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Wein ist im Kern ein konservatives Geschäft. Viele Winzer schauen mit Skepsis,<br />
manchmal Abscheu auf neue Wein-Ideen abseits der Tradition. Sie fragen: »Warum<br />
soll ich das machen?« Die rheinhessische Winzerin Katharina Wechsler aus Westhofen<br />
antwortet mit einer Gegenfrage: »Und warum soll ich das nicht machen?«<br />
Die Quereinsteigerin aus Westhofen war lange weg. Sie<br />
hatte mit dem Leben in dem kleinen Weinort, der harten<br />
Arbeit der Eltern in ihrem großen Landwirtschaftsbetrieb<br />
samt Most- und Fassweinproduktion mit 19 Jahren<br />
abgeschlossen. Wechsler hatte Sozialwissenschaften in Stuttgart,<br />
ein Jahr lang französische Literatur an der Sorbonne in Paris<br />
studiert und war später in Berlin gelandet. Dort arbeitete sie<br />
als TV-Redakteurin für »Sat1 am Mittag« und später für Infotainment-Sendungen,<br />
die auf RTL, Pro7 und Sat1 liefen.<br />
Heute bewirtschaftet sie 18 ha Weinberge rund um Westhofen<br />
etwa in den Spitzenlagen Kirchspiel, Morstein sowie<br />
ihrer Monopollage Benn. Ab 2021 werden sie biozertifiziert<br />
sein. Wechsler lebt und arbeitet nun dort, wo sie als Teenager<br />
die Hilfe im Betrieb konsequent verweigert hatte: Im Gut der<br />
Eltern. 2009 hat sie ihren ersten Jahrgang produziert, 2017 den<br />
Betrieb übernommen. Davon sind nur die Weinberge sowie das<br />
Anwesen mit Wohnhäusern, riesigen Scheunen und Garten<br />
geblieben. Denn Katharina Wechsler hat das getan, wovon alle<br />
in Berlin reden: Sie hat ihr Ding gemacht.<br />
Als sie zurück nach Westhofen zog, wusste sie, was sie<br />
wollte: Den Betrieb zum Weingut mit Anspruch verwandeln.<br />
»Ich war viel mehr von Rheinhessen geprägt, als ich mir in Berlin<br />
zugestehen wollte«, erzählt sie. Doch wie Weinproduktion<br />
funktioniert, davon hatte sie zunächst keine Ahnung. Schließlich<br />
fand sie zwei Spitzenwinzer, die es ihr auf höchstem Niveau vermittelten:<br />
Ein Jahr lernte sie im rheinhessischen VDP-Weingut<br />
Gutzler bei Seniorchef Gerhard Gutzler, ein weiteres Jahr verbrachte<br />
sie bei Deutschlands renommiertestem Riesling-<br />
Spezialisten: Bei Klaus-Peter Keller. Danach absolvierte sie<br />
parallel zum Betriebsumbau eine Ausbildung zur Wirtschafterin<br />
für Weinbau und Önologie in Oppenheim.<br />
Nach dem Start als Jungwinzerin vertraute sie oft auf ihr<br />
Bauchgefühl. So schuf sie Weine, über die Traditionswinzer<br />
nur den Kopf schütteln würden. Sie fand in den Weinbergen<br />
der Eltern einige Parzellen mit Huxelrebe – eine Sorte, die<br />
längst überall verschwindet. Doch statt die Stöcke herauszureißen,<br />
erfand sie »Fräulein Hu«, einen lässigen, jahrgangslosen<br />
Easy-Drinking-Perlwein für Clubs und Bars. Inzwischen<br />
ist er ihr meistverkaufter Wein. Den ungefilterten und nicht<br />
geschwefelten, elegant-kraftvollen Natur-Rosé aus Pinot Noir<br />
hat sie als »Sexy MF« in ihre Liste geschrieben. Es ist der Name<br />
eines Songs des 2016 verstorbenen Popstars Prince. »Ich habe<br />
diesen Song 1993 auf einer CD mit ›Bravo Hits‹ zum ersten<br />
Mal gehört, der hat mich umgehauen«, erinnert sie sich. Mit<br />
»MF« hat Prince das Schimpfwort »motherfucker« gemeint,<br />
für Katharina Wechsler steht es für Mariafelder – der Name<br />
des Klons ihrer Pinot Noir-Rebstöcke.<br />
Andererseits arbeitet sie mit ihren Lagenweinen sehr<br />
klassisch nach dem Herkunftsprinzip. So stammen die Trauben<br />
ihres Westhofener Silvaner Alte Reben von über 50 Jahre alten<br />
Rebstöcken, die von einer Sandsteinmauer eingefasst sind. »Die<br />
Hitze dort ist im Sommer brutal, die Stöcke müssen ums Überleben<br />
kämpfen, der Ertrag ist minimal«, berichtet sie. Dem Most<br />
gibt sie 24 Stunden Maischestandzeit und lässt ihn spontan vergären.<br />
So entsteht ein Silvaner mit Kraft und Würze, Cremigkeit<br />
und Eleganz. Genau das spiegelt den Charakter dieser<br />
Rebsorte in Rheinhessen wider. »Ich lasse mich auf nichts<br />
festlegen«, betont Katharina Wechsler, »aber eins weiß ich<br />
sicher: An diesem wunderbaren Terroir werde ich mich den<br />
Rest meines Lebens abarbeiten.«<br />
KATHARINA WECHSLER<br />
QUALITÄT STATT<br />
KONVENTIONEN<br />
Von UWE KAUSS<br />
` Der Wein<br />
2018 Westhofener Alte Reben Sylvaner<br />
Nach 24 Stunden Maischestandzeit werden die Trauben<br />
spontan vergoren. Schon in der Nase Mineralität pur! Dazu eine<br />
komplexe Cremigkeit und Eleganz vom Hefelager. In der Nase<br />
typisch Aromen von Kräutern und Heu, dazu eine angenehme<br />
Würze und straffe Mineralität. Im Abgang mit Säure und Grip.<br />
Schmeckt zu asiatischen Gerichten, Brotzeit, Kürbissuppe<br />
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