Dance for You Magazine Issue 76 (2017)
Seit mehr als 15 Jahren auf dem Markt, hat sich DANCE FOR YOU MAGAZINE bei einer breiten Leserschaft etabliert. Von der Schule zum Theater – den ganzen Tanz sehen! Mit bewegenden Erfahrungsberichten, Informationen und Trends, exklusiven Interviews und Portraits, informieren internationale Korrespondenten über die neuesten Entwicklungen im künstlerischen Tanzbereich und dem Ballroom Dance.
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DANCEforYOU magazine
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Für die beiden Superhelden – den römischen Feldherrn Crassus und
seinen Widersacher Spartacus, der sich aus der Sklaverei befreit und
zu totbringender Rebellion aufschwingt – bedeutet Rollengestaltung
hier zirzensischen Wahnsinn. Kraftraubende Expressivität, die sich
bei Sergei Polunins Debüt als Crassus in gewaltgeladenen Sprungakten
zeigt. Grausam-imposant durchscheidet er die Luft, um mit der
Schwungdynamik von Beilhieben wieder zu landen – ein Schwert
oder das adlergekrönte Machtzepter des römischen Reichs in Händen.
Schon sein erstes Entree macht über diesen Charakter alles klar:
Über die monumentale Schlachtformation klischeehaft kostümierter
Legionen schleudert er den brutalen Blick des gnadenlos ehrgeizigen
Eroberers Richtung Publikum.
Im Privaten folgt Crassus, ein sadistisch veranlagter Typ, seiner nicht
minder nach Reichtum und Ruhm strebenden Mätresse Aegina. Mit
den frivolen Reizen ihres Körpers hält sie Crassus bei Laune. Eine Partie,
der man als Zuschauer eher wenig Sympathie entgegenbringt.
Dabei kreiselt Natalia Osipova mit den Fingern ihrer zum Krönchen
geformten Arme am Haarscheitel kokett-virtuos durch das monochrome,
stark vereinfachte Kulissengemäuer der nachgemachten
Uraufführungsdekorationen von Simon Virsaladze. Die Facetten dieser
Figur herauszustellen, ist für sie ein technischer Klacks – ebenso
wie Grigorovichs vertrackte Hebungen.
Dennoch kann sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit für
ballettakrobatische Erotikübungen wie den peinlich-plakativen Stabtanz
im dritten Akt, mit dem Aegina Spartacus‘ Männer ablenkt und
freizügigen Begleiterinnen zuführt, definitiv vorbei ist. Als Direktor
einer mitteleuropäischen Staatsballettkompanie hätte Igor Zelensky
diese Problematik vorab bedenken sollen und für eine Repertoireübernahme
zumindest eine passagenweise Überarbeitung anstreben
können. Zudem wurde das Stück in seiner muffig-altbackenen Ausstattung
belassen – mit Kostümen und Requisiten, die für heutige
Augen comiclastig und abgegriffen wirken.
Schade um die vertanen Chancen, nachdem das frisch zusammengewachsene
Bayerische Staatsballett in den vorherigen Wiederaufnahmen
Großartiges geleistet hat. Nun mussten sich selbst eingefleischte
Nostalgiker am Ende der Premierenvorstellung einen schalen Eindruck
eingestehen. Den musealen Touch des revolutionären Stücks
unter Beibehaltung aller Originalaufführungskonditionen hinter sich
zu lassen, ist – wider Erwarten aller Einblicke im Vorfeld und toller tänzerischer
Leistungen – nicht wirklich gelungen.
Dabei sorgte Dirigent Karen Durgaryan mit dem Bayerischen Staatsorchester
für bombastische Klangeffekte. Aram Chatschaturjans Komposition
treibt die Tänzer oft in folkloristischer Manier an. Einigen mag
das auf den Wecker gehen. Gepaart mit choreografisch wuchtigen
Schaubildern wie dem finalen Totenrequiem für den gefallenen Spartacus,
ist die Musik ein Erlebnis.
Nicht missen möchte man außerdem die artistisch fein ausgearbeiteten
Höhen und Tiefen des zweiten Hauptpaars: Als Spartacus hat Premierenbesetzung
Osiel Gouneo dank seiner Begabung, mühelos ganze
Diagonalen mit hohen Spagatsprüngen zu durchmessen, leichtes Spiel.
Seine Bewegungen suggerieren den Freiheitsdrang per Definition. An
seiner Seite durchläuft Phrygia die insgesamt interessanteste Entwicklung.
Es ist eine emotionsheftige Paraderolle für Ivy Amista. Sie tanzt
so intensiv, dass man sie kaum wiedererkennt. Wenn sie mit offenen
Haaren um Spartacus trauert, überwältigen ihre Gefühle ganz unmittelbar.
Dafür kann es nur Jubel geben. Über 20 Minuten lang. Ohne ein
einziges Buh werden Yuri Grigorovich und seine beiden Assistenten
Ruslan Pronin und Oxana Tsvetnitskaya gefeiert. Schließlich haben die
Münchner Tänzerinnen und Tänzer aus dem an sich überholten Werk
das Bestmögliche herausgeholt.
Vesna MLAKAR
Sergej Polunin als Crasus © Wilfried Hösl
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