FOCUSMONEY_2020-18_Vorschau
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MONEYINSIDE<br />
Foto: S. Ugurlu/FOCUS-MONEY<br />
Wenn Politik Ökonomie schlägt<br />
Die neue Prognose des Internationalen Währungsfonds benennt<br />
eindeutig die Region unter den industriellen Zonen der Welt, der<br />
der stärkste Corona-Rückschlag droht: die Euro-Zone. Deutschlands<br />
Wirtschaftsleistung sinkt nach der Prognose in diesem Jahr um sieben<br />
Prozent, Spanien (acht Prozent Einbuße) und Italien (Kontraktion<br />
um 9,1 Prozent) trifft es demnach noch härter.<br />
Umso gravierender ist es, dass politische Gründe es verhindern,<br />
das wirtschaftlich Richtige zu tun. Der Europäische Stabilitätsmechanismus<br />
(ESM) kann Italien oder Spanien günstige Kredite<br />
in Höhe von bis zu zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung geben.<br />
Italiens Regierung lässt aber durchblicken, dass sie darauf nicht zurückkommen<br />
will, obwohl das Geld praktisch ohne Vorbedingungen<br />
verfügbar wäre. Die Linksregierung fürchtet unter anderem die<br />
oppositionelle Lega, die Rom vorwerfen würde, ein Schulden-Diktat<br />
aus Brüssel und Berlin akzeptiert zu haben.<br />
So führt Politik zu Denkverboten. Kaum auszumalen, wie ein Vorschlag<br />
von Hans Albrecht, Chairman der internationalen Organisation<br />
Global Bridges, in Italien aufgenommen werden dürfte – obwohl<br />
er klarstellt: „Wir können nicht über unserer Wirtschaft einen<br />
riesigen Rettungsschirm spannen und viele unserer Partner in der<br />
Euro-Zone im Regen stehen lassen. Das wäre unsolidarisch, unmenschlich<br />
und würde den Zusammenhalt der europäischen Union<br />
gefährden.“ Zunächst dekliniert er verschiedene Lösungsansätze<br />
durch, etwa die Euro-Bonds, die Italiens Premier Conte so vehement<br />
fordert. Diese Anleihen sollen bekanntlich alle Mitglieder der Euro-<br />
Zone gemeinschaftlich begeben, bedienen und dafür haften. „Das<br />
bedeutet, dass alle Emittenten jeweils pro rata Zinsen zahlen und<br />
die Bonds bei Fälligkeit zurückführen müssen“, so Albrecht, bekannt<br />
geworden als Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft. Können<br />
das einige Staaten nicht leisten, verbleiben die Lasten bei den<br />
Leistungsfähigen. Und bereits jetzt sind einige Euro-Mitgliedsstaaten<br />
überfordert – das ist ja gerade der Grund für die Forderung nach Euro-Bonds.<br />
Deutschland und die Niederlande, so Albrecht, gingen in<br />
diesem Fall hohe Risiken ein – „während alle Erträge der Rettung<br />
bei denjenigen anfallen, die zunächst gar nichts für diese Kredite<br />
bezahlen und die auch nur zum Schein haften“. Denn wenn ein<br />
Land in Not heute schon seine eigenen Aufgaben nicht allein zahlen<br />
könne: „Wie soll es dann, wenn die Rettung nicht gelingt, im<br />
Ernstfall Bonds zurückführen können?“<br />
Den Ausweg nennt Albrecht „Hilfe durch Beteiligung“ und ruft<br />
in Erinnerung, dass das der Weg sei, auf dem in der Regel die<br />
EU-Kommission besteht – wie nach der Finanzkrise bei der deutschen<br />
WestLB. Beteiligung bedeutet, Industrien zu retten, dadurch<br />
Arbeitslosigkeit zu senken, das Steueraufkommen zu erhöhen,<br />
Rückstellungen für faule Kredite bei Banken abzubauen –<br />
das gibt den Staaten Luft und verschafft den nationalen<br />
Regierungen Spielräume, sogar für Wahlgeschenke.<br />
Das Problem: Alteigentümer verlieren Anteile, Einfluss<br />
und den Anteil an einem etwaigen späteren Gewinn.<br />
„Diejenigen in Not bekommen hier zwar sehr große<br />
Chancen, aber sie müssen dafür erhebliche Einschränkungen<br />
in Kauf nehmen. Die Retter müssen zwar zahlen,<br />
bekommen dafür aber auch etwas.“ Während bei<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong><br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Ihre Gesundheit ist uns wichtig, vor allem in dieser ungewissen<br />
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Frank Mertgen,<br />
stellv. Chefredakteur<br />
Euro-Bonds im Zweifel erst einmal möglichst große Summen gefordert<br />
werden, wird im Fall einer Beteiligung eher nur gefordert, was<br />
unerlässlich ist – niemand will zu viel Renditechance abgeben.<br />
Der Experte sieht sehr genau, „dass auf diesem Weg Deutschland<br />
derzeit Beteiligungen zur Unzeit erwerben und damit möglicherweise<br />
wie eine Heuschrecke profitieren würde“. Was tun, um keinen Profit<br />
aus dem Leid anderer zu ziehen, aber zugleich sicherzustellen,<br />
dass Hilfe auf das Notwendige begrenzt wird? Der Vorschlag: „Wenn<br />
man jedem, der verwässert wurde, das Recht einräumt, zum Beispiel<br />
zehn Jahre lang jederzeit seine Anteile mit nur sehr geringem Aufschlag<br />
(z. B. ein Prozent) zurückzukaufen, wäre das Problem gelöst.“<br />
Deutschland würde in diesem Fall an der Rettung praktisch nichts<br />
verdienen, der Rückfluss der Hilfsgelder wäre indes weitaus wahrscheinlicher.<br />
„Denn sobald die Rettung gelingt und die Anteile auch<br />
nur ein bisschen mehr wert werden, als wir jetzt bezahlen, werden<br />
unsere Partner bei uns Schlange stehen, um ihre Anteile zurückzukaufen.<br />
So wandeln wir die Last, zurückzahlen zu müssen, in die<br />
Lust, zurückkaufen zu dürfen.“ Nebenbei besteht für die Geldgeber<br />
auch ein Mitspracherecht bei der Mittelverwendung – und die<br />
unerlässliche Akzeptanz in Deutschland dürfte auch erreichbar sein:<br />
„Es kann nicht sein, dass wir deutsche Haushalte belasten, um Mittel<br />
aufzubringen für die Rettung Italiens, während dessen sehr viel<br />
reichere Haushalte ungeschoren bleiben.“ Im Durchschnitt haben<br />
italienische Haushalte nämlich mehr Vermögen als deutsche.<br />
Und jetzt das politische Problem: Noch so gut durchdachte Konzepte<br />
haben keine Chance, wenn sie zum Tabu erklärt werden – was<br />
bei diesem Beteiligungsansatz zu befürchten ist. Was es auf der anderen<br />
Seite bedeutet, wenn aus politischen Gründen wirtschaftliche<br />
Grundtatsachen bewusst übergangen werden, hat die Bundesrepublik<br />
bereits zweimal erfahren: bei den Kosten der Wiedervereinigung<br />
– und des Euro.<br />
3
MONEYINHALT<br />
Nr. <strong>18</strong> / 22. April <strong>2020</strong> www.money.de<br />
MONEYTITELTHEMA<br />
32 Interview: „Mr. Dax“ Dirk Müller über Inflation,<br />
billiges Geld, Gold, Aktienkurs-Explosion und die<br />
Krise als Chance<br />
38 Inflation: Steigende Preise bei Minizinsen – für<br />
Aktionäre kündigen sich goldene Zeiten an<br />
40 Lastenausgleich: Der Mittelstand wird für die<br />
Kosten der Krise blechen müssen – mal wieder<br />
41 Schulden-Union: Gemeinschaftsanleihen sind<br />
riskant und unnötig<br />
42 Freiheit: Covid-19 ist der neueste Vorwand, um die<br />
Freiheitsrechte der Bürger zu beschneiden<br />
42 Schuldenorgie: Unternehmen, Privathaushalte und<br />
Staaten rutschen immer weiter in die roten Zahlen<br />
– ein Pulverfass<br />
43 Monopolisierung: Die Kleinen bangen um ihre<br />
Existenz, die Großen und Starken profitieren<br />
maximal<br />
44 Globalisierung: Corona als herber Rückschlag für<br />
den Welthandel<br />
45 Dominoeffekt: Warum es nach hinten losgeht,<br />
wenn Mieten und Rechnungen nicht bezahlt<br />
werden<br />
45 Gold: Goldbarren und -münzen sind knapp – warum<br />
es jetzt zu einer Kaufpanik kommen kann<br />
46 Home-Office: Die Krise fördert die Kostenvorteile des<br />
Arbeitens zu Hause zutage<br />
32<br />
Titel: The Day after Corona<br />
„Dieser Crash ist the Big One“ – „Mr. Dax“ Dirk Müller<br />
im exklusiven FOCUS-MONEY-Interview. Der Börsen-<br />
Experte erklärt, warum dieser Crash alles in den<br />
Schatten stellt. Plus: Was kommt nach der Corona-<br />
Krise? Von Schuldenorgien und Inflation über den Sieg<br />
der Monopole bis zum Home-Office<br />
12<br />
Heiß und schwarz<br />
Fehlende Nachfrage, Rezessionsängste<br />
und Überproduktion: In<br />
der Corona-Krise wird Öl zum<br />
politischen Spielball. Wie<br />
Anleger die hohen Preisschwankungen<br />
nutzen können<br />
MONEYMAKER<br />
6 Sentiment: Acatis-Stratege Stefan Riße erläutert,<br />
was aktuell die Stimmungsindikatoren über die<br />
Perspektiven der Märkte aussagen<br />
8 Chartanalyse: Dax mit Erholungspotenzial,<br />
S&P-500 im Aufwärtstrend<br />
10 Kolumne: Tilmann Galler über die Verwerfungen<br />
auf dem Ölmarkt und die Folgen<br />
12 Öl-Analyse: Wie es mit den Preisen weitergeht und<br />
wie Anleger die hohen Preisschwankungen für sich<br />
nutzen können<br />
16 Sicherheitsdepot: Der FOCUS-MONEY-Korb mit<br />
sechs Werten schlägt den MSCI-Welt-Index – bei<br />
geringeren Schwankungen<br />
20 Heidelberg Pharma: Heiße Wette auf einen Wirkstoff<br />
gegen Corona – vor allem aber auf Krebsmedizin<br />
24 Diagnostik: Diese Aktien sind die Gewinner beim<br />
Wettlauf um den effektivsten Corona-Test<br />
28 Cliq Digital: Mit dem Marketing-Profi machen<br />
Anleger buchstäblich spielend Gewinn<br />
30 Pets at Home: Das Geld für Haustiere sitzt auch in<br />
der Krise locker – die Aktie profitiert<br />
MONEYMARKETS<br />
48 Amazon: Jeff Bezos steuert den größten Online-<br />
Händler der Welt erfolgreich durch die Krise. Doch<br />
Amazon ist weit mehr als E-Commerce. Legen Sie<br />
an wie der reichste Mensch der Welt<br />
52 Starke Bilanz: Welche Unternehmen sind finanziell<br />
gut aufgestellt, bei welchen stimmen die Zahlen?<br />
Drei Aktien, die die Kriterien erfüllen<br />
4 Inhalt: Fotos: Can Stock Photo, Depositphotos (2),Fotolia, Marvin Ströter Composing: FOCUS-MONEY<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong>
55 Musterdepots: Corona rückt Digitalisierung in den<br />
Fokus, Kauf von Equinox Gold<br />
56 Nachhaltigkeit: Ein Nachhaltigkeitsindex schnitt in<br />
der Corona-Krise viel besser ab als der gesamte<br />
Aktienmarkt. Die Gründe und fünf konkrete<br />
Empfehlungen einzelner Unternehmen<br />
60 Fonds: Mit individuellem Anlagestil kommt der<br />
Paladin One – gestartet von der Familie Maschmeyer<br />
– bislang gut durch die Corona-Krise<br />
62 Sicherheit: Einsteigen mit integriertem Sicherheitskonzept<br />
– vier defensive Europa-Fonds für vorsichtige<br />
Anleger<br />
66 Best-Expresszertifikate: Solide<br />
Gewinnchance mit Sicherheitsnetz<br />
62<br />
Jetzt vorsichtig<br />
einsteigen<br />
Vier Fonds mit eingebautem<br />
Sicherheitsmechanismus, mit<br />
denen Anleger jetzt defensiv<br />
in europäische Aktien einsteigen<br />
und auf eine kräftige<br />
Erholung setzen können<br />
DSW ANLEGERSCHUTZ<br />
69 Interview: „Das ist der Befreiungsschlag“, sagt<br />
Burkhard Lohr, Vorstandsvorsitzender von K+S, im<br />
Interview zur schwierigen Konzernlage<br />
MONEYSERVICE<br />
70 Online-Broker: Die besten Internet-Wertpapierdepots<br />
– jetzt im FOCUS-MONEY-Test<br />
76 Betriebliche Krankenversicherung: Immer mehr<br />
Firmen zahlen Mitarbeitern zusätzlichen Krankenschutz.<br />
Die „fairsten“ Versicherer im Überblick<br />
MONEYRUBRIKEN<br />
3 MONEYInside<br />
80 Leserbriefe • Impressum<br />
98 Terminkalender: Zahlen von Amazon, Bayer und<br />
Volkswagen<br />
MONEYKURSTEIL<br />
81 Zinsen • 83 Fonds • 86 Aktien Deutschland<br />
92 Aktien international • 96 Zertifikate<br />
97 Neuemissionen<br />
Titelthemen sind mit<br />
roten Seitenzahlen<br />
gekennzeichnet<br />
48<br />
Viel mehr als E-Commerce<br />
Cargojet, Workday oder Twilio – Jeff Bezos kann<br />
mehr als Online-Handel. Der reichste Mann der<br />
Welt ist ein erfolgreicher Investor. Wie Sie vom<br />
Händchen des Star-Managers profitieren<br />
Geniales Einsteiger-Investment<br />
Passen perfekt ins aktuelle Marktumfeld:<br />
Niemand möchte die Börsenrally<br />
verpassen, aber der Einstieg scheint<br />
auf der anderen Seite derzeit noch<br />
riskant. Mit Best-Expresszertifikaten<br />
punkten Anleger gerade jetzt<br />
66<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong><br />
Titelfoto: Marvin Ströter Composing: FOCUS-MONEY 5
M NEYMARKETS<br />
INTERVIEW<br />
„DIESER CRASH IST<br />
THE BIG ONE!“<br />
THE DAY<br />
AFTER<br />
CORONA<br />
WAS<br />
KOMMT<br />
NACH<br />
DEM<br />
CRASH?<br />
Warum dieser Crash alles in<br />
den Schatten stellt, wie<br />
schlimm es noch wird und<br />
warum danach der ultimative<br />
Aufschwung möglich ist,<br />
erklärt „Mr. Dax“ Dirk Müller<br />
im exklusiven Interview<br />
32 Foto: M. Ströter<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong>
SCHULDENORGIE<br />
SEITE<br />
42<br />
FOCUS-MONEY: Herr Müller, Sie haben ja schon lange vor<br />
dem Crash gewarnt, aber Corona konnte doch niemand<br />
voraussehen, oder?<br />
Dirk Müller: Ich bin kein Hellseher, aber ich versuche stets,<br />
soweit es realistisch möglich ist, vorauszuschauen. Und<br />
was jetzt passiert, habe ich schon 20<strong>18</strong> eins zu eins beschrieben.<br />
Ein großer Crash wäre auch ohne Corona<br />
gekommen. Das Virus kam jetzt nur als verschärfendes<br />
Element dazu.<br />
MONEY: Aber ohne diesen exogenen Schock wären die<br />
Kurse doch niemals so stark gefallen!<br />
Müller: Ein Crash war schon lange überfällig, es war nur<br />
eine Frage der Zeit, bis das Kartenhaus umkippt. Das System<br />
ächzt doch seit Jahren und das darf keinen Experten<br />
überraschen! Bei diesen Exzessen, man muss sich nur die<br />
enormen Schulden anschauen.<br />
MONEY: Was war für Sie der neuralgische Punkt, bei dem<br />
Sie gemerkt haben, dass die Stimmung endgültig kippen<br />
könnte?<br />
Müller: Diesmal war es tatsächlich zum ersten Mal sehr<br />
leicht absehbar. Vor der Finanzkrise war es auch abzusehen,<br />
dass uns diese Immobilienverbriefungen<br />
um die Ohren fliegen würden.<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong><br />
Wir erleben gerade<br />
die größte<br />
Wirtschaftskrise in<br />
der Geschichte der<br />
Menschheit“<br />
Aber es war nicht klar, wann es losgeht<br />
und wie heftig es dann wird. Bei Corona<br />
war die Situation in China für jeden<br />
in den Medien präsent – spätestens ab<br />
Mitte Januar. Wir wussten schon im Dezember,<br />
dass amerikanische Konzerne<br />
ihre Mitarbeiter mit Flugzeugen aus<br />
China rausgeholt haben. Trotzdem haben<br />
sich die Politiker hier noch hingestellt<br />
und verharmlost.<br />
MONEY: Aber ließ sich die Tragweite<br />
tatsächlich abschätzen?<br />
Müller: China ist das industrielle Herz der Welt, die Region<br />
um Wuhan im Südosten Chinas ist komplett zusammengebrochen.<br />
Das hat jeder gesehen, das ist keine Raketenwissenschaft!<br />
Dass das dramatisch wird wegen der<br />
Lieferketten für die weltweite Wirtschaft, war offensichtlich.<br />
Ich glaube, man kann jetzt sagen: Das ist „The Big<br />
One“. Das ist der große Crash, auf den ich gewartet habe.<br />
Wenn dieser Crash durch ist, dann haben wir wieder über<br />
viele Jahre Ruhe.<br />
MONEY: Wie schlimm kann es denn jetzt noch werden?<br />
Müller: So etwas hat es in der Weltgeschichte noch nicht<br />
gegeben. In meinem Buch „Machtbeben“ hatte ich geschrieben:<br />
Die nächste Krise liegt irgendwo in der Mitte<br />
zwischen der Finanzkrise 2008 und der Weltwirtschaftskrise<br />
1929. 2008 ging es um 50 Prozent nach unten und<br />
1929 sogar um 90 Prozent. Was wir jetzt erleben, ist eine<br />
Situation, die zum ersten Mal gefährlicher und kritischer<br />
ist als 1929. Damals ging es zwar um 90 Prozent nach unten,<br />
aber eben über einen Zeitraum von mehr als zwei<br />
Jahren. Und jetzt haben wir einen Kursverfall in wenigen<br />
Wochen gesehen.<br />
MONEY: Warum reagieren die Börsianer so extrem?<br />
Müller: Weil wir nicht nur eine Wirtschaftskrise erleben.<br />
Heute haben wir zum einen Angebotsschock. Das heißt:<br />
Es wird weder produziert noch ausgeliefert. Und zum anderen<br />
einen Nachfrageschock: Die Läden sind zu und die<br />
Leute könnten gar nichts kaufen, weil sie zu Hause sitzen.<br />
Und zu dem Ganzen kommt noch ein Zusammenbruch<br />
des Gesundheitssystems durch die Pandemie. Diese<br />
Kombination hat es nicht mal 1929 gegeben Das<br />
bedeutet: Wir erleben jetzt die größte Wirtschaftskrise der<br />
Menschheitsgeschichte. Und das wird uns noch teuer zu<br />
stehen kommen.<br />
MONEY: Aber zuletzt sah es doch schon nach deutlicher<br />
Erholung aus. Die Corona-Zahlen ließen sich einbremsen<br />
und der Dax stieg zwischenzeitlich wieder deutlich über<br />
10 500 Punkte. Ist das nur eine Bullenfalle?<br />
Müller: Es kann schnell hin- und hergehen. Wenn nur ein<br />
paar Käufer an den Markt kommen, geht es sofort steil<br />
nach oben. Wir erleben extrem dünne Märkte. Die Privatanleger<br />
merken das plötzlich daran, dass ihr Online-Broker<br />
nicht verfügbar ist. Dass die Internet-Leitungen zusammenbrechen<br />
oder der Broker per Telefon nicht zu<br />
erreichen ist. Das kann Sie Ihr ganzes Geld kosten. Vor<br />
allem können Anleger Gewinne nicht mitnehmen. Auch<br />
wenn Sie beispielsweise mit einem Optionsschein abgesichert<br />
sind und auf fallende Kurse gewettet<br />
haben und damit dick im Plus<br />
sind. Im Ernstfall kriegen Sie ihn einfach<br />
nicht los.<br />
MONEY: Aber bei einer so hohen Vola<br />
wie zuletzt muss doch genug gehandelt<br />
werden, oder?<br />
Müller: Wie leicht sich die Kurse bewegen<br />
lassen, habe ich mit meinem Fonds<br />
erlebt. Vor einigen Tagen haben wir<br />
eine kleine Position geändert, es ging<br />
um eine Absicherung. Damit haben wir<br />
den Euro-Stoxx-Future innerhalb von<br />
wenigen Minuten um drei Prozent bewegt.<br />
Das zeigt, wie ausgedünnt dieser Markt ist, wie wenig<br />
Käufer und Verkäufer momentan hier unterwegs sind.<br />
MONEY: Hand aufs Herz: Wie tief kann es noch nach unten<br />
gehen?<br />
Müller: Wenn in einem nächsten großen Schub noch mal<br />
Druck auf die Märkte kommt, können wir neue Tiefs sehen.<br />
Es könnte sogar noch schlimmer kommen: Es werden<br />
viele Aktien und Wertpapiere und Anlagen abverkauft<br />
– und es sind auf einmal keine Käufer mehr da.<br />
MONEY: Können dann auch die Börsen selbst kollabieren<br />
oder schließen sie vorher?<br />
Müller: Diese Gefahr halte ich diesmal für relativ hoch.<br />
Ich hätte mir das in den letzten Jahren nicht vorstellen<br />
können. Aber wenn es sich um einen dysfunktionalen<br />
Markt handeln sollte, dann wird eine Börse im Zweifel sagen:<br />
Die Börse funktioniert nicht mehr. Wir können keine<br />
Preise mehr stellen. Wir machen lieber zu.<br />
MONEY: Was passiert dann mit unserem Geld und unseren<br />
Aktien?<br />
Müller: Dann sieht es ganz gefährlich aus für die Anleger.<br />
Denn momentan hoffen viele noch, sie können mit dem<br />
Geld auf dem Konto einfach mal abwarten, bis es tief genug<br />
ist, um dann einzusteigen. Aber es könnte sein, dass<br />
die Market-Maker plötzlich keine Kurse mehr stellen. Das<br />
heißt, Sie haben vielleicht theoretisch dicke Gewinne,<br />
LASTENAUSGLEICH<br />
SEITE<br />
40<br />
33
MONEYMARKETS<br />
Largecaps<br />
Gründlich durchgecheckt<br />
War es der Boden oder nur die Bärenmarktrally? Analysten und Anleger rätseln, in<br />
welche Richtung es geht. Dafür hat FOCUS-MONEY bilanzstarke Largecaps gefunden<br />
Ist das Unternehmen finanziell stabil aufgestellt? Check!<br />
Verfügt das Unternehmen über genug liquide Mittel<br />
und weist ausreichend Cashflow auf? Check! Ist das<br />
Geschäftsmodell des Unternehmens aber auch nach der<br />
Krise stark? Check! FOCUS-MONEY suchte bilanzstarke<br />
große Unternehmen, auf die Anleger nun setzen können.<br />
Das Gute: Diese Unternehmen versprechen nicht nur Stabilität,<br />
sondern auch Kurssteigerungen und Dividenden.<br />
Das Problem. Niemand weiß, ob wir uns aktuell in einer<br />
Bärenmarktrally befinden oder ob die Märkte bereits den<br />
nachhaltigen Weg aus der Krise suchen. In vergangenen<br />
Bärenmärkten gab es immer mal wieder kurze, steile Aufwärtsbewegungen,<br />
auf die aber stets noch tiefere Stürze<br />
folgten. Viele Anleger und Analysten wissen momentan<br />
nicht, in welche Richtung die Märkte denn nun wirklich<br />
tendieren können. Dafür ist einerseits die Pandemie-Lage<br />
wegen Covid-19 weiterhin verantwortlich. Keiner<br />
weiß, wann der Peak überschritten ist und ob es nicht<br />
doch eine zweite Welle gibt. Und darum können die Experten<br />
natürlich noch nicht abschätzen, wie sich die Wirtschaft<br />
entwickelt. Tatsächlich haben einige Analysten wegen<br />
dieser unklaren Lage ihre Kursziele für das<br />
Jahresende für den S&P-500-Index ausgesetzt.<br />
Die Lösung. FOCUS-MONEY kennt aber einen Ausweg.<br />
Wir setzen auf bilanzstarke große Unternehmen, die auch<br />
in schwierigen Fahrwassern bestehen können und von<br />
denen die Analysten trotz aller Widrigkeiten überzeugt<br />
sind. Dazu gehören überraschenderweise das Transportunternehmen<br />
DSV Panalpina (siehe Seite 53), die London<br />
Stock Exchange und das IT-Software-Unternehmen Wolters<br />
Kluwer (siehe Seite 54), welches ungewöhnliche, aber<br />
verlässliche Kunden aufweist. Wie Anleger von dieser Sicherheit<br />
profitieren, das erfahren Sie im Unternehmens-Check<br />
auf den nächsten Seiten.<br />
MARIAN KOPOCZ<br />
Checkliste: Nachgeforscht<br />
und nachgerechnet<br />
– eine gute Bilanz ist<br />
aktuell wichtig<br />
52 Illustration: iStock<br />
FOCUS-MONEY <strong>18</strong>/<strong>2020</strong>