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September 2007 - Gossauer Info

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Kalb seine erste Zeit im Kälberiglu<br />

gelebt hatte, kam es mit seinen<br />

Artgenossen auf die Weide.<br />

Ulma verhielt sich seltsam, sie<br />

stolperte bergauf oder rannte<br />

durch den Weidezaun. Wie versteinert<br />

stand sie danach kurzatmig<br />

muhend da. Ulma fiel<br />

Stef anfänglich nicht auf, denn<br />

alle Kälber mussten das Leben<br />

auf der eingezäunten Weide zuerst<br />

erlernen. Aber nach wenigen<br />

Kontakten mit dem Strom<br />

unterliess es jedes Kalb, zu nahe<br />

am Draht zu sein. Ulma reagierte<br />

anders. Sie schien ihre<br />

Lektion nicht zu verstehen. Nun<br />

wusste mein Mann, Ulma war<br />

blind! Das inzwischen stattliche<br />

Kalb erhielt eine Hilfe. Ein<br />

zwanzig Kilo schwerer Betonstein<br />

an einer zehn Meter langen<br />

Kette war von nun an Ulmas Begleiter<br />

beim Weiden. Stef änderte<br />

den Standort des Klotzes<br />

regelmässig, damit Ulma immer<br />

gutes Gras fressen konnte. Erneut<br />

verblüffte Ulma durch ihr<br />

ungewöhnliches Verhalten. Sie<br />

umrundete ihren Sockel, bis die<br />

Kette so kurz war, dass sie den<br />

Betonklotz heben und wegziehen<br />

konnte. Und da stand sie<br />

dann mitten im frischen Gras!<br />

Blindenführer gefunden<br />

Als die Zeit der Alp-Sömme-<br />

Generalagentur Wetzikon-Pfäffikon<br />

<strong>Gossauer</strong> <strong>Info</strong> 90/SEPT. <strong>2007</strong><br />

THEMA<br />

TIERGESCHICHTEN<br />

rung kam, war klar, dass Ulma<br />

in Gossau bleiben musste. Das<br />

Rind erhielt eine Weidekumpanin.<br />

Diese trug eine Glocke um<br />

den Hals gebunden. So konnte<br />

Ulma leicht dem Rind zur<br />

Tränke hin folgen. Ulmas Weidebegleiterin<br />

musste zahm sein<br />

und durfte nie auf sie losgehen.<br />

Diese Begebenheit machte den<br />

natürlichen Kampf um eine<br />

Rangordnung unter dem Vieh<br />

überflüssig. Verhaltensweisen<br />

jedoch wie das gegenseitige Lecken<br />

des Felles an Stellen, die<br />

das Rind schlecht erreicht, waren<br />

bei Ulma und ihrer Herdengenossin<br />

ausgeprägt. Zudem<br />

konnten die beiden Tiere stundenlang<br />

wiederkäuend daliegen,<br />

um sich dann zuerst mit<br />

den Hinter- und dann den Vorderbeinen<br />

zu erheben und zufrieden<br />

davonzutrotten. Im<br />

Sommer verbrachte Ulma ihr<br />

Leben abgesondert von der<br />

Herde auf einer Weide, um dem<br />

manchmal heftigen Hörnerkampf<br />

der Kühe nicht ausgeliefert<br />

zu sein.<br />

Ein Prachtsexemplar<br />

Ulma kalbte mit 3 Jahren das<br />

erste Mal, und ihr Kalb Nelli war<br />

nicht blind. Die Milchkuh Ulma<br />

war ein Prachtsexemplar! Nicht<br />

nur besass sie eine sehr gute Ab-<br />

Ueli Baumann Tel. 044 934 31 42<br />

Bahnhofstrasse 31 Fax 044 934 31 31<br />

8620 Wetzikon ZH E-Mail ulrich.baumann@mobi.ch<br />

stammung, sondern auch ihre<br />

Milchleistung, ihr Körperformat,<br />

ihr Fundament (Beine) und<br />

ihre Euterform waren ausgezeichnet.<br />

Deshalb behielt mein<br />

Mann die blinde Ulma. Sie bekam<br />

einen Strick um ihre schön<br />

geschwungenen Hörner gebunden,<br />

damit sogar jedes Kind die<br />

zahme Kuh zum Melken in den<br />

Stall oder zum Grasen auf die<br />

Weide führen konnte. Übrigens<br />

war Ulmas Weidezaun nie unter<br />

Strom, denn beim geringsten<br />

Kontakt zur Einzäumung<br />

wich sie zurück. Da reichte sogar<br />

eine Schnur aus! Im stattlichen<br />

Alter von elf Jahren, nach<br />

der Geburt von sechs Stier- und<br />

zwei Kuhkälbern, waren Ulmas<br />

Tage gezählt.<br />

Gesunde Nachkommen<br />

Heute fällt eine Kuh in der<br />

Herde besonders auf. Wenn Luzia<br />

mit ihrem massigen, gleichmässig<br />

hin und her wiegenden<br />

Körper gemächlich dahintrottet<br />

oder erhobenen Schwanzes<br />

und mit gesenkten Hörnern<br />

über die Weide galoppiert, dann<br />

schlägt Stefs Herz höher. Die<br />

fünfjährige Luzia ist Ulmas<br />

jüngste Nachfolgerin, vollumfänglich<br />

sehend, versteht sich.<br />

Andrea Kehrli<br />

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