BIBER 09_20 Final
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„Parteistimme schlägt
Vorzugsstimme.“
Polit-Wissenschaftlerin Tamara Ehs über den Vorzugsstimmenwahlkampf,
das erkaufte Wahlrecht und kommunistische Bezirksrätinnen.
Von Franziska Mayer
BIBER: Was, wer und warum wird am
11. Oktober in Wien gewählt?
TAMARA EHS: Einerseits wird der
Gemeinderat gewählt, der in Wien
gleichzeitig der Landtag ist. Dann werden
noch die Bezirksvertretungen gewählt.
Es gibt 100 Mandate zu erreichen im
Landtag. Es gibt diese 100 Sitze, die entscheiden,
wer für die nächsten 5 Jahre
im Wiener Landtag Politik machen wird.
Dann haben wir die Bezirksvertretungen.
Das sind, je nach Größe des Bezirks, 40
bis 60 Mandatare*innen. Man kann zweimal
wählen und insgesamt vier Vorzugsstimmen
vergeben.
Was ist eine Vorzugsstimme?
Mit einer Vorzugsstimme kann ich einer
Person, die ich kenne und/oder bei der
ich schon gesehen hab, dass sie gute
Arbeit macht, eine persönliche Stimme
geben. Jede Partei hat ja nicht nur 20
oder 40 Mandatare und Mandatarinnen,
die auf der Liste für den Landtag stehen,
sondern bei den größeren Parteien sind
es 100 oder 200 oder noch mehr, die zur
Auswahl stehen. In Wirklichkeit haben
größere Parteien aber nur 20 oder 30
Plätze im Rathaus zu vergeben, kleinere
meist weniger als 10. An erster
Stelle steht der*die Spitzenkandidat*in
und dann folgen andere prominente
Politiker*innen aus der Partei. Und wenn
genug Menschen eine Vorzugsstimme
geben, dann wird diese Person, die auf
der Liste steht, vorgereiht. Es geht aber
nicht, dass ich eine Partei ankreuze und
die Vorzugsstimme einer*m Kandidat*in
einer anderen Partei gebe. Man kann
das nicht mischen. Die Regel ist immer:
Parteistimme schlägt Vorzugsstimme.
Mag. Dr. Tamara Ehs ist
Demokratie wissenschafterin
und Beraterin für Demokratie,
Demokratiereform und
Demokratieinnovation. Sie hat
Politik- und Rechtswissenschaften
studiert. Ihr neues Buch
heißt „Krisendemokratie“
und ist hier erhältlich:
mandelbaum.at
Wen kann man auf Landtags- und
Bezirksebene wählen? Gibt es Parteien,
die nur auf Bezirksebene antreten?
Wienweit treten neun Parteien an und
dann gibt es kleinere Parteien, die treten
entweder nur in einzelnen Wahlkreisen
an oder nur in einzelnen Bezirken. Es
kann dann sein, dass wir in einem Bezirk
eine*n Bezirksrat*rätin von einer Partei
haben, die überhaupt nicht im Gemeinderat
vertreten ist, also die es wienweit
nicht geschafft haben oder nicht angetreten
sind. Aber die haben eine Wählerbasis
in ihrem Bezirk. Zum Beispiel
die KPÖ, die war schon seit Jahrzehnten
nicht mehr im Wiener Gemeinderat
vertreten, aber in einzelnen Bezirken
in Wien stellt sie Bezirksräte*innen. In
den Bezirksvertretungswahlen sind auch
EU-Bürger*innen wahlberechtigt, die auf
Gemeindeebene nicht wahlberechtigt
sind. Das heißt, wir haben dort mehr
Wahlberechtigte. In den Bezirken sind
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es rund 1.360.000, bei den Gemeinderatswahlen
in Wien haben wir nur ca.
1.130.000. Das ist ein Unterschied von
ungefähr 230.000 Menschen, die nur auf
der Bezirksebene wahlberechtigt sind.
Was, denken Sie, würde sich ändern,
wenn diese Gruppe mitwählen dürfte?
Wir sehen, dass es auch eine soziale
Verzerrung gibt. Diejenigen, die nicht
mitwählen dürfen, sind durchschnittlich
jünger. Die Hälfte der Wahlberechtigen
ist über 50 Jahre alt und da ist auch die
Wahlbeteiligung höher. Was macht das
eigentlich mit einer Gesellschaft, wenn
diejenigen, die wählen dürfen, überproportional
älter sind? Was bedeutet das
für die Zukunft, wenn ich bei den unter
30-Jährigen ein Drittel ausgeschlossen
habe? Außerdem ist zu beachten: Diejenigen,
die nicht wählen dürfen, verfügen
durchschnittlich über ein niedrigeres Einkommen.
Einerseits, weil sie jünger sind
und die Einkommens- und Vermögensbildung
noch nicht weit fortgeschritten ist.
Andererseits, weil die Einbürgerung sehr
kostspielig ist. Menschen, die manchmal
schon zehn Jahre oder länger in Wien
sind, die können es sich schlicht nicht
leisten, die Staatsbürgerschaft zu beantragen,
weil sie einen hohen „ökonomischen
Leistungsnachweis“ erbringen
müssen. Das heißt: Mit der Staatsbürgerschaft
„erkauft“ man sich auch das
Wahlrecht. Wir wissen, dass Menschen
vorrangig nach ihrer Schicht- oder
Klassenzugehörigkeit wählen. Die über
50-Jährigen mit höheren Einkommen
wählen dann eher die Parteien, die sich
nicht mit Fragen über Soziales, Mindestsicherung
oder Jugend beschäftigen.
© privat
In einem Monat
wählt Wien:
» Für mich gibt es
nichts Schöneres,
als für Wien
etwas zu tun.
Und es gibt kaum
Wichtigeres
für Österreich,
als Wien nach
vorne zu bringen.
Deshalb trete ich an.
Dafür trete ich ein.«
Gernot Blümel
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