RA UM Villa Merkel, Galerien der Stadt Esslingen am ... - Sonnendeck
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NEW - H<br />
ausstellung<br />
17.12.11 -<br />
15.01.12<br />
totale erinnerung<br />
Mathieu Bessey<br />
t o B ias DiehM<br />
Markus h eller<br />
s teffen k ugel<br />
s ascha Patzig<br />
l ars r asM ussen<br />
Mario StrzelSki · · · rotebühlplatz 30 · · · 70173 Stuttgart<br />
tel +49.711.601.48.18 · · · www.StrzelSki.de · · · galerie@StrzelSki.de<br />
dienStag – Freitag 11 – 19 uhr · · · SaMStag 11 – 16 uhr · · · Sowie nach abSprache<br />
H <strong>Stadt</strong>Mitte · · · P rotebühlhoF / FinanzaMt<br />
Sie ist circa zwei Quadratmeter groß,<br />
wiegt um die drei Kilo und atmet<br />
– unsere Haut. Dieses größte und<br />
<strong>am</strong> leichtesten zugängliche unserer<br />
Organe, hält uns nicht nur in Form,<br />
son<strong>der</strong>n reguliert alle denkbaren<br />
Transferprozesse zwischen innen<br />
und außen: Schweiß, Temperatur,<br />
Schmerz, Lust, Druck etc. Als Membran<br />
schlechthin definiert sie uns, teilt<br />
unser Erleben in Ich und das An<strong>der</strong>e.<br />
Hätten wir diese Schutzhülle nicht,<br />
müssten wir die oft unsäglichen „äußeren“<br />
Umstände uns selbst zurechnen,<br />
und umgekehrt, wüssten wir nicht so<br />
recht, wo unser Selbst anfängt und<br />
wo es aufhört (eventuell irgendwo<br />
draußen im All). Ein Fehlen dieses<br />
Grenz- und Abgrenzungsorgans<br />
würde also vor allem zu einem führen:<br />
zum sofortigen und kompletten Ich-<br />
Infarkt. Da sie so gut sichtbar ist, wird<br />
um die Haut wesentlich mehr Aufhebens<br />
gemacht als um an<strong>der</strong>e Organe.<br />
Zu allen bekannten Zeiten, an fast<br />
allen Orten war und ist ihre Farbe, <strong>der</strong><br />
Grad ihrer Blässe und Opazität determinierend<br />
für das Geschick ihres Trägers.<br />
Demagogen des Rassenhasses,<br />
Apartheitsverfechtern und an<strong>der</strong>en<br />
menschlichen Schweinen dient sie als<br />
einfache Kategorie ihrer Zwietracht<br />
säenden Politik. Bis vor ein paar Jahrzehnten<br />
wurde auch in den Industrielän<strong>der</strong>n<br />
90% <strong>der</strong> Haut verborgen. Die<br />
Blöße galt als Zeichen <strong>der</strong> Schwäche,<br />
Verletzbarkeit und stand in einem<br />
unauflöslichen Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />
einer tabuisierten Sexualität. Heute<br />
gilt – bis auf weiteres – die Nacktheit<br />
als Zeichen von Erfolg, Prominenz<br />
und Definitionsmacht, freilich nur,<br />
wenn die Haut (also <strong>der</strong> sichtbare<br />
Körper) einer äußerst rigid gefassten<br />
Profilvorgabe entspricht: dem posthumanen<br />
Schönheitsideal mit seiner verheerend<br />
wirkenden normativen Kraft.<br />
In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft wird<br />
die nun immer öfters sichtbare Haut<br />
als Projektionsfläche innerer Zustände<br />
begriffen: „Wenn die Haut nicht ok ist,<br />
kann auch im Körper o<strong>der</strong> im Wesen<br />
des jeweiligen Menschen etwas nicht<br />
stimmen.“ Diese, nicht zuletzt von <strong>der</strong><br />
Kosmetikindustrie geför<strong>der</strong>te Doktrin,<br />
setzt den Menschen massiv unter<br />
liebe leserinnen, liebe leser,<br />
geneigte kosmetikbranche!<br />
Druck, ja, stellt ihn<br />
unter Rechtfertigungszwang.<br />
So wird die<br />
Haut zum Aushängeschild<br />
bzw. Stigma<br />
einer vermeintlichen<br />
inneren Verfasstheit<br />
und ist in <strong>der</strong> Bewertung<br />
durch an<strong>der</strong>e Zeitgenossen<br />
nun abermals<br />
zum Kriterium geworden.<br />
So wun<strong>der</strong>t es nicht, dass<br />
Unsummen ausgegeben<br />
werden, um dieses „Urteil“ mit chirurgischen<br />
o<strong>der</strong> kosmetischen Eingriffen<br />
positiv zu beeinflussen. Gerade<br />
dadurch aber, wird die Verlässlichkeit<br />
dieser Bewertung vollends obsolet,<br />
die Haut ist keine „ehrliche“ mehr, sie<br />
zeigt nicht mehr die Natur ihres Trägers,<br />
son<strong>der</strong>n ist sein Produkt. Wer<br />
sich heute entblößt, von dem wird<br />
erwartet, dass er bis unter die Haut<br />
geht. Wer heute strippt, strippt bis auf<br />
die Knochen!<br />
„Nie mehr runzlig schmunzeln! Single<br />
und über 90? Faltige Haut und nie verheilende<br />
Wunden? Altersschorf und<br />
mannigfaltige Ekzeme? Kein Thema!<br />
– wir richten das.“ Mit ähnlich klingenden<br />
Werbek<strong>am</strong>pagnen macht seit<br />
einigen Jahren die Ersatzhautbranche<br />
auf ihre Dienste aufmerks<strong>am</strong>. Hansjörg<br />
Fröhlich begab sich in die Hände<br />
einer medizinischen Koryphäe.<br />
Sebastian Borkhardt erläutert die<br />
philosophische und kunsthistorische<br />
Bedeutung des Schindens, also des<br />
Hautabziehens. Kathrin Dick erzählt<br />
von einem Künstler, <strong>der</strong> erst Schweine<br />
tätowiert hat und dann größere Tabus<br />
nie<strong>der</strong>riss. Geniale Illustrationen<br />
kommen erstmals von Julia Keppeler,<br />
die wir hüpfenden Herzens im Kreise<br />
<strong>der</strong> Redaktion begrüßen.<br />
Hautfreundliche Grüße<br />
vom sonnendeck<br />
inhaltsverzeichnis<br />
POOL<br />
Unter die Haut<br />
Von <strong>der</strong> Schindung des Marsyas<br />
und an<strong>der</strong>en Grenzverletzungen 4<br />
Jahresendparty im Schlupfkasack<br />
Wie ich einmal eine funkelnagelneue<br />
Epi<strong>der</strong>mis bek<strong>am</strong> 10<br />
Stech mich und dann verkauf’ mich<br />
Wim Delvoyes Tattooprojekte 12<br />
LANDGANG<br />
Steinige Anfänge<br />
Das Tübinger Uni-Museum präsentiert<br />
Zeugnisse <strong>der</strong> bislang ältesten<br />
Malereitradition in Mitteleuropa 14<br />
Der fensterlose Raum<br />
Die Posteredition zum Herausnehmen 18<br />
KOMPASS<br />
Stuttgart im Januar 20<br />
Region im Januar 22<br />
Vernissagen im Januar 26<br />
Impressum 26<br />
STEUERBORD – 3