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VITUS WURMDOBLER<br />
Kunst gerettet, gepflegt<br />
und neu geschaffen<br />
Fruchtbar und mütterlich ist diese Landschaft. Das war meine erste Impression, als ich 1969 nach<br />
Mainz übersiedelte, um als Restaurator am Mittelrheinischen Landesmuseum zu arbeiten und anfing,<br />
Rheinhessen und seine Landschaft zu entdecken.<br />
D<br />
as Schloss war wild zugewuchert und alles hat<br />
wunderbar geduftet, als wir es an einem schönen<br />
Frühlingstag im Jahr 1976 zum ersten Mal sahen.<br />
Es stand mitten in Erbes-Büdesheim, war zementgrau<br />
verputzt, hieß im Volksmund „Weiße Burg“ und stand kurz<br />
vor dem Verfall. Wir – meine Frau Damaris, die Malerin, und ich,<br />
der Restaurator – fanden es zauberhaft. Die Leute sagten, es<br />
sei eine Bruchbude und wir sollten um Himmels Willen die Finger<br />
davon lassen, aber wir ließen uns nicht abschrecken. Wir haben<br />
nur das Positive gesehen und wollten es retten.<br />
VITUS WURMDOBLER<br />
geb. 1945 in Regenstauf, verheiratet, eine Tochter, ein<br />
Sohn, lebt in Erbes-Büdesheim | nach dem Besuch eines<br />
katholischen Internats Kirchenmalerlehre in Regensburg |<br />
mit 18 Jahren Ausbildung zum Restaurator in Freiburg,<br />
Meisterprüfung | 1969 Übersiedlung nach Mainz,<br />
Restaurator am Mittelrheinischen Landesmuseum |<br />
1970 Leiter der Restaurierungswerkstatt am Dom- und<br />
Diözesanmuseum in Mainz, zugleich zuständig für die<br />
Kunstwerke im Bistum Mainz | 1976 gemeinsam mit<br />
der Ehefrau Erwerb des Schlosses in Erbes-Büdesheim |<br />
1977 Beginn der Renovierung des Schlosses, zugleich<br />
Auftragsarbeiten vom Bistum Mainz, der Ev. Landeskirche<br />
Darmstadt und dem Bistum Speyer<br />
Bis wir das Schloss aus dem 14. Jahrhundert, das eigentlich<br />
als Wasserschloss gebaut worden war und als „Weiße Burg“<br />
überliefert ist, endlich unser Schloss nennen konnten, war<br />
es Herbst geworden. Überall hatte es hereingeregnet, nach<br />
einem Wolkenbruch gab es einen Wasserfall im Haus. Keins<br />
der 76 Fenster war mehr heil, um das Schloss stand ein morsches<br />
Gerüst, Schutthaufen lagen herum, das Treppenhaus<br />
war verkohlt. Denn die örtliche Feuerwehr hatte hier geübt.<br />
Aber wir waren jung, wir waren voller Pioniergeist und Tatendrang.<br />
Ich nahm Abschied vom Mainzer Dom. Mein ehemaliger<br />
Arbeitgeber, das Bistum Mainz, und auch die Evangelische<br />
Landeskirche Darmstadt haben uns große Aufträge gegeben,<br />
viele davon im <strong>Landkreis</strong> <strong>Alzey</strong>-<strong>Worms</strong>. Bedingt durch die spe-<br />
zielle Situation in Rheinhessen gab es fast in jedem Ort zwei<br />
Kirchen, in denen Restaurierungsbedarf war.<br />
Wir konnten also systematisch angefangen, das Schloss zu<br />
renovieren. Dabei legten wir größten Wert darauf, das weit-