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RA UM Villa Merkel, Galerien der Stadt Esslingen am ... - Sonnendeck

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14 – LANDGANG<br />

Steinige Anfänge<br />

Das Tübinger Uni-Museum präsentiert Zeugnisse <strong>der</strong><br />

bislang ältesten Malereitradition in Mitteleuropa<br />

bemalte Steine.<br />

das ende <strong>der</strong> eiszeitkunst auf<br />

<strong>der</strong> Schwäbischen alb<br />

museum <strong>der</strong> universität tübingen<br />

bis 29. Januar 2012<br />

www.unimuseum.uni-tuebingen.de<br />

Dass die Schwaben über ein<br />

enormes schöpferisches Potenzial<br />

verfügen, ist im Verbreitungsraum<br />

des sonnendecks keine Überraschung.<br />

Dass man im Südwesten<br />

Deutschlands schon vor 40.000<br />

Jahren kulturell produktiv war,<br />

dürfte seit <strong>der</strong> Großen Landesausstellung<br />

Eiszeit – Kunst und Kultur<br />

im Stuttgarter Kunstgebäude vor<br />

zwei Jahren ebenfalls kein Geheimnis<br />

mehr sein. Maßgeblichen Anteil<br />

an dieser Erkenntnis hat Nicholas<br />

Conard (*1961), Professor für Ur-<br />

und Frühgeschichte in Tübingen.<br />

Seit 1997 leitet er Grabungen in den<br />

Höhlen <strong>der</strong> Schwäbischen Alb, bei<br />

denen allerhand Sensationen ans<br />

Tageslicht k<strong>am</strong>en – darunter die<br />

weltweit frühesten Belege für Musik<br />

und Kleinkunst. 2009 und 2010<br />

fand sein Te<strong>am</strong> im „Hohle Fels“ bei<br />

Schelklingen vier Steine, die vor<br />

15.000 Jahren mit Hämatit- und<br />

Rötelpigmenten bemalt wurden und<br />

nun im Zentrum einer Ausstellung<br />

Nicholas Conard bei einer Ausgrabung <strong>am</strong> Hohle Fels. Foto: Universität Tübingen.<br />

auf Schloss Hohentübingen stehen.<br />

Sebastian Borkhardt besuchte<br />

Nicholas Conard im November<br />

2011 und sprach mit ihm über die<br />

Ursprünge <strong>der</strong> menschlichen Kunst.<br />

sonnendeck: Herr Professor Conard,<br />

was sind das für son<strong>der</strong>bare Kreaturen,<br />

die Vogelknochen zu Flöten umfunktionieren,<br />

M<strong>am</strong>muts aus Elfenbein<br />

schnitzen und Steine bemalen?<br />

Nicholas Conard: Es sind ganz normale<br />

Menschen, so wie wir.<br />

Sie legen Wert auf die Trennung zwischen<br />

<strong>der</strong> anatomischen und <strong>der</strong> kulturellen<br />

Evolution des Menschen. Ab<br />

wann sprechen Sie von einer „kulturellen<br />

Mo<strong>der</strong>nität“ unserer Vorfahren<br />

in dem Sinne, dass sich ihre geistigen<br />

Fähigkeiten nicht mehr von den<br />

unseren unterscheiden lassen?<br />

Anatomisch mo<strong>der</strong>ne Menschen gab<br />

es nachweislich schon vor 200.000<br />

Jahren in Afrika. Spätestens seit<br />

etwa 40.000 Jahren haben wir es mit<br />

Leuten zu tun, die nicht nur unsere<br />

körperlichen, son<strong>der</strong>n auch unsere komplexen<br />

kulturellen Fähigkeiten besitzen. Davon zeugen<br />

Artefakte, die aus dieser Zeit st<strong>am</strong>men und die<br />

man übrigens bislang nur in Europa gefunden<br />

hat: figürliche Kunst, Schmuck mit einer dreidimensionalen<br />

Formgebung, mythische Darstellungen<br />

und Musikinstrumente.<br />

Haben all die Entdeckungen auf <strong>der</strong> Schwäbischen<br />

Alb Ihr Menschenbild im Hinblick auf die Gegenwart<br />

verän<strong>der</strong>t?<br />

Nein.<br />

Weshalb war man in <strong>der</strong> Frühsteinzeit gerade hier<br />

gestalterisch so aktiv? O<strong>der</strong> demonstrieren uns Ihre<br />

Funde vielmehr, dass man beson<strong>der</strong>s gründlich nach<br />

ihnen gesucht hat?<br />

In den Höhlen <strong>der</strong> Schwäbischen Alb waren die<br />

Erhaltungsbedingungen beson<strong>der</strong>s gut und man<br />

hat hier auch beson<strong>der</strong>s intensiv geforscht. Ich<br />

kann mir aber vorstellen, dass man in an<strong>der</strong>en<br />

Regionen irgendwann einmal auf vergleichbare<br />

o<strong>der</strong> sogar frühere Belege stoßen wird.<br />

Was ist so aufregend an den bemalten Steinen, die<br />

Ihr Te<strong>am</strong> im „Hohle Fels“ geborgen hat?<br />

Die bemalten Steine sind symbolische Artefakte<br />

mit abstrakten Darstellungen. Es handelt sich<br />

um die älteste gut belegte Tradition <strong>der</strong> Malerei<br />

in Mitteleuropa. Man hat zwar schon gefärbte<br />

Einzelstücke aus früheren Zeiten gefunden,<br />

diese lassen aber kein Muster, keine klare Kontur<br />

erkennen. Jetzt haben wir Objekte, die wir einem<br />

größeren Kontext zuordnen können und von<br />

denen wir ganz eindeutig sagen können, dass sie<br />

intentionell bemalt worden sind.<br />

Drei <strong>der</strong> vier Kalksteine weisen parallel gesetzte<br />

Punktreihen auf. Welche Theorien existieren über<br />

ihre Bedeutung?<br />

Es gibt sehr viele Hypothesen dazu. Man hat in den<br />

Bemalungen etwa eine mögliche religiöse Bedeutung<br />

gesehen und vermutet, dass sie in Verbindung<br />

mit Sch<strong>am</strong>anismus stehen könnten. Ein weiterer<br />

Ansatz geht dahin, die roten Punkte als eine Art<br />

Kalen<strong>der</strong>, als ein Zeitmessungssystem zu interpretieren.<br />

Vielleicht wurden d<strong>am</strong>it Menstruationszyklen<br />

aufgezeichnet. Vielleicht hat man aber auch Jag<strong>der</strong>folge<br />

dokumentiert. Da einige Steine Bruchstellen<br />

aufweisen, wurde außerdem die Überlegung angestellt,<br />

ob man sie möglicherweise nach dem Bemalen<br />

absichtlich zerschlagen hat, um d<strong>am</strong>it in <strong>der</strong> Zukunft<br />

zu lesen. Vieles ist denkbar, allerdings lässt sich keine<br />

dieser Hypothesen wirklich überprüfen. >

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