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The Red Bulletin Juni/Juli 2020

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46<br />

Marc<br />

Wallert<br />

Resilienz-Trainer, 47, GER<br />

2000 wurde Wallert von Terroristen verschleppt,<br />

seine Erfahrung setzt er in der Krisenberatung ein.<br />

So bewältigte<br />

ich 140 Tage<br />

in Geiselhaft<br />

Wie dem Göttinger Tatkraft, Hilfs bereitschaft<br />

und Humor durch die größte<br />

Extremsituation seines Lebens halfen – und<br />

welche Möglichkeiten er in ihr erkannte.<br />

Text PETER PRASCHL<br />

Am Ostersonntag des Jahres 2000 wurde der<br />

damals 27-jährige Marc Wallert zusammen<br />

mit seinen Eltern sowie 18 Touristen und<br />

Angestellten eines Hotels auf der malaysischen<br />

Insel Sipadan entführt und auf eine philippinische<br />

Insel verschleppt. 140 Tage lang war er in<br />

Dschungelcamps einer islamistischen Terrorgruppe<br />

ge fangen: schlechte Ernährung, katastrophale<br />

hygienische Zustände, Todesdrohungen, immer<br />

wieder Beschuss durch die philippinische Armee.<br />

Zwanzig Jahre danach ist Wallert, der als Berater<br />

und Führungskraft in internationalen Unternehmen<br />

tätig war, Resilienz-Trainer und -Berater – er hilft<br />

Menschen und Organisationen, ihre Widerstandskraft<br />

zu stärken. Hier erklärt er, wie er die Extremsituation<br />

im Dschungel meisterte.<br />

1<br />

Ich nahm die Herausforderung an<br />

Als meine Eltern und ich vor zwanzig Jahren<br />

entführt worden sind, war unser erster Gedanke:<br />

„Ach, hätten wir doch nicht auf den Nachttauchgang<br />

verzichtet, dann wären wir wahrscheinlich<br />

immer noch frei.“ So etwas ist eine total verständliche<br />

und menschliche Reaktion – aber keine besonders<br />

hilfreiche. Wenn man in eine schwierige<br />

Lage gerät, ist es wichtig, ihre Existenz zu akzeptieren,<br />

statt mit ihr zu hadern. Es ist, wie es ist.<br />

Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und die<br />

Vergangenheit nicht mehr ändern. Aber man kann<br />

versuchen, aus der Situation das Beste zu machen,<br />

und dafür wird man alle Energie brauchen, die<br />

man hat. Man sollte sie nicht vergeuden.<br />

2<br />

Ich bewahrte kühlen Kopf<br />

Angst und Panik sind genauso gefährlich wie<br />

übertriebener Optimismus. Man hat dann entweder<br />

zu viel oder zu wenig Stress. Angst lähmt. Der<br />

Glaube, alles sei nur halb so wild, verführt zu Sorglosigkeit<br />

– und wenn’s dann doch schlimmer kommt,<br />

ist die Enttäuschung umso niederschmetternder.<br />

Nach unserer Entführung ist uns gesagt worden,<br />

STEPHANIE WOLFF, REUTERS<br />

54 THE RED BULLETIN

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