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Gipfelblicke Lamer Winkel Sommer 2020

Wir laden Sie ein den Lamer Winkel und die Menschen hier im Magazin Gipfelblicke auf den nächsten Seiten kennen zu lernen. Wir setzen in dieser Ausgabe unsere kleine Serie der Berg-Porträts fort und schenken dieses Mal dem Kaitersberg-Höhenzug, der den Lamer Winkel und das Zellertal voneinander trennt, besondere Aufmerksamkeit.

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gipfel GESPRÄCH aktivWINTER<br />

70 Jahre und kein bisschen leise ..<br />

Die Kötztinger Hütte wird seit 1949 von der Familie Silberbauer<br />

in dritter Generation bewirtschaftet<br />

gipfelBLICKE: Herr Silberbauer, seit<br />

wann betreiben Sie die Kötztinger<br />

Hütte und wer waren ihre Vorgänger?<br />

Michael Silberbauer: Ich bin Hüttenwirt<br />

in dritter Generation und trat<br />

mit meiner Frau Eva Lehmeier in die<br />

Fußstapfen meiner Eltern, die die<br />

Lokalität von 1964 bis 2007 leiteten.<br />

Gekauft hat die Ruine 1948 mein<br />

Großvater Willi Silberbauer.<br />

gipfelBLICKE: Was ist Ihnen von der ersten<br />

Kötztinger Hütte noch überliefert?<br />

Michael Silberbauer: Die Geschichte<br />

nahm 1929 ihren Lauf. Die<br />

Ortsgruppe der „Deutschen Wacht“,<br />

einer patriotischen Bewegung mit<br />

dem Ziel „Abwehr völkischer Gefahr,<br />

die der Ostmark von Seiten der<br />

Tschechen droht“, hatte auf dem<br />

Mittagsstein eine erste Schutzhütte<br />

erbaut. Die Begeisterung der Gründerjahre<br />

schwand. Die Hütte war<br />

zwar gut besucht, brachte aber nicht<br />

den erhofften Ertrag. Zuschüsse blieben<br />

aus. 1934 beschloss die Deutsche Wacht, die Hütte<br />

zu verkaufen. Doch es fand sich kein Interessent, der<br />

bereit war, die ganze Schuld als Kaufpreis zu bezahlen.<br />

Nach mehrjährigem Hin und Her über den Fortbestand<br />

- sogar eine Zwangsversteigerung drohte - wurde am<br />

2. Mai 1945 das Schicksal anderweitig besiegelt. Es richteten<br />

sich nämlich die Rohre der amerikanischen Feldartillerie<br />

gegen den Mittagsstein, weil sich dort angeblich<br />

versprengte SS-Einheiten eingenistet hatten. Infolge des<br />

Beschusses ging die Hütte in Flammen auf und brannte<br />

bis auf die Grundmauern nieder.<br />

Blicken optimistisch in die Zukunft - die Wirtsleute der Kötztinger Hütte Eva und Michael<br />

Silberbauer.<br />

gipfelBLICKE: Wie kam es zu der Anschaffung durch Ihren<br />

Großvater Willi Silberbauer?<br />

Michael Silberbauer: Er war eigentlich Fabrikant für Holzkisten.<br />

Wie man sich denken kann, waren die Zeiten nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg schwer und er hatte fünf Söhne<br />

und fünf Töchter zu ernähren. Da damals viel in Schutt und<br />

Asche lag, hat er den Neubau einer Hütte für Wanderer<br />

wohl für eine lohnende Investition gehalten.<br />

gipfelBLICKE: Was wissen Sie über die Schwierigkeiten in der<br />

Bauzeit?<br />

Michael Silberbauer: Das Baumaterial wurde mit Pferden<br />

und einem alten Schützenpanzer auf den Mittagsstein gebracht.<br />

Für heutige Begriffe war die Schwere der Arbeit<br />

unvorstellbar. Aber es packten viele mit an, die allerdings<br />

nur ein Taschengeld und das Essen erhielten. Als Unterkunft<br />

hatte der Trupp eine Holzbaracke zur Verfügung.<br />

Einfacher wurde es auch nicht, als mit der Währungsreform<br />

Mitte 1948 das bisherige Geld, die Reichsmark,<br />

ihren Wert verlor. Dennoch konnten Ende Juni 1949 mit<br />

Willy und Traudl Silberbauer die ersten Wirtsleute in der<br />

neuen Hütte einziehen. Schon bald wurde ein Übernachtungsgebäude<br />

für 30 Personen angebaut, im Obergeschoss<br />

fanden 20 Gäste Platz. Doch wieder schlug das<br />

Schicksal gnadenlos zu. Willy Silberbauer verunglückte<br />

1950 tödlich. Seine Frau und seine Kinder führten sein<br />

Lebenswerk fort.<br />

Die meisten Orte im Bayerischen Wald haben<br />

einen Hausberg, mit dem sie sich identifizieren.<br />

Für die Hohenwarther, Bad Kötztinger, Steinbühler<br />

und Grafenwiesener ist dies der Kaitersberg.<br />

Die Hütte am Mittagstein ist seit Jahrzehnten ein<br />

beliebtes Ziel, um eine Rast einzulegen. Das ehrwürdige<br />

Gebäude sah in seiner siebzigjährigen<br />

Geschichte schon Generationen kommen und<br />

gehen. In den Räumen steckt die Liebe zum Detail.<br />

Vieles ist aus der Gründerzeit noch erhalten.<br />

Aktueller Hüttenwirt ist Michael Silberbauer, der<br />

uns über die Vergangenheit erzählt und schon ein<br />

wenig in die Zukunft blicken lässt.<br />

gipfelBLICKE: Wie ging es in der Erbfolge weiter?<br />

Michael Silberbauer: Mein Vater Horst war ab 1964 im Alter<br />

von 21 Jahren Chef auf der Hütte und erweiterte sie<br />

bis 1969 Stück für Stück. Das heutige hintere Gastzimmer<br />

wurde an-, die Übernachtungsmöglichkeiten ausgebaut<br />

sowie Toiletten und Waschräume angefügt. Von Mitte der<br />

70er- bis Mitte der 80er-Jahre wurde die Terrasse immer<br />

wieder vergrößert, und die Garage angebaut. Mein Vater<br />

hat fortlaufend auf wachsende Gästezahlen gesetzt. Bis in<br />

die 1990er-Jahre hinein gab es so gut wie überhaupt keine<br />

Ruhetage.<br />

gipfelBLICKE: Mussten Sie schon als Kind im Gastronomiebetrieb<br />

mitarbeiten?<br />

Michael Silberbauer: Natürlich. Ich erinnere mich noch,<br />

wie wir als Kinder Cola-Flaschen bei Schulausflügen verkauft<br />

haben. Mein Vater sagte dann stets: Schau Dir den<br />

Lehrer genau an, den kriegst Du nächstes Jahr!<br />

gipfelBLICKE: Wie kam es, dass Sie trotz abgeschlossenem<br />

Studium der nächste Hüttenwirt wurden?<br />

Michael Silberbauer: Keiner von uns vier Brüdern wollte<br />

sie haben, da habe ich mich als ältester dazu entschlossen.<br />

Ich war nach dem Physik-Studium mehrere Jahre in<br />

der Industrie tätig. Das bedeutet aber nicht, dass die Familie<br />

bis dahin der Hütte den Rücken gekehrt hätte. Auch<br />

heute sind die Geschwister und Neffen neben dem übrigen<br />

Personal immer wieder mit eingespannt, „um Spitzen<br />

abzufangen“. Meine Frau Eva und ihre Schwester Melanie<br />

gehören ganzjährig zum Stammpersonal.<br />

gipfelBLICKE: Gibt es Anekdoten über die Wirtsleute selbst<br />

oder „außergewöhnliche“ Besucher?<br />

Michael Silberbauer: Ja, es wird einiges erzählt. Vor allem<br />

in den schneereichen Wintermonaten war der Aufstieg<br />

beschwerlich und nicht selten auch gefährlich.<br />

Manchmal dauerte die Anfahrt über drei Stunden. Dennoch<br />

gab es keine Fehltage. Neben all den Strapazen haben die<br />

Wirtsleute viele fröhliche und vergnügliche Stunden mit ihren<br />

Gästen erlebt. Apropos Gäste: Es besuchte einmal der<br />

berühmte Opernsänger Rudolf Schock mit einer Wandergruppe<br />

die Kötztinger Hütte. Keiner erkannte den Starsänger.<br />

Erst als sich die Gruppe wieder auf den Weg machte<br />

und der durch Funk und Fernsehen bekannte Künstler leise<br />

zu singen begann, fiel bei dem einen oder anderen Hüttenbesucher<br />

der Groschen.<br />

gipfelBLICKE: Was müssen Sie in nächster Zeit investieren?<br />

Michael Silberbauer: Wir warten auf den Strom, der vieles<br />

vereinfachen würde. Derzeit ist die Infrastruktur auf dem<br />

Stand der 1970er-Jahre, der Strom wird mit Diesel-Aggregaten<br />

erzeugt. Auch wenn wir Hüttenwirte in den vergangenen<br />

70 Jahren gelernt haben, sparsam mit den<br />

Ressourcen umzugehen, wäre das der nächste und wichtigste<br />

Schritt, um die Kötztinger Hütte fit für die Zukunft<br />

zu machen.<br />

gipfelBLICKE: Wie weit sind Sie mit diesem Vorhaben?<br />

Michael Silberbauer: Der Plan ist bereits vorhanden. In den<br />

nächsten vier Jahren wird er realisiert, wurde mir zugesichert.<br />

Allerdings müsse man die Zeiten nach Corona abwarten.<br />

Ich hoffe, dass es bei den getroffenen Entscheidungen<br />

bleibt.<br />

gipfelBLICKE: Befürchten Sie für Ihren Betrieb starke Einbußen<br />

infolge des Coronavirus?<br />

Michael Silberbauer: Meine Gäste waren vorher da und<br />

werden uns bestimmt die Treue halten. Da habe ich überhaupt<br />

keine Angst. 95 Prozent der Leute, die kommen, kenne<br />

ich persönlich und es sind „Wiederholungstäter“.<br />

gipfelBLICKE: Haben Sie für ihre Nachfolge bereits etwas<br />

Konkretes im Blick?<br />

Michael Silberbauer (lacht): Da bin ich noch am Schauen.<br />

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