalisierte Zusammenarbeit<br />
im Bereich der Begabtenförderung.<br />
Drittens: der Begegnungstag<br />
«Gymnasium–Hochschule» vom<br />
März 2015. 300 Lehrpersonen, Dozierende<br />
und Leitungspersonen haben<br />
daran teilgenommen.<br />
Moretti Einen grossen Mehrwert<br />
sehe ich darin, dass wir gemeinsam<br />
Positionen erarbeiten. So können wir<br />
Wer steckt hinter der Kommission?<br />
Die Kommission Gymnasium-Hochschule wurde 2009 von der Bildungsund<br />
Kulturdirektion (vormals Erziehungsdirektion) eingesetzt mit dem Ziel,<br />
die Nahtstelle zwischen Mittelschulen und Hochschulen zu optimieren.<br />
Die Kommission besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen,<br />
der Gymnasien, der Maturitätskommission und der Verwaltung.<br />
Präsident ist seit neun Jahren Prof. Dr. Bruno Moretti, Vizerektor Lehre<br />
der Universität Bern.<br />
gegenüber dem Kanton und im nationalen<br />
Diskurs mit einer Stimme<br />
sprechen. Darüber hinaus gibt es<br />
praktische Ergebnisse wie das Self-<br />
Assessment für Gymnasiastinnen und<br />
Gymnasiasten, das falschen Erwartungen<br />
an ein bestimmtes Studium<br />
vorbeugt.<br />
Zurzeit beschäftigt sich die KGH<br />
mit dem nationalen Projekt zur<br />
Weiterentwicklung der gymnasialen<br />
Maturität. Worum geht es?<br />
Stalder Der nationale Rahmenlehrplan<br />
stammt aus dem Jahr 1994.<br />
Daher werden die Bildungsziele überprüft<br />
und aktualisiert. Weiter wird darüber<br />
diskutiert, wie die Gewichtung<br />
der verschiedenen Fächer ausgestaltet<br />
werden soll. Heute zählen alle<br />
zwölf Fächer und die Maturaarbeit<br />
gleich viel für den Maturitätsabschluss.<br />
Im Raum steht die Frage, ob<br />
einzelne stärker gewichtet werden<br />
sollten. Diskutiert wird weiter über die<br />
Harmonisierung der Mindestdauer für<br />
den gymnasialen Bildungsgang. In<br />
der Deutschschweiz dauert er meist<br />
vier, in der Westschweiz drei Jahre.<br />
Schliesslich geht es darum, ob in weiteren<br />
Fächern basale Studierkompetenzen<br />
definiert werden sollen, wie<br />
dies bei Mathematik und bei der Erstsprache<br />
bereits der Fall ist.<br />
Wo sehen Sie diesbezüglich<br />
Chancen, wo Risiken?<br />
Stalder Die Überprüfung der Bildungsziele<br />
erscheint uns sinnvoll,<br />
schliesslich ist die Welt eine andere<br />
als 1994. Allerdings waren die Gymnasien<br />
in der Zwischenzeit nicht untätig.<br />
So kam beispielsweise Informatik<br />
als obligatorisches Fach hinzu.<br />
Die zeitliche Harmonisierung des gymnasialen<br />
Bildungsgangs wäre sicher<br />
ein Gewinn, auch wenn mit Widerstand<br />
aus den betroffenen Kantonen<br />
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