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Wirtschaft in Sachsen Sommer 2020

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WIRTSCHAFT IN SACHSEN | ENTSCHEIDER &KARRIERE<br />

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04<br />

●<br />

„Auch wir werden digitaler“<br />

Dresdens Sparkassenchef Joachim Hoof sagt, was die Bank aus der Krise gelernt hat.<br />

?<br />

Herr Hoof, zuBeg<strong>in</strong>n der Krise<br />

haben Sie gesagt, e<strong>in</strong>e seriöse<br />

Prognose für die wirtschaftliche<br />

Entwicklung <strong>in</strong> Ostsachsen sei für dieses<br />

Jahr nicht möglich. Sehen Sie nun<br />

klarer?<br />

Aus Gesprächen mit Firmenkunden weiß<br />

ich, dass wir zurück s<strong>in</strong>d zum „sächsischen<br />

Tun“. Der Sachse möchte etwas<br />

tun. E<strong>in</strong>ige Unternehmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

Startblöcken, andere haben schon die<br />

ersten Meter h<strong>in</strong>ter sich, unddie meisten<br />

nehmen die Herausforderung sehr gut<br />

an. Handwerker, Unternehmer s<strong>in</strong>d zuversichtlich,<br />

aber sie sagen auch: Man<br />

muss uns e<strong>in</strong>fach mal arbeiten lassen.<br />

Die <strong>Wirtschaft</strong>lechzt nach Lockerungen.<br />

?<br />

Aber die Krise ist trotzdem nicht<br />

zu übersehen, oder?<br />

E<strong>in</strong>e Bank kann Krisen immer am<br />

besten daran feststellen, dass Liquidität<br />

nicht mehr daist. Aber damuss man der<br />

Politik e<strong>in</strong> Riesenkompliment machen,<br />

sie hat sehr,sehr schnell reagiertund Milliarden<br />

auf Bundes- und Landesebene zur<br />

Verfügung gestellt. Unsere Kunden s<strong>in</strong>d<br />

liquiditätsmäßig hervorragend ausgestattet.<br />

Trotzdem werden wir Schleifspuren<br />

<strong>in</strong> derwirtschaftlichen Entwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Unternehmen haben und wir werden<br />

Bremsspuren <strong>in</strong>unserer Sparkassen-<br />

Bilanz sehen. Frühestens imSeptember,<br />

Oktober werden wir seriös sagen können,was<br />

da rauskommt.<br />

?<br />

Gibt es Unterschiede zwischen<br />

der Krisenfestigkeit der <strong>Wirtschaft</strong><strong>in</strong>Ost<br />

undWest?<br />

Ich b<strong>in</strong>froh, hier <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong> zu se<strong>in</strong>,weil<br />

das Unternehmertum, etwas anzupacken<br />

und nach vorne zubr<strong>in</strong>gen, hier sehr,<br />

sehr stark ausgeprägt ist. Wir haben den<br />

Vorteil, wirs<strong>in</strong>d nicht nur<strong>in</strong>der Automobil<strong>in</strong>dustrie<br />

verhaftet. Wir s<strong>in</strong>d hier breiter<br />

aufgestellt und deshalb kommen wir<br />

sehrgut ausden Startblöcken heraus.<br />

?<br />

Sie versprühen Optimismus. Befürchten<br />

Sienicht,dassetliche FirmenInsolvenzanmelden<br />

müssen?<br />

Die Politik hat gesagt: Wir werden allen<br />

oder zum<strong>in</strong>dest vielen helfen. Wir werden<br />

die e<strong>in</strong>e oder andere Insolvenz sehen,<br />

aber ich erwarte ke<strong>in</strong>e riesige Insolvenzwelle.<br />

Richtig ist, denen zuhelfen,<br />

die erst durch Corona <strong>in</strong> Schwierigkeiten<br />

gekommens<strong>in</strong>d.<br />

?<br />

Hat die Ostsächsische Sparkasse<br />

Dresden ihre Ertragsprognose<br />

angepasst und was bedeutet das<br />

für die Kunden?<br />

Der Vorstandsvorsitzenede der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, Joachim Hoof. „Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong> breiter aufgestellt<br />

als etwa Baden-Württemberg.“<br />

Foto: Sven Ellger<br />

Wirhaben dieguteErtragslage<strong>in</strong>den letzten<br />

Jahren genutzt, umReserven zu bilden.Das<br />

haben nichtnur wirgemacht, das<br />

hat die ganze sächsische Industrie getan,<br />

als Lehre aus der F<strong>in</strong>anzkrise 2008/2009.<br />

Die Eigenkapitalbildung hat sich seitdem<br />

um 10 bis 15 Prozentpunkte verbessert.<br />

Wir s<strong>in</strong>d als Sparkasse <strong>in</strong> der Lage, als verlässlicher<br />

Partner zur Verfügung zu stehen,<br />

und unsere Kunden brauchen ke<strong>in</strong>e<br />

Sorgen zu haben. Man wirft Banken gern<br />

vor, es würden Regenschirme verteilt,<br />

wenn die Sonne sche<strong>in</strong>t, und wenn es regnet,<br />

werdendie wieder e<strong>in</strong>gesammelt.Wir<br />

werden aber die Regenschirme auch draußenhaben,wennesregnensollte.<br />

?<br />

Ist das e<strong>in</strong>e gute Nachricht auch<br />

für Vere<strong>in</strong>e, Sportler, Kulturschaffende,<br />

die von der Sparkasse über<br />

Jahre h<strong>in</strong>weg unterstützt wurden?<br />

Glücklicherweise haben wir e<strong>in</strong>en Verwaltungsrat,<br />

der sehr <strong>in</strong>teressiert ist, dass<br />

es der Region weiterh<strong>in</strong> vernünftig geht.<br />

Nicht dieAusschüttungist hier dasWichtige,sondern<br />

dass die Sparkasse ihren Geme<strong>in</strong>nützigkeitsgedanken<br />

weiter nach<br />

vorn br<strong>in</strong>gen kann. Deshalb haben wir<br />

gerade jetzt vielen Vere<strong>in</strong>en Signale gesendet:<br />

Wir verlängern entweder de<strong>in</strong>en<br />

Vertrag sofort für das nächste Jahr oder<br />

sogar für die nächsten drei Jahre.<br />

?<br />

Für Sparer war es wegen der<br />

Nullz<strong>in</strong>spolitik der EZB schon<br />

vor Corona nicht leicht. Risikofreie<br />

Anlagen br<strong>in</strong>gen ke<strong>in</strong>en Ertrag.<br />

Wächstjetzt die Risikobereitschaft?<br />

Der Sachse ist äußerst sicherheitsorientiert.<br />

Aber viele sagen nun: Wir müssen<br />

auchdie Chancen sehen, die sich auf den<br />

Kapital- undden Wertpapiermärkten entwickeln<br />

können. Gerade die fallenden<br />

Kurse machen es für viele <strong>in</strong>teressant,<br />

nachzukaufen. ImMärz und April haben<br />

wir 5.000 Gespräche zu diesen Themen<br />

geführt. DieFaustregellautet: Dernormale<br />

Kunde legt 75 Prozent se<strong>in</strong>es Vermö-<br />

gens sicher <strong>in</strong> Bankproduktenan–natürlich<br />

ist die Verz<strong>in</strong>sung hier um die null<br />

Prozent –und mit e<strong>in</strong>em Viertel geht er<br />

<strong>in</strong> die Wertpapiermärktere<strong>in</strong>.<br />

?<br />

Dabei wächst gerade der Druck<br />

auf Ihr Haus, Negativz<strong>in</strong>sen zu<br />

verlangen. Die Barreserve der<br />

Sparkasse ist b<strong>in</strong>nen Jahresfrist um<br />

mehr als 300 Millionen Euro auf 1,3<br />

Milliarden Euro angewachsen ...<br />

Wir haben e<strong>in</strong> hervorragendes Kreditgeschäft,<br />

unddas ermöglicht es uns, bei unseren<br />

langjährigen, treuen Kunden derzeit<br />

den Z<strong>in</strong>ssatz bei null Prozent zubelassen<br />

und ke<strong>in</strong>e Negativz<strong>in</strong>sen zu verlangen.<br />

Aber ich kannnatürlich ke<strong>in</strong>e Garantie<br />

für die Ewigkeit geben. Das gute<br />

Kreditgeschäft haben wir nicht nur auf<br />

der Firmenseite, sondern auch auf der<br />

privaten Seite, das s<strong>in</strong>d zwei stabile Säulen.<br />

Während andere nurdas Firmenkunden-<br />

oder das Privatkundengeschäft betreiben,<br />

habenwir zumGlück beides.<br />

?<br />

Acht Prozent Ihrer Firmenkunden<br />

haben sich zu Corona<br />

beraten lassen, fünf Prozent haben<br />

Hilfe erhalten. Ist das viel oder<br />

wenig?<br />

Viele s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, dank der gebildeten<br />

Reserven mal vier, acht oder zwölf<br />

Wochen auch zuüberbrücken. Deshalb<br />

ist es verständlich, dass nicht alle sofort<br />

zur Sparkasse g<strong>in</strong>gen. Sie hätten zwar e<strong>in</strong>en<br />

Kreditbekommen, aberfür dieBranchen,<br />

die sofort betroffen waren, waren<br />

Zuschüsse wichtiger. Deshalb haben sich<br />

viele an die Sächsische Aufbaubank gewandt.<br />

In unserem Haus war das Mittel<br />

Tilgungsaussetzung stärker nachgefragt<br />

als Hilfskredite.<br />

?<br />

Viele Sparkassen-Filialen wurden<br />

wegen Coronazunächst geschlossen.<br />

Wieist der aktuelle Stand?<br />

Anfangs hatten wir 29 Filialen geöffnet,<br />

dann s<strong>in</strong>d wir auf 50 gegangen. Anfang<br />

Juni haben wir weitere 22 Filialen geöffnet.<br />

Mit diesen 72 Filialen erreichen wir<br />

96 Prozent aller Kunden. Für die Differenz<br />

von 4Prozent gleichen wir das mit<br />

der mobilen Filiale aus, wir werden die<br />

Frequenzenetwas erhöhen.<br />

?<br />

Gibt es e<strong>in</strong>en Plan,wanndie restlichen<br />

30 kle<strong>in</strong>en Filialen im<br />

ländlichen Bereich wieder ans<br />

Netz gehen oder will manvielleicht bei<br />

der mobilen Lösung bleiben?<br />

Natürlich versuchen wir, so viele Filialen<br />

wie möglich zusätzlich ans Netz zubr<strong>in</strong>gen,<br />

aberich brauche e<strong>in</strong>e gewisse Reserve<br />

auch beim Personal. Wir würden gern<br />

<strong>in</strong> denSeptember,Oktober kommen, um<br />

e<strong>in</strong>e vernünftige Aussage zudiesem Thema<br />

zu treffen.<br />

?<br />

Wie wird Corona die Sparkasse<br />

mittelfristigverändern?<br />

Die Deutschen lieben ihr Bargeld<br />

über alles,verlierenaber jetztetwas diese<br />

Liebe. Wirsehen, dass dieBargeldhaltung<br />

ungefähr um30Prozent zurückgeht, viele<br />

bezahlen bargeld- oder sogar kontaktlos.<br />

Und das betrifft nicht nur die Jüngeren,<br />

gerade durch Corona sagen sich<br />

auch viele über 70: Ich probiere es e<strong>in</strong>fachmal<br />

aus.<br />

Aber auch wir als Sparkasse werden<br />

digitaler. Wir haben den Anteil der Kollegen,<br />

die Homeoffice machen können,<br />

von 10auf m<strong>in</strong>destens 20 Prozent verdoppelt.<br />

Wir können uns vorstellen, dass<br />

wir das e<strong>in</strong>e oder andere davon auch <strong>in</strong><br />

Zukunft nutzen werden.<br />

Gespräch: Domokos Szabó<br />

„Epilepsie muss aus<br />

der Tabuzone heraus“<br />

Zwölf JahrelanglenkteMart<strong>in</strong>Wallmanndie<br />

Geschicke im Epilepsiezentrum Kle<strong>in</strong>wachau.<br />

Jetztgehter<strong>in</strong>den Ruhestand.<br />

Von Jens Fritzsche<br />

D<br />

ieses Bonmot lässtihn schmunzeln:<br />

Mart<strong>in</strong> Wallmann, soheißt es zwischen<br />

Dresden und Radeberg, werde von<br />

den meisten eigentlich nur erkannt,<br />

wenn er e<strong>in</strong>en Bauhelm trägt. Mart<strong>in</strong><br />

Wallmann, seit gutzwölf JahrenDirektor<br />

des Epilepsiezentrums Kle<strong>in</strong>wachau im<br />

Radeberger Ortsteil Liegau-Augustusbad,<br />

ist tatsächlich auf den meisten Pressefo-<br />

tos mit Bauhelm zu sehen. Schließlich<br />

wurde und wird hier eigentlich immer<br />

gebaut. E<strong>in</strong>en mittleren dreistelligen Millionen-Betrag<br />

–zugroßen Teilen Fördermittel<br />

–hat er mit den Jahren sozusagen<br />

verbaut. „Gut angelegtes Geld“, sagt er.<br />

Projekte für Menschen mit schwersten<br />

Beh<strong>in</strong>derungenund Epilepsie nämlich.<br />

Jüngste Investition waren fünf Millionen<br />

Euro für den Neubau amneurologischen<br />

Krankenhaus –e<strong>in</strong>es der modernsten<br />

Spezialkrankenhäuser Deutschlands.<br />

E<strong>in</strong>es, <strong>in</strong> dem Wege gefundenwurden, e<strong>in</strong>e<br />

verme<strong>in</strong>tlich unheilbare Krankheit <strong>in</strong><br />

etlichenFällenheilenzukönnen.<br />

Auch das ist mit dem Namen Mart<strong>in</strong><br />

Wallmann verbunden, der im Oktober<br />

dieKapitänsbrücke auf dem„SchiffKle<strong>in</strong>wachau“<br />

verlassen wird. Damit geht e<strong>in</strong><br />

wichtiger „Strippenzieher“, e<strong>in</strong> Visionär<br />

Mart<strong>in</strong> Wallmann –seit<br />

zwölf Jahren Geschäftsführer<br />

des Epilepsiezentrums<br />

Kle<strong>in</strong>wachau –wird im<br />

Oktober <strong>in</strong>den Ruhestand<br />

gehen. Jetzt steht fest, dass<br />

er se<strong>in</strong> Amt anSandra<br />

Stöhr übergeben wird, die<br />

bisher für die F<strong>in</strong>anzen der<br />

E<strong>in</strong>richtung zuständig<br />

war. Foto:Alexander Nuck<br />

und nicht zuletzt energischer Kämpfer<br />

für das Thema Inklusion. E<strong>in</strong>e Mauer<br />

rund um die „Anstalt“, wie zu Wallmanns<br />

Start im Februar 2008 noch immer<br />

viele das Epilepsiezentrum nannten,<br />

gab eszwar nicht mehr. Aber sie stand<br />

dennoch irgendwie. Und es waren genau<br />

diese Mauern <strong>in</strong>Köpfen und der Gesellschaft,<br />

die er <strong>in</strong> den vergangenen zwölf<br />

Jahren e<strong>in</strong>reißen wollte. Und es erfolgreich<br />

tat. Mit Außenwohnanlagen zum<br />

Beispiel, <strong>in</strong> denen die Patienten Kle<strong>in</strong>wachaus<br />

nun <strong>in</strong> Radeberg, Liegau und auch<br />

Dresden leben. „Unsere Leute gehören<br />

längst ganz selbstverständlich dazu, auch<br />

zum Stadtbild!“ Und überhaupt hat er –<br />

nicht zuletzt geme<strong>in</strong>sam mit dem Kle<strong>in</strong>wachauer<br />

Chefarzt Dr. Thomas Mayer –<br />

dafür gesorgt, dass Epilepsie aus der gesellschaftlichen<br />

Tabu-Zone geholt wurde.<br />

Epilepsie kann jeden treffen, Betroffene<br />

s<strong>in</strong>d Teil der Gesellschaft, sodas Credo.<br />

Nicht ohne Grund hat Mart<strong>in</strong> Wallmann<br />

vor zwei Jahren den Sächsischen Inklusionspreis<br />

bekommen.<br />

Se<strong>in</strong>e Nachfolger<strong>in</strong> wurde jetzt vorgestellt:<br />

Sandra Stöhr, <strong>in</strong>Kle<strong>in</strong>wachau bisherfür<br />

dieF<strong>in</strong>anzenzuständig.„Visionen<br />

bleiben wichtig, aber das Thema Geld<br />

wird künftig e<strong>in</strong>e immer dom<strong>in</strong>antere<br />

Rolle im Bereich Gesundheit und Pflege<br />

spielen“, weiß Mart<strong>in</strong> Wallmann. Auch<br />

deshalbsei dieWahlperfekt, f<strong>in</strong>deter.

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