3-2020
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
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Produktion<br />
HSC-Fräsen:<br />
Hochproduktive Großserienfertigung für<br />
chirurgische Instrumente<br />
Das vollautomatisierte SW-Doppelspindel-Bearbeitungszentrum BA 321<br />
produziert alle drei Minuten zwei fertig bearbeitete Pinzettenhälften.<br />
Bild: Klaus Vollrath<br />
Schwäbische<br />
Werkzeugmaschinen GmbH<br />
www.sw-machines.de<br />
Chirurgische Instrumente sind<br />
Hochpräzisionsprodukte, die mit größter<br />
Sorgfalt in meist kleineren Stückzahlen<br />
gefertigt werden. Die Strukturen<br />
und die Ausrüstung der hierauf<br />
spezialisierten Hersteller sind daher<br />
vor allem auf hohe Umrüst flexibilität<br />
ausgelegt. Für Einmal produkte in<br />
hohen Stückzahlen musste deshalb<br />
eine separate Prozesskette aufgebaut<br />
werden. Kernstück ist ein Doppelspindler<br />
der Schwäbische Werkzeugmaschinen<br />
GmbH (SW) mit<br />
sehr hoher Wiederholgenauigkeit.<br />
Ein Erfahrungsbericht.<br />
„Im Bereich der Herstellung feinmechanischer<br />
chirurgischer Instrumente<br />
sind die Anforderungen hoch<br />
und der Wettbewerb hart“, weiß<br />
Frank Pauschert, Regionaler Vertriebsleiter<br />
der SW Schwäbische<br />
Werkzeugmaschinen GmbH. Zu seinen<br />
Kunden gehört auch ein Unternehmen<br />
aus diesem Bereich, das<br />
sich seit seiner Gründung Anfang<br />
der 1980er Jahre aus bescheidenen<br />
Anfängen zu einem mittelständischen<br />
Betrieb mit rund 130 Mitarbeitern<br />
entwickelt hat. Hergestellt<br />
werden aktuell rund 1.000 unterschiedliche<br />
Gerätschaften für eine<br />
Vielzahl von Einsatzbereichen in<br />
der Chirurgie. Alle Instrumente werden<br />
fertig und einsatzbereit ausgeliefert.<br />
Die aus hochwertigen biokompatiblen<br />
Werkstoffen wie Edelstählen<br />
bestehenden Einzelteile<br />
werden durch spanende Bearbeitung<br />
hergestellt. Ungeachtet des<br />
Einsatzes moderner NC-gesteuerter<br />
Werkzeugmaschinen ist der<br />
Anteil manueller Tätigkeiten am Fertigungsprozess<br />
recht hoch, denn solche<br />
Instrumente bestehen aus bis<br />
zu 40 unterschiedlichen Bauteilen,<br />
die veredelt, oberflächenbehandelt<br />
und mit größter Sorgfalt von Hand<br />
montiert werden. Zudem werden<br />
sie häufig in zahlreichen Varianten<br />
hergestellt. Das bedingt kleine<br />
Serienlosgrößen, weshalb die Fertigungsanlagen<br />
vor allem sehr flexibel<br />
umrüstbar sein müssen. Wegen<br />
der außerordentlichen Vielfalt der<br />
Varianten besteht auch keine Möglichkeit,<br />
auf Lager zu arbeiten und<br />
so die Kosten durch Fertigung in<br />
größeren Losen zu senken.<br />
Zukunftsstrategie:<br />
Ein anspruchsvolles<br />
Einmal-Produkt<br />
Da der Hersteller bisher keine<br />
eigenen Produkte herstellte, wird<br />
er von Kunden, die häufig über<br />
große Marktmacht verfügen, ständig<br />
preislich mit dem zahlreich vorhandenen<br />
Wettbewerb verglichen.<br />
Dies begrenzt die Ertragskraft und<br />
damit auch die künftigen Wachstumsmöglichkeiten.<br />
Zur langfristigen<br />
Sicherung der Zukunft wurde vor<br />
rund zwei Jahren beschlossen, in<br />
ein äußerst anspruchsvolles Großserienprojekt<br />
einzusteigen: Die Herstellung<br />
eines Einmal-Werkzeugs für<br />
die Neurochirurgie, das so häufig<br />
eingesetzt wird, dass davon jährlich<br />
sechsstellige Stückzahlen benötigt<br />
werden. Hierbei handelt es sich um<br />
eine Art Pinzette aus Aluminium,<br />
die es gestattet, Gewebebestandteile<br />
zu ergreifen und dabei zugleich<br />
kleinere Blutungen durch elektrische<br />
Impulse zu stillen. Zudem wurden in<br />
die beiden Arme der Pinzette winzige<br />
Schläuche integriert, durch die<br />
eine Spülflüssigkeit in den Operationsbereich<br />
geleitet werden kann.<br />
Trotz seines einfach anmutenden<br />
Aussehens ist das Werkzeug sehr<br />
aufwendig in der Herstellung und<br />
erfordert zahlreiche mechanische<br />
ebenso wie manuelle Arbeitsgänge,<br />
wobei die üblichen strengen Qualitätsvorschriften<br />
einzuhalten sind.<br />
Viele der Arbeitsgänge müssen unter<br />
dem Mikroskop durchgeführt werden.<br />
Der Aufbau der entsprechenden<br />
Prozesskette erfordert umfassende<br />
Entwicklungsanstrengungen sowie<br />
Investitionen in Maschinen und Spezialausrüstungen.<br />
Aktuell werden<br />
hierfür zusätzliche Mitarbeiter eingestellt<br />
und qualifiziert.<br />
Ein Bearbeitungszentrum<br />
mit der Leistung eines<br />
Sportwagens<br />
Ausgangspunkt und Kernstück der<br />
Prozesskette ist ein automatisiertes<br />
Doppelspindel-Bearbeitungszentrum<br />
BA 321 von SW. Die Anlage<br />
verfügt über einen Arbeitsbereich<br />
von 300 x 500 x 375 mm je Spindel.<br />
Die mit HSK A63-Schnittstelle ausgerüsteten<br />
Spindeln erreichen bis<br />
zu 17.500 min -1 , die Span-zu-Span-<br />
Zeiten liegen bei 2,5 s. Das Werkzeugwechselsystem<br />
hat eine Kapazität<br />
von 2 x 20 bis maximal 2 x 60<br />
Plätzen. Mit dieser Anlage werden<br />
die Pinzettenhälften aus hochwertigem<br />
Aluminium gefräst. Sie verfügt<br />
über eine maßgeschneiderte Automatisierung<br />
für die Zuführung des<br />
Materials sowie die Abfuhr der Frästeile.<br />
Sie ist nur für ein begrenztes<br />
Teilespektrum vorgesehen, erreicht<br />
dafür jedoch eine Produktivität, welche<br />
weit über derjenigen der anderen<br />
Fräszentren im Hause liegt.<br />
Die Automatisierung besteht aus einer Zuführeinheit für Strangpressprofile<br />
und einer Schublade für die Ablage der Teile nach dem Abtrennen.<br />
Bild: Klaus Vollrath<br />
6 meditronic-journal 3/<strong>2020</strong>