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Life Channel Magazin Juli 2020

Scheitern

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THEMA |<br />

Scheitern für Fortgeschrittene<br />

Vom Stolpern, Scheitern<br />

und Verändern …<br />

VON SÄMI MÜLLER<br />

Hinter jedem Erfolg stecken auch Misserfolge.<br />

Wer erfolgreich sein will, muss sich mit<br />

Scheitern auseinandersetzen. Sämi Müller,<br />

Pfarrer der Chile Grüze in Winterthur und<br />

Mitgründer der Fails@church, lädt ein auf<br />

einen abenteuerlichen Weg rund um das<br />

Thema Scheitern. Er teilt einen seiner<br />

peinlichsten Momente mit uns und erzählt,<br />

was er daraus für sein Leben lernen konnte.<br />

Extra-Schweissperlen<br />

Beim Thema Scheitern kommt mir zwangsläufig<br />

einer der peinlichsten Momente<br />

meines Lebens in den Sinn: Alles begann<br />

mit der schönen Vorfreude auf eine Biketour!<br />

Das Wetter passt, der Routenbeschrieb<br />

ist ausgedruckt und die Ausrüstung<br />

ist bereit. Motiviert und gut gelaunt treffe<br />

ich mich mit einem Freund frühmorgens am<br />

Ausgangspunkt und wir starten in den<br />

harten Aufstieg. Da rasante Abfahrten<br />

verdient genossen werden wollen, werden<br />

auch die Extra-Schweissperlen in Kauf<br />

genommen.<br />

Auch in unserer Wettbewerbsgesellschaft<br />

fällt der Erfolg niemandem in den Schoss.<br />

Da müssen oft Extra-Schweissperlen investiert<br />

werden. Selbstverständlich gehören<br />

auch Rückschläge zum Erfolg dazu. Man<br />

könnte sogar Scheitern als Chance zum<br />

Erfolg verstehen. Da wunderts auch nicht,<br />

wenn eigenes Versagen und Scheitern gerne<br />

schöngeredet wird. Nicht selten führen<br />

aufpolierte Lebensläufe letztendlich aber<br />

eher zur Rechtfertigung oder sogar Vertuschung<br />

der eigenen Fehler. Typischerweise<br />

lässt sich dieses Phänomen nach politischen<br />

Wahlniederlagen beobachten. In eine<br />

ganz andere Richtung gehen da die Eventformen,<br />

welche sich vor einigen Jahren in<br />

der Startup-Szene entwickelten. Was 2012<br />

in Mexiko angefangen hat, gibt es mittlerweile<br />

auf der ganzen Welt. Die sogenannten<br />

«Fuckup-Nights».<br />

Fuckup-Nights<br />

Für einmal berichten Manager nicht von<br />

ihren Hochglanzkarrieren, sondern auf<br />

unterhaltsame und lehrreiche Weise von<br />

ihren Misserfolgen. Die Redezeit ist meist<br />

beschränkt, die Rednerinnen und Redner<br />

sind aus den unterschiedlichsten Sparten.<br />

Ein solcher Umgang mit Scheitern hat<br />

durchaus seine Berechtigung und Faszination.<br />

Was ist schon falsch daran, wenn man<br />

wegen ausbleibendem Erfolg bereits zu<br />

lange auf Applaus verzichten musste und<br />

nun Plattformen sucht, wo man wenigstens<br />

fürs heldenhafte Versagen die ersehnte<br />

Bestätigung bekommt? Umso schöner, wenn<br />

Zuhörende aus gemachten Fehlern lernen<br />

können. Deshalb bin ich überzeugt, dass<br />

solche Anlässe dazu beitragen können, eine<br />

Kultur des Scheiterns zu fördern. Ganz egal,<br />

ob das jetzt auf einer öffentlichen Fuckup-<br />

Bühne mit Publikum stattfindet oder in<br />

meinem ganz normalen Alltag. Wer zumindest<br />

im Rückblick über seine persönlichen<br />

Misserfolge berichtet oder auch mal lachen<br />

kann und diese nicht krampfhaft zu vertuschen<br />

versucht, wirkt zweifelsohne authentischer.<br />

Und ein bisschen mehr Nahbarkeit<br />

tut unserer wettbewerbsgetrimmten, auf<br />

Hochglanz polierten Welt ganz gut.<br />

Sind wir noch auf Kurs?<br />

Endlich, geschafft! Auf unserer Biketour<br />

haben wir das Gipfelkreuz erreicht, eine<br />

atemberaubende Aussicht und ein wohltuender<br />

Lunch lassen die Aufstiegsstrapazen<br />

schnell vergessen. Und die vielversprechende<br />

bevorstehende Abfahrt zaubert schon<br />

jetzt ein grosses Grinsen in unsere Gesichter.<br />

Also schnell zusammenpacken und<br />

losbrettern. Es ist traumhaft: Schmale<br />

Singletrails gespickt mit anspruchsvollen<br />

Passagen und einzelnen Jumps, genau nach<br />

meinem Geschmack! Mit der Zeit führt die<br />

Abfahrt in immer unwegsameres Gelände.<br />

Sind wir überhaupt noch auf Kurs? Mittlerweile<br />

wird unsere Abfahrtsfreude immer<br />

häufiger unterbrochen von Passagen, die<br />

uns dazu zwingen, die Bikes zu tragen.<br />

Unsere Route in dem unterdessen steil<br />

abfallenden Gelände gleicht immer mehr<br />

einem kaum benutzten Wildpfad.<br />

Unbegründete Hoffnung scheint auch beim<br />

Umgang mit Scheitern oft der Fall zu sein.<br />

Hauptsache weitermachen, nur nicht anhalten.<br />

Sinnvoller ist, wenn wir in unserem<br />

Unterwegssein am Arbeitsplatz, in der<br />

Familie oder unseren Beziehungen regelmässige<br />

Stopps einlegen und mal fragen:<br />

4 | <strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>Juli</strong> <strong>2020</strong>

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