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Die “ggA” für den Südtiroler Apfel - Mediaradius

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26<br />

I N T e R V I e W<br />

Radius 02/2007<br />

„ohne erhobenen Zeigefinger“<br />

Südtirols Gesundheits-LR Richard<br />

Theiner setzt voll auf Prävention,<br />

aber nicht mit erhobenem Zeigefinger<br />

sondern durch Stärkung der Eigenverantwortung<br />

der Bürger. Radius<br />

sprach mit dem Landesrat über das<br />

Gesundheitswesen.<br />

Radius: Prävention ist das Schlagwort<br />

im Gesundheitswesen. Was plant<br />

man in Südtirol?<br />

LR Theiner: Laut WHO-Studie<br />

hängt Gesundheit zu 50% vom Lebensstil,<br />

zu 20% von der Genetik, zu<br />

20% von der Umwelt und nur zu 10%<br />

von <strong>den</strong> medizinischen Leistungen<br />

ab. Es ist daher klar, dass wir uns auf<br />

diese 50% konzentrieren müssen. Aber<br />

wir wollen nieman<strong>den</strong> einen bestimmten<br />

Lebensstil vorschreiben, sondern<br />

vielmehr die Eigenverantwortung des<br />

Einzelnen stärken.<br />

Radius: Wie will man das erreichen?<br />

LR Theiner: Gesundheit hängt stark<br />

von Information und Bildung ab. Wir<br />

wollen in zeitgemäßer Form Themen<br />

wie Ernährung, Bewegung und Entspannung<br />

thematisieren. Dazu haben<br />

wir ja auch die Stiftung Vital gegründet,<br />

die bereits verschie<strong>den</strong>e Aktionen<br />

im Bereich Bewegung und Ernährung<br />

durchgeführt hat. Wir wollen alle<br />

Gruppen erreichen, aber vor allem<br />

jene, die aufgrund ihres geringen Bildungsniveaus<br />

<strong>den</strong> stärksten Bedarf an<br />

Information haben.<br />

Radius: Es gibt immer wieder Klagen<br />

über lange Wartelisten und Wartezeiten<br />

bei Visiten im Krankenhaus.<br />

LR Theiner: Bei dringen<strong>den</strong> Leistungen<br />

gibt es kaum Probleme. Nur<br />

bei <strong>den</strong> planbaren Leistungen und<br />

Eingriffen gibt es in einigen Bereichen<br />

wie etwa in der Rehabilitation und bei<br />

Hüftoperationen noch zu lange Wartelisten.<br />

Gemeinsam mit dem <strong>Südtiroler</strong><br />

Sanitätsbetrieb arbeiten wir aber<br />

bereits konkret an der Reduzierung<br />

dieser Wartelisten und Wartezeiten.<br />

Insbesondere ist es mir ein großes<br />

Anliegen, dass wir in Zusammenarbeit<br />

mit allen Mitarbeitern auch die Wartezeiten<br />

in <strong>den</strong> Krankenhäusern stark<br />

reduzieren können. Ich bin zuversichtlich,<br />

dass es uns gelingt die positiven<br />

Erfahrungen, die es bereits in vielen<br />

Abteilungen gibt, auf alle Abteilungen<br />

des Landes umzusetzen. Ziel ist es,<br />

dass der Patient nicht mehr als 30 Minuten<br />

im Ambulatorium warten muss.<br />

Radius: Rückerstattungen von<br />

Facharztvisiten gestalten sich oft sehr<br />

kompliziert, weil unkorrekte Auskünfte<br />

erteilt wer<strong>den</strong>.<br />

LR Theiner: Das Problem ist uns<br />

bekannt und der <strong>Südtiroler</strong> Sanitätsbetrieb<br />

arbeitet konkret daran, um die<br />

Information zu verbessern und <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />

Bürger unnötige Gänge zu vermei<strong>den</strong>.<br />

Radius: Wird es in Zeiten geringerer<br />

finanzieller Ressourcen Abstriche beim<br />

Betreuungsstandard geben?<br />

LR Theiner: Nein.<br />

<strong>Die</strong> Betreuungsstandards<br />

wer<strong>den</strong> vom<br />

Staat vorgegeben,<br />

aber unsere zusätz- lr richard theiner<br />

lichen Standards<br />

sind heute schon höher als im gesamten<br />

Staatsgebiet. Wir investieren rund<br />

80 Mio. € in diese Extrastandards. <strong>Die</strong><br />

Rückvergütung der Zahnarztkosten z.B.<br />

gibt es nur in Südtirol und da<strong>für</strong> geben<br />

wir im Jahr rund acht Mio. € aus.<br />

Radius: Viele Bürger beklagen sich<br />

über die langen Wartezeiten in der<br />

Erste-Hilfe-Ambulanz.<br />

LR Theiner: In <strong>den</strong> Grundversorgungskrankenhäusern<br />

und <strong>den</strong><br />

Schwerpunktkrankenhäusern funktioniert<br />

die Erste-Hilfe-Abteilung gut.<br />

Sehr großen Andrang gibt es aber unbestritten<br />

in der Erste-Hilfe-Abteilung<br />

im Krankenhaus Bozen und dadurch<br />

auch Wartezeiten. Grund da<strong>für</strong> ist,<br />

dass die Basismediziner ihre Filterfunktion<br />

oft noch zuwenig wahrnehmen.<br />

Für nicht dringende und nicht<br />

gerechtfertigte Fälle in der Erste-Hilfe<br />

ist bereits jetzt ein erhöhtes Ticket von<br />

50 € vorgesehen. Damit soll der Bürger<br />

lernen, zuerst immer <strong>den</strong> Basisarzt<br />

zu konsultieren.<br />

Radius: Erfolg oder Misserfolg<br />

eines Krankensystems hängt von der<br />

Schnittstelle Krankenhaus ab. Was<br />

plant man in dieser Richtung?<br />

LR Theiner: Eine Entlassung aus<br />

dem Krankenhaus muss so organisiert<br />

wer<strong>den</strong>, dass Patient, Familie und<br />

Hauspflege gut darauf vorbereitet sind.<br />

Es muss ein Zusammenspiel Krankenhaus<br />

und Arzt <strong>für</strong> Allgemeinmedizin/<br />

Sprengeldienste geben und nicht eine<br />

Entscheidung im letzten Moment vor<br />

der Entlassung. Sehr gute Erfahrungen<br />

haben wir damit schon im Bezirk<br />

Brixen gemacht, wo Krankenhaus,<br />

Ärzte <strong>für</strong> Allgemeinmedizin, Sprengel<br />

und Familienangehörige rechtzeitig<br />

vor der Entlassung besprechen, was<br />

die Familie und was die <strong>Die</strong>nste/Ärzte<br />

<strong>für</strong> Allgemeinmedizin machen müssen.<br />

Radius: Manche Basisärzte verschreiben<br />

unangemessene Leistungen,<br />

die dem Patienten unter Umstän<strong>den</strong><br />

sogar scha<strong>den</strong> können. Gibt es da<br />

keine Kontrollen?<br />

LR Theiner: Es gibt bei uns im<br />

Unterschied zu anderen Ländern keine<br />

Deckelung der Verschreibungen. Jeder<br />

Patient muss das bekommen, was er<br />

braucht! Insgesamt gesehen kann man<br />

unsere Basisärzte loben, sie gehen verantwortungsvoll<br />

mit der Verschreibung<br />

von Medikamenten und Facharztuntersuchungen<br />

um. Wenn einzelne<br />

Ärzte auffällig viel verschreiben, wer<strong>den</strong><br />

mit Ihnen Gespräche geführt, um<br />

der bürger ist König<br />

Sanitätsdirektor Primar Oswald<br />

Mayrs oberstes Ziel ist die Steigerung<br />

der Qualität. Maßnahmen dazu sind<br />

die Verbesserung der Kommunikation<br />

und Organisation.<br />

Radius: Was ist im Rahmen der<br />

Sanitätsreform in Sachen Patientenorientierung<br />

geplant?<br />

O. Mayr: Das gesamte Vorhaben zur<br />

Errichtung und Verwirklichung eines<br />

einzigen <strong>Südtiroler</strong> Sanitätsbetriebes<br />

<strong>den</strong> Grund da<strong>für</strong> herauszufin<strong>den</strong>. Zu<br />

großzügige Verschreibungen an Medikamenten<br />

oder Untersuchungen kosten<br />

der Allgemeinheit nicht nur Geld,<br />

sondern sind auch <strong>für</strong> die Gesundheit<br />

der Patienten nicht förderlich.<br />

Radius: <strong>Die</strong> Sanität braucht jährlich<br />

mehr Geld. Können wir uns das auf<br />

Dauer noch leisten?<br />

LR Theiner: Klar ist, dass durch die<br />

demographische Entwicklung und <strong>den</strong><br />

Fortschritten in der Medizintechnik<br />

die Ausgaben im Gesundheitswesen in<br />

allen Ländern steigen. Wir in Südtirol<br />

sind in <strong>den</strong> letzten bei<strong>den</strong> Jahren, ohne<br />

bei der Qualität der medizinischen<br />

Leistungen zu sparen, mit einer<br />

Steigerung der Ausgaben von nur<br />

2,5% ausgekommen, was international<br />

betrachtet sehr wenig ist. Das bedeutet,<br />

dass hier schon einiges bewegt wurde.<br />

Der <strong>Südtiroler</strong> Sanitätsbetrieb wurde<br />

geschaffen, um Synergien zu nutzen<br />

rechtfertigt sich unter anderem auch<br />

in der stärkeren Berücksichtigung von<br />

Patientenanliegen: Der Patient und<br />

seine Anliegen wer<strong>den</strong> zum Mittelpunkt<br />

der Entscheidungskriterien.<br />

Radius: Gibt es bereits Büros <strong>für</strong><br />

Bürgeranliegen und wie gut funktioniert<br />

die Kommunikation mit <strong>den</strong><br />

Bürgern?<br />

O. Mayr: Solche Büros und Anlaufstellen<br />

gibt es bereits in allen Kranken-<br />

und Mehrgleisigkeiten abzubauen.<br />

Neben einem funktionieren<strong>den</strong><br />

Gesundheitswesen ist es aber wichtig,<br />

dass die Eigenverantwortung der<br />

Bevölkerung gestärkt wird. Es geht mir<br />

nicht darum mit erhobenem Zeigefinger<br />

eine totale Entsagung zu propagieren,<br />

sondern mit Hausverstand ein<br />

positives Lebensgefühl zu entwickeln.<br />

Das Leben soll ja nicht nur aus Kalorienzählen<br />

und Verzicht bestehen,<br />

sondern auch Spaß machen.<br />

häusern. Sie wer<strong>den</strong><br />

von <strong>den</strong> Patienten<br />

auch stark frequentiert<br />

und bil<strong>den</strong> <strong>für</strong><br />

Ärzte, Pflegeperso- Primar oswald Mayr<br />

nal und Verwalter<br />

eine wesentliche und hilfreiche Informationsquelle.<br />

Sie können dadurch<br />

die täglichen Abläufe besser auf die<br />

Bedürfnisse der Patienten abstimmen.<br />

Radius: Welches sind die größten<br />

Probleme der Patienten, die in diesen<br />

Büros vorgetragen wer<strong>den</strong>?<br />

O. Mayr: <strong>Die</strong> Kommunikationsprobleme<br />

stehen an erster Stelle. <strong>Die</strong><br />

meisten Konflikte sind das Resultat<br />

fehlender, falscher oder unzureichender<br />

Kommunikation. <strong>Die</strong>ser<br />

Problematik folgen dann Beschwer<strong>den</strong><br />

wegen organisatorischer Mängel. <strong>Die</strong><br />

Beschwer<strong>den</strong> wegen vermeintlich<br />

unzureichender fachlicher Betreuung<br />

hingegen gehen immer stärker zurück.<br />

Radius: Qualitätsmanagement im<br />

Sanitätswesen: Wo gibt es problematische<br />

Situationen, wie möchte man<br />

die Probleme lösen?<br />

O. Mayr: In der Verwirklichung<br />

der „klinischen Reform“ ist neben der<br />

Radius 02/2007 27<br />

I N T e R V I e W

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