371 Stadtmagazin September 2020
Stadtmagazin Chemnitz September 2020, Chemnitz NEWS
Stadtmagazin Chemnitz September 2020, Chemnitz NEWS
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
in den Nuller-Jahren, der Pubertät des AJZ, kam
er zurück, weil Meckern alleine nicht geht, weil
man sich reinarbeiten muss, weil man selbst aktiv
werden muss. Seit dieser Zeit ist er ehrenamtlich
im Kulturbereich tätig. Den Vorstand des Vereins
hat er zuletzt verlassen, weil es schließlich ein
Jugend-Zentrum sei und mit Anfang vierzig schon
die Frage aufkomme, ob er die Jugend noch vertreten
könne. Auch wenn ich hier bleibe // Es kann
nicht mehr wie früher sein wären dem Peter Maffay
seine Worte für diesen Zustand.
In seinen Twenties hat das AJZ vielen Bedrohungen,
hauptsächlich finanzieller Art, dank ihrer
Kämpfe standgehalten. Und nun der 30. Geburtstag.
Herzlichen Glückwunsch! Feiern geht freilich
in Zeiten von Corona nicht. Geplant war ein
dreimonatiges Fest mit 30 Veranstaltungen aus
allen Bereichen des Zentrums: Theater, Konzerte,
Vokü im Stadtinneren, Jugendaustausch
um einige zu nennen. Das wird 2021 mit allen
Freund*innen nachgeholt. Dieses Jahr bleibt die
Familie unter sich.
Aber was hat sich denn verändert in 30 Jahren
AJZ? Die Bedeutung und das Anliegen des Vereins
seien im Wesentlichen geblieben, aber das AJZ ist
„erwachsen geworden“. Die gestiegenen Bedarfe
der Jugendlichen im sozialpädagogischen Bereich
und das professionalisierte Gegenüber im Kulturbereich
haben einen Organisationsentwicklungsprozess
über die Jahre notwendig gemacht. Bei
aller emotionaler Bindung und allem Punkrock
„muss man sich ab einem gewissen Punkt strukturieren“
sagt Kai. „Struktur möglichst ohne
Hierarchien“ fügt Anja hinzu. Das AJZ prägt.
Du hast viele Jahre // Alles mitgemacht // Doch
die Zeit der Freiheit // Dauerte dir zu lang // Du
brauchst Sicherheit … denn genauso wenig wie
das AJZ ohne das Haus in der Chemnitztalstraße
zu denken ist, ist das AJZ ohne die Menschen zu
denken, die es machen – auch die junge, nachwachsende
Generation. Nicht nur diese Menschen
haben sich verändert, nein, auch die junge
gesamtdeutsche Republik hat sich in den 30 Jahren
ihres Bestehens verändert.
Ein gesamtgesellschaftliches Aufflammen der
Zustände der Neunziger sei zu beobachten, sagt
Anja. Für das AJZ bedeutet das konkret seit 2019
eine veränderte parlamentarische Situation,
die beispielsweise die Zusammensetzung des
Jugendhilfeausschusses wesentlich konservativer
gemacht hat und die Existenzberechtigung
des AJZ in Zweifel zieht. Neue Herausforderungen
stehen also wieder einmal an.
Nur ist das AJZ kein trotziges Kind mehr. Mit 30
Jahren fängt man an, Kompromisse zu machen,
zum Beispiel „wenn ich manchmal ein aus meiner
Sicht pädagogisch und konzeptionell sinnvolles
Projekt inhaltlich modifizieren muss, um den Verein
oder die Förderung der sozialpädagogischen
Angebote nicht zu gefährden.“ Ist das ein schlechtes
Zeichen? Es ist ein Ausdruck dieser Geschichte.
Im Angesicht der jüngsten Entwicklungen weiß
das AJZ die Stadt und eine Zivilgesellschaft hinter
sich, in die es sich „gut verwurzelt hat“. Ist
das ein gutes Zeichen? Auch das ist ein Ausdruck
dieser Geschichte. Vom Lernen und jahrelanger,
beständiger Arbeit an der Sache.
Aber was ist nun mit diesen Zuschreibungen von
außen, dieses links, alternativ, chaotisch?! Oder
dieses andere böse A-Wort: Antifaschismus?!
Was bedeutet das denn im Jahr 2020? Für einige
scheint es eine Bedrohung zu sein. Wenn jedoch
die Bedrohung darin besteht, einen Diskurs einzufordern
und Menschen dabei zu unterstützen
sich selbst zu verwalten und Selbstwirksamkeit
zu erfahren, dann ist das wohl nur bedrohlich
für Menschen, die eine selbstbestimmte, reflektierte
Gesellschaft ablehnen. Das sind dann auch
die, für die es keine Selbstverständlichkeit ist,
in dieser jungen Republik im eigentlichen Wortsinne
Antifaschist*in zu sein.
Nun, mit 30 Jahren, kann das AJZ frei heraus
sagen, dass man als Punk auch Geld verdienen
darf, dass sich der Wunsch nach Sicherheit und
dem gleichzeitigen Hinterfragen von gesellschaftlichen
Zuständen nicht ausschließt. Es ist ein
Widerspruch. Nicht mehr und nicht weniger.
Herzlichen Glückwunsch zum 30. Geburtstag!
9