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als Konzentrat oder Extrakt gelangen als Nahrungsergänzungsmittel

in den Verkehr. Nahrungsergänzungsmittel sind

Produkte, die ihrer Funktion betreffend zwischen Arzneimitteln

und Lebensmitteln angesiedelt sind.

Die Bezeichnung Heilpilz ist also in diesem Kontext ungerechtfertigt.

Man muss zur Kenntnis nehmen, dass man

Pilze, in Anlehnung an die Definition und den gültigen deutschen

Sprachgebrauch in der Phytotherapie, (noch) nicht

einfach als „Heilpilz“ bezeichnen kann. Nichts könnte man

jedoch gegen die – zugegeben sehr sperrige – Bezeichnung

„Pilze mit Heilkraft“ einwenden. Ein medizinischer

Charakter wird dadurch nicht vorgetäuscht. Es wird aber

zum Ausdruck gebracht, was auch zweifelsfrei bewiesen

ist. Und zwar das manche Pilze neben vielen wertvollen

Nährstoffkomponenten auch Substanzen enthalten, die im

menschlichen und auch im tierischen Organismus, teilweise

auf zellulärer Ebene, biologische Prozesse beeinflussen

und so gesundheitsfördernd, revitalisierend und auch medizinisch

wirksam sein können. Es handelt sich um sekundäre

Inhaltsstoffe wie Polysacharide, insbesondere 1-3/1-6 Betaglucane,

Terpene, Polyphenole, Lektine, Ergothionein und

andere. Die in Deutschland weit verbreitete Mykophobie

scheint sich auch auf die Beurteilung der Heilwirkung von

Pilzen auszuwirken. Während die Antibiotika bildenden Mikromyceten

seit Jahrzähnten salonfähig sind, hält man Makromyceten

eher für riskant als heilsam.

Ich sehe mich nicht veranlasst, die Argumente der Autoren

der hier erwähnten Beiträge durch Gegenargumente zu wiederlegen.

Schon gar nicht wenn die Kritiker durch Literaturstudien

selbst zu der Erkenntnis gelangen, dass dieser oder

jener Pilz (Schmetterlingsporling, Glänzender Lackporling,

Shii-take) in Studien hier und da widererwartend positive

Wirkungen zeigten. Aber in der Summe sind sie doch eher

abzulehnen. Das Bemühen von Cochrane Reviews, in denen

keine Bestätigung für zahlreiche postulierte Indikationen

von Pilzen zu finden ist, beeindrucken auch nicht, wenn

man die weit verbreiteten Kritiken über die Durchführung

von Metaanalysen bedenkt. Es gibt dagegen zahlreiche

auch schriftliche Belege dafür, dass auch in der traditionellen

europäischen Medizin, mindestens schon seit der Antike,

neben Heilkräutern auch Pilze als Medizin verwendet

wurden. Der Fall des Ötztaler Eismenschen mit seinem Birkenporling

(Piptoporus betulinus) reicht sogar auf mehr als

5.000 Jahre zurück. Diese Indikationen beruhen zwar nicht

auf Placebo kontrollierten Doppelblindstudien, dafür aber

auf Erfahrungen von Generationen überwiegend nicht akademische

gebildeter, aber sachkundiger Menschen.

Autor

Prof. Dr. Dr. h.c.

Jan I. Lelley

Fachjournalist

Nachdem die Erzeugung von Pilzen mit Heilkraft bei kontrollierten

Bedingungen, unter Anwendung moderner biotechnischer

Verfahren seit rd. 50 Jahren begonnen hat, werden

die Schätze dieser Organismen systematisch gehoben.

Seit Lucas und Mitarbeiter 1957 im Extrakt des Steinpilzes

(Boletus edulis) eine antitumorale Wirkung gegen den Bindegewebstumor

Sarcoma 180 entdeckt haben, bemühen

sich Forscher weltweit aus Makromyceten therapeutisch

relevante Substanzen zu isolieren und ihre Wirksamkeit zu

prüfen. Seit 1999 erscheint monatlich die Fachzeitschrift

„International Journal of Medicinal Mushrooms“ in dem neben

zahlreichen anderen wissenschaftlichen Journalen über

die Forschungsergebnisse berichtet wird. Seit 2001 findet

alle zwei Jahre die „International Medicinal Mushroom Conference“

als Plattform für den Austausch wissenschaftlicher

und praktischer Erfahrungen in der Erforschung und

Verwendung von Pilzen mit Heilkraft statt. Unaufhaltsam

etabliert sich ein neues Feld der Naturheilverfahren, die

Mykotherapie, die Therapie mit Pilzen und pilzlichen Erzeugnissen.

Sie wird sich, gestützt auf wissenschaftlichen

Forschungsergebnissen und praktischen Erfahrungen hinsichtlich

der Wirkung und Qualität der Produkte weiterentwickeln

und immer mehr auch die Akzeptanz der etablierten

Medizin bekommen. Die Liste der Anbieter der Produkte

von Pilzen mit Heilkraft wird sich lichten zu Gunsten der

seriösen und forschungsorientierten Unternehmen.

Und ich halte es für angebracht, einige von den Pilzen mit

Heilkraft auf der Grundlage der Erfahrungsheilkunde als

Arznei zuzulassen. Die „Traditional Herbal Medicinal Produkt

Direktive (THMPD) der Europäischen Union enthält

Zulassungsregel für Naturheilmittel, die ein einfaches Registrierungsverfahren

ermöglichen sollen. Dafür können

Naturheilmittel in Betracht gezogen werden, die in der EU

seit mindestens 30 Jahren, oder seit 15 Jahren innerhalb der

EU und 30 Jahre außerhalb traditionell verwendet werden.

Der Glänzende Lackpolring (Ganoderma lucidum), Shii-take

(Lentinula edodes), Maitake (Grifola frondosa) und womöglich

noch weitere Pilze mit Heilkraft könnten das einfache

Registrierungsverfahren erfolgreich durchlaufen. «

Foto:panor156 – stock.adobe.com (S. 61)

Literaturempfehlung für Kritiker und Skeptiker

Bihlmaier, S.: 2014. Medizinalpilze komplementär bei gynäkologischen Tumoren. Deutsche Zeitschrift für Onkologie. 46/3. 124-130.

Breynius Johannes Philippus: 1702. Inauguraldissertation aus der Medizin über die in Apotheken verwendeten Pilze (Fungi Officinalis) und ihre Verwendung in der Medizin.

Leyden. Abraham U.M. Elzevier, Buchdrucker der Akademie.

Grienke, U., Zöll, M., Peintner, U., Rollinger, J.M.:2014. European medicinal polypores – A modern view on traditional uses.Journal of Ethnopharmacology. http://dx.doi.

org/10.1016/j.jep.2014.04.030.

Kappl Andreas Dr. med.: 2006. Medizinalpilze in der komplementären Onkologie. Manuskript. 8 Seiten.

Lindequist, U.: 2013. The Merit of Medicinal Mushrooms from a Pharmaceutical Point of View. International Journal of Medicinal Mushrooms 15/6. 517-523.

Lucas, E.H.,Ringler, R.L., Byerrum, R.U., Stevens, J. A., Clarke, D.A., Stock, C.C.: 1957. Tumor inhibitors in Boletus edulis and other holobasidiomycetes. Antibiot. & Chemother.,

7/1. 1. 4 pp.

Moraldi, M-F., Mostafavi, H., Ghods, S., Hedjaroude, G-A.: 2007. Immunomudulating and anticancer agents in the realm of macromycetes fungi (macrofungi). International

Immunopharmacology 7. 701-724.

Wasser, S.P.: 2017. Medicinal Mushrooms in Human Clinical Studies. Part I. Anticancer, Oncoimmunological, and Immunomodulatory Activities: A Review. International Journal

of Medicinal Mushrooms. 19/4.. 279-317.

Wasser, S.P., Didukh, M.Y., Nevo, E.: 2005. Antitumor and immunomodulatory activities of medicinal mushroom polysaccharides and polysaccharide-pörotein complexes in

animals and humans (Review). Mycologia Balcanica 2. 221-250.

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