Kirche in bewegten Zeiten - Bibli.com

Roter Hahn und grüner Fisch
tigkeitsbericht des Landessynodalausschusses zur folgenden Tagung im November
1974 verweist auf ein erstes ausführliches Gespräch am 3. September 1974,
das zunächst nur einer Einführung in die Situation und Arbeit der Studentengemeinden
dienen [konnte], wobei bereits vorher vorhandenes Misstrauen weitgehend
abgebaut werden konnte und die anzusprechenden Fragen grundsätzlicher
und praktischer Art offen andiskutiert wurden. 24 In der sich anschließenden Aussprache
erklärt die Synodale Johanna Linz: Die Studentengemeinden scheinen
mir eine große Ähnlichkeit mit mißgeratenen Kindern zu haben. Hätte man vor
25 Jahren gewußt, wie sie sich entwickeln, hätte man das Kind vielleicht nicht
so lange an der langen Leine laufen lassen. (...) Es waren kirchliche Stätten, die
der Kirche nahestehende, wenn auch nicht unkritische, aufs Ganze gesehen aber
angepaßte Akademiker hervorbrachten. Seit sich die Studenten aber politisch
betätigen, reagieren die Kirchen weitgehend hilfl os, teilweise verärgert, teilweise
verständnislos. Einer der Gründe liegt für mich darin, daß die Kirche noch nicht
gelernt hat, mit diesem Konfl ikt umzugehen. 25 Oberlandeskirchenrat Hans-Erich
Creutzig entgegnet für das Landeskirchenamt: Es ist nicht gut, wenn wir von
der Studentenarbeit hier ganz allgemein sprechen. Die Studentenseelsorge ist
auch im Rahmen unserer Landeskirche unterschiedlich. Nicht überall ist es so
wie in Hannover. (...) Die Arbeit in den Studentengemeinden, wie sie 1968 sich
darstellte und heute noch an einigen Orten aussieht, erscheint anderswo schon
etwas antiquiert. So erleben wir z.B. in Göttingen, daß der studentische Missionsdienst
sich in erstaunlich starker Weise bemerkbar macht. An einem anderen
Ort sammelt sich ein immer größer werdender Bibelkreis um einen Pastor, der
nicht Studentenpfarrer ist. Deshalb müssen wir bei der Neueinstellung von Studentenpfarrern
darauf achten, daß neue Bestrebungen nicht gehindert werden. 26
Um das Verhältnis von „antiquiert“ oder „neu“ ging es freilich nicht, sondern
um konträre Frömmigkeitsideale und Gemeindekonzeptionen. 27 So kommentierte
bereits am 23. Juni 1974 das Deutsche Sonntagsblatt: Über all dem Hickhack
verliert man leicht aus den Augen, worum es in Wirklichkeit geht. (… ) In Wirklichkeit
geht es um das Bekenntnis: Woran wir glauben, worauf wir hoffen, was
wir tun sollen. (…) In der Reformation ging es um die Rechtfertigung aus diesem
Glauben an Gott. Heute geht es um die ethischen und politischen Folgen aus
diesem Glauben an Gott. Daß dieses Thema dran ist, wird in der EKD ebenso
deutlich gesehen wie in der ESG. Freilich, der Ton macht die Musik. In der
24 18. Landessynode der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, XI. Tagung vom 12. bis 15. November
1974. Niederschrift über die 76. bis 86. Sitzung, geschehen im großen Schwesternsaal des Henriettenstiftes
in Hannover, Band 12, S. 479f.
25 18. Landessynode (wie Anm. 24), S. 273f.
26 18. Landessynode (wie Anm. 24), S. 283f.
27 Grundsätzlichere Überlegungen dazu fi nden sich etwa bei Ernst KÄSEMANN: Urchristliche
Konfl ikte um die Freiheit der Gemeinde, in: Evangelium – Kirche – Institution. Loccumer Protokolle
10/1979, S. 92-104.
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