——OLAF HOFMANNEINE NACHTUNTER TAUSENDSTERNENFreiheit, Abenteuer und Glückim Herzen der Natur finden48
Fotos: Stefan WeigandDas Feuer brannte langsam nieder. Ich verspürte keineLust, den Daunenschlafsack bei minus zwanzigGrad zu verlassen, um neues Holz aufzulegen. MeinHund hatte sich dicht an mich geschmiegt und ich hättenicht sagen können, wer von uns beiden diese Nähe angenehmerempfand. Ich lauschte dem fernen Geheul vonKoyoten. Davon abgesehen war es so still, dass ich mich wieder letzte Mensch auf dieser Erde fühlte. War dieses Abenteuerein Fehler, den ich bereuen würde? Es war zu spät,die Meinung zu ändern und jetzt noch aufzubrechen, ummit Skiern zurück über gefrorene Seen zu unserem Blockhauszu gelangen.Irgendwann beschloss ich, einfachzu vertrauen. Zu vertrauen, dassdas Leben weitergeht. Wenn nichtmeines, dann das der anderen, unddass sich die Welt weiterdreht obmit oder ohne meine Anwesenheit.Ich fühlte mich mental in GottesHand, wenn man das so formulierenwill. Ich konnte loslassen, dieSorgen, das innere Zwiegespräch,die umtriebigen Gedanken, meinBedürfnis nach Sicherheit, und spürte,wie sich tiefe Ruhe in mir einstellte.Dann schloss ich die Augenund überließ mich dem Schlaf.Sicher, es war eine kurze Nacht,doch sie blieb unvergesslich. Esfolgten viele eindrückliche Nächte,in denen ich ohne Dach über demKopf, dafür unter imposanten Bäumen,am Seeufer oder im Park mittenin der Stadt unter weitem Himmelschlief. Die meisten Sterne sahich im Sinai, als ich ganz allein imSchutz einer felsigen Wand nächtigte.Ich lag im Schlafsack, überwältigtvon dem gigantischen Sternenzelt,was sich über mir wölbte,fühlte mich reich beschenkt undunbedeutend zugleich.g e t e i lt e s glückDiese Nacht werde ich nicht vergessen.Ich war gewarnt, dassein Puma oder Wölfe kommenkönnten. »Dafür schlafen imJanuar die Bären und es gibtmit Sicherheit keine lästigenMücken«, hatte ich geantwortet.Doch dann lag ich in dieser eiskaltenSternennacht im kanadischenNorden Stunde umStunde wach und das nicht nurwegen der Kälte.Die schönsten Draußen-Nächte allerdings sind bis heute die,die ich mit meiner Frau teilen kann. Denn dann multipliziertsich das elementare Glück und lässt sich teilen, was michzum Staunen bringt. Die eigenen Gedanken werden zumphilosophischen Zwiegespräch. Dies gibt unserem Lebeneine Tiefe und Weite und ein Glück, was hinter geschlossenenTüren nicht zu haben ist. Vor vier Jahren begannen wir mitunseren Draußen-Nächten. Jeden Monat eine Nacht imFreien, ein Jahr lang, so das Experiment. Also ich sprechevon Biwakieren, vom Übernachten ohne Zelt, nur mitIsomatte und Schlafsack. Gut, eine Plane zum Unterlegen,einen kleinen Kocher mit Topf und Tassen für denobligatorischen Kaffee am Morgen – das gehört unbedingtdazu. Meine Frau ist ein Mädchen aus der Stadt. Ein wenigLuxus muss sein.Diese Idee mit den Draußen-Nächten, sie kam tatsächlichvon ihr. Ich war reichlich überrascht, habe mich über ihreneue Abenteuerlust gefreut. Und ich verstand, sie brauchtemeine Nähe, um sich hinaus zu wagen, sich sicher zu fühlenund Neuland zu betreten. Denn das ist es tatsächlich.49