Christkatholisch_2020-05
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6 Hintergrund
Christkatholisch 5/2020
Berlinale: Preisverleihung in Abwesenheit des Regisseurs
Ökumenischer Preis für iranischen Film
Mit «Es gibt kein Böses» von Mohammad Rasoulof erlebt die Berlinale einen grossartigen Abschluss.
Der Regisseur selbst war nicht zugegen. Die Ökumenische Jury würdigte den Film mit ihrem Hauptpreis.
Was tust du, wenn sie dich zwingen,
zu töten? Um diese Frage kreist der
letzte Beitrag des Berlinale-Wettbewerbs,
Mohammad Rasoulofs «Es
gibt kein Böses». Es gibt viele Antworten
auf die moralische Grundfrage,
aber vielleicht gibt es eine richtige.
Das zeigt Rasoulof in vier Episoden
und jede dieser Geschichten wäre
Stoff für einen eigenen Film; alle zusammen
hätten das Potenzial, der beste
Film des Wettbewerbs zu werden.
Die erste Sequenz handelt von einem
ganz normalen Mann. Nach Dienstschluss
fährt er heim, endlich Feierabend.
Frau und Kind und die Katze
im Parkhaus, alles an Heshmat (Ehsan
Mirhosseini) ist normal, er ist der
nette Nachbar, er geht einkaufen,
pflegt seine Mutter, morgens um drei
klingelt der Wecker. Jeder Mensch
muss arbeiten, es gibt kein Böses in
diesem Leben. Und doch stimmt
nicht alles oder alles stimmt nicht.
Auf dem Weg zur Arbeit bleibt Heshmat
vor einer grünen Ampel stehen.
Später sehen wir ihn im Dienst: Tee
und Obst hat er sich bereitet, ein paar
Lampen leuchten auf und der nette
Nachbar drückt einen Knopf. Schnitt.
Fünf Männer werden gehenkt.
Gibt es ein richtiges Leben im falschen?
Pouya (Kaveh Ahangar), ein
junger Rekrut, soll einen Verurteilten
zur Hinrichtung bringen. Er will
nicht, er diskutiert mit seinen Kameraden.
Ist er besser als sie? Was sind
die moralischen, was die sozialen
Konsequenzen einer Entscheidung?
Wer gehorcht, erhält Urlaub, wer sich
weigert, darf nicht studieren, darf
keinen Führerschein erwerben et cetera.
Wer nein sagt, wird erledigt, zumindest
sozial und ökonomisch.
Schliesslich setzt Pouya alles auf eine
Karte und greift an. Geht das gut? Es
sieht fast so aus.
In der dritten Episode sehen wir Javad
(Mohammad Valizadegan) bei
seiner Freundin Nana (Mahtab Servati)
auf dem Land. Drei Tage Sonderurlaub
hat ihm das Militär gewährt
und heute will er ihr den
Heiratsantrag machen. Doch dann
holen ihn die Folgen seines Gehorsams
ein. Der Mann, den er hinrichtete,
war ein enger Freund von Nanas
Familie. Ein Zurück gibt es nicht
mehr, alles, was wir tun, verändert
uns. «Ich werde dich vermissen», sagt
Nana, als sie Javad verlässt.
Iran verbietet dem Regisseur
die Ausreise
Welche Freiheit ist möglich in einer
Welt des Zwangs? Dafür, dass er diese
Frage stellt, wird der 1972 geborene
Autor und Regisseur Rasoulof seit
Jahren vom iranischen Regime verfolgt,
drangsaliert, verurteilt, inhaftiert.
Jetzt verbieten die Mullahs dem
Mann, der den besten Film dieses
Wettbewerbs gedreht hat, die Ausreise.
«Das Recht darauf, selbst über
meine An- oder Abwesenheit zu entscheiden,
ist mir nicht gegeben», erklärt
Rasoulof. «Die Durchsetzung
solcher Restriktionen verrät die intolerante
und despotische Haltung der
iranischen Regierung nur allzu deut-
Bild: Cosmopol Film/
kath.ch