September 2007 - Gossauer Info

schüssel ein Bad. Doch bald
schloss sich der Vogel wieder
den wild lebenden Dolen an.
Noch eine Vogelgeschichte: Unser
Nachbar Antonio, ein Marroniverkäufer,
der den Sommer
zu Hause in Sizilien verbrachte,
kam zurück und liess den Rollladen
herunter. Während seiner
Abwesenheit hatten Amseln
im Rollladenkasten ein
Nest gebaut. Das Nest samt
halbflüggen Jungamseln fiel in
den Garten. Katzen waren
schnell zur Stelle, und die verzweifelten
Vogeleltern versuchten
diese mit wildem Gezwitscher
abzulenken, so wurden
ich und meine Schwester aufmerksam
und sammelten flugs
die Jungvögel ein. Unsere Mutter
hatte die Idee, die Jungvögel
in einer Kiste in unser Mädchenzimmer
zu stellen, die
Fenster offen zu lassen, in der
Tierhandlung Mehlwürmer zu
kaufen, sie aufs Sims zu stellen
und abzuwarten, was passiert.
Und siehe da: Die Amseleltern
kamen in unser Zimmer geflogen,
um ihre Jungen zu füttern.
Meine Schwester und ich muss-
Die Heimat der Beos ist Ceylon,
Südwestindien, Himalaja, Hinterindien,
Ostindien, Borneo,
Java und die kleinen Sunda-Inseln.
Am liebsten leben sie als
Paar oder in Familien! Der Beo
gehört zur Familie der Stare, und
vor allem die weiblichen Vögel
haben die Begabung, sprechen
zu lernen (ähnlich wie manche
Papageien).
THEMA
TIERGESCHICHTEN
ten wohl oder übel auf einer
Luftmatratze in der Diele schlafen,
bis die Kleinen ausgeflogen
waren, was einige Tage dauerte.
Aber es war zu schön zuzusehen,
wie die Alten die Nesthocker
fütterten und, als die Zeit
gekommen war, eins nach dem
andern ins Freie lockten. Jetzt
waren sie wirklich flügge und
konnten sich vor den Katzen
auf einen Strauch oder einen
Baum retten.
Der englische Bullterrier Osso.
Osso, unser bester Freund
Osso war ein englischer Bullterrierrüde
und eine grosse Persönlichkeit.
Er war sehr liebenswürdig
und mit uns Kindern
sanft und rücksichtsvoll. Er war
hochbeinig wie ein Boxerrüde.
Als wir Kleinkinder waren,
wohnte unsere Familie in Davos.
Osso hat unseren Schlitten
gezogen und auf uns aufgepasst.
Wenn wir Knirpse aufs
Sofa klettern wollten, haben
wir ihn als Schemel benutzt.
In Zürich begleitete er jeden
Morgen unseren Vater in die
Apotheke, sonnte sich dort vor
der Türe und begrüsste alle
Kunden herzlich. Dann machte
er sich allein auf den Nachhauseweg,
natürlich nie so ganz direkt,
er musste sein Revier markieren,
«Zeitung lesen», das
heisst schnüffeln, wer gerade
hier gewesen war, und wie wir
mit der Zeit erfuhren, ging er
auch noch kurz beim Metzger
vorbei, weil dort meist etwas
abfiel. Osso war sehr klug: Nach
einem Unfall mit einem Auto in
seiner Jugend ging er nie allein
über die Strasse, er wartete auf
Fussgänger und schloss sich ihnen
an. So ein Strizzi wäre
heute nicht mehr denkbar, aber
eben, in den fünfziger Jahren
war das Niederdorf noch ein
«Dörfli», und Osso war dorfbekannt.
Seine letzten Jahre durfte Osso
bei unseren Grosseltern am
Stadtrand von Schaffhausen
verbringen, in einem schönen
Garten, und im Winter hinter
dem Kachelofen, der wunderbar
wärmte.
Er war ein Greis, als Vater
schweren Herzens beschloss,
dass wir uns von Osso trennen
müssten. Wir Kinder, unterdessen
schon zehn und elf Jahre
alt, waren untröstlich. Damit
wir um unseren Freund trauern
konnten, hatte unser Grosi mit
uns zusammen in ihrem Garten
eine kleine Gedenkstätte mit
hübschen Blumen hergerichtet.
So hatten wir eine Aufgabe.
Vera Pauli, Grüt
6 Gossauer Info 90/SEPT. 2007