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Leseprobe: Drachen küsst man nicht

Leseprobe zu Michaela Holzinger: Drachen küsst man nicht

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Viel los auf Burg Knatterstein<br />

Auf Burg Knatterstein ging es seit Tagen hektisch<br />

zu. Bis zum großen Ritterfest war es <strong>nicht</strong> mehr<br />

weit.<br />

Deshalb brachten Herolde die Einladungen<br />

ins Land. Darauf stand:<br />

Muskatnuss, der Feierliche,<br />

König von Knatterstein,<br />

lädt zum alljährlichen,<br />

fürwahr schönsten Ritterturnier ein.<br />

Der Preis:<br />

Ein Kuss von der ach so schönen<br />

Prinzessin Kunigunde.


Die Mägde putzten das goldene Geschirr.<br />

Die Köche putzten Berge von Gemüse.<br />

Und die Knechte putzten die Pferde, bis ihr<br />

Fell in der Sonne glänzte.<br />

Und sie putzten König Muskatnuss’<br />

Ritterstiefel, bis auch die in der Sonne glänzten.<br />

Nur Prinzessin Kunigunde, die putzte sich die<br />

Nase und schnaubte: „Nein, nein und nochmals<br />

nein! Ich will keine Ritter mehr küssen!“<br />

Mit einem Ruck riss sie sich die Krone vom<br />

Kopf und pfefferte das goldene Ding in eine Ecke.<br />

Es schepperte.<br />

Es krachte.<br />

Dann wurde es still im Thronsaal.<br />

König Muskatnuss machte ein finsteres Gesicht.<br />

„Aber Töchterchen, das ist deine Aufgabe“,<br />

sagte er streng. „Du bist die Prinzessin. Ohne<br />

Kuss gibt es kein Turnier. Und ohne Turnier kein<br />

Fest!“<br />

Kunigunde sprang von ihrem Thron auf.<br />

„Küss deine Ritter der Schwafelrunde gefälligst<br />

selbst!“, rief sie und stürmte aus dem Saal.<br />

Dabei knallte sie ordentlich das Tor hinter<br />

sich zu.<br />

9


Das mochte ihr Königvater gar <strong>nicht</strong>.<br />

Kunigunde redete drei Tage lang <strong>nicht</strong> mit ihm.<br />

Auch das mochte ihr Königvater <strong>nicht</strong>.<br />

Und sie schmatzte wie verrückt beim Essen.<br />

Das konnte ihr Königvater überhaupt <strong>nicht</strong><br />

leiden.<br />

Kunigunde strengte sich also wirklich an. Sie<br />

machte so viele Dinge, die sie eigentlich <strong>nicht</strong> sollte.<br />

Nur … das alles half leider <strong>nicht</strong>s.<br />

Wenn es ums Feste-Feiern ging, war König<br />

Muskatnuss beinhart.<br />

Eisern.<br />

Unbeugsam.<br />

Er feierte nun mal für sein Leben gerne. Und<br />

weil er noch dazu Chef im Lande war, musste sich<br />

Kunigunde schließlich damit abfinden.<br />

Und weiterhin Ritter küssen.<br />

IGITT!!!


Wer klopft denn da?<br />

Schon bald trafen die ersten Gäste ein.<br />

Ritter Friedebert von Eselhausingen war da.<br />

Ritter Kevin der Bärenstarke auch.<br />

Und sogar der alte Siegesmund, der Saure,<br />

wollte sich das Spektakel <strong>nicht</strong> entgehen lassen.<br />

Als am Abend die Sonne die Burgzinnen<br />

streifte, bliesen die Turmbläser zum Turnier.<br />

Viele Menschen waren gekommen.<br />

Von nah und fern.<br />

Die Burgfräulein hatten sich schöne Kleider<br />

angezogen und prachtvolle Ringe angesteckt, die<br />

herrlich um die Wette glitzerten.<br />

Auch die Ritter hatten sich fein gemacht.<br />

Zur Feier des Tages hatten sie sich die Bärte<br />

gestutzt und sich ausnahmsweise das Gesicht gewaschen.<br />

Und sich sogar die Zähne geputzt.<br />

Alsbald ritten sie auf den großen Turnierplatz zu.<br />

12


Von der Tribüne her brach lauter Jubel los.<br />

Nur Kunigunde, die gähnte.<br />

Vor Langeweile.<br />

Immerhin war das schon ihr siebentes Fest<br />

in diesem Jahr, an dem sie hinterher den Sieger<br />

küssen musste.<br />

Schon wurden die ersten Ritter in die<br />

Schranken verwiesen.<br />

Da hörte <strong>man</strong> ein ohrenbetäubendes Klopfen.<br />

Es kam vom großen Burgtor.<br />

Laut und unheimlich.<br />

Klopf-KLOPF!!<br />

„Heda!“, rief der König. „Wer stört mitten im<br />

Turnier?“<br />

Eine brunnentiefe Stimme antwortete: „Ich!“<br />

Das fanden die Burgfräulein lustig und<br />

kicherten.<br />

13


Und auch die<br />

Ritter glucksten in<br />

ihren Rüstungen,<br />

dass die nur so<br />

schepperten. Sie<br />

dachten, der Hofnarr<br />

hätte sich einen<br />

Scherz mit ihnen<br />

erlaubt.<br />

Doch als sich das<br />

schwere Burgtor öffnete,<br />

blieb allen das<br />

Lachen im Hals<br />

stecken.<br />

Herein kam<br />

Jaromir, der dornige<br />

Drache.<br />

In seiner riesigen, stacheligen<br />

Klaue hielt er eine Einladung.<br />

„Ich möchte auch mitkämpfen“,<br />

knurrte er.<br />

14


<strong>Drachen</strong> <strong>küsst</strong> <strong>man</strong> <strong>nicht</strong><br />

Drohend hallten die <strong>Drachen</strong>worte gegen die<br />

Burgmauern.<br />

Aus Jaromirs Nase stiegen kleine Feuerzungen,<br />

und sein dorniger Schwanz schlug<br />

gefährlich hin und her.<br />

Augenblicklich war es still geworden auf dem<br />

Turnierplatz.<br />

Vor Angst fielen einige Burgfräulein in<br />

Ohnmacht.<br />

Ritter Friedebert klappte sogar von seinem<br />

Esel.<br />

Nur König Muskatnuss saß aufrecht auf<br />

seinem Thron und brütete fieberhaft vor sich hin.<br />

Jaromir war ja für seine <strong>Drachen</strong>stärke und<br />

Zauberkraft bis weit über die Landesgrenzen hinaus<br />

bekannt. Wenn nie<strong>man</strong>d sich freiwillig zum<br />

Kampf gegen den <strong>Drachen</strong> meldete, würde es kein<br />

Ritterturnier geben. Und auch kein Fest.<br />

Also durfte König Muskatnuss auf keinen Fall<br />

15


zulassen, dass der Drache<br />

am Turnier teilnahm.<br />

Aber wie sollte er<br />

das bloß anstellen?<br />

Zum Glück<br />

hatte Muskatnuss<br />

eine glorreiche Idee.<br />

Er sprach mit<br />

strenger, königlicher<br />

Stimme: „Jaromir,<br />

du kannst <strong>nicht</strong> mitkämpfen.<br />

Du bist<br />

ein Drache. Kein<br />

Ritter! Nur Ritter<br />

dürfen hier teilnehmen.<br />

Steht alles im<br />

Handbuch für Ritterturniere.“<br />

Er hielt Jaromir ein<br />

zerfleddertes Buch unter<br />

die Nase, das in Wirklichkeit<br />

ein altes Kochbuch war. Es klemmte schon seit<br />

Jahren unter dem Thron, damit der <strong>nicht</strong> wackelte.<br />

Das wusste der Drache aber <strong>nicht</strong>. Und so<br />

18


stammelte er: „Von solch einer Regel habe ich ja<br />

noch nie gehört!“<br />

Ein verdutztes Rauchwölkchen stieg aus<br />

Jaromirs <strong>Drachen</strong>-Nasenspitze und hüllte den<br />

König samt Buch in eine dichte Schwefelwolke.<br />

Schnell nutzte der König den Moment und<br />

versteckte das alte Buch unter seinem Umhang,<br />

ehe Jaromir genauer hinsehen konnte.<br />

Und als Muskatnuss hinter dem Nebel wieder<br />

zum Vorschein kam, schien der Drache wirklich<br />

auf den Schwindel hereingefallen zu sein. Denn<br />

Jaromir senkte den Kopf und murmelte: „Ich<br />

möchte doch nur einen Kuss von der Prinzessin<br />

haben!“<br />

Mit langer Kralle zeigte er auf Kunigunde,<br />

die nervös auf ihrem Thron herumzurutschen<br />

begann.<br />

„Nein, nein und nochmals nein!“, dachte sie<br />

verzweifelt. „Das geht wirklich zu weit. Ich küsse<br />

bestimmt keinen <strong>Drachen</strong>!“<br />

Da war es ihr schon lieber, hin und wieder<br />

einen Ritter küssen zu müssen.<br />

Obwohl?<br />

Wenn sie sich die die klapprigen, zitternden,<br />

19


sauren Edelmänner auf ihren Pferden jetzt genauer<br />

ansah, war sie sich da <strong>nicht</strong> mehr sicher – so,<br />

wie die lachten und glucksten.<br />

Denn die Ritter hatten die ganze Zeit über die<br />

Ohren gespitzt und gehört, was der Drache in das<br />

königliche Ohr genuschelt hatte.<br />

„Jaromir, der Drache, ist in die Prinzessin<br />

verliebt!“, grölten sie.<br />

Kunigunde verdrehte die Augen. Sie fand das<br />

gar <strong>nicht</strong> komisch.<br />

Und Jaromir erst recht <strong>nicht</strong>.<br />

Mit einem wütenden <strong>Drachen</strong>-Schnauf blies<br />

er die Ritter von ihren Pferden.<br />

„UARGH“, knurrte er beleidigt. „Muskatnuss,<br />

deine Ritter sind für mich keine Gegner.<br />

Ihretwegen bin ich <strong>nicht</strong> hergekommen. Ich will<br />

nur einen Kuss von der Prinzessin haben.“<br />

Doch der König blieb hart. Immerhin stand<br />

sein schönes Fest auf dem Spiel!<br />

„Tut mir leid, Jaromir“, sagte er. „Diese Regeln<br />

sind hieb- und stichfest!“<br />

Jaromir peitschte mit seinem langen Schwanz<br />

über den Platz.<br />

„Dann soll auch sonst nie<strong>man</strong>d die Prinzessin<br />

20


küssen dürfen“, beschloss er zornig. „Und wer es<br />

dennoch wagen sollte, wird bestraft. Jawohl!“<br />

Er stieß ein paar giftgrüne Feuerflammen<br />

aus, drehte sich um und polterte schnaubend zum<br />

Burgtor hinaus.


Plopp!<br />

Ei, da freute sich Kunigunde. Vor Begeisterung<br />

klatschte sie in die Hände, tanzte auf ihrem Thron<br />

herum und trällerte:<br />

„Ich küsse keine Ritter,<br />

denn die schmecken bitter.<br />

Ich küss’ auch keine <strong>Drachen</strong>.<br />

Nun kann ich wieder lachen!“

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