#9 Verantwortung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Verantwortung,
Technik & Wissenschaft
Einerseits sind diese Tests eine deutliche Verbesserung zu
den vorherigen Möglichkeiten, andererseits stellt sich auch
die Frage, ob umfangreiche genetische Tests standardmäßig
vorgenommen werden sollten.
Alle Eltern wünschen sich ein gesundes Kind und eine bestmögliche
Versorgung schon vor der Geburt. Viele können
sich vielleicht vorstellen ein Kind zu bekommen, welches
nach der Geburt einige Zeit im Krankenhaus verbringen
muss, aber mit der Aussicht, das ganze Leben auf ein beeinträchtigtes
Kind auszurichten, das eventuell nie selbstständig
werden wird, fühlen sie sich häufig überfordert. Oft
entscheiden sich Mütter und Väter deshalb für eine Pränataldiagnostik,
um so früh wie möglich Klarheit zu haben.
Trotzdem liegt es auch in ihrer Verantwortung, kritisch zu
hinterfragen, ob sie alle Möglichkeiten der Pränataldiagnostik
nutzen möchten und welche Folgen sich für sie aus
einem möglicherweise unerfreulichen Testergebnis ergeben.
Informationen zur Diagnostik erhalten Eltern meist vor allem
über ihren Arzt, dessen Intention der optimale Gesundheitszustand
seiner Patienten sein sollte. Menschen
ohne medizinische Vorbildung verbinden das Wort „Trisomie“,
welches das Vorhandensein von drei statt normal zwei
gleichartigen Chromosomen beschreibt, meist ausschließlich
mit dem Down-Syndrom. Je nachdem welches Chromosomenpaar
betroffen ist, können die Folgen von Trisomien
allerdings von „kaum/nicht-beeinträchtigt“ bei einem Klinefelter-Syndrom,
bis „todkrank“ bei einer Trisomie 18 reichen.
Deshalb ist es absolut unerlässlich, dass der behandelnde
Arzt, als medizinischer Experte, seine Patienten vollumfänglich,
allgemein verständlich und neutral über pränataldiagnostische
Testverfahren aufklärt. Weiterhin sollte der
Arzt sich selbst genau über die diagnostische Sicherheit der
Tests informieren und den Eltern korrekte Angaben dazu
machen, denn viele Ärzte überschätzen die Nützlichkeit von
präventiven Screenings deutlich. (vgl. Wegwarth et al. 2012)
Zudem sollten sie auch darauf hinweisen, dass die Patienten
ein Recht auf Nichtwissen haben und nicht aus monetären
Gründen möglichst viele Untersuchungen empfehlen.
Ärzte sind in der Verantwortung, NIPTs als Verbesserung
der bestehenden Pränataldiagnostik zu nutzen und nicht als
Patentlösung für alle Eltern.
Während der Schwangerschaft finden
üblicherweise alle vier Wochen
bis zur 32. Schwangerschaftswoche
und danach bis zur Geburt alle zwei
Wochen Untersuchungen statt, um sicherzustellen,
dass es Mutter und Kind
in der Schwangerschaft gut geht. Dabei
werden standardmäßig Blutdruck
und Gewicht gemessen, sowie eine
Urinprobe auf Krankheiten wie etwa
Blasenentzündungen und Nierenprobleme
hin untersucht. Ab dem sechs-
Hersteller von NIPTs sind
ten Schwangerschaftsmonat wird der
Unternehmen, deren Hauptanliegen
die Bedienung der Blutarmut frühzeitig zu erkennen und
Hämoglobinwert bestimmt, um eine
Wünsche der Kunden ist, um in der fortgeschrittenen Schwangerschaft
der Puls des Kindes mit einem
so die Gewinne zu maximieren.
Dennoch sind auch sie sowie die Lage des Kindes bestimmt.
Kardiotokogramm (CTG) gemessen,
dafür verantwortlich ihre Produkte
nicht als einfache Blut-
Die Schwangere wird zudem einmalig
auf Infektionskrankheiten und Diabetes
hin getestet und um die zehnte,
tests zu vermarkten, welche zwanzigste und dreißigste Schwangerschaftswoche
werden Ultraschal-
jede Schwangere in Anspruch
nehmen sollte und so ihre Bedeutung
zu verharmlosen. Zuluntersuchungen
durchgeführt. (vgl.
Gemeinsamer Bundesausschuss 1985)
dem sollten Medizinunternehmen ihre Tests nicht nur so
entwickeln, dass sie möglichst viele Krankheiten erkennen,
sondern vor allem Richtung Sensitivität und Spezifität hin
optimieren, um die größtmögliche Sicherheit des Ergebnisses
zu gewährleisten.
Die Regulierung medizinischer Diagnostik ist die überwiegende
Verantwortung des Staates, welcher die bestmögliche
Gesundheitsversorgung seiner Bürger im Sinne hat. Gleichzeitig
kommt dem Staat eine gewisse Rolle als Wächter der
Moral zu Gute, in der er ethisch fragwürdige Entwicklungen
in der Gesellschaft verhindern sollte. Der Staat hat auch die
Aufgabe, Menschen vor sich selbst zu schützen, etwa durch
das Gendiagnostik-Gesetz, in dem unter anderem festgelegt
ist, dass zu einem Test immer eine genetische Beratung vorher
und nachher stattfinden muss oder dass ein Arbeitgeber
keine Gentests als Einstellungsuntersuchung durchführen
darf. Gleichzeitig muss der Staat aber auch gewährleisten,
dass alle Bürger, unabhängig von ihrem Einkommen, Zugang
zu modernster Medizin und damit auch genetischer
Pränataldiagnostik haben.
Im September 2019 beschloss der gemeinsame Bundesausschuss,
dass der NIPT für die Trisomien 21, 18 und 13 ab
2020 eine Kassenleistung wird, eine Entscheidung, die viel
diskutiert wurde (vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss 2019).
Würden NIPTs, welche auf alle numerischen Chromosomenstörungen
und gegebenenfalls weitere Gendefekte testen,
als reguläre Vorsorgeuntersuchung etabliert, bestünde
eindeutig die Gefahr, dass der Druck auf Eltern ein gesundes
Kind zur Welt zu bringen, noch größer würde. Auf die
35 philou.