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Marc<br />
Wallert<br />
Resilienz-Trainer, 47, GER<br />
2000 wurde Wallert von Terroristen verschleppt,<br />
seine Erfahrung setzt er in der Krisenberatung ein.<br />
So bewältigte<br />
ich 140 Tage<br />
in Geiselhaft<br />
Wie dem Göttinger Tatkraft, Hilfs bereitschaft<br />
und Humor durch die größte<br />
Extremsituation seines Lebens halfen – und<br />
welche Möglichkeiten er in ihr erkannte.<br />
Text PETER PRASCHL<br />
Am Ostersonntag des Jahres 2000 wurde der<br />
damals 27-jährige Marc Wallert zusammen<br />
mit seinen Eltern sowie 18 Touristen und<br />
Angestellten eines Hotels auf der malaysischen<br />
Insel Sipadan entführt und auf eine philippinische<br />
Insel verschleppt. 140 Tage lang war er in<br />
Dschungelcamps einer islamistischen Terrorgruppe<br />
ge fangen: schlechte Ernährung, katastrophale<br />
hygienische Zustände, Todesdrohungen, immer<br />
wieder Beschuss durch die philippinische Armee.<br />
Zwanzig Jahre danach ist Wallert, der als Berater<br />
und Führungskraft in internationalen Unternehmen<br />
tätig war, Resilienz-Trainer und -Berater – er hilft<br />
Menschen und Organisationen, ihre Widerstandskraft<br />
zu stärken. Hier erklärt er, wie er die Extremsituation<br />
im Dschungel meisterte.<br />
1<br />
Ich nahm die Herausforderung an<br />
Als meine Eltern und ich vor zwanzig Jahren<br />
entführt worden sind, war unser erster Gedanke:<br />
„Ach, hätten wir doch nicht auf den Nachttauchgang<br />
verzichtet, dann wären wir wahrscheinlich<br />
immer noch frei.“ So etwas ist eine total verständliche<br />
und menschliche Reaktion – aber keine besonders<br />
hilfreiche. Wenn man in eine schwierige<br />
Lage gerät, ist es wichtig, ihre Existenz zu akzeptieren,<br />
statt mit ihr zu hadern. Es ist, wie es ist.<br />
Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und die<br />
Vergangenheit nicht mehr ändern. Aber man kann<br />
versuchen, aus der Situation das Beste zu machen,<br />
und dafür wird man alle Energie brauchen, die<br />
man hat. Man sollte sie nicht vergeuden.<br />
2<br />
Ich bewahrte kühlen Kopf<br />
Angst und Panik sind genauso gefährlich wie<br />
übertriebener Optimismus. Man hat dann entweder<br />
zu viel oder zu wenig Stress. Angst lähmt. Der<br />
Glaube, alles sei nur halb so wild, verführt zu Sorglosigkeit<br />
– und wenn’s dann doch schlimmer kommt,<br />
ist die Enttäuschung umso niederschmetternder.<br />
Nach unserer Entführung ist uns gesagt worden,<br />
STEPHANIE WOLFF, REUTERS<br />
54 THE RED BULLETIN