02.06.2020 Aufrufe

contact Büromagazin #27

Veränderungen können das Sprungbrett für großartige Weiterentwicklungen, aber auch der Auslöser von schwerwiegenden Misserfolgen sein. Jeder kennt dieses mulmige Bauchgefühl, wenn man nicht weiß, ob eine Entscheidung der richtige Schritt war. Veränderungen erzeugen in Unternehmen Unlustgefühle, Skepsis und Unsicherheit und stoßen daher meist auf Widerstand – ein durchdachtes Change-Management ist somit unumgänglich.

Veränderungen können das Sprungbrett für großartige Weiterentwicklungen, aber auch der Auslöser
von schwerwiegenden Misserfolgen sein. Jeder kennt dieses mulmige Bauchgefühl, wenn man nicht weiß, ob eine Entscheidung der richtige Schritt war. Veränderungen erzeugen in Unternehmen Unlustgefühle, Skepsis und Unsicherheit und stoßen daher meist auf Widerstand – ein durchdachtes Change-Management ist somit unumgänglich.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Office Life<br />

© Shutterstock<br />

Wandel und Widerstand.<br />

Es gibt also keine Veränderungen<br />

ohne Widerstand. Doch woher<br />

kommen diese negativen Einwände,<br />

wenn Veränderungen angekündigt<br />

werden? Dazu haben wir Dr.<br />

Dirk Lippold befragt. Er ist Gastprofessor<br />

für Consulting, Change-Management<br />

und Marketing an der Humboldt-Universität zu<br />

Berlin. In 35 Jahren Berufserfahrung als Unternehmensberater<br />

und als Geschäftsführer einer internationalen<br />

Unternehmensberatung kam auch er immer<br />

wieder mit Veränderung und Widerstand in Kontakt.<br />

• Change-Management ist zum großen<br />

Schlagwort der Unternehmensführung geworden.<br />

Was treibt derzeit Unternehmen an,<br />

Veränderungsprozesse durchzuführen?<br />

Unternehmen beschreiten immer wieder neue Wege,<br />

um vom Fortschritt zu profi tieren, und überdenken<br />

dabei vertraute Strukturen. Doch jede Veränderung<br />

wird von einer wichtigen, einer zentralen Herausforderung<br />

begleitet: dem Widerstand der Mitarbeiter.<br />

Zunächst müssen wir zwischen den Ursachen und den<br />

Auswirkungen von Veränderungen unterscheiden.<br />

Ursachen für Veränderungen können externer und<br />

interner Natur sein. Zu den externen Ursachen zählen<br />

technologische oder sozio-demografische Entwicklungen.<br />

Interne Ursachen können Fehlentscheidungen<br />

der Vergangenheit, der Verlust eines strategischen<br />

Kunden oder Wachstumsinitiativen sein. Auswirkungen<br />

von Change-Prozessen sind Sanierung, Personalabbau,<br />

Einführung von ERP-Systemen, aber auch der<br />

Aufbau neuer Vertriebswege. Solche Veränderungs-<br />

prozesse müssen mit sinnvollen<br />

Methoden begleitet werden, um<br />

Risiken zu reduzieren. Dies treibt die<br />

Unternehmen an, Change-Management<br />

durchzuführen.<br />

• Wie groß ist die Gefahr, dass Change-<br />

Prozesse scheitern? Was sind die häufigsten<br />

Ursachen dafür?<br />

Die Gefahr, dass Change-Prozesse scheitern, ist nicht<br />

zu unterschätzen, denn jede Veränderung wird von<br />

Widerständen begleitet. Widerstand ist quasi der<br />

„Zwillingsbruder“ des Wandels. Das Fehlen von Akzeptanz,<br />

Verständnis, Qualifikation und Perspektive<br />

bei den Mitarbeitern sind die wesentlichen Motive für<br />

den Widerstand.<br />

• Angenommen, eine Mehrheit der Mitarbeiter<br />

spricht sich gegen einen Change-Prozess<br />

aus. Lassen sich größere Veränderungen auch<br />

gegen den Willen der Mitarbeiter – erfolgreich<br />

– umsetzen?<br />

Veränderungen gegen den Willen einer Mehrheit<br />

lassen sich zwar durchsetzen, aber nicht erfolgreich<br />

umsetzen. Mitarbeiter müssen aktiv in den Veränderungsprozess<br />

eingebunden werden. Sie müssen mit<br />

geeigneten Kommunikationsmitteln und -maßnah-<br />

men angesprochen werden, um ein widerspruchsfreies<br />

Bild der Veränderung zu erzeugen. Eine vertrauensvolle<br />

Kommunikation ist die Grundlage für jeden<br />

erfolgreichen Unternehmenswandel.<br />

• Sie sprechen von den drei Arten des<br />

Widerstandes gegen Veränderung.<br />

Was steckt hier dahinter?<br />

Um im familiären Bild zu bleiben kann man sagen,<br />

dass der Widerstand in der Regel drei „Väter“ hat:<br />

Der erste „Vater” ist das Nicht-Wollen. Hierbei<br />

handelt es sich um Willensbarrieren bei betroffenen<br />

Mitarbeitern. Die Angst vor Veränderung und der<br />

Wunsch, am Status quo festzuhalten, führen zu einer<br />

ablehnenden Haltung gegenüber der geplanten Veränderung.<br />

Der zweite „Vater” ist das Nicht-Können. Häufig<br />

sind es neue Technologien oder auch Defizite bei den<br />

Fremdsprachen, die zu Fähigkeitsbarrieren führen.<br />

Der dritte „Vater“ ist das Nicht-Wissen. Für den<br />

Nicht-Wissenden ist der neue Zustand ungewiss; er ist<br />

nicht davon überzeugt, dass es mit der Veränderung<br />

besser wird.<br />

• Pierre Bourdieu erklärte bereits vor der Zeit<br />

der Digitalisierung die „soziale Trägheit“, die<br />

den Wunsch zur Gewohnheit beschreibt. Gibt<br />

es Parallelen zwischen Bourdieus sozialer<br />

Trägheit und dem Widerstand in Change-<br />

Prozessen?<br />

Ja, die Parallelen sind offensichtlich: Es ist bequemer<br />

in der eigenen Komfortzone. Wozu sich also mit<br />

etwaigen Vorteilen der Veränderung auseinandersetzen?<br />

Wenn unsere Bereitschaft groß genug ist, Geld<br />

und Zeit in die persönliche Weiterbildung oder auch<br />

nur in die Informationsgewinnung zu investieren, trifft<br />

Change-Management auf fruchtbaren Boden.<br />

• Gibt es unterschiedliche Phasen, die ein<br />

Mensch durchläuft, wenn es zu einer Veränderung<br />

am Arbeitsplatz kommt?<br />

Im Allgemeinen durchlaufen Mitarbeiter sieben Phasen,<br />

die man als einen „idealtypischen“ Veränderungsprozess<br />

bezeichnen kann:<br />

Es beginnt mit einem Schock über den großen Unterschied<br />

zwischen den hohen Erwartungen und der<br />

eingetroffenen Wirklichkeit. Darauf folgt die Phase<br />

des Festhaltens, die von der Phase der Einsicht in die<br />

Notwendigkeit von Veränderung abgelöst wird. In<br />

der dann folgenden Phase stehen die Akzeptanz und<br />

damit das Loslassen im Vordergrund. Die fünfte Phase<br />

ist durch das Ausprobieren neuer Verhaltensweisen<br />

gekennzeichnet. In Phase sechs kommt die Erkenntnis,<br />

warum gewisse Maßnahmen zum Erfolg führen und<br />

andere nicht. Die letzte Phase schließlich integriert<br />

gewonnene Erfahrungen und erprobte neue Maßnahmen.<br />

• Welche Rolle spielt dabei Nachbereitung?<br />

Die Rolle der Nachbereitung kann gar nicht hoch<br />

genug eingeschätzt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist<br />

die Post-Merger-Integration, die sich – quasi als Teil<br />

des Veränderungsprozesses bei einem Unternehmenszusammenschluss<br />

– als standardisierte Beratungsleistung<br />

verselbständigt hat. Und ohne die ist ein erfolgreicher<br />

Unternehmenszusammenschluss undenkbar.<br />

• Haben Sie in Ihrer Karriere selbst große<br />

Veränderungsprozesse erlebt und mussten<br />

mit eigenen Widerständen klarkommen?<br />

Ich selber habe zwei große Merger-Prozesse und ebenso<br />

zwei Restrukturierungsprogramme verantwortlich<br />

begleitet. Insbesondere bei den Restrukturierungen<br />

hatte ich mit meinen eigenen Widerständen zu<br />

kämpfen.<br />

© Urbschat, Berlin<br />

Prof. Dr. Dirk Lippold ist Gastprofessor<br />

an der Humboldt-Universität<br />

zu Berlin und lehrt an verschiedenen<br />

Privathochschulen Consulting &<br />

Change-Management, Marketing<br />

& Kommunikation, Personal &<br />

Organisation, Technologie- und<br />

Innovationsmanagement sowie<br />

Geschäftsprozesse.<br />

Er war drei Jahrzehnte in der Software-<br />

und Beratungsbranche tätig. Als<br />

Geschäftsführer einer internationalen<br />

Unternehmensberatung entwickelte<br />

er mit seinen Teams die Marketing-<br />

Gleichung und die Personalmarketing-<br />

Gleichung als prozessorientierte<br />

Handlungsrahmen.<br />

In seinem neuesten Buch „Die Unternehmensberatung –<br />

Von der strategischen Konzeption zur praktischen<br />

Umsetzung“ gibt er einen umfassenden Überblick.<br />

www.dialog-lippold.de<br />

8 <strong>contact</strong><br />

<strong>contact</strong> 9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!