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Heinrich Vieker verabschiedet sich nach 21 Jahren aus Bürgermeister-Amt in Espelkamp

„Eine Wechselstimmung hat es nie gegeben“

Heinrich Vieker (65) hat Espelkamper

Stadtgeschichte

geschrieben. Seit 21 Jahren

– länger als Angela Merkel

Bundeskanzlerin ist - trägt der

gebürtige Isenstedter und gelernte

Bauingenieur die hiesige

Amtskette, solange wie kein

anderer Bürgermeister unserer

Stadt vor ihm. Dass auch dieses

Interview mit den „Espelkamper

Nachrichten“ – trotz des langen

gegenseitigen Sich-Kennens –

spannend und aufschlussreich

wurde – war kaum anders zu

erwarten. Heinrich Vieker blickte

dabei gern zurück, aber auch

schon mal voraus. Da wo es Lob

für ihn gibt, nimmt er dies wohl

dankbar an, um aber im selben

Atemzug das „gesamte Team im

Espelkamper Rathaus darin mit

einzubeziehen“. Auch die Frage,

ob er mal eine Niederlage empfunden

hat - zwischen 1999 und

heute – wird im nachfolgenden

Gespräch geklärt:

Wann ganz genau wird Ihre

Amtszeit enden?

Am 31. Oktober um 24 Uhr.

Das ist ein Samstag - und wie

es bisher aussieht, sollte dieser

terminfrei bleiben. Dafür steht

für den 30.10. noch einiges im

Kalender.

Auch eine betriebsinterne Verabschiedung

im Rathaus?

So etwas könnte am 30. Oktober

auf mich zukommen. Aber ich

weiß von nix…

Auf jeden Fall gibt es am 16. Oktober

einen Empfang durch die

Stadt Espelkamp für geladene

Gäste im Saal des Bürgerhauses,

nicht wahr?

Ja, das stimmt. Ursprünglich

dachten wir, eine offizielle Verabschiedung

im Rahmen des

City-Fest-Schinkenfrühstücks sei

eine praktikable Lösung. Aber

da hat uns Corona ausgebremst.

Hatten Sie nach Ihrer ersten

Wahl ins Amt im Herbst 1999

damit gerechnet, so viele Jahre

Bürgermeister bleiben zu dürfen?

Keineswegs. Zumal die 1999-er

Kommunalwahl in NRW von einem

Positiv-Trend für die CDU

geprägt war. Im Kreis Minden-

Lübbecke gab es danach nur

noch zwei „rote“, aber neun

„schwarze“ Rathäuser, um es

mal salopp auszudrücken. Damals

herrschte Gegenwind für

Rot-Grün im Bund – das war

dann auch allgemeine Tendenz

auf den Stimmzetteln.

Waren Sie jeweils am Tag ihrer

dreimaligen Wiederwahlen arg

nervös, es könnte unbefriedigend

für Sie ausgehen?

Ich war stets angespannt. Eine

Wechselstimmung hat es aber

nie gegeben.

Es mag kein leichtes Unterfangen

sein und mag Fragment

bleiben, aber schildern Sie doch

den Verlauf der Espelkamper

Stadtgeschichte unter Ihrer Rathaus-Führung

so kurz wie möglich,

bitte!

Zahlreiche Geschäfte in der Breslauer

Straße mussten um die

Jahrtausendwende aufgeben.

Das war mehr als bedauerlich.

Mit den zweimaligen Großevents

unter dem Motto „Ab in

die Mitte!“ 2002 und 2003 steuerten

wir gegen. Für „Brot und

Spiele“ zu sorgen, so habe ich

das damals intern gern benannt.

„Espelkamp is(s)t fantastisch“

gehörte als Veranstaltung auch

da mit hinein. Anfang der Nuller-

Jahre stand nur ein Baukran in

unserer Stadt, und zwar am neuen

„Hexenhaus“ am Schweidnitzer

Weg. Gemeinsam mit der

Aufbaugemeinschaft planten

wir aber die „Neue Mitte“, 2004

begannen die Abbrucharbeiten

bei einem großen Teil der 50-er-

Jahre-Bauten im Südosten der

Breslauer. Trotz der jetzt 2020

weiter ungelösten Situation am

Standort des ehemaligen „Combi“,

haben wir hier der Stadt an

in diesem Bereich und darüber

hinaus viel neues Leben eingehaucht.

Damals – also 2004/05

– war es wichtig, neue Perspektiven

aufzuzeigen. Die Aufenthaltsqualität

hat sich stark verbessert.

Bis 2007 waren wir noch

in der Haushaltssicherung. Bis

2007 verloren wir zudem noch

im Schnitt 700 Einwohner pro

Jahr. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen

Arbeitsplätze

ist von damals rund 8.500 auf

heute mehr als 12.000 gestiegen.

Und wo Arbeit ist, möchten die

Menschen auch mit ihren Familien

wohnen, Eigentum bilden.

Dies gilt nicht nur für unsere

Kernstadt. Auch in Gestringen,

Isenstedt und Fabbenstedt wurden

zuletzt und werden immer

noch Häuser hochgezogen. Diese

positiven Nachrichten resultieren

selbstverständlich nicht

allein aus richtigen Entscheidungen

von Politik und Verwaltung

hier in Espelkamp. Aber einen

erheblichen Teil dazu beigetragen

haben wir sicherlich.

Veränderungen in der Verwaltungsarbeit

wurden vorgenommen…

Aus den Ämtern wurden Fachbereiche.

Wir wurden kundenorientierter,

auch mit der Einrichtung

eines Bürgerbüros im

Erdgeschoss des Rathauses. Das

ist allerdings in Verwaltungen

andernorts recht ähnlich passiert.

Die Entwicklung geht weiter,

die Digitalisierung wird dafür

sorgen, dass mehr und mehr

die Bürgerinnen und Bürger von

zuhause am Computer aus – im

Dialog mit dem Rathaus – Behördliches

erledigen, ohne vor

Ort sein zu müssen.

Wenn wir über Wahlsiege und

wirtschaftliche Erfolge während

Ihrer Amtszeit sprechen, so sollte

nicht außer Acht bleiben: Bei

der Abstimmung über die mögliche

Schließung des Grundschul-

Schulstandortes Isenstedt Ende

2015 haben Sie und Ihre Partei

eine Niederlage einstecken müssen,

oder?

Die CDU hat durchgesetzt, dass

es in dieser Frage einen Ratsbürgerentscheid

gegeben hat.

Da ging es für uns nicht ums

Gewinnen oder Verlieren. Wir

haben bewusst die Entscheidung

in dieser Frage den Bürgerinnen

und Bürgern überlassen. Nach

dem Ergebnis für den Erhalt des

Schulstandortes in Isenstedt war

die Sache somit klar.

In ihre Amtszeit – es war im

Spätsommer 2005 – fiel auch

der Großbrand des damaligen

Stanger-Gebäudes im Industriegebiet

Nord…

Wo wir allesamt unendliches

Glück gehabt haben, dass kein

Mensch ernsthaft Schaden genommen

hat. Ich erinnere mich

an den weiteren Verlauf des

Tages, wo sich auch bei mir ein

großes Gefühl der Dankbarkeit

darüber breit gemacht hat.

Bei den Stichworten Großereignis

und Dankbarkeit: Zum 30.

Jahrestag der Wiedervereinigung

geht der Blick jetzt Anfang

Oktober 2020 auch zurück auf

den Mauerfall. Wie haben Sie

diesen eigentlich erlebt? Abends

noch – oder erst am nächsten

Morgen?

In den Spätnachrichten im Fernsehen.

Und ich bin dann auch

noch länger aufgeblieben, weil

die Bilder aus Berlin so unfassbar

schön waren. Eine unendlich

emotionale Geschichte. Deutschland

in zwei Teilen – das schien ja

auf ewig so festgelegt zu sein…

Ihr Sohn Henning folgt Ihnen im

Amt des Espelkamper Bürgermeisters.

Holt er sich von Ihnen

jetzt den ein oder anderen Tipp?

Wir reden darüber, was auf ihn

zukommen mag. Letztlich aber

wird Henning seinen eigenen

Weg finden müssen. Ich bin mir

sicher, dass ihm das gelingt.

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