Kirche in bewegten Zeiten - Bibli.com

Karoline Läger-Reinbold
Thema diskutiert. Göttinger Professoren geben eine Theologische Erklärung zur
Frage der Vereinbarkeit von Pfarrberuf und DKP-Mitgliedschaft ab: Es ist für
uns unbestritten, daß es zu den Aufgaben einer verantwortlichen Kirchenleitung
gehört, angehenden und im Amt befi ndlichen Pfarrern die Problematik einer
Mitgliedschaft in der DKP, aber auch in jeder anderen Partei vor Augen zu stellen.
Doch muß es jede Kirchenleitung respektieren, wenn ein ordinierter oder zur
Ordination bereiter Theologe trotz solcher Hinweise auf seine Parteimitgliedschaft
nicht verzichtet. 20 In Osnabrück plant der Studentenpfarrer Velten Seifert
für Januar 1975 eine Vortragsveranstaltung mit Rudi Dutschke in der ESG. Er
wird sowohl von Landesbischof D. Eduard Lohse als auch von Landessuperintendent
Dr. Kurt Schmidt-Clausen schriftlich aufgefordert, die Einladung des
Referenten zurückzunehmen: Die Evangelische Kirche in unserem Bereich, zu
der auch die Evangelische Studentengemeinde zählt, darf nicht einmal in den
Anschein des Verdachtes geraten, sie sympathisiere mit der Sache der Baader-
Meinhof-Gruppe, heißt es im Schreiben des Landessuperintendenten. 21 Seifert
hielt an der Veranstaltung fest: Terroropfer Dutschke identifi ziert sich nicht mit
Terrorpraktiken 22 – der Vortrag fi el dann krankheitshalber aus.
3. Diskussionen in der Synode
Die Welle der Einzelkonfl ikte erreichte schon bald die Debatte der Landessynode.
In einer Anfrage an das Landeskirchenamt zitiert der Synodale Dr. Günther
Bartels im März 1974 den Hamburger Theologieprofessor Helmut Thielicke, der
die Evangelischen Studentengemeinden in der „Deutschen Zeitung/Christ und
Welt“ als Kristallisationspunkte des Extremradikalismus charakterisiert hatte:
Hier wird ein winziges Häufl ein völlig säkularer Linkspropagandisten mit kirchlichen
Geldern ausgehalten. Was immer man hier gegen die Kirche und ihre
Amtsträger unternimmt, wie sehr man sie auch durch den Dreck zieht: die Synoden
scheinen entweder ein Zuwenig an Mut oder ein Zuviel an Masochismus zu
haben, um diesem Schwindel endlich ein Ende zu bereiten. 23 Die hannoversche
Landessynode ist alarmiert und beschließt, die Situation zu beobachten. Der Tä-
20 LkAH N 147 Nr. 31.
21 Brief des Landessuperintendenten für den Sprengel Osnabrück an Studentenpfarrer V. Seifert
vom 26. November 1974, LkAH E 33a Nr. 382.
22 Schreiben Pastor Velten Seifert an den Landessuperintendenten vom 3. Dezember 1974, LkAH
E 33a Nr. 382.
23 18. Landessynode der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, VII. Tagung vom 4. bis 8. März 1974.
Niederschrift über die 59. bis 66. Sitzung, geschehen im großen Schwesternsaal des Henriettenstiftes
in Hannover, Band 10, S. 64. – Zur Person Helmut Thielickes vgl. Norbert FRIEDRICH:
Helmut Thielicke als Antipode der sozialen Bewegungen, in: Umbrüche. Der deutsche Protestantismus
und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 70er Jahren, hrsg. v. Siegfried Hermle
u.a., AKiZ B 47, Göttingen 2007, S. 247-261.
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