371 Stadtmagazin September 2020
Stadtmagazin Chemnitz September 2020, Chemnitz NEWS
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Lieber Herr Kummer, aktuell tobt in Chemnitz
ein harter Kampf über das, was Kunst ist und
was nicht. Könnten Sie bitte mal ein Machtwort
sprechen und das ein für alle Mal erklären?
LETZTE
FRAGE
Herr Kummer gibt Antwort
Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, um
zu erwähnen, dass die Holzbank vor dem smac
Museum fast 100 000 Euro gekostet hat. Einhunderttausend
Euro! Von diesem Geld hätte man für
bedürftige Grundschüler 147 000 Packungen Vollmilch
kaufen können oder einen Meter Autobahn
auf der Strecke Chemnitz-Leipzig. Diese Bank ist,
wie auch das Auto im Schlossteich, der angemalte
Eins-Energie-Schornstein und der Karl-Marx-Darm
am Schillerplatz, keine Kunst.
Richtige Kunst muss nämlich allen und jedem
gefallen. Ein gutes Werkzeug, um die Popularität
eines Kunstwerkes zu erkennen, sind zum Beispiel
Online-Abstimmungen und Diskussionen in den
sozialen Netzwerken. Ungefiltert kommt hier die
unbestechliche Volksmeinung zur Geltung. Hier
sollte entschieden werden, welche Werke in den
öffentlichen Raum gelangen dürfen.
Allgemein anerkannte Kunst ist meist etwas älter.
Sie sollte unbedingt preiswert und optimalerweise
von einheimischen Kreativ-Handwerkern hergestellt
sein. Kunst ist natürlich auch, wenn man etwas
beim besten Willen nicht selber machen kann. Ein
Auto versenken oder die Bazillenröhre lila anstreichen
kann jeder. Einen riesigen Karl-Marx-Kopf mal
eben im Hobbykeller oder der Garage modellieren ist
unmöglich. Deshalb ist das Marx-Monument Kunst.
Ein wichtiges Kriterium, um Kunst zu erkennen ist
auch, dass man sie sofort begreift und versteht.
Nehmen wir den neu errichteten Saxonia-Brunnen
am Johannisplatz. Hier handelt es sich ohne Zweifel
um Kunst. Der Betrachter erkennt sofort, die
Dame mittig auf dem Sockel, mit dem Zuckerstreuer
auf dem Kopf, ist unser schönes Sachsen. Spinnerin und
Schmied, die beiden seitlichen Bronzeplastiken
symbolisieren die Textilindustrie und den Maschinenbau
von Chemnitz. Leider stammen die Entwürfe
und Modelle für den Brunnen aus Dresden, und die
Bronzefiguren wurden in Polen gegossen, aber wir
wollen nicht kleinlich sein, zumal der große Kunstmäzen
und Architektur-Guru Claus Kellnberger die
Kosten für den Wiederaufbau dieses zauberhaften
Ensembles übernahm.
Richtig gute Kunst waren auch die Kaiser Wilhelm-,
Bismarck- und Moltke-Denkmäler auf dem Chemnitzer
Marktplatz. Diese, nach dem Zweiten Weltkrieg
zerstörten Werke, könnten ja nach Vorlage alter
Postkarten weitestgehend originalgetreu nachempfunden
werden, und die Mitte unserer Stadt,
wie in guten alten Zeiten, verschönern. Falls sich
keine Chemnitzer Firma findet, die die drei deutschen
Helden in Bronze gießen kann, empfehle ich
die Mansudae Fabrik im nordkoreanischen Pjöngjang.
Hier arbeiten rund um die Uhr 4000 Maler,
Bildhauer und Kunsthandwerker. Diese fleißigen
Arbeiter können wirklich alles. Hier kommt Kunst
noch von Können! Monumentale Statuen, mächtige
Schnitzereien oder großformatige Blumenstilleben,
hier hätte Chemnitz schon längst ein paar schöne,
dekorative Kunstwerke für den öffentlichen Raum
bestellen können.
i
Auch ein Frage an Herrn Kummer? Dann
schreibe an: letztefrage@371stadtmagazin.de